Entrümple deinen Geist - Anselm Bilgri - E-Book

Entrümple deinen Geist E-Book

Anselm Bilgri

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Beschreibung

Wie kann man in einer hektischen Welt zu sich selbst und damit auch zu anderen finden? Bestsellerautor Anselm Bilgri gibt uns eine Art Navigationssystem an die Hand, mit dem wir all das hinter uns lassen können, was den Blick auf das Wesentliche verstellt. Ein nützliches Brevier zur Bewältigung des Alltags. Entrümple deinen Geist von Anselm Bilgri: als eBook erhältlich!

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Anselm Bilgri

Entrümple deinen Geist

Wie man zum Wesentlichen vordringt

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

EinleitungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Literatur und Quellen
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Einleitung

Glaubt man den Medienberichten über den Büchermarkt, so haben Ratgeber und praktische Lebenshilfebücher Konjunktur. Warum also noch ein Buch zu diesem reichlich beackerten Feld? Noch dazu mit dem zugegebenermaßen zwar Interesse weckenden, aber dennoch etwas sperrigen Titel Entrümple deinen Geist? Neben der Tatsache, dass mich Hans Christian Meiser dazu angeregt hat, dieses Buch zu schreiben, wofür ich ihm hiermit danke, war es das Thema, das mich schon seit Jahren beschäftigt hat. In meiner über fünfundzwanzigjährigen Tätigkeit als Seelsorger und Prediger hat es mich immer weniger in Ruhe gelassen, dass gerade die christliche Religion, die unsere europäische Kultur hauptsächlich geprägt hat, mehr und mehr als Belastung denn als Hilfe für das Leben angesehen wurde.

Ich habe es als beschämend empfunden, wenn bei Gesprächen und Diskussionen immer wieder die sattsam bekannten Vorwürfe erhoben wurden, das Bodenpersonal des lieben Gottes komme vorzugsweise mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Menschen zu – wenn es überhaupt noch auf Menschen zugehe. Vor allem die moralischen Imperative »Du sollst!« beziehungsweise »Du musst!«, »Du darfst nicht!« erwiesen sich neben rein rationalen, sogenannten wissenschaftlichen Argumenten als die Haupthindernisse für einen vorurteilsfreien Zugang zum Wesen des Christentums.

Eugen Biser, einer der anregendsten Theologen unserer Tage, weist immer wieder auf dieses Missverständnis hin, wenn er sagt, das Christentum sei im Gegensatz zum Judentum und zum Islam keine moralische, sondern eine therapeutische Religion. Damit stößt er sozusagen in unser Horn. Was Jesus sagt und tut, seine Verkündigung und seine Handlungen, sind vor allem Therapie, sie sind heilend, das heißt, sie entlasten und befreien, sie entrümpeln Geist und Seele. Sie sind vor allem auf ein sinnvolles und erfülltes Leben ausgerichtet, sie sind echte Lebenshilfe, um in unserer Sphäre zu bleiben. Der Jesus des Johannesevangeliums drückt dies mit dem kurzen und eindrücklichen Wort aus: »Ich will, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben.« (Johannes 10,10) Es geht ihm also um ein »Leben in Fülle«, ein erfülltes Leben. Damit reiht er sich ein in die große Tradition aller Denker und Helfer der Menschheit, die den Menschen dabei die Hand reichen wollen, die Glückseligkeit, die »eudaimonia«, durch rechtes Denken, Fühlen und Handeln zu erlangen – vor allem in Bezug zur unbelebten und belebten Umwelt, in den sozialen Bezügen zu den Mitmenschen und im Verhältnis zur Transzendenz, zum Göttlichen.

Dieser Eudämonismus, die Hochschätzung der Glückseligkeit, und die Lehre über den rechten Weg zu ihr, sie sind es, die ich mit diesem Buch als einen Teil unserer Kultur und Tradition wiederzuentdecken helfen möchte. Es geht hier also nicht vorrangig um eine Apologie des Christentums, um seine Verteidigung – das hat es auch gar nicht nötig –, sondern um einen neuen Zugang (unter vielen möglichen!) zu dieser Religion, der ihren »Anwendernutzen« für Menschen unserer Tage aufzeigen will, um es einmal mit einem wirtschaftlich-technischen Begriff auszudrücken. Dabei kann ich auf eine lange Überlieferung zurückgreifen, die Ähnliches immer wieder einmal auch schon früher unternommen hatte. Dreißig Jahre lang hatte ich Gelegenheit, eines dieser »Rezeptbücher« für das gelingende Zusammenleben im Geist des Christentums sozusagen am eigenen Leib auszuprobieren, nämlich die Klosterregel des Benedikt von Nursia[1].

Er hat für Mönche, die »unter Regel und Abt« – das heißt, modern gesprochen, mit einer wert- und zielorientierten Organisations- und Führungskultur – leben und arbeiten wollen, ein bis heute flexibel einsetzbares Lebenshilfebuch geschaffen, das nach seinen eigenen Worten für jeden, »wer immer du bist«, nutzbringend angewandt werden kann. Mein Abt Odilo Lechner, den ich hier dankbar erwähnen möchte, hat mir die Augen dafür geöffnet, dass Benedikt auch ein Lehrmeister für Menschen und ihre Lebens- und Arbeitswelt außerhalb von Klostermauern sein kann.

Vielleicht wird die große Zeit dieser Regel erst in der Zukunft kommen, wenn unsere Wirtschaftswelt sich auf die notwendige »Work-Life-Balance« zurückbesinnt, die ihre Grundform schon in der alten Zusammenfassung dieser Regel in dem Motto »ora et labora« bekommen hatte. Dass die Welt der Arbeit und der Ökonomie gleichwertig mit der Welt des Geistes und der Seele ist und von dieser Balance ihre eigentliche Würde bekommt, kann in einer Zeit, in der sich diese für den modernen Menschen so wichtigen Lebensbereiche angeblich gegenseitig ausschließen, nicht oft genug betont und in Erinnerung gerufen werden. Mir selbst hat sie in achtzehn Jahren Tätigkeit als Wirtschaftsleiter im Kloster Andechs geholfen, erfolgreich zu wirtschaften, immer besser zu lernen, mit Menschen umzugehen, dabei das gemeinsame Gebet, das heißt die Erinnerung des Lebensgrundes, zu pflegen und die zur geistigen und seelischen Pause anregende »lectio divina«, die lesende Beschäftigung mit göttlichen Dingen, nicht zu vernachlässigen. Inzwischen ist es mir zum Beruf geworden, den uralten Weisheiten der Mönche Gehör zu verschaffen für ein sinnstiftendes und damit erfolgreiches Berufs- und Wirtschaftsleben in unserer als schnelllebig und hektisch verschrienen Ökonomie. Verschiedene Beispiele aus meiner Praxis als Berater von Managern und Unternehmern werden mir dabei helfen, das Empfohlene zu illustrieren.

Die Benediktsregel wird von einem benediktinischen Theologen unserer Tage sogar als ein fünftes Evangelium, nämlich das »Evangelium nach Benedikt«, bezeichnet. Sie will eigentlich nichts anderes, als das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe in einer Gemeinschaft von Menschen lebbar machen. Sie schöpft in ihren konkreten Weisungen aber nicht nur aus der Tradition der jüdisch-christlichen Bibel, sondern auch aus der Weisheit der Antike, die uns gerade in den Klosterbibliotheken des Mittelalters bewahrt wurde. Die griechisch-römische Philosophie mit ihrem Bemühen um Welterklärung und Vermittlung von Lebenwissen, dem Ideal vom »Wahren, Guten und Schönen« ist mir persönlich in den letzten Jahren immer mehr ans Herz gewachsen. Unser breitgefächerter Wissenskanon lässt sich ohne die gar nicht so bescheidenen Anfänge des abendländischen Denkens nicht begründen. Ein Philosoph des zwanzigsten Jahrhunderts meinte sinngemäß einmal, alle geäußerten und geschriebenen Gedanken seit Plato seien nichts anderes als Fußnoten zu seinem Werk. Dabei sind es besonders zwei scheinbar gegensätzliche Wege beschreitende Gestalten, die zu meiner regelmäßig benützten Lektüre gehören: zum einen Epikur, der verkannte und zu Unrecht als Hedonist gebrandmarkte »Philosoph des Gartens«, und zum anderen der Stoiker Seneca, der auch als Geschäftsmann erfolgreiche Erzieher des späteren Kaisers Nero.

Seit den Anfängen des Christentums in der Antike und in einer Verdichtung im Hochmittelalter sind es vor allem die Mystiker, die aus dem Geist der religiösen Verinnerlichung heraus neue Zugänge in Theologie und Philosophie eröffnen. Sie wollen Gott weniger denken und erklären, sondern anderen Menschen vielmehr über ihren Zugang der Erfahrung Gottes berichten und sie ermuntern, diesen Weg selbst zu gehen. Oft genug überschreiten sie damit die Grenzen des Sagbaren und geraten in die Fänge kirchlicher Orthodoxie, die mit Ängstlichkeit und Argwohn über ihre Deutungshoheit der Verkündigung Jesu wacht. Die deutsche Mystik, allen voran Meister Eckhart, ein Dominikanermönch in der Wende vom dreizehnten zum vierzehnten Jahrhundert, geht erstaunliche Wege in ihrer Gottesrede. Einem späten Schüler dieser Mystiker des Mittelalters, Angelus Silesius, dem schlesischen Konvertiten und Priester Johannes Scheffler, verdanken wir auch den Untertitel dieses Buches. In seinem Hauptwerk, dem Cherubinischen Wandersmann, das aus gereimten Aphorismen in Form von meist zweizeiligen Epigrammen besteht, schreibt er im Zweiten Buch: »Mensch werde wesentlich: denn wann die Welt vergeht/so fällt der Zufall weg, das Wesen das besteht.« Und an anderer Stelle: »Der Zufall muss hinweg und aller falscher Schein:/du musst ganz wesentlich und ungefärbet sein.«

In der barocken Sprache des Jahres 1675, in dem sein Buch erschienen ist, bedeutet das Wort Zufall vor allem das Nebensächliche, Zufällige, Unwesentliche. Und mit »ungefärbet« meint Angelus Silesius, der Mensch soll sich nicht schminken und mehr scheinen als sein wollen. Das Wesentliche besteht also in dem, was bleibt, wenn der bloße Schein der Welt vergeht, das, was den Wesenskern des Menschen ausmacht. Dieser bloße Schein ist also das, was den Blick auf das Wesentliche verstellt.

In unserer Erfahrung nehmen wir wahr, dass wir im Leben neben jenen Dingen, die uns schon an Schwierigkeiten unserer eigenen Psyche mitgegeben sind, oft genug selbst noch sehr viel Unnötiges dazustellen. Denkweisen, Ansichten, Meinungen, die wir von anderen, von den Medien, von außen vermittelt bekommen und die oft genug, ohne dass wir uns dessen bewusst sind, zu Blockaden unseres Blicks auf das Eigentliche, auf das Wesentliche werden.

Es geht im Folgenden also hauptsächlich darum, einen klaren Blick auf das eigene Denken zu bekommen. Dies unterscheidet diesen Ratgeber auch von anderen, die das sofort praktisch Anwendbare in den Vordergrund stellen. Hier sollen dagegen Impulse für ein allmähliches Umdenken gegeben werden. Dabei möchte ich den – zugegebenermaßen subjektiv ausgewählten – Bereich der religiösen, konkret christlichen und abendländisch philosophischen Denktradition als Hilfsmittel für die Gestaltung eines erfüllten und erfüllenden Lebens in der Freiheit des modernen Menschen erfahrbar machen.

Das Wort Religion bedeutet in der geläufigsten Deutung »Rückbindung«. Ich möchte vermitteln, dass die Bindung an und die Ausrichtung auf ein höheres Ziel dabei helfen können, Freiheit gegenüber den sekundären Dingen des Lebens zu gewinnen. Diese sind wichtig, schön und gut, um Lebensräume zu gestalten, aber sie sind nicht das Letzte und Wesentliche. Dahin vorzudringen mit klarem Blick und Geist, das ist unsere immer wieder zu entdeckende Aufgabe im Leben. »Handle stets so, dass dein Tun und Lassen unter dem Aspekt der Ewigkeit Bestand haben!«

Was ich in den folgenden achtzehn Kapiteln aufzuzählen versuche, ist nicht erschöpfend, kann es gar nicht sein. Es ist nicht systematisch geordnet, sondern geht mehr von der eigenen Erfahrung und meiner Lebensgeschichte aus: als Münchener Wirtssohn, Gymnasiast, Student der Philosophie und Theologie, Mönch und Seelsorger, schließlich Wirtschaftsleiter eines Klosterbetriebes und seit neuestem selbständiger Unternehmer und Berater. Meine Erfahrung ist, dass das meiste, was ich einer Führungskraft eines Wirtschaftsunternehmens oder anderer Organisationen als Hilfe für ihre Aufgabe zu vermitteln versuche, auch für fast alle anderen Lebensbereiche gilt, in denen jemand Verantwortung übernehmen muss. Das Beispiel der Hausfrau und Mutter, die in einem gelungenen Werbespot stolz erzählt, dass sie ein kleines Familienunternehmen leitet, mag dafür genügen.

Am Ende eines jeden Kapitels wird das Thema in kurzen Imperativen wiederholt und noch einmal an den Grundappell erinnert, dass es darum geht, zum Wesentlichen vorzudringen. Dies geschieht mit einem Bild aus unserer alltäglichen Erfahrungswelt, dem Entfernen von Gerümpel, das sich vorzugsweise in den Speicher- und Kellerräumen, aber auch als Nippes im aktuellen Lebensraum ansammelt und nicht entsorgt wird, aber uns ständig das Gefühl vermittelt, dass wir etwas Belastendes und Unnötiges herumstehen haben. Ich weiß von einem Benediktinerkloster in Frankreich, in dem die Mönche alljährlich ihre Zellen wechseln müssen, einfach um sich immer wieder vom unnötigen Kleinkram, den jeder Mensch mit sich rumschleppt, trennen zu können. Eine andere Geschichte erzählt von einem mittelalterlichen Franziskanerbruder, der mit einer Harke im Garten arbeitet. Aus dem Fenster im ersten Stock ruft ihm sein Oberer zu, er sei in ein anderes Kloster versetzt worden. Der Gärtnerbruder stellt die Harke wortlos in die Ecke und macht sich fröhlich und ohne zu zögern auf den Weg zu seinem neuen Bestimmungsort.

Haben wir nicht alle die Sehnsucht in uns, so frei von allen Bindungen zu sein? Es wird sich nicht radikal verwirklichen lassen, aber uns immer wieder mal mit dem Entrümpeln, sozusagen mit dem Frühjahrs- oder Herbstputz unseres Geistes zu befassen, wird sicher guttun. Mit dem Wort des großen Mystikers Bernhard von Clairvaux: »Ich sage nicht, tu das immer! Ich sage nicht, tu das oft! Aber tu es immer wieder einmal!«

 

München, im März 2007

 

Anselm Bilgri

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Kapitel 1

Erkenne, wo du bist

Jemand erzählte mir eine schöne Geschichte, von der ich nicht weiß, ob sie wahr ist. Wenn nicht, ist sie gut erfunden. Der Häuptling eines Indianerstammes aus einem Reservat wurde zu einer Besprechung zum Präsidenten der USA ins Weiße Haus eingeladen. Zum ersten Mal in seinem Leben bestieg er ein Flugzeug. Als er in Washington die Maschine verließ, setzte er sich am Rand des Rollfelds nieder und blieb einfach sitzen. Als man ihn fragte, was das zu bedeuten habe, antwortete er, er warte, bis seine Seele nachgekommen sei.

Diese Geschichte ist deshalb besonders lehrreich, weil sie die beiden Aspekte Raum und Zeit vereint. Zuallererst macht jeder Mensch an den Koordinaten von Zeit und Raum den Standort fest, an dem er sich gerade aufhält. Die heutige Situation scheint jedoch so zu sein, dass viele Menschen an mehreren Orten gleichzeitig sein wollen oder sich geistig woanders befinden, als sie leiblich sind. Wenn man aber den Geist entrümpeln und zum Wesentlichen vorstoßen will, muss man die Vorstellung aufgeben, viele Dinge gleichzeitig machen zu können.

Immer wenn man sich zum selben Zeitpunkt in verschiedenen Räumen aufhalten will, wird das Leben kompliziert. Man kann sich dann nicht einfach nur auf eine Sache, ein Thema oder Problem einlassen, und man ist vor allem nicht fähig, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Die moderne Welt mit all ihren vielfältigen Angeboten bringt es mit sich, dass der Einzelne nicht unbedingt aus den Angeboten auswählt, sondern von der Werbung, den Medien oder anderen Dingen verführt wird, alles gleichzeitig haben zu wollen.

Zum Beispiel Liebe und Abenteuer. Man sucht die große Liebe fürs Leben und will aber gleichzeitig kein flüchtiges Abenteuer versäumen. Man möchte reisen und die Kontinente kennenlernen, aber permanent auch die Wochenenden mit erfüllter Freizeitgestaltung verbringen. Man möchte viel Geld verdienen, dieses aber horten und nicht ausgeben, während man dennoch gleichzeitig ein aufwendiges Leben führen und sich – das beginnt ja schon im Kindesalter – mit schicken, kunstvollen Dingen umgeben will. Der Mensch ist nicht mehr genügsam. Er fühlt sich minderwertig, wenn er nicht all das hat, was er interessant findet oder finden soll. Der berühmte Werbeslogan »mein Haus, mein Auto, mein Boot« ist ja nicht nur die Erfindung eines Marketingfachmannes, sondern greift die Stimmung der Gesellschaft auf. Bei der Werbung handelt es sich weitgehend um Vermittlung von Werten für eine große Masse unserer Zeitgenossen. Und dabei scheint das Materielle den Standort des Menschen zu bestimmen, jenen Ort, an dem wir uns vorfinden.

Um uns in dieser Situation zurechtzufinden, brauchen wir, um mit Bildern aus unserer technischen Erfahrungswelt zu sprechen, ein Lebens-GPS oder ein Lebens-Navi, ein Navigationssystem mit ähnlichen Informationen, die uns die heutigen Navigationssysteme in den Autos oder auf den BlackBerrys übermitteln. Wir können den schnellsten oder den kürzesten Weg wählen, wir können wählen, ob wir auf der geradlinigen Lebensautobahn fahren oder die romantischen Landstraßen des Lebens entlangreisen wollen. Es gibt Straßen mit Maut, Straßen mit Fähren oder auch ohne. Verkehrsstörungen werden angezeigt und wie wir sie umfahren können. Es ist die Sehnsucht vieler Menschen, für das eigene Leben ein Navigationssystem zu besitzen, und es ist sicher auch wichtig und richtig, so etwas für sich selbst zu entwickeln.

Bevor es GPS (Global Positioning System) gab, besaßen wir in der Postkutschenzeit noch die Landkarten des Lebens. Heute rasen wir eher auf den Autobahnen dahin und wissen nicht einmal, welches Ziel wir vor Augen haben. Dieses Ziel ist nicht mehr definiert, wie es vielleicht in früheren Zeiten der Fall war. Stattdessen sehnen wir uns nach der Unendlichkeit. Stichworte für diese Unendlichkeit des Lebens sind heute: Anti-Aging, Better-Aging, Successfull-Aging. Wir fahren auf der Autobahn unseres Lebens immer geradeaus und sehen nicht mehr, dass es links und rechts auch wunderbare Plätze zum Verweilen gäbe. Die Autobahn endet nie, sie führt immer weiter. Am Zielpunkt, so man einen hat, muss man sie an einer Ausfahrt verlassen. Doch die Autobahn fängt wahrscheinlich dort wieder an, wo der Mensch dachte, dass sie zu Ende sei. Und deshalb bewegen wir uns jetzt endlos im Kreis wie ein Astronaut im Weltall, der in seiner Raumstation die Umlaufbahn nicht verlassen kann. Der Mensch kommt nicht zu seiner Bestimmung, was mit der Landkarte des Lebens noch möglich gewesen zu sein scheint. Er befindet sich auf einer Umlaufbahn um den eigentlichen Kern des Lebens und lebt es eigentlich nicht wirklich. So bekommt der Mensch den Eindruck, er werde gelebt. Abgelenkt von allem, was ihm die Welt offeriert, vergisst er letztlich sich selbst, weil er vor lauter Geschwindigkeitsrausch und Ortswechseln verwirrt und zu einer Entscheidung nicht mehr fähig ist.

Es ist uns heute möglich, in sehr kurzer Zeit weite Entfernungen zu überwinden. Bleibt da nicht manchmal die Seele auf der Strecke? Mir geht es ja ähnlich. Durch meine neue berufliche Tätigkeit als Vortragender und Ratgeber bin ich oft auf Reisen. Alle Flughäfen und alle Bahnhöfe, alle Hotelzimmer sehen gleich aus. Ich nehme mir immer eine Landkarte mit, um wenigstens auf diese Weise eine Ahnung davon zu erhalten, in welchem Teil Deutschlands ich mich gerade befinde. Sosehr es zu Anfang einem ehemaligen Benediktinermönch Spaß bereiten kann, ohne schlechtes Gewissen unterwegs zu sein, so sehr erschreckt es einen doch, wenn man morgens beim Klingeln des Weckers im ersten Moment nicht mehr weiß, an welchem Ort man sich gerade befindet.

Benedikt von Nursia (um 480–547) lässt seine Mönche bis heute ein besonderes Gelübde ablegen, das der stabilitas, der Beständigkeit. Gewöhnlich zitiert man diese Eigenart des benediktinischen Mönchtums mit dem Begriff der stabilitas loci, der Ortsbeständigkeit. Eigentlich meint der Ordensgründer aber die stabilitas in congregatione, die Beständigkeit in einer Gemeinschaft. Er definiert damit einen Gegenbegriff zu den beiden »ganz abscheulichen« Abarten des frühen Mönchtums, die diese Lebensform des Christentums in der Anfangszeit in Verruf zu bringen drohten.

Dies waren zum einen die Sarabaiten, die Regellosen, die eine verbindliche gemeinsame Lebensregel ablehnten, und zum anderen die Gyrovagen, wörtlich übersetzt: die in der Welt Umherschweifenden, also die Ortlosen. »Semper vagi et numquam stabiles … Immer unterwegs, nie beständig, sind sie Sklaven der Launen ihres Eigenwillens und der Gelüste ihres Gaumens.« Ihre Unbeständigkeit ist Zeichen der Acedia, der inneren Ruhelosigkeit, der typischen seelischen Anfechtung der Mönche. In der Völkerwanderungszeit, in der Benedikt von Nursia seine Regel schrieb, hatte diese Forderung noch ein zusätzliches Gewicht, war sie doch ein äußeres Zeichen des Halts und der Ruhe in einer unruhigen Zeit, in der alle äußerliche Ordnung in Staat und Gesellschaft zu wanken begann.

In unserer Zeit, die von den Forderungen der Flexibilität und Mobilität geprägt wird, ist es gut, sich diesem Ideal der Stabilität und Ruhe zu stellen. Sosehr ein flexibles Handeln und ein mobiles Agieren zukunftsorientiert sein mögen, so sehr ist dem Menschen die Verwurzelung im Humus, dem Nährboden der Tradition und Beheimatung, gemäß. Der Philosoph Odo Marquard bringt diesen Zusammenhang auf den Punkt, wenn er sagt: »Zukunft braucht Herkunft.« Der Mensch benötigt immer wieder Zeiten und Orte auf dem Weg des Lebens, die es ihm ermöglichen, innezuhalten und Atem zu holen, sich der Vergangenheit und Herkunft zu vergewissern, um Kraft für die Zukunft zu schöpfen und Wegweisung für die Bewegung im Raum zu finden. Hic et nunc: hier und jetzt, Gegenwart und Verortung, das ist der Schnittpunkt der Zeit- und Raumkoordinaten, von dem es in alle Himmelsrichtungen auseinandergehen mag. Jeder Seelsorger, Therapeut und Coach kennt genügend Beispiele von Menschen und Managern, die an einer modernen Form dieser Acedia, der inneren und äußeren Ruhelosigkeit, dem Davonlaufen vor sich selbst, leiden.

Ich erinnere mich an Horst P., einen Mittvierziger, Geschäftsführer eines mittelständischen Betriebs der Auto-Zulieferindustrie, der an einem unserer Kurse in einem Benediktinerinnenkloster teilnahm. Er war mir schon von Anfang an aufgefallen wegen seines unruhigen Blicks, ich hatte den Eindruck, er sei gar nicht richtig anwesend. In jeder kurzen Kaffeepause lief er aus dem Tagungsraum und telefonierte aufgeregt mit seinem Handy, auf das er schon während der Arbeitseinheit immer wieder mal einen Blick geworfen hatte. Schon bei der Vorstellungsrunde erzählte er, seine Frau habe ihm die Teilnahme an unserem Seminar zu Weihnachten geschenkt, da sie glaube, ein paar Tage im Kloster täten ihm gut. Es fiel ihm schwer, bei dem kurzen Mittagsgebet der Nonnen die Texte des Stundenbuches wenigstens still mitzulesen, zappelig blätterte er im Buch ständig nach hinten und vorne. Auch am Abend bei unserer Rekreation im Kellerstüberl des Klosters fiel er mir durch seine fahrige und überlaute Beteiligung an unseren Gesprächen und Diskussionen auf. Er tat mir einfach leid, man konnte es förmlich spüren, wie sehr er sich am Überangebot an Zeit und dem Verweilen an einem Ort abmühte und rieb.

Als wir zu unserer Einheit »Work-Life-Balance« kamen und ich über die sinnvolle Einteilung der Zeit und dem, was mit stabilitas gemeint ist, sprach, bemerkte ich bei ihm zum ersten Mal, dass ich ihn an einem wunden Punkt berührt hatte. Er warf mir einen kurzen Blick zu, in dem ich seine Betroffenheit lesen konnte. Von da an nahm er konzentrierter an unseren Sitzungen teil. Ich spürte, er war noch nicht so weit, dass ich ihn direkt darauf ansprechen konnte. Doch zu meiner großen Überraschung bemerkte er bei der Feedbackrunde am Schluss des Kurses, er fahre doch sehr nachdenklich und mit Gewinn nach Hause. In der Atmosphäre des Klosters und in unserer Gruppenarbeit sei ihm bewusst geworden, wie wenig er »bei sich« sei. Dies ist ein Ausdruck aus der Lebensbeschreibung Benedikts von Nursia durch seinen Biographen Papst Gregor den Großen. Habitare secum, bei sich wohnen oder sein, das ist ein Ausdruck aus der Mönchstradition für »in sich ruhen«, mit sich im Reinen sein, es aushalten können mit sich. Horst P. war ein kleines Licht aufgegangen. Ich hoffe, er hat den Impuls genutzt, um sich ein bisschen zu ändern und damit ein neues Stück Lebensqualität zu gewinnen. Jedenfalls nahmen in der Folge einige Mitarbeiter aus seiner Führungsmannschaft an unseren Veranstaltungen teil.

Deshalb muss der Geist entrümpelt werden. Dabei hilft uns die Frage: Wie positioniere ich mich? Wo finde ich meine Position, meinen Standpunkt, meine Stelle, meine Verortung? Diese Frage zu stellen heißt, Verantwortung für mein Leben zu übernehmen. Und das wiederum bedeutet zu entdecken und zu wissen, wo meine Wurzeln sind, woher ich komme, wo ich jetzt in diesem Augenblick verwurzelt bin. Für viele Menschen ist das sicher ein Problem, weil sie in der Fülle, im Vielfachen ihres Lebens, die Verortung aus dem Blick verlieren oder nicht mehr wahrnehmen können. Die Institutionen, die dem Menschen sagen oder sagten, wo seine Position ist, verlieren an Glanz. Im Elternhaus beginnt dies. Es entschied schon darüber, welcher Religion der junge Mensch angehören wird, welchen Namen er tragen und welchen Ausbildungsweg er einschlagen wird. Die Eltern bestimmten, ob Sohn oder Tochter ein naturwissenschaftliches oder ein humanistisches Gymnasium besuchten, legten fest, auf welchem Weg die Orientierung zu finden war. Als Weiteres kamen dann vielleicht die Universität und über allem thronend auch noch die Kirche, die den Menschen Orientierung boten.

Durch die unendliche Vielzahl von spirituellen und geistigen Angeboten eröffnet sich uns heute zwar ein großes Feld der Wahlmöglichkeiten, aber wie ein Denker unserer Tage sagt: »Wir erfahren, dass wir zur Wahl verdammt sind!« Die Wahlfreiheit, deren wir uns heute erfreuen, wird nicht mehr unbedingt immer und überall positiv verstanden, weil sie den Menschen angesichts der ungeheuer vielen Möglichkeiten verwirrt. Das Problem ist, dass jeder Weg, der einmal eingeschlagen wird, nicht unbedingt reversibel ist und einfach zurückgegangen werden kann. Es kann auch unmöglich scheinen, einen neuen Weg einzuschlagen.

Entrümpelung des Geistes bedeutet, den Menschen zu helfen, eine klare Entscheidung innerhalb der Fülle der Wahlmöglichkeiten zu treffen; dabei aber sollte die Chance, überhaupt wählen zu können, als ein konstitutives Element unserer neuzeitlichen Gesellschaft verstanden und bewahrt werden. Verwirrt werden wir durch die Vielfalt der Möglichkeiten. Diese Erfahrung kann jeder moderne Mensch leicht machen, wenn er im Urlaub auf das heimatliche Fernsehen und auf die gewohnte Zeitung verzichtet und sich überhaupt nicht darum kümmert, was zu Hause los ist. Man kann vier Wochen Urlaub machen und nichts davon mitbekommen, dass eine Fußballweltmeisterschaft stattfindet oder in einem Krisengebiet ein Krieg ausgebrochen ist. Jeder hat schon einmal die Erfahrung gemacht, dass er genau dadurch seine Seele beruhigen und mit klarem Geist wieder aus dem Urlaub zurückkehren kann. Wenn ich mich jedoch auch in den Ferien permanent mit dem, was überall in der Welt passiert, beschäftige, werde ich die Erholung, die Geist, Körper und Seele benötigen, nicht finden. Wenn ich das Angebot des kurzzeitigen Aussteigens nur auch wieder mit den vielfältigen Angeboten der Animateure überdecke, wird sich kein echter Erholungseffekt für die Seele einstellen.

Es ist nötig, immer wieder eine geistige Standortbestimmung innerhalb der Vielfalt vorzunehmen, die an sich ja keineswegs als schlecht angesehen werden sollte. Die Schwierigkeit des modernen Individuums besteht darin, dass es auswählen muss, und wir verhalten uns häufig wie der Esel, der genau in der Mitte zwischen zwei Heuhaufen steht und verhungert, weil er sich weder für den linken noch für den rechten entscheiden kann. Dabei gibt es eigentlich niemanden, der uns zu dieser Entscheidung drängt. Hier kann die Unterscheidung zwischen Freiheit und Willkür hilfreich sein. Willkür meint, ich tue, was ich will, Freiheit heißt, ich tue, wozu es mich innerlich nötigt.

Michael Ende hat das sehr schön in seiner Unendlichen Geschichte ausgedrückt. Bastian, die Hauptfigur, bekommt von der Kindlichen Kaiserin ein Amulett um den Hals gehängt, auf dem zu lesen ist: »Tue, was du willst!« Und er interpretiert das falsch und meint, jetzt, da ihm die Welt offenstehe, könne er einfach tun, was er will. Er scheitert daran, aber am Schluss entrümpelt er doch seinen Geist. In diesem Fall heißt das, er muss erkennen, was er will, worin sein wirklicher Auftrag in diesen siebzig, achtzig, neunzig Jahren besteht, in denen der Mensch auf der Erde weilt.

Was auf dem Amulett in Michael Endes Unendlicher Geschichte steht, hat fast zwei Jahrtausende vor ihm mit einem noch schöneren Ausdruck der große Kirchenvater Augustinus prägnant formuliert: »Ama et fac quod vis! Liebe und tue, was du willst!« Bei ihm kommt zum intellektuellen Durchdringen des Lebensauftrags noch die Grundeinstellung der Liebe hinzu. Eine liebende Hingabe an das Ziel des Lebens meint er damit. Für ihn ist dieses Ziel unzweifelhaft Gott. In der Ikonographie wird dieser große Lehrer der ungeteilten Christenheit mit einem brennenden Herzen dargestellt. Man muss für seine einmal erkannte Bestimmung in Liebe entbrennen. Das Wort Liebe hat einen ungeheuren Facettenreichtum, hier meint es wohl vor allem ein grundsätzliches Wohlwollen, verbunden mit selbstloser Hingabe. Wenn einem dieses gelingt, kann man seinen Ort in dieser Welt auf der Karte des Lebens finden und es dort aushalten.

 

Entrümple deinen Geist!

Dringe vor zum Wesentlichen!

Erkenne, wo du bist!

Verorte dich äußerlich und geistig in deinem räumlichen und zeitlichen Umfeld!

Wohne bei dir selbst!

Liebe und tu, was du willst!

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Kapitel 2

Erkenne, was du bist

Ohne Zweifel wird sich der Mensch selbst als ein Lebewesen erkennen. Er findet sich in einer Welt vor, die er selbst einteilt in eine unbelebte und eine belebte Sphäre. Er erkennt darüber hinaus das allgemein Menschliche, das eingebettet ist in die Gesamtheit seiner Umwelt – religiös musikalische[2] Menschen werden sagen: in Gottes Schöpfung. Er entdeckt seine vielfachen Beziehungen zu dieser Umwelt. Die Philosophie nennt uns folgende Urfragen der Menschheit: Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir? Nicht nur wenn man die Evolutionstheorie als ein Erklärungsmodell für die Entstehung und Vielfalt des Lebens akzeptiert, erfährt sich der einzelne Mensch als ein Teil eines großen Ganzen. Diese existenzielle Erfahrung müsste uns immer wieder dazu anregen, darüber nachzudenken, was der Mensch eigentlich sei!

Rein naturwissenschaftlich betrachtet, sind wir ein Konglomerat von Atomen, bestehend aus Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff. Doch treten beim Menschen noch die Fähigkeiten zur Selbstreflexion und damit zur Transzendierung des rein Materiellen und Sichtbaren hinzu. Dies ist allen Menschenwesen gemeinsam, weshalb gerade diese Sichtweise die Frage etwa nach rassischer Zugehörigkeit völlig überflüssig machen müsste. Um es an einem drastischen Beispiel zu verdeutlichen: Wenn wir an einem Metzgerladen vorbeigehen, wo noch geschlachtet wird und die Schweinehälften an den Haken hängen, müssten wir uns bei nachdenklichem Betrachten eingestehen: »Schau genau hin, so ganz anders würdest du selbst auch nicht aussehen!« Wenn allen Menschen die Haut abgezogen würde und damit die individuelle Gesichtsform nicht mehr erkennbar wäre, nähmen wir rein äußerlich auf den ersten Blick keinen großen Unterschied mehr wahr.

Rein anatomisch gibt es das Skelett, die Muskulatur, den Verdauungstrakt, zwei Lungenflügel, das Herz, das Hirn und diverse andere Organe, und wenn wir bedenken, was wir sind, würde das Leben schon sehr viel einfacher sein.

Dieser Gedanke hilft manchmal, aus dem täglichen Dasein und dem Vielerlei auszusteigen, und viele Religionen empfehlen ihn ja auch in ihren Anleitungen zu Gebet und Meditation. Es geht darum, unseren Status als Mensch zu bedenken, uns bewusst zu machen, dass wir nichts sind als Staubgeborene, die aus Kohlenwasserstoff, einigen anderen Elementen und fast siebzig Prozent Wasser bestehen. Die katholische Kirche kennt ein Ritual, das jeden Aschermittwoch vollzogen wird. Die Gläubigen werden mit Asche bestäubt und dabei mit dem Bibelwort aus der Schöpfungsgeschichte konfrontiert: »Bedenke, o Mensch: Staub bist du, und zu Staub kehrst du zurück.« Ein Wort, das auch bei der Beerdigung gesprochen wird, wenn Priester und Gläubige Erde auf den Sarg werfen.

Die Besinnung auf diese Wahrheit würde sehr viel dazu beitragen, zu erkennen, dass alle Menschen gleich sind. Es macht eindringlich bewusst, dass alle Menschen, ja sogar alle Mitgeschöpfe unsere Brüder und Schwestern sind. Die stoische Philosophie mahnt zu einer Ethik nach der Maxime: secundum naturam vivere – gemäß der Natur zu leben. All das kulturelle Gerümpel der Unterscheidung von Menschen in Rassen und Nationen könnte man dann erst einmal beiseiteräumen; auch die Einteilung der Gesellschaft in Klassen, Stände oder Schichten. Im Vorfeld der Französischen Revolution wurde oft der Spruch genannt: »Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?« Dies war die Geburt des Gedankens der Egalité und Fraternité, der Gleichheit und der Brüderlichkeit.

Im Sommer 2006