Epilepsie und Psyche - Ludger Tebartz van Elst - E-Book

Epilepsie und Psyche E-Book

Ludger Tebartz van Elst

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Beschreibung

Psychische Störungen bei Epilepsien sind häufig, werden aber oft nicht richtig erkannt und therapiert. Auch finden sich in der Psychiatrie oft EEG-Auffälligkeiten, deren Bedeutung unklar bleibt. Schließlich stellen nicht-epileptische, dissoziative Anfälle eine große Herausforderung für die klinischen Neurowissenschaften dar. Das Buch fasst den aktuellen Wissensstand zu Diagnose, Theorie und Therapie in diesen Bereichen zusammen. Es entwickelt Modelle zum Verständnis von psychischen Störungen im Kontext neuronaler Netzwerkinstabilität, die eine integrative Sichtweise dieser Phänomene im Grenzgebiet der Fächer Neurologie, Epileptologie, Psychiatrie und Psychotherapie erlauben. Diese neuropsychiatrische Perspektive auf das Thema "Epilepsie und Psyche" hat weitreichende Implikationen für Diagnostik und Therapie in der Epileptologie, Psychiatrie und Psychotherapie.

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Psychische Störungen bei Epilepsien sind häufig, werden aber oft nicht richtig erkannt und therapiert. Auch finden sich in der Psychiatrie oft EEG-Auffälligkeiten, deren Bedeutung unklar bleibt. Schließlich stellen nicht-epileptische, dissoziative Anfälle eine große Herausforderung für die klinischen Neurowissenschaften dar. Das Buch fasst den aktuellen Wissensstand zu Diagnose, Theorie und Therapie in diesen Bereichen zusammen. Es entwickelt Modelle zum Verständnis von psychischen Störungen im Kontext neuronaler Netzwerkinstabilität, die eine integrative Sichtweise dieser Phänomene im Grenzgebiet der Fächer Neurologie, Epileptologie, Psychiatrie und Psychotherapie erlauben. Diese neuropsychiatrische Perspektive auf das Thema 'Epilepsie und Psyche' hat weitreichende Implikationen für Diagnostik und Therapie in der Epileptologie, Psychiatrie und Psychotherapie.

Prof. Dr. med. Ludger Tebartz van Elst, FA für Psychiatrie und Psychotherapie, Leitender Oberarzt der Abt. für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Freiburg. Dr. med. Evgeniy Perlov, FA für Psychiatrie und Psychotherapie, Oberarzt o. g. Abteilung.

Ludger Tebartz van Elst Evgeniy Perlov

Epilepsie und Psyche

Psychische Störungen bei Epilepsie – epileptische Phänomene in der Psychiatrie

Verlag W. Kohlhammer

Gewidmet Michael R. Trimble

Wichtiger Hinweis Pharmakologische Daten verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autor haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Eine Gewährleistung können Verlag und Autor hierfür jedoch nicht übernehmen. Daher ist jeder Benutzer angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrofilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Vieles spricht dafür, dass Vincent van Gogh sein Ohr im Kontext einer epilepsieassoziierten psychischen Störung abschnitt (vgl. Kapitel 4.7.1, Kasten 1, S. 84)

1. Auflage 2013 Alle Rechte vorbehalten © 2013 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher Umschlagabbildung: © akg-images (Vincent van Gogh »Selbstbildnis mit Pelzmütze, verbundenem Ohr und Tabakpfeife«, 1889) Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

ISBN 978-3-17-021688-4

E-Book-Formate

pdf:

978-3-17-023842-8

epub:

978-3-17-027464-8

mobi:

978-3-17-027465-5

Inhaltsübersicht

Geleitworte

Abkürzungsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 EEG-Pathologien bei Patienten mit Epilepsie, psychischen Störungen und Gesunden

3 Die Anfallserkrankungen

3.1 Die Epilepsien

3.1.1 Definition der Epilepsien

3.1.2 Prävalenz und Inzidenz der Epilepsien

3.1.3 Klassifikation der epileptischen Anfälle

3.1.4 Klassifikation der epileptischen Syndrome und der Epilepsien

3.2 Andere neurologische Anfallserkrankungen

3.2.1 Migräne

3.2.2 Der Cluster-Kopfschmerz

3.2.3 Narkolepsie und Kataplexie

3.2.4 Transiente globale Amnesie

3.2.5 Paroxysmale Dyskinesien

3.3 Anfallserkrankungen in der Psychiatrie

3.3.1 Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst; ICD-10 F41.0)

3.3.2 Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen; ICD-10 F44)

3.3.3 Depersonalisations-, Derealisationssyndrom (-störung; ICD-10 F48.1)

3.3.4 Nicht-organische Schlafstörungen (ICD-10 F51)

3.3.5 Intermittent explosive disorder (DSM-IV 312.34)

4 Psychische Störungen bei Epilepsie

4.1 Prävalenz psychischer Störungen bei Epilepsie

4.2 Klassifikation psychischer Störungen bei Epilepsie

4.3 Psychopathologische Syndrome als Symptomatik epileptischer Anfälle

4.3.1 Iktuale Angst

4.3.2 Iktuale Aggressionen

4.4 Kognitive Störungen

4.5 Das Landau-Kleffner-Syndrom

4.6 Psychosen bei Epilepsien

4.6.1 Iktuale Psychosen

4.6.2 Interiktuale Psychosen

4.6.3 Alternativpsychosen und forcierte Normalisierung

4.6.4 Postiktuale Psychosen

4.6.5 Durch Antikonvulsiva ausgelöste Psychosen

4.6.6 Epilepsien und Schizophrenien

4.7 Affektiv-somatoforme (dysphorische) Störungen bei Epilepsie

4.7.1 Die dysphorische Störung bei Epilepsie

4.7.2 Komorbide affektive Störungen

4.8 Angstsyndrome und sonstige epilepsietypische Verstimmungen

4.9 Auffälligkeiten oder Störungen der Persönlichkeit

4.10 Aggressivität

4.11 Suizidalität

4.12 Dissoziative Anfälle

4.12.1 Terminologie und Definition

4.12.2 Epidemiologie dissoziativer Anfälle

4.12.3 Klinik dissoziativer Anfälle

4.12.4 Diagnostik

4.12.5 Pathophysiologie

4.12.6 Überlegungen zur Therapie dissoziativer Anfälle

4.12.7 Prognose dissoziativer nicht-epileptischer Anfälle

5 Epileptische Phänomene in der Psychiatrie

5.1 ADHS

5.1.1 EEG-Befunde bei ADHS

5.1.2 Epilepsien als Risikofaktor für ADHS

5.1.3 ADHS als Risikofaktor für Epilepsien

5.2 Autistische Syndrome

5.2.1 EEG-Befunde bei autistischen Syndromen

5.2.2 Autismus als Risikofaktor für Epilepsien

5.2.3 Epilepsien als Risikofaktor für Autismus

5.3 Schizophreniforme Syndrome

5.3.1 EEG-Befunde bei schizophreniformen Störungen

5.3.2 Epilepsien als Risikofaktor für schizophreniforme Erkrankungen

5.3.3 Schizophrenien als Risikofaktor für Epilepsien

5.4 Depressive Syndrome

5.4.1 EEG-Befunde bei depressiven Störungen

5.4.2 Epilepsie als Risikofaktor für depressive Störungen

5.4.3 Depressionen als Risikofaktor für Epilepsien

5.5 Borderline-Persönlichkeitsstörung und emotional instabile Syndrome

5.5.1 EEG-Befunde bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen

5.5.2 Epilepsie als Risikofaktor für Borderline-Persönlichkeitsstörungen

5.5.3 Borderline-Persönlichkeitsstörungen als Risikofaktor für Epilepsien

6 Pathomechanismen in der Neuropsychiatrie

6.1 Die Phrenologie

6.2 Die frontobasalen Schleifensysteme

6.3 Die Relation Symptom – Pathogenese – Ätiologie

6.4 Die Rolle von Transmittersystemen

6.5 Epileptische Funktionsstörungen

6.6 Paraepileptische Pathomechanismen

6.6.1 Kybernetik neuronaler Netzwerkorganisation

6.6.2 Paraepileptische Pathomechanismen

6.6.3 Theoretische und klinisch-praktische Einordnung der Modelle paraepileptischer Pathomechanismen

7 Die Antikonvulsiva: Pharmakologie, Zulassungen und Off-Label-Erfahrungen

7.1 Carbamazepin (CBZ), Oxcarbazepin (OXC) und Licarbazepin

7.2 Valproat (VPA)

7.3 Lamotrigin (LMG)

7.4 Topiramat (TPM)

7.5 Zonisamid (ZNS)

7.6 Pregabalin (PGL)

7.7 Gabapentin (GBP)

7.8 Levetiracetam (LEV)

7.9 Tiagabin (TGB)

7.10 Weitere Antiepileptika

7.11 Überblick über den Off-Label-Gebrauch von AEDs bei psychiatrischen Indikationen

8 Therapie psychischer Störungen bei Epilepsie

8.1 Generelle Therapieprinzipien

8.2 Therapie iktualer psychischer Störungen

8.3 Therapie kognitiver Störungen bei Epilepsie

8.4 Therapie des Landau-Kleffner-Syndroms – Implikationen für die autistische Regression?

8.5 Therapie psychotischer Störungen bei Epilepsie

8.5.1 Therapie der medikamenteninduzierten Psychosen

8.5.2 Therapie der postiktualen Psychosen

8.5.3 Therapie der interiktualen Psychosen

8.5.4 Therapie der paradoxen Psychosen

8.6 Therapie depressiver und dysphorischer Syndrome bei Epilepsie

8.6.1 Gründe für die Nicht-Behandlung depressiver Syndrome bei Epilepsie

8.6.2 Therapie der prä- und postiktualen dysphorischen Störung bei Epilepsie

8.6.3 Therapie der interiktualen dysphorischen Störung bei Epilepsie

8.6.4 Therapie depressiver und dysthymer Episoden bei Epilepsie

8.6.5 Therapie bipolarer Depressionen bei Epilepsie

8.6.6 Therapie paradoxer Depressionen

8.6.7 Therapie depressiver Syndrome im Kontext möglicher epilepsiechirurgischer Eingriffe

8.6.8 Antidepressive Medikation und prokonvulsives Risiko

8.6.9 Psychotherapie bei depressiven Syndromen bei Epilepsie

8.7 Therapie von Angstsyndromen bei Epilepsie

8.8 Therapie von Persönlichkeitsstörungen bei Epilepsie

8.9 Therapie von aggressiven Verhaltensstörungen bei Epilepsie

8.10 Therapie dissoziativer nicht-epileptischer Anfälle

8.10.1 Theoretische Überlegungen zum therapeutischen Handeln bei dissoziativen nicht-epileptischen Anfällen

8.10.2 Ermittlung und Mitteilung der Diagnose

8.10.3 Umgang mit antikonvulsiver Medikation

8.10.4 Andere psychotrope Medikation

8.10.5 Psychotherapeutische Interventionen

9 Therapie primär-psychiatrischer Syndrome mit epileptischen Phänomenen

9.1 Ermittlung und Mitteilung der Diagnose

9.2 Umgang mit antikonvulsiver Medikation

9.3 Weitere psychotrope Medikation

9.4 Psychotherapeutische Interventionen

Literatur

Stichwortverzeichnis

Geleitwort

Psychische Störungen im Kontext epileptischer Erkrankungen gehören zu den klassischen Themen der modernen Psychiatrie und Neuropsychiatrie. So standen epileptoforme Krankheitskonzepte etwa für bekannte Vertreter des Faches aus dem 19. Jahrhundert, wie Wilhelm Griesinger (1817–868) oder Benedict Augustin Morel (1809–1873), ganz im Zentrum ihres Denkens über psychische Störungen. Aber auch für Emil Kraepelin (1856–1926) repräsentierten psychische Störungen bei Epilepsie noch einen Kernbereich der Psychiatrie, mit denen er sich in seinen berühmten Lehrbüchern intensiv und ausführlich auseinandersetzt. So kann Kraepelin etwa als Erstbeschreiber der seit etwa zwei Dekaden wiederentdeckten dysphorischen Störung bei Epilepsie gelten.

Im Laufe des letzten Jahrhunderts geriet das Thema der psychischen Störungen bei Epilepsie zusehends ins Niemandsland zwischen den großen klinisch-neurowissenschaflichen Fächern der Neurologie auf der einen und Psychiatrie und Psychotherapie auf der anderen Seite. Auch war im Kontext der Epileptologie lange eine Tendenz erkennbar, das Krankheitskonzept der Epilepsie vom Themenbereich psychischer Erkrankungen abzugrenzen, in einem nachvollziehbaren Versuch, der Stigmatisierung der Epilepsie als Geisteskrankheit entgegenzuwirken.

Erst gegen Ende des letzten Jahrtausends geriet das klinisch sehr wichtige Thema der psychischen Gesundheit bei Epilepsie wieder mehr in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Diese Bewegung nahm dabei am ehesten im Kontext der Epileptologie ihren Ursprung. Aber auch innerhalb der Psychiatrie und Psychotherapie ist eine Renaissance des Themas in Ansätzen zu erkennen, u.a. ein Zusammenhang mit dem wachsenden Wissen über die Bedeutung entzündlicher Hirnerkrankungen, die oft mit Epilepsien und neuronalen Netzwerkinstabilitäten einhergehen.

Dazu beigetragen haben sicher auch die neuen wissenschaftlichen Forschungsmethoden, wie insbesondere die quantitative, funktionelle und strukturelle Hirnbildgebung, aber auch Weiterentwicklungen neurophysiologischer Diagnostikverfahren, wie etwa hochauflösender EEG-Untersuchungen, magnetencephalagraphischer Untersuchungen oder aber auch der Hirnstimulationsverfahren.

Während insbesondere im wissenschaftlichen Bereich nicht zuletzt methodenbedingt sich die verschiedenen klinisch-neurowissenschaftlichen Disziplinen durchaus wieder aufeinander zu bewegen, ist die klinische Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen bei Epilepsie im alltäglichen ärztlichen Handeln noch unklar verortet. So haben etwa behandelnde Psychiater und Psychotherapeuten meist nur wenige Erfahrungen mit den Epilepsien im Rahmen ihrer Ausbildung sammeln können. Gleiches trifft auf behandelnde Neurologen und Epileptologen in Hinblick auf die psychischen Störungen zu.

Im Fachgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie ist darüber hinaus die Bedeutung der hohen Prävalenz von oft unspezifischen EEG-Auffälligkeiten bei den verschiedensten psychischen Störungsbildern nach wie vor unklar. Etwa die Frage, ob klare EEG-Auffälligkeiten im Kontext einer schizophrenen Erkrankung einen Behandlungs- oder Augmentationsversuch mit einer antikonvulsiven Substanz, wie Valproat rechtfertigen sollte, kann nach aktuellem Stand des Wissens empirisch nicht abschließend beantwortet werden.

Zu diesem Grenzgebiet neuropsychiatrischer Forschung legen die Autoren nun eine umfassende Buchpublikation vor. Dabei wird einleitend ein Überblick über die verschiedensten Anfallserkrankungen und insbesondere die Epilepsien vermittelt, um so eine Grundlage zu schaffen für die darauf aufbauende Frage nach dem Zusammenhang zwischen Epilepsie und psychischer Gesundheit.

ln einem zweiten Hauptteil der Arbeit werden dann die klassischen psychischen Störungen im Kontext der verschiedenen Epilepsien ausführlich beschrieben und teilweise auch kasuistisch illustriert.

ln einem weiteren Schwerpunktbereich wird der Frage nachgegangen, welche spezifischen Zusammenhänge zwischen EEG-Auffälligkeiten und verschiedenen psychiatrischen Störungsbildern, wie etwa Schizophrenien, den Depressionen, den autistischen Erkrankungen, der ADHS und der Borderline-Persönlichkeitsstörung zu erkennen sind. Darauf aufbauend werden theoretische Modelle vorgestellt, die die Bedeutung von neuronalen Netzwerkinstabilitäten für die verschiedenen psychischen Störungsbilder erklären könnten.

Die abschließenden Kapitel widmen sich der Therapie. Dabei werden zum einen differenzierte therapeutische Empfehlungen in Hinblick auf spezifische psychische Störungen bei Epilepsie vorgestellt. Darüber hinaus wird aber auch die Frage thematisiert, inwieweit die verschiedensten antikonvulsiven Substanzen in der Psychiatrie und Psychotherapie auch unabhängig von diagnostizierten Epilepsien etwa beim Vorliegen klarer, aber nicht epileptischer EEG-Auffälligkeiten sinnvoll eingesetzt werden könnten.

Zusammenfassend legen die Autoren ein wichtiges Buch zu einem in den letzten Dekaden ein wenig in Vergessenheit geratenen klassischen Thema der Psychiatrie vor. Es vermittelt eine umfassende Darstellung des aktuellen Wissens zum Themengebiet Epilepsie und Psyche. Es behandelt dabei nicht nur die psychischen Störungen bei diagnostizierten Epilepsien, sondern auch mögliche epileptische Pathomechaniken in Psychiatrie und Psychotherapie. Damit schließt das Buch eine Lücke im thematischen Grenzgebiet der klinisch-neurowissenschaftlichen Fächer.

München, den 22. August 2012

Prof. Dr. P. Falkai

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie,

Psychosomatik und Nervenheilkunde DGPPN

Geleitwort

Mit dem vorgelegten Band zu Epilepsie und Psyche behandelt der Autor ein wichtiges Thema, das in den letzten Jahren wieder vermehrt das gemeinsame Interesse von Psychiatrie und Neurologie findet. Nachdem jahrzehntelang die stigmatisierende Zuschreibung einer spezifischen »enechetischen« Wesensänderung im Mittelpunkt stand und sich insbesondere die Neurologie ganz auf die organischen, medikamentösen und chirurgischen Behandlungsverfahren konzentriert hat, ist in den letzten Jahren aufgrund neuerer wissenschaftlicher Ergebnisse das Grenzgebiet zwischen Neurologie und Psychiatrie gerade im Bereich der Epileptologie wieder vermehrt in den Fokus gerückt.

Eine Vielzahl von Befunden spricht dafür, dass psychiatrische Expertise und psychiatrische Therapie, psychotherapeutische Therapie und sozialtherapeutische Therapie einschließlich der Epilepsieberatung eine hohe Bedeutung für diese Patienten haben.

So bilden depressive Störungen insbesondere bei Patienten mit Temporallappenepilepsie eine wichtige und häufige Komorbidität. Auch Angststörungen, Psychosen (vor allem postiktale aber auch interiktale und iktale) stellen einen wichtigen Aspekt in der Diagnose und Therapie bei Patienten mit Epilepsie dar.

Es liegt mittlerweile ausreichende Evidenz vor, die zeigt, dass bei Patienten, die nicht anfallsfrei sind, nicht die Anfallsfrequenz, sondern Depressivität und Nebenwirkungslast die Lebensqualität maßgeblich beeinflussen.

Schon die frühe epileptologische Forschung, z. B. von Wilder Penfield, hat maßgeblich zu unserem Verständnis der funktionellen Anatomie beigetragen. Die Hinwendung der psychiatrischen Forschung zu bildgebenden Verfahren macht deutlich, dass einige der bei Epilepsien häufig betroffenen oder mit einbezogenen Hirnareale und Netzwerke auch für die Emotionsverarbeitung und psychische Prozesse insgesamt von großer Bedeutung sind.

Darüber hinaus hat die neueste genetische Forschung gezeigt, dass sich auch diesbezüglich erhebliche Überschneidungen ergeben. So finden sich z. B. Mikrodeletionen auf Chromosom 15q13.3 bei ca. 1 % der Patienten mit idiopathisch generalisierter Epilepsie, aber eben auch überzufällig häufig bei Patienten mit autistischen Störungen und Schizophrenie. In der Summe wächst die Evidenz, dass es in der Neurobiologie der Epilepsie und der Neurobiologie psychischer Erkrankungen gemeinsame Determinanten gibt und dass für beide Krankheitsgruppen ähnliche Hirnstruktur- bzw. Netzwerkstörungen zugrunde liegen können. Neben diesen gemeinsamen neurobiologischen Faktoren spielt aber auch, und vor allem in der Behandlung der Betroffenen, die Kenntnis psychischer Störungen und deren Epidemiologie bei Epilepsiepatienten eine große Rolle. Teile der antiepileptischen Medikation haben negativ psychotrope Nebenwirkungen, die gerade in Kenntnis der häufigen psychischen Komorbidität beachtet werden müssen. Neben einer rein medikamentös organischen Therapie spielen zunehmend auch psychotherapeutische und sozialberatende Aspekte in einer ganzheitlichen Therapie eine Rolle.

Aus Sicht der Neurologie ist es sehr begrüßenswert, dass die beiden Fachgebiete Neurologie und Psychiatrie sich gemeinsam wieder vermehrt der Erforschung der Epilepsie zuwenden. Gewonnene Erkenntnisse helfen bei dem Verständnis von Hirnfunktionen und deren Grundlagen, können zu einer Verbesserung der Patientenversorgung führen und erschließen einen wichtigen gemeinsamen Interessenbereich beider Fächer, der exemplarisch für eine fruchtbare Zusammenarbeit stehen kann und wird.

Mit dem vorgelegten Buch »Epilepsie und Psyche« legen Herr Professor Dr. Tebartz van Elst und Dr. Perlov eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse und eine Kartographie dieses Grenzgebietes der beiden Fächer vor. Er fasst die Vielzahl von Befunden zusammen, die eine Notwendigkeit einer engen Kooperation in der Erforschung der Epilepsie klar darlegen. Das vorgelegte Buch ist ausgesprochen lesenswert, fasst den aktuellen Wissenstand zusammen und regt weitere Forschung in diesem Gebiet an.

Prof. Dr. med. Dr. h. c. W. H. Oertel

Direktor Klinik für Neurologie, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)

Prof. Dr. med. F. Rosenow

Leitender Oberarzt Klinik für Neurologie

Geleitwort

Epilepsie ist keine Erkrankung im eigentlichen Sinne. Trotz der Tatsache, dass eine Vielzahl von Veränderungen des zentralen Nervensystems mit epileptischen Anfällen einhergeht, wird der Begriff »Epilepsie« häufig als Krankheitsbegriff benutzt, obwohl gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Epilepsieformen bestehen. Bedingt durch die Tatsache, dass epileptische Anfälle auch sehr spektakulär sein können, wird die Krankheitsgruppe »Epilepsien« häufig gleichgesetzt mit dem Vorhandensein von epileptischen Anfällen. Diese sind ähnlich wie bei Schmerzen lediglich ein Symptom einer häufig nicht weiter abgeklärten Ursache und als befriedigendes Therapieziel wird oft genug angesehen, dass der Patient frei von epileptischen Anfällen ist. Dies gelingt in der Regel bei zwei Drittel aller Epilepsiepatienten. Die Tatsache, dass Funktionsstörungen des Zentralnervensystems natürlich auch eine Reihe zusätzlicher Symptome generieren können, war früh bekannt und wurde häufig als Gegensatz angesehen, insbesondere dann, wenn schizophreniforme Psychosen – alternativ zu sehen von epileptischen Anfällen – auftraten und mit einer Normalisierung des EEGs einhergingen (forcierte Normalisierung). Die Interaktion zwischen epileptischen Anfällen und Psyche führte im Endeffekt auch dazu, dass eine Elektrokrampftherapie eingeführt wurde, die heute erhebliche Erfolge bei depressiven Patienten aufweisen kann.

Dass Epilepsie eng mit psychischen Störungen vergesellschaftet ist, stellte sich eigentlich erst in den letzten Jahren heraus. Wenn Charcot noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts bei seinen Patienten die sogenannte Hysteroepilepsie diagnostizierte, wird heute deutlich, dass die sogenannten Hysteroepilepsie-Patienten oft gar keine psychogenen nicht-epileptischen Anfälle hatten, sondern Frontallappenanfälle. Bei einer Frontallappenepilepsie konnte damit die bei den Patienten diagnostizierte psychiatrische Störung nicht als neurotischer Symptomenkomplex diagnostiziert werden, sondem stellte ein organisches Psychosyndrom dar. Heute ist bekannt, dass Frontallappenepilepsie bei Patienten mit eindeutig dissozialem Verhalten einhergehen kann und im Falle einer erfolgreichen operativen Behandlung der Epilepsie diese auch ihr dissoziales Verhalten verliert. In die gleiche Richtung gehen die bereits in den 1960iger Jahren gemachten Beobachtungen von Janz, damals Heidelberg, der vor allen Dingen bei ideopathisch-generalisierten Epilepsien psychiatrische Auffälligkeiten zeigte.

Dies ist nicht verwunderlich. Die Epilepsien, vor allen die fokalen Epilepsien, zeigen an, dass eine bestimmte Hirnregion dysfunktional arbeitet. Störungen dort führen daher häufig auch zu psychiatrischen Auffälligkeiten. So sind vor allem die Temporallappen-Epilepsien vergesellschaftet mit Depression und Angsterkrankungen. In der modernen Zeit geht dies sogar soweit, dass wir bei den spät im Lebensalter auftretendçn Temporallappen-Epilepsien, Krankheitssymptome wie Depression und Gedächtnisstörungen weit vor dem Auftreten der ersten komplexpartiellen Anfälle des Schläfenlappens haben. Dass Variationen der Psyche und Epilepsie gleichwertig betrachtet werden müssen, und dass das Zeitalter der reinen Anfallsbehandlung bei Epilepsiepatienten vorbei ist, wird leider noch von wenigen geteilt. Dies ist daran abzulesen, dass vor allem die Depressionen bei Epilepsiepatienten in der Regel nicht behandelt werden. Die Konsequenz ist eine relativ hohe Suizidrate bei Anfallspatienten. Komplizierend kommt hinzu, dass die Medikamente, die Anfälle und die sogenannte interiktuale Aktivität im EEG mit allem interagieren. Das Resultat sind neue Psychosyndrome und neue psychologische Defizite bei Patienten unter Medikation, die aufgrund der genauen Betrachtungsweise heute auch viel häufiger diagnostiziert werden. So zeigt sich, dass die klassischen Medikamente wie Carbamazepin und Valproinsäure, vor allem bei vorgeschädigten Hirnen, negative Einflüsse auf die Kognition haben. Ein Medikament wie Levetiracetam führt bei über 10 % der Patienten zu einer Verhaltensvariante, die in einer leichten Steigerung der Aggression bestehen kann, aber auch in etwa 2 % der Fälle sich in einer handfesten Psychose äußert, die völlig reversibel ist, wenn Levetiracetam abgesetzt wird. Insgesamt ist die Epilepsie eine äußerst komplexe Gruppe von Erkrankungen, die sehr differenziert betrachtet werden muss. Die der Epilepsie zugrunde liegende Hirnfunktionsstörung führt bei einer Vielzahl von Patienten auch zu psychiatrischen Auffälligkeiten, die viel zu wenig beachtet werden.

Ich hoffe, dass dieses Buch dazu beiträgt, den Patient als Patient im Ganzen zu betrachten und alle Störungen gleichwertig, auch unter Therapieaspekten, anzugehen.

Prof. Dr. C.E. Elger, FRCP

Direktor der Klinik für Epileptologie, Universität Bonn

Abkürzungsverzeichnis

ACC

anteriorer cingulärer Cortex

ACTH

Adrenocorticotropin, auch Adrenocorticotropes Hormon

ADHS

Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung

AED

antiepileptic drugs (Antiepileptika)

BPS

Borderline-Persönlichkeitsstörungen

CBZ

Carbamazepin

CGRP

Calcitonin-gene related peptide

CK

Kreatinkinase

CSWS

Continous Spike and Wave during slow Sleep

CT

Computertomographie

DLPFC

dorsolateraler Präfrontalkorex

DMKG

Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft

DNT

dysontogenetischneuroepitelialer Tumor

DRESS

Drug Rash with Eosinophilia and Systemic Symptoms (Arzneimittelinduzierter Hautausschlag mit Eosinophilie und systemischen Symptomen)

DTI (Bildgebung)

Diffusion tensor imaging

EEG

Elektroenzephalographie

ESES

electrical status epilepticus in sleep

ETP

Epilepsietypische Potentiale

FCD

focal cortical dysplasia (fokale kortiale Dysplasie)

fMRI-BOLD (-Signal)

fMRI: functional magnetic resonance imaging; BOLD: blood oxygen level dependant-Signal

GABA

Gammaaminobuttersäure

GBP

Gabapentin

HWZ

Halbwertzeit

IED

intermittent explosive disorder (auch: episodic dyscontrol)

ILAE

Internationalen Liga gegen Epilepsie

IRDA

intermittierende rhythmische Delta Aktivität

IRTA

intermittierende rhythmische Theta Aktivität

KI

Kontraindikation

KVT

Kognitive Verhaltenstherapie

LANI

Local Area Network Inhibition

LEV

Levetiracetam

LKS

Landau-Kleffner-Syndrom

LMG

Lamotrigin

MRT

Magnetresonanztomographie

MS

Multiple Sklerose

MST

multiple subpiale Transsektion

NW

Nebenwirkung

OXC

Oxcarbazepin

PB

Phenobarbital

PET (Untersuchung)

Positronen-Emissionstomographie

PGL

Pregabalin

PHT

Phenytoin

PND

paraepileptischeNetzwerkdyskonnektion

PS

Persönlichkeit

PTBS

posttraumatische Belastungsstörung

REM-Schlaf

rapid eye movement-Schlaf

SPECT (Untersuchung)

Single photon emission computer tomography

SSRI

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

SSS

small sharp spikes

SUDEP

sudden unexplained death in epilepsy

SWC

Spike-Wave-Komplexe

TAK

trigeminoautonomes Kopfschmerz-Syndrom

TGA

transiente globale Amnesie

TGB

Tiagabin

TIA

Transiente ischämische Attacke

TPM

Topiramat

VPA

Valproat

ZNS

Zentrales Nervensystem

ZNS

Zonisamid

Vorwort

In diesem Buchprojekt sollen drei Patientengruppen im Grenzgebiet der großen klinischen Neurowissenschaften Neurologie, Epileptologie und Psychiatrie und Psychotherapie im Zentrum des Interesses stehen. Sie befinden sich allesamt im diagnostischen und therapeutischen Niemandsland zwischen diesen Disziplinen, obwohl es sich dabei zahlenmäßig nicht um Randgruppen, sondern um große Patientengruppen handelt.

Dies sind zum einen Menschen mit Epilepsie und psychischen Störungen. Psychische Störungen bei Epilepsie sind häufig und weisen einige diagnostische und therapeutische Besonderheiten auf. In dem nachvollziehbaren Versuch, die Stigmatisierung der Epilepsie zu vermindern, wurden psychiatrische Themen in der Epileptologie lange Zeit gemieden. Dies hat sich in den letzten beiden Dekaden jedoch drastisch geändert. Aktuell hat die Epileptologie in den Augen der Autoren fast schon Vorbildcharakter für die anderen großen neuropsychiatrischen Störungsbilder in Hinblick auf die Integration und Thematisierung psychiatrischer Fragen. Die entsprechenden Entwicklungen und Erkenntnisgewinne sollen in diesem Buch zusammenfassend dargestellt werden.

Die zweite Patientengruppe im Fokus dieses Buches sind Patienten1 mit nichtepileptischen Anfallserkrankungen. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine große Patientenuntergruppe. Etwa ein Viertel der Patienten, die sich in spezialisierten Zentren zur Epilepsiediagnostik vorstellen, leiden an nicht-epiletpischen Anfällen. Die Diagnosestellung, der Umgang mit diesen besonderen Anfällen, das Krankheitsverständnis und -modell und die Therapie bereiten allen Beteiligten besondere Probleme und werden hier breit thematisiert.

Die dritte Gruppe von Patienten sind solche, die sich mit klassisch psychiatrischen Syndromen wie Depressionen, psychotischen Erkrankungen, Autismus, dissoziativen Zuständen oder Borderline-Persönlichkeitsstörungen primär in der Psychiatrie und Psychotherapie vorstellen, aber ähnlich wie die Menschen mit nicht-epileptischen Anfällen, häufig klare EEG-Auffälligkeiten oder sonstige Befunde in der neurologischen Diagnostik aufweisen. Auch hier bereitet die diagnostische Zuordnung oft Probleme. Das kann zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den unterschiedlichen Spezialistengruppen und zu Verunsicherungen der Betroffenen führen.

Das Ziel dieses Buches ist es, das noch wenig bearbeitete neuropsychiatrische Niemandsland zwischen den großen klinischen Neurowissenschaften zu erkunden und vielleicht den ein oder anderen Pfad zu finden, der hüben und drüben miteinander verbindet.

Dazu werden die Besonderheiten unterschiedlichster Anfallserkrankungen beschrieben und Krankheitsmodelle vorgeschlagen, die neurologische, epileptologische und psychiatrisch-psychotherapeutische Blickwinkel in Hinblick auf die drei genannten Patientengruppen vereinen könnten.

Freiburg, im Dezember 2012

Ludger Tebartz van Elst

1 Wenn hier und im Folgenden von Patienten oder auch Ärzten gesprochen wird, sind damit immer männliche und weibliche Patienten und Patientinnen, Ärzte und Ärztinnen gemeint. Um den Lesefluss des Textes aber nicht zu unterbrechen, soll der Einfachheit halber immer nur der Begriff Patienten oder Ärzte gewählt werden.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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