Entscheiden und Handeln in der VUKA-Welt - inkl. Arbeitshilfen online - Peter Flume - E-Book

Entscheiden und Handeln in der VUKA-Welt - inkl. Arbeitshilfen online E-Book

Peter Flume

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Beschreibung

Erfahren Sie, wie gute Kommunikation funktioniert und wie Entscheidungen miteinander abgestimmt werden. Sowohl in alltäglichen Situationen als auch in Krisen. Vor allem in hochdynamischen Situationen wie der aktuellen Corona-Krise ist die Führungskraft gefordert, ohne zu zögern die Führung zu übernehmen und in kurzer Zeit die richtigen Entscheidungen zu treffen, um Katastrophen zu verhindern. Peter Flume ist Privatpilot und geht anhand seiner eigenen Notlandung darauf ein, wie sich die Beteiligten auf außergewöhnlichen Szenarien vorbereiten. Er zeigt, welche Kommunikationsmuster in Standardsituation und im Notfall zum Einsatz kommen, wie ein derartiger Vorfall aufbereitet wird, um im Nachgang für die Organisation und die Beteiligten positive Schlüsse zu ziehen und welche wirtschaftlichen Faktoren bereits während und im Anschluss an den Notfall eine Rolle spielen. Inhalt: - Die Story zur Notlandung - Übertragung der Situation auf Organisationen in der VUKA-Welt - Führungskräfte und Piloten in dynamischen Situationen - Organisation und Mitarbeiter - Kommunikation und Zusammenarbeit in Standard- und in Krisensituationen - Vorbereitung und Training/Simulation auf dynamische Situationen/Notfallkonzepte - Mit der FORDEC-Methode strukturiert Entscheidungen treffen - Fehlerkultur - Kontinuierliche Verbesserung (De-Briefing) anhand von Beispielen nach Flugunfällen - Wirtschaftliche Überlegungen 

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[5]Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumVorwort1 VUKA 2 Stay ahead of your business 3 Ready for the unexpected 3.1 Stress durch Anforderungen aufgrund der Aufgabe3.2 Stress durch typische Verhaltensweisen des Unternehmens3.3 Stress durch sich verändernde Umgebungsbedingungen3.4 Stress durch Zweifel an der Angemessenheit verfügbarer Informationen3.5 Erfahrung und Fähigkeiten4 Erfahrung, Training, Feedback4.1 Erfahrung4.2 Training und Weiterentwicklung4.3 Feedback5 FORDEC – Entscheidungen treffen5.1 FORDEC – Facts 5.2 FORDEC – Options 5.3 FORDEC – Risks and Benefits 5.4 FORDEC – Decision 5.5 FORDEC – Execute 5.6 FORDEC – Check6 Just Culture 6.1 Management im Fokus6.2 Speak up – alles muss auf den Tisch6.3 Grenzen der Just Culture 7 Kommunikation7.1 Präzise Kommunikation7.2 Kommunikationskultur8 Crew Ressource Management9 Wirtschaftlich handelnDanksagung StichwortverzeichnisDer Autor
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Haufe Lexware GmbH & Co KG

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-648-14294-3

Bestell-Nr. 10558-0001

ePub:

ISBN 978-3-648-14295-0

Bestell-Nr. 10558-0100

ePDF:

ISBN 978-3-648-14296-7

Bestell-Nr. 10558-0150

Peter Flume

Entscheiden und Handeln in der VUKA-Welt

1. Auflage, Dezember 2020

© 2020 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg

www.haufe.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): © murmakova, Adobe Stock

Produktmanagement: Anne Rathgeber

Lektorat: Maria Ronniger, Text+Design Jutta Cram, Augsburg

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

[7]Vorwort

11. Oktober 2019, 18:40 Uhr. Ich sitze in meiner Beech Bonanza und warte auf die Freigabe zum Start. Wie immer zu dieser Zeit ist am Flughafen Zürich viel los und so verzögert sich die Freigabe trotz Slot um einige Minuten. Dann ist es endlich so weit und ich rolle in Richtung Holding Point A1 für meinen Abflug auf Runway 28. Um 19:03 Uhr erhalte ich die Startfreigabe. Um 19:09 Uhr, also sechs Minuten später, stehe ich wieder auf Taxiway A. Was war passiert?

Nach drei Minuten Steigflug hatte ich einen vollständigen Motorausfall und musste mich entscheiden, ob ich im Gleitflug zum Flughafen zurückkehren oder eine Notlandung außerhalb versuchen sollte. Dass dieser auch für die Controller am Flughafen Zürich außergewöhnliche Vorfall am Ende glimpflich ablief, hatte etwas mit der Art und Weise zu tun, wie diese Entscheidung vorbereitet, ausgeführt und im Zusammenspiel zwischen Piloten, Controllern, Feuerwehr und den Mitarbeitern am Flughafen realisiert wurde. In dieser extremen Situation arbeiteten alle als Team zusammen, um mir den sicheren Weg zum Boden zu ermöglichen.

Für mich war diese Erfahrung Anlass, darüber nachzudenken, was Sie als Führungskräfte in VUKA-Zeiten von Piloten, Controllern, Bodenpersonal und anderen Beteiligten für Ihren Führungsalltag lernen können. Ich werde daher in diesem Buch immer wieder Parallelen zwischen Situationen in der Fliegerei und Situationen im betrieblichen Alltag herstellen. Mein Anliegen ist es dabei, Ihnen die Möglichkeit zu geben, Ihr Führungsverhalten einmal aus einer anderen Perspektive zu reflektieren und persönliche Strategien zu entwickeln, die Ihnen dabei helfen, auch im beruflichen Alltag »many happy landings« zu erleben.

Peter Flume, im September 2020

[9]1VUKA

Bevor wir uns dem Modebegriff »VUKA« zuwenden, entführe ich Sie direkt in die Fliegerei. Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind der Pilot in Command einer einmotorigen, viersitzigen Maschine. Sie wollen auf dem Flughafen Zürich landen. Ohne die Organisation einer Airline im Hintergrund müssen Sie Ihre Flugvorbereitung komplett allein durchführen. Was müssen Sie dazu alles berücksichtigen? Ich gebe Ihnen hier eine kleine Auswahl:

Sie müssen die AIP (Aeronautical Information Publication), das Luftfahrthandbuch, lesen. Insbesondere die Informationen zum Flughafen sind für Sie interessant.Sie müssen die NOTAMs (Notice to Airmen) auf kurzfristige Änderungen der AIP prüfen. Änderungen dazu können jederzeit zwischen Ihrer Planung und dem tatsächlichen Abflug veröffentlicht werden. Ich habe es z. B. bereits zweimal erlebt, dass die Flugplätze in Egelsbach und Augsburg wegen eines Flugunfalls kurzfristig gesperrt wurden.Sie sollten die Website des Flughafens prüfen, da je nach Land dort ebenfalls noch Hinweise zu finden sind. In Zürich finden Sie beispielsweise nur über das Internet die Zeitfenster, in denen kleine Maschinen landen dürfen (Slot), und das sind nicht gerade viele. Außerdem können Slots frühestens 24 Stunden vor dem geplanten Flug gebucht werden.Sie planen Ihre Route unter Berücksichtigung des Wetters. Dabei müssen Sie einkalkulieren, in einem engen Zeitfenster von ca. 15 Minuten zur geplanten Slotzeit an einem definierten Wegpunkt in der Luft zu sein.Sie brauchen für den Fall der Fälle einen Alternativflugplatz, falls die Landung in Zürich – aus welchem Grund auch immer – nicht möglich sein sollte.Sie müssen auch für den Alternativflugplatz alle voranstehend genannten Punkte prüfen.Sie müssen Ihren Flugplan vorab einreichen und einplanen, dass es unter bestimmten Voraussetzungen seitens der Flugsicherung zu Veränderungen an dem von Ihnen genannten Routing kommt.

Hört sich das für Sie kompliziert an? Mit Sicherheit. Und dennoch ist es ein Vorgang, den Piloten regelmäßig und sicher handhaben. Aber schauen wir uns dieses Beispiel nun noch einmal unter dem Stichwort VUKA an.

[10]VUKA ist ein Akronym. V steht für Volatilität (flüchtig, schwankend). Damit soll ausgedrückt werden, dass Geschwindigkeit und Häufigkeit von Veränderungen zunehmen. Interessant ist dabei jedoch, dass hier zwar immer der Vergleich zu früher gezogen wird, ich aber nirgendwo konkrete Messgrößen für die zunehmende Geschwindigkeit finden konnte. Im Gegenteil. In einem von heise online im März 2017 veröffentlichten Artikel wird unter dem Titel »Die Mär vom rasenden Fortschritt« David Moschella, wissenschaftlicher Leiter des IT-Forschungs- und Beratungsunternehmens »Leading Edge Forum«, zitiert:

»Sowohl das Radio als auch der Fernseher erreichten diese 50-Prozent-Grenze in den USA [bis alle Haushalte mit einer neuen Technik ausgestattet sind] schneller als der Computer oder das Mobiltelefon. 1939 wurde der Fernseher erstmals verkauft, bereits neun Jahre später war er in jedem zweiten US-Haushalt zu finden. Das Radio verbreitete sich gar in acht Jahren (1922 bis 1930). Das Mobiltelefon hingegen brauchte 15 Jahre (1980 bis 1995), der Computer gar 17 Jahre (1976 bis 1993).«1

Ein ähnliches Ergebnis liefert in Deutschland die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die das Statistische Bundesamt seit 1962 ermittelt, im Bereich der Unterhaltungselektronik. Aber auch was Wechsel von Unternehmen im Dax angeht, herrscht Konstanz statt Volatilität. Selbst im TecDax, in dem die 30 größten und umsatzstärksten deutschen Technologiewerte vertreten sind, also Unternehmen, die Teil des technischen Wandels sind, fallen gerade einmal durchschnittlich zwei bis drei Unternehmen pro Jahr heraus. Allerdings handelt es sich häufiger um Namensänderungen der Unternehmen als um einen echten Wechsel.

Kurzum, es herrscht gar nicht so viel Volatilität wie angenommen. Wobei die Corona-Krise für viele der ultimative Beweis für eine volatile Welt darstellt, was aber vermutlich lediglich daran liegt, dass die Auswirkungen aufgrund der verhängten Einschränkungen für jeden besonders stark spürbar waren. Dass nach der ersten Phase dann aber auch eine längere Phase der Stagnation eintrat, in der die Veränderungen für den Einzelnen nur noch minimal waren und gar die Rede von der »neuen Normalität« die Runde machte, wird in diesem Zusammenhang meist nicht mehr erwähnt. Dennoch kann ich mich, auch vor diesem Hintergrund, dem Satz »Was gestern noch [11]galt, kann heute aufgrund veränderter Rahmenbedingungen ganz anders sein«, den einer meiner Kollegen einmal genutzt hat, um Volatilität zu definieren, anschließen, auch wenn dieser meiner Ansicht nach keine neue Situation beschreibt.

Im oben genannten Beispiel aus der Fliegerei spricht viel für eine volatile Situation. Wenn heute geplant wird und morgen definiert ein NOTAM, dass ein notwendiges Anflugverfahren aufgrund von Wartungsarbeiten nicht zur Verfügung steht und deswegen ein alternatives Verfahren zu wählen ist, dann herrscht hier Volatilität. Ebenso, wenn im Flug der tatsächliche Wind im Gegensatz zum vorhergesagten und somit bei der Planung einbezogenen Wind zu einer Veränderung der Flugzeit führt.

Das U steht für Unsicherheit. Geschäftsprozesse und Geschäftserfolge sind angeblich im Vergleich zu früher weniger vorhersehbar und daher auch weniger planbar. Für Führungskräfte herrscht demnach eine größere Unsicherheit als früher darüber, welche Entscheidung die richtige ist. Auch diese allgemein akzeptierte Aussage stelle ich insofern infrage, als meiner Ansicht nach auch früher der Geschäftserfolg nicht unbedingt bis ins Detail planbar war. Nehmen wir nur die Geschichte des Postits. Laut Wikipedia gestaltete sich die Geschichte wie folgt:

»1968 beschäftigte sich Spencer Silver von der Minnesota Mining and Manufacturing Company (3M) mit der Entwicklung eines neuen Superklebers, der stärker als alle bekannten Klebstoffe werden sollte. Das Ergebnis seiner Arbeit war jedoch nur eine klebrige Masse, die sich zwar auf allen Flächen auftragen ließ, jedoch auch genauso leicht wieder abzulösen war. … Jahre später, 1974, ärgerte sich Art Fry, Mitglied eines Kirchenchors und ein Kollege Spencer Silvers, darüber, dass ihm seine Lesezeichen im Stehen ständig aus den Notenheften herausfielen. Er erinnerte sich an die Erfindung seines Kollegen und holte sich eine Probe des Klebers aus dem Labor. Er trug ihn auf kleine Zettel auf und erprobte seine Erfindung gleich am nächsten Sonntag in der Kirche. Und tatsächlich hafteten seine Lesezeichen zuverlässig, ließen sich aber dennoch leicht lösen, ohne die Notenblätter zu zerstören. Die Postits waren erfunden.«2

[12]Das war nun alles andere als eine geplante und konsequent umgesetzte Entwicklung eines Geschäftsprozesses. Auch hier spielte der Zufall eine Rolle. Erneut unterscheidet sich die Situation der Führungskraft in der VUKA-Welt nicht von der Unsicherheit, die eine Führungskraft in früheren Zeiten aushalten musste.

Und um auf mein Beispiel zur Flugplanung zurückzukommen: Als Pilot lebt man auch bei bester Planung mit diesem Maß an Unsicherheit in Bezug auf das Wetter (Umweltbedingungen) oder die Verfügbarkeit von Slots (Angebot und Nachfrage). Ein Pilot ist jedoch in der Lage, das zu handhaben.

Das K steht für Komplexität. Durch eine Vielzahl unterschiedlicher, eng vernetzter Elemente und Systeme auf mehreren Ebenen existiert eine Komplexität, die es zunehmend erschwert, Aussagen darüber zu treffen, wie sich Entscheidungen auswirken. Ich will mich jetzt nicht wiederholen und erneut darauf hinweisen, dass komplexe Rahmenbedingungen nun auch nicht wirklich neu sind. Dennoch möchte ich hier auf die Chaostheorie verweisen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts verwehrte sich der französische Mathematiker, Physiker und Philosoph Henri Poincaré gegen den Reduktionismus, dem insbesondere Newton den Durchbruch verschaffte, der die Welt als eine Summierung von lauter einzelnen, idealen Systemen ansah. Poincaré ging mit seinen Theorien von deutlich komplexeren Mechanismen aus. Bedenken Sie dabei: Die Industrialisierung setzte sich Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa durch und in unmittelbarer Folge bereitete Poincaré der späteren Chaosforschung mit seinen damals noch belachten Theorien den Boden. Erneut scheint mir hier die Veränderung von früher zu heute nicht wirklich groß.

Und wieder zurück zum Thema der Flugplanung und -durchführung. Allein die Fülle der oben aufgeführten Daten, die es zu berücksichtigen gilt, zeigt, dass es sich um einen komplexen Vorgang handelt. Hinzu kommt, dass das typische Beispiel für ein komplexes und chaotisches System, das nicht bis ins Detail berechnet werden kann und im Umfeld der Chaosforschung immer wieder genannt wird, das Wetter ist. Dieses komplexe und nicht berechenbare Phänomen ist einer der bestimmenden Faktoren für Piloten, mit dem sie trotz aller inzwischen zur Verfügung stehenden Technik immer noch konfrontiert werden. Denken Sie nur einmal daran, wie viele Menschen unter Flugangst leiden, weil sie bei stürmischen Bedingungen eine »holprige« Landung miterlebt haben oder, um noch eine andere Situation ins Spiel zu bringen, dadurch verunsichert wurden, dass der Pilot kurz vor dem Boden durchgestartet ist, weil das vorausfliegende Flugzeug die Landebahn nicht schnell genug verlassen [13]konnte und so eine sichere Landung nicht möglich war. Diese Menschen haben das Chaos am eigenen Leib erlebt und dank der souveränen und geübten Reaktionen der Piloten überlebt.

Bleibt das A. Dieses steht für Ambiguität (Mehrdeutigkeit). Statt Schwarz-Weiß gibt es Sowohl-als-auch. Schrödingers Katze lebt und ist tot zugleich. Ich wage zu behaupten, so spannend das Bild von Schrödingers Katze ist, um ein wissenschaftliches Phänomen zu erklären, so sehr ist es auch eine Binsenweisheit, dass Dinge nicht nur schwarz oder weiß sind, genauso wenig wie jemand immer gut oder immer böse ist.

In der Fliegerei gibt es Bereiche, die bewusst allein der Entscheidung des Piloten überlassen werden, da eine eindeutige Entscheidung nur von ihm getroffen werden kann. Schauen wir uns ein METAR (eine aktuelle Flugwettervorhersage) für den Flughafen Zürich an: LSZH 242020Z 22010KT 3900 +RADZ FEW001 OVC002 10/10 Q1017 TEMPO 2000. Für den Piloten einer einmotorigen Maschine bedeutet diese Vorhersage für die nächsten 30 Minuten, dass der Anflug gelingen kann, aber nicht muss. Warum? Zunächst einmal erfährt er hier, dass eine geschlossene Wolkendecke bei 200 Fuß über Grund vorherrscht (OVC002). Tiefer darf die Wolkendecke nicht reichen, damit der Pilot dieser Flugzeugkategorie den Anflug legal beenden kann. Nun regnet es aber mit einer Sichtweite von 3900 Metern (3900 +RADZ). Hier scheint der Pilot auf der sicheren Seite, denn in der Regel sind 550 Meter Sichtweite das Minimum. Allerdings scheint sich das Wetter zu verschlechtern, dafür sprechen die temporär vorhergesagten 2000 Meter Sicht (TEMPO 2000) und einzelne Wolken bei 100 Fuß über Grund (FEW001). Es ergibt sich also ein Lagebild, das sowohl weiß (Anflug problemlos möglich) als auch schwarz (Anflug muss abgebrochen werden) bedeuten kann. Die finale Entscheidung kann erst getroffen werden, wenn sich der Pilot im Anflug befindet, oder bereits im Vorfeld, indem sich der Pilot schon vorzeitig dazu entscheidet, den Flug nicht oder direkt zu seinem alternativen Flugplatz anzutreten.

Zusammengefasst heißt dies: Jeder Pilot und jeder Radarcontroller arbeitet in einer VUKA-Umgebung und beide haben gelernt, mit dieser Welt umzugehen, Entscheidungen zu treffen, die im Gegensatz zu den meisten Businessentscheidungen durchaus über Leben und Tod entscheiden können. Daher greife ich im Folgenden nun die Dinge heraus, die auch Ihnen dabei helfen werden, als VUKA-Führungskraft Ihre Mitarbeiter souverän zu führen.

1https://www.heise.de/newsticker/meldung/Die-Maer-vom-rasenden-Fortschritt-3728493.html

2https://de.wikipedia.org/wiki/Klebezettel

[15]2Stay ahead of your business

In der Fliegerei ist es wichtig, gedanklich dem Geschehen immer eine Idee voraus zu sein, um handlungsfähig zu bleiben und im Sinne des gesamten Systems Luftfahrt möglichst unterstützend agieren zu können. Die zugehörige Maxime lautet: Stay ahead of the aircraft.

Ich verdeutliche Ihnen dies nun einmal aus zwei Perspektiven – der Pilotenperspektive und der Perspektive des Controllers bei einem Anflug auf einen Verkehrsflughafen wie Stuttgart. Als Pilot gehört es für mich zu meinen normalen Routinen, ab ca. 20 bis 30 Minuten vor der geplanten Landung das Flugplatzwetter über die zugehörige Funkfrequenz abzurufen. Damit kann ich mich darauf einstellen, welche Landebahn aktiv ist, also in welcher Richtung die Landung erfolgen wird, und ich erfahre, ob aufgrund des Wetters Besonderheiten zu beachten sind, wie beispielsweise Seitenwind oder Gewitter im Umfeld, die den normalen Ablauf stören könnten. Mit diesen Informationen bereite ich bereits meinen möglichen Anflug vor, stelle mir meine Instrumente entsprechend ein – und dies, bevor ich mit den Controllern des Ankunftssektors in Funkkontakt komme.

Die Controller des Anflugsektors steuern zu diesem Zeitpunkt die sich aktuell im Anflug befindlichen Flugzeuge. Sie haben aber bereits auf ihren Geräten die Anzeige, dass ich und weitere Flugzeuge in Kürze in ihren Bereich einfliegen werden. Dies berücksichtigen sie und steuern den anfliegenden Verkehr entsprechend.

Beide antizipieren wir also bereits zu einem frühen Zeitpunkt, was demnächst auf uns zukommen wird, und richten unser Handeln darauf ein. Dies macht in der Regel den Übergang zur Zusammenarbeit einfach, da bereits mit dem ersten Funkkontakt von mir signalisiert wird, dass ich vorbereitet bin, während der Controller mir gar nicht selten bereits noch bevor ich auf seine Frequenz komme über den vorherigen Sektor Informationen über Wegpunkte, die ich ansteuern soll, übermittelt. Wir arbeiten also Hand in Hand und nicht jeder in seinem isolierten »Silo«, wie dies in Unternehmen häufig zu beobachten ist.

Dieses Hand-in-Hand-Arbeiten setzt sich dann mit jeder Übergabe fort. Von meinem Heimatflughafen Stuttgart bin ich es gewohnt, bei einem Anflug auf die Landebahn 25 so anzufliegen, dass ich meist kurz vor dem Schnellabrollweg Foxtrott [16]lande. Damit kann ich die Landebahn möglichst schnell verlassen und der nachfolgende Verkehr wird nicht unnötig lang behindert. Somit erleichtere ich dem Controller die Arbeit und unterstütze auch die anfliegenden Piloten der nachfolgenden Maschinen, da diese so ihre Landefreigabe früher erhalten, als wenn ich erst noch 1,5 Kilometer über die Bahn rollen müsste.

Bei der Notlandung in Zürich hatte dieses ständige Mitdenken dann zur Folge, dass für meinen Notfall der Flugbetrieb dort nur für 15 Minuten unterbrochen werden musste. Wobei ein großer Teil der Zeit für eine mit dem Auto durchgeführte »Runway Inspection« aufgewendet wurde, um sicherzustellen, dass aus meiner Maschine keine Teile auf die Bahn gefallen waren bzw. Sprit oder Öl die Bahn verschmutzt hatten. Denn auch in dieser Ausnahmesituation behielt ich den Überblick und plante den Zeitpunkt für das Ausfahren des Fahrwerks und der Klappen so, dass ich nach der Landung die Restenergie beim Rollen nutzen konnte, um über Taxiway J die Bahn zu verlassen und auf Taxiway A zum Stillstand zu kommen. Dadurch konnte ich eine Bergung meines Luftfahrzeugs von der Bahn vermeiden und das Kontrollfahrzeug konnte sofort mit der Inspektion der Bahn beginnen.

Dieses grundlegende Prinzip – sich vorzubereiten, ohne sicher zu wissen, was folgen wird – ist eines, das sich auch auf Führungsaufgaben übertragen lässt. So ist es die Aufgabe der Führungskraft, sich routinemäßig mit dem zu beschäftigen, was für das eigene Unternehmen und den eigenen Verantwortungsbereich relevant werden könnte. Dies bedeutet, sich von dem klassischen Silodenken einzelner Konzernbereiche zu verabschieden und immer zu überlegen, wie sich die im eigenen Einflussbereich ausgeführten Maßnahmen in anderen Bereichen auswirken werden. Es bedeutet aber auch, z. B. übertragen auf neue Technologien, dass Sie sich für Entwicklungen interessieren sollten, die mit dem von Ihnen verantworteten Arbeitsbereich zusammenhängen, auch wenn diese vielleicht aktuell noch nicht marktreif sind.

Nehmen wir das Beispiel der Microsoft HoloLens. Ich erinnere mich noch gut daran, wie die grundsätzliche Möglichkeit, die Kamera im privaten Umfeld heimlich zu nutzen und unerwünschte Videoaufzeichnungen zu machen, mit einem kritischen Aufschrei der Empörung durch die Presse ging. Doch da es bereits zahlreiche Pilotprojekte und somit Fallstudien dazu gegeben hat, liegen die positiven Möglichkeiten der Mixed Reality beim Militär, bei der Wartung von Maschinen in Unternehmen oder im Bereich der Logistik inzwischen auf der Hand. Die Verantwortlichen innerhalb der [17]Unternehmen, die sich trotz der kritischen Presse entschieden haben, mit Microsoft in Pilotprojekte zu gehen und diese zu realisierten, sind in Sachen Digitalisierung den Wettbewerbern um einige Schritte voraus – sogar dann, wenn es bei einem Pilotprojekt blieb, weil im Verlauf solcher Projekte Erfahrungen in Hinblick auf die Entwicklung in Richtung Digitalisierung und Industrie 4.0 gesammelt wurden und so zukünftige Entwicklungsschritte erleichtert werden.

Als Führungskraft könnten Sie Ihr Unternehmen auch zu einem Pilotunternehmen für derartige Technologien machen, wenn Sie die Potenziale sehen, die sich in Ihrer Branche durch neue Technologien ergeben könnten. Dazu aber ist es notwendig, dass Sie sich um Trends wie beispielsweise Digitalisierung nicht erst dann kümmern, wenn der ganze Markt bereits in diese Richtung unterwegs ist und das Thema gehypt wird, sondern bereits dann, wenn Sie das erste Mal davon hören.

Dass hier in vielen Unternehmen viel versäumt wird, konnte ich im Rahmen der Corona-Krise sehr gut bei einer Versicherung beobachten, mit der ich regelmäßig zusammenarbeite. In der Versicherungswirtschaft ist viel von Digitalisierung die Rede, der Trend ist also erkannt. Nur aus dieser Erkenntnis auch frühzeitig Maßnahmen abzuleiten und diese entschieden voranzutreiben, wurde seitens meines Kunden versäumt. Als während der Corona-Krise die Mitarbeiter plötzlich ins Homeoffice geschickt wurden, offenbarten sich die Lücken. Auf Heimarbeitsplätze war der Kunde schlicht nicht vorbereitet. Mit den vorhandenen Möglichkeiten konnten die Produktionsbereiche gerade so einigermaßen den Betrieb fortsetzen. Aber Videokonferenzen für interne Abstimmungen, Kundenkontakte durch die Makler oder die Durchführung von Weiterbildungen waren aufgrund der IT-technischen Voraussetzungen nicht möglich und sind es bis jetzt (im August 2020) noch immer nicht.

Übertragen auf die Fliegerei »fliegt« dieses Unternehmen weit hinter dem eigenen Flugzeug. Fluglehrer sehen dieses Verhalten bei ihren Flugschülern am Anfang der Ausbildung und bei neuen, für den Flugschüler in diesem Moment überfordernden Situationen. Es bricht Hektik aus, schnell wird versucht zu korrigieren, und nicht selten wird dadurch die Situation so verschlimmert, dass der Fluglehrer aktiv eingreifen muss, bis der Flugzustand wieder stabil ist. Als Führungskraft haben Sie Ihre »Flugausbildung« jedoch bereits abgeschlossen. Das heißt, es liegt an Ihnen, den Überblick zu behalten und immer einen Schritt voraus zu sein. Da dies jedoch den Einzelnen schnell überfordert, gibt es in der gewerblichen Fliegerei das Mehrpersonen-Cockpit. Die Arbeitslast wird auf zwei Piloten aufteilt, diese behalten dadurch [18]leichter der Überblick und Fehler werden vermieden. Was dies allerdings für die Kommunikation bei einer doppelten »Führungsspitze« bedeutet, darauf gehe ich in einem separaten Kapitel ein.

Für Sie bedeutet das nichts anderes als: Stay ahead of your business. Damit ist gemeint, dass Sie neugierig auf Dinge innerhalb und vor allem außerhalb Ihres Fachbereichs sein sollten. Für die fachlichen Details und die Weiterentwicklungen Ihres Geschäftsmodells sind Ihre qualifizierten Mitarbeiter verantwortlich. Diese leisten das Tagesbusiness, entwickeln auch neue Produkte, vermarkten diese und so weiter und so fort. Für entscheidende und rechtzeitige Weichenstellungen und Neuausrichtungen sind jedoch allein Sie als Führungskraft verantwortlich.

Eine der geforderten Kerneigenschaften einer Führungskraft in der VUKA-Welt ist also Neugierde. Denn Neugierde über den eigenen Tellerrand hinaus hilft Ihnen dabei, Zusammenhänge zu erkennen, die Ihnen bei Betrachtung der Details verborgen bleiben würden. Wenn Sie vielseitig interessiert sind, dann erkennen Sie auch eher Muster, selbst wenn diese noch kein vollständiges Bild formen, und können mit diesen agieren. Bitte beachten Sie die Wortwahl: agieren – nicht reagieren! Damit wiederum beeinflussen Sie die Muster und fangen an zu gestalten.