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Grau ist alle Theorie! Deshalb versammelt dieses Buch 100 Jahre gelebte Praxiserfahrung von Geschäftsführern, Unternehmern, Managern und Vorständen. In sieben außergewöhnlichen Interviews schildern sie ihre größten Herausforderungen, Learnings und Erfolge, aber klammern auch Misserfolge und Fehlentscheidungen nicht aus. Wie mit unterschiedlichen Kulturen an verschiedenen Standorten umgehen? Wie die langjährigen Mitarbeiter von ganz neuen Wegen überzeugen? Und wie eine Firma aus dem Nichts aufbauen? Jürgen Hörletseder ist diesen Fragen nachgegangen. Herausgekommen ist eine Essenz von langjährig erprobtem Managementwissen direkt aus den Betrieben. Ein Muss für alle Führungskräfte und jene, die es werden wollen!
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Seitenzahl: 176
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Vorwort
Manfred Mühringer
der beständige Visionär
Herr Jacobi
der erfahrene Vorstand
Christian Hansl
der tool-versierte Geschäftsführer
Horst Pesendorfer
der umsetzungsstarke Unternehmer
Walter Schweiger
der Multi-Firmengründer
Günther Appeltauer
der charismatische Leader
Gerhard Hörletseder
der empathische Optimierer
Bereits als Kind habe ich viel von Management und Geschäftsführung gehört – meist freitagnachmittags von meinem Vater, wenn er von einer intensiven Arbeitswoche aus dem Ausland zurückkam. Mich faszinierten die Geschichten, die Entscheidungen, zwischenmenschliche Aspekte, Erfolgserlebnisse, aber auch die Schwierigkeiten, die zu meistern waren. Seitdem ließ mich das Thema nicht mehr los. Nach ersten eigenen Erfahrungen in der Arbeitswelt, als Projekt-, Einkaufs- und Betriebsleiter, entschloss ich mich, meine Neugier zu befriedigen und interviewte für dieses Buch sieben erfolgreiche Manager.
Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob alle erfolgreichen Manager gleich gestrickt sind oder ob es eine Eigenschaft gibt, die alle erfolgreichen Leute miteinander teilen? Dieses Buch wird Ihnen diese Frage beantworten.
Mehrere erfolgreiche Leute kommen zu Wort und haben, jeder für sich, ganz spezielle Erfolgsgeheimnisse und auch persönliche Geschichten zu erzählen. Sie erfahren von deren größten Herausforderungen, besten Entscheidungen, Rückschlägen, Learnings, Visionen, Strategien u. v. m.
Ich hoffe, dass Sie aus den Geschichten etwas für Ihr Berufsleben mitnehmen können, Sie einen Motivationsschub verspüren und vor allem angenehm unterhalten werden.
Bei allen Überarbeitungen haben wir versucht, einen Kompromiss aus der ursprünglich verwendeten Sprache, dem Stil der Interviewpartner und einer guten Lesbarkeit zu finden. Dabei war es uns wichtig, das Gesprochene weitgehend im Original zu belassen, damit es Ihnen leichter fällt, die unterschiedlichen Charaktere wahrzunehmen und die Interviewpartner besser kennenzulernen.
Auf das Gendern wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.
In einem geschmackvoll restaurierten Wartebereich der Firma SMW holt mich Herr Mühringer freundlich und gut gelaunt ab. Im folgenden Interview wird mir schon bald bewusst, einen Meister der beständigen Schritte in Richtung Industrie 4.0 und darüber hinaus vor mir zu haben. Auch seine starken Überzeugungen und Werte imponieren mir sehr. Die anschließende Firmenführung untermauert nochmals seine Erzählungen. Aber lesen Sie selbst …
BITTE BESCHREIBEN SIE IHREN WERDEGANG, IHRE POSITION UND IHRE TÄTIGKEIT IM UNTERNEHMEN SMW METALLVERARBEITUNG GMBH.
Bei der Gründung des Einzelunternehmens war ich von Anfang an als Angestellter dabei – sogar beim Bodenlegen. Von Beginn an wurde die Firma auf spanabhebende Fertigung (Drehen und Fräsen) ausgelegt und ist schnell gewachsen. Leider ist der Besitzer, Herr Aichinger, sehr früh verstorben. Er hinterließ drei minderjährige Kinder aus verschiedenen Ehen. Der Nachlassverwalter forderte, dass die Werte ausgeschüttet werden. Das war aber aufgrund der Unternehmensgröße nicht möglich. Es hätten 50 % des Unternehmenswertes ausgeschüttet werden müssen, und das umgehend, da der Sachwalter, der die minderjährigen Kinder vertrat, einer Auszahlung in mehreren Etappen nicht zustimmte. Unser Rechtsanwalt riet uns zu einem Nachlasskonkurs. Das Unternehmen war daraufhin 1997 am freien Markt verfügbar und wurde von der Witwe (Frau Beham) und mir übernommen.
Aufgrund von weiterem Unternehmenswachstum und fehlenden Expansionsmöglichkeiten dachten wir über einen Standortwechsel nach. Eine Befragung ergab, dass die meisten Mitarbeiter bei einer Übersiedelung bis maximal 15 km Entfernung mitgehen würden. Also zogen wir mit Karte und Zirkel einen Kreis und schrieben die darin liegenden Gemeinden an – Hofkirchen machte das Rennen. Wir haben dort 2001 auf grüner Wiese gebaut, immer wieder erweitert und haben jetzt eine Hallenfläche von 18.000 m2. Wir fahren einen 4- Schichtbetrieb, also auch Samstag und Sonntag durch. Mittlerweile haben wir auch in Adlwang bei Bad Hall eine komplette Blechfertigung. Dort wird gelasert, geschweißt, Roboter-geschweißt und Roboter-gekantet.
Voriges Jahr haben wir einen neuen Standort in Kroatien mit mittlerweile 52 Mitarbeitern gegründet.
Frau Beham hat Ende 2007 aufgrund einer Schwangerschaft das Unternehmen verlassen. Ich habe ihre Anteile übernommen und mir einen neuen Mitgeschäftsführer gesucht, Herrn Zorn. Ich hatte nie das Bestreben, 100 % zu halten, da dies immer sehr schwierig bei Entscheidungsfindungen ist. Da hat man niemanden auf Augenhöhe, mit dem man sich zum Beispiel über Unternehmensstrategien unterhalten kann.
WELCHE POSITION UND AUFGABE HATTEN SIE VOR DEM ABLEBEN DES BESITZERS?
Bis auf die Buchhaltung war ich für das ganze Büro verantwortlich, also den Einkauf, die Arbeitsvorbereitung und den Verkauf. Ich habe aber auch auf einer Bearbeitungsmaschine ausgeholfen, wenn Not am Mann war. Im Prinzip gab es damals fast nichts, was ich nicht gemacht habe. Es herrschte eine Aufbruchstimmung. Ich weiß noch, dass wir für einen sehr dringenden Auftrag einmal alle miteinander 48 Stunden durchgearbeitet haben – das wäre heute unvorstellbar.
WIE GING ES NACH DER KONKURSÜBERNAHME WEITER?
Die Firma lief bis zum Todesfall in stabilen Bahnen, das war speziell dem ehemaligen Besitzer, Herrn Aichinger, zu verdanken, der sieben Tage die Woche in der Firma war. Diese wichtige Säule ist von einem Tag auf den anderen weggebrochen. Wenn so etwas passiert, wird ein starker Zusammenhalt geschaffen. Wir haben alles darangesetzt, das miteinander hinzubekommen. Jeder hat sein ‚Pinkerl‘ geschnappt. Ohne speziell darüber zu reden, war klar, wer was macht.
WAS STELLT IHR UNTERNEHMEN HER?
Herr Aichinger hat Schiffsbauer gelernt und ist sehr gerne gesegelt. Mit dem Wunsch, Schiffe zu bauen, wurde das Einzelunternehmen gegründet. Er hat dann irgendwann eingesehen, dass es nicht so klug ist, wenn man sich in einem Binnenland nur auf den Schiffsbau konzentriert (lacht).
Unser erster Kunde war Fa. Liebherr in Bischofshofen, von dem wir einen sehr großen Vertrauensvorschuss bekommen haben. Sie wussten, dass wir in deren Segment zuvor noch nichts gefertigt hatten.
Ein weiterer Kunde hat kurz darauf gesagt: „Ihr macht für uns die Seilrolle und die Achse. Warum montiert ihr die beiden nicht gleich zusammen?“ Daraus sind die ersten Montageschritte entstanden. Mit der Zeit haben immer mehr Kunden denselben Wunsch geäußert, fixfertige Baugruppen zu bestellen, da deren Einkauf für sie einfacher war und auch diverse Probleme zu uns hin ausgelagert werden konnten.
Wir hatten bald einige Montagemitarbeiter. Dann kam, wie erwähnt die Blechfertigung in Adlwang dazu. Die Entwicklung ging weiter mit Oberflächentechnik, also: sandstrahlen und lackieren. Als Nebengeräusch ist dazu die Fertigung des Eisenbahnrades entstanden, was sich aus der laufenden Zusammenarbeit mit den namhaften Eisenbahnproduzenten, Siemens und Bombardier, ergeben hat.
Eisenbahnräder wollte ich schon immer herstellen. Ich habe dies aber drastisch unterschätzt, denn es sind Komplexitäten dazugekommen wie Ultraschallprüfung, Magnetpulver-Prüfung, Negativ-Eigenspannungsprüfung u. v. m. – also viele neue Aufgabenstellungen. Heute wissen wir, dass die Räder zu drehen der geringste Aufwand im Vergleich zum Prüfaufwand ist. Heute sind die Prüfverfahren für uns völlig unproblematisch, weil der Messablauf mittlerweile hochautomatisiert ist und teilweise inline passiert.
Bei den Blechfertigungen in Bosnien-Herzegowina und Kroatien haben wir eine sehr hohe Montagetiefe. Das heißt, fast alles, was dort gefertigt wird, bauen wir selbst zusammen. In Österreich ist es schon schwieriger, Arbeiter für die Serienmontage zu finden. Hier montieren wir großteils sehr anspruchsvolle Projekte, wie komplette Aufzugseinheiten und sehr viel für die Bühnentechnik, zum Beispiel für die Operncity, für Opernhäuser in Wien, in der Türkei oder der königlichen Oper in Stockholm. Das ist für die Montagetrupps in Österreich immer noch interessant, da es davon nie zwei gleiche Projekte gibt.
In Kroatien hingegen funktioniert die Serienfertigung noch sehr gut. Wir sind sehr stolz auf die Entwicklung dieses Standortes und auch darauf, dass die beste Montagetruppe, die wir haben, aus Damen besteht. In der Früh bringen sie die Kinder in die Schule und nach der Arbeit werden die Kinder wieder von den Müttern abgeholt. Das funktioniert tadellos! Speziell von der Entwicklung der Montage-Qualität und des Tempos sind wir sehr begeistert.
Das größte Problem haben wir in Kroatien mit den Facharbeitern. Aber nicht, weil man keine bekommen würde, sondern weil der Facharbeitermangel schon eine gewisse Überheblichkeit bei den Mitarbeitern hervorgebracht hat. Wenn man dort einen Schweißer schief anredet, ist er weg. Er geht zur Türe raus und bei der nächsten wieder rein. Das kann sehr herausfordernd sein. Dazu kommt deren osteuropäische Mentalität. Die Facharbeiter haben einen großen Stolz. Sprich: Wenn man dort einem Schweißer sagt, er solle bitte seine Schweißnähte noch abschleifen, entgegnet der: „Ich bin kein Schleifer.“ Das ist wirklich ein großes Mentalitäts-Thema. Gottseidank gibt es an diesem Standort einen Geschäftsführer, der das aushält.
WAS WAREN UND SIND DIE GRÖßTEN HERAUSFORDERUNGEN IN IHRER BRANCHE UND WIE GEHEN SIE DAMIT UM?
Das ist mit Sicherheit das andauernde Problem des Facharbeitermangels. Mittlerweile betrifft das allerdings nicht nur die Facharbeiter, sondern generell jegliches Personal. Die Bereitschaft zu arbeiten nimmt immer mehr ab. Bei uns bewerben sich Schulabgänger, die nicht Vollzeit arbeiten wollen, sondern maximal 30 Stunden, denn sie leben doch nicht, um zu arbeiten.
Das hat es immer schon gegeben, doch früher war das Verhältnis noch ein anderes. Es waren 80 % arbeitsam und 20 % haben hinterfragt, warum sie überhaupt arbeiten sollen. Das Verhältnis beginnt sich zu drehen und das macht es relativ schwierig. Es fordert immer wieder neue Antworten auf die Frage: „Wie bleibt das Unternehmen sexy für die Mitarbeiter?“ Da sind gute Ideen gefragt.
Dass wir eine Rohstoffverknappung haben und explodierende Rohmaterialpreise, ist ein marktbegleitendes Nebenthema und wird vielleicht nächstes Jahr wieder anders sein. Aber das Personalthema ist ein Dauerbrenner.
AKTUELL HABEN DIE EXPLODIERENDEN ROHSTOFFPREISE EINIGEN UNTERNEHMEN DIE MARGE WEGGEFRESSEN BZW. SOGAR BEI MANCHEN PRODUKTEN ROTE ZAHLEN BESCHERT. WIE GEHEN SIE DAMIT UM?
In fast allen unseren Verträgen haben wir Preisgleitklauseln inkludiert. Das bedeutet, dass sich unsere Verkaufspreise den Materialpreisen anpassen. Es besteht ein dreimonatiger Zeitversatz, wodurch wir anfängliche Materialpreiserhöhungen zunächst selbst tragen und hinterher wieder anhängen.
Wir haben Kunden, die mit Kunden-Preislisten arbeiten, an die sie sich immer ein Jahr lang binden. Bei explodierenden Einkaufspreisen und einem boomenden Markt kommt irgendwann die Situation, in der es für sie besser wäre, nichts mehr zu verkaufen und auf die neue Preisliste zu warten. Denn sonst pflastern sie den Markt mit teils defizitären Produkten zu, weil alle wie verrückt kaufen.
WAS IST IHR WERTVOLLSTES BUSINESS-WISSEN?
Ich weiß, wen ich anrufen muss, wenn ich etwas wissen will. Die größte Gefahr ist zu glauben, dass man immer alles selbst wissen und selbst erarbeiten muss. Denn dann beginnt man, Umwege zu gehen. Für mich ist das ein falscher Stolz, nicht zu fragen. Das Fragen kürzt oft ab und schafft eine Vernetzung miteinander.
Dieses ‚selbst Erarbeiten‘ ist sehr positiv, aber es gibt einen Zeitpunkt, an dem ich merke, dass ich allein nicht mehr weiterkomme, und das gestehe ich mir auch ein. Diesen Zeitpunkt zu erkennen, ist ein wichtiger Aspekt. Irgendwann hat man dann auch sein Netzwerk dafür geschaffen.
WO SEHEN SIE IHRE BESONDEREN STÄRKEN?
In der Beharrlichkeit. Ich starte zum Teil Projekte, die ich mir vor 15 oder 20 Jahren vorgenommen habe und arbeite teilweise ebenso lange an einem Projekt, bis es endlich klappt. Ein Beispiel ist der Brückenbau: Wir machen jetzt massiv viele Teile für Spannbrücken, die mit Stahlseilen vorgespannt werden. Wir liefern die Verankerungspunkte für die Brücken. Ich schätze, dass ich ungefähr 20 Jahre an diesem Kunden drangeblieben bin, bevor wir einen Auftrag bekommen haben.
WIE SIND SIE IN DIESEM PUNKT GENAU VORGEGANGEN, UM IN DIE BRANCHE REINZUKOMMEN?
Durch Beharrlichkeit. Irgendwann gibt es einen Zeitpunkt, an dem der Kunde einen erhöhten Bedarf hat und sich dann auf ein Gespräch einlässt.
Es gibt auch Lieferanten, mit denen die Chemie nicht stimmt, mit denen wir nicht so gut zusammenkommen. Da bleiben wir trotzdem dran, versuchen den Weg zu gehen und offen für Veränderungen zu sein. Das gehört für mich zur Beharrlichkeit dazu: zu akzeptieren, dass es jetzt gerade nicht passt, aber den Weg weiter zu beschreiten. Es kann zwar sein, dass wir vorerst einmal fünf Kilometer links davon gehen, aber es ist dieselbe Richtung. Das ist das Wichtige!
Nachdem wir für den Brückenkunden schon jahrelang Lückenbüßer waren und immer nur kleine Stücke vom Kuchen abbekommen haben, gab es bei ihm personelle Veränderungen, die uns in die Hand gespielt haben. Die neuen Ansprechpartner konnten wir davon überzeugen, dass wir die Mengen und die Qualität in der gewünschten Zeit abbilden können. Der bisherige Lieferant des Kunden scheiterte an diesem Anspruch.
DAS HEIßT, SIE HABEN AUCH DEN VERTRIEB UNTER IHREN FITTICHEN?
Ja, den mache ich allein.
WELCHE BEREICHE VERANTWORTEN SIE IN IHREM UNTERNEHMEN?
Die administrativen Bereiche wie: Einkauf, Vertrieb, Logistik, QM & QS. Momentan ist der Montagebereich wieder bei mir, weil wir dort einen Personalabgang hatten. Die Produktion ist bei meinem Geschäftsführer-Kollegen, Manfred Zorn.
HABEN SIE ÜBERWIEGEND WIEDERHOLAUFTRÄGE UND LANGFRISTIGE PARTNERSCHAFTEN?
Wir haben zum Beispiel einen Auftrag im Eisenbahnsegment, der die nächsten 7 Jahre bis 2028 läuft. Das betrifft die Teilefertigung für den Umbau der U-Bahn in London, für den unsere Maschinen jetzt zu produzieren beginnen. Bei den meisten dieser Projekte kennen wir die genaue Stückzahl schon zu Beginn, die in den folgenden Jahren produziert werden soll.
Gerade heute hatten wir eine Besprechung für ein Projekt mit behindertengerechten einachsigen Fahrzeugen nach dem Segway-Prinzip. Relativ neu ist die Produktion von Dreh- und Frästeilen für die Fahrradfertigung. Beides ist für uns ein komplett neues Segment. Der Marktzugang ist schon da. Wir rollen diese Fertigung langsam mit besonderem Fokus auf Autonomie aus. Das heißt, die Maschinen fahren von 24 Stunden bereits 23 Stunden mannlos. Denn in diesem Segment konkurrieren wir mit Billiglohnländern wie zum Beispiel Taiwan.
WIE WÜRDEN SIE IHRE EIGENE ERFOLGSSTRATEGIE BESCHREIBEN?
Es ist die gelebte Partnerschaft mit unseren Kunden. Dadurch konnten wir mit nur wenigen Kunden groß werden und haben eine hauptsächlich positive Mundpropaganda. Natürlich machen wir auch Fehler, aber wir sind im Markt dafür bekannt, dass wir mit Kunden sehr partnerschaftlich umgehen und auch schauen, dass wir Täler gemeinsam durchschreiten.
Bisher hatten wir immer wieder mit Lieferproblemen zu kämpfen, was eine Folgeerscheinung unseres Wachstums ist. Darum ist die Strategie, für nächstes Jahr nicht weiter zu wachsen, sondern wirklich zu schauen, dass die Prozesse wieder auf gesunde Füße gestellt werden.
WIE SIND SIE MIT DER LETZTEN KRISEN 2008 UND DER AKTUELLEN UMGEGANGEN?
2008 hat es uns kalt erwischt, weil manche Kunden uns ihre nicht partnerschaftliche Seiten gezeigt haben. Das hat von uns einige Maßnahmen abverlangt. Sie haben die Situation komplett ausgenutzt, indem sie die Preise bis auf Anschlag gedrückt haben. Das war auch der Auslöser, warum wir eine Fertigung in Bosnien gegründet haben, denn in Hofkirchen produzierten wir diese Teile schon mit Verlust. Es gab für uns zwei Möglichkeiten: Entweder, treten wir von den Aufträgen zurück, oder wir schaffen es, mit den vorhandenen Aufträgen wieder in einen grünen Bereich zu kommen. Letzteres haben wir dann auch umgesetzt. Der Zufall spielte dabei noch mit, denn ein Mitarbeiter mit einer leitenden Funktion in der Fertigung hatte schon öfter davon gesprochen, wieder nach Bosnien zurückzugehen und sich selbstständig zu machen. Wir hatten die Maschinen und Aufträge dazu und bauten miteinander einen neuen Standort in seinem Heimatland auf. Dort haben wir mittlerweile bereits 50 Beschäftigte.
WELCHE SCHRITTE WURDEN BISHER IN HINBLICK AUF INDUSTRIE 4.0 UMGESETZT UND WELCHE BEFINDEN SICH DERZEIT IN PLANUNG?
Bei uns wird ‚4.0‘ ganz, ganz großgeschrieben und die interne Vernetzung wird intensiv vorangetrieben. Wir haben im letzten Jahr 60 bis 70 km Datenleitungen gezogen. Es wird alles, was irgendwie geht, in eine klare Strukturiertheit hineingebracht. 4.0 setzt sowieso voraus, dass eine digitale Plattform mit allen Informationen ständig erweitert wird. Bei uns arbeiten durchgehend Mitarbeiter daran, Industrie 4.0‘ weiterzubringen. Wir hatten beispielsweise vor drei Jahren noch keine Gebäudesteuerung. Ohne die ginge es jetzt nicht mehr. Die Hallentore müssen automatisch für die FTS (fahrerlose Transportsysteme) öffnen, wenn diese von einer Halle in die andere fahren.
Wir haben eine 100%ige WLAN-Dichte im Unternehmen, weil die FTS über das WLAN gesteuert werden. Zum Beispiel teilt der Roboter dem FTS mit, dass er Material braucht. Daraufhin fragt das FTS im ERP-System den Palettenstellplatz ab, lässt sich ggf. ein Hallentor öffnen und bringt dem Roboter automatisch die gewünschte Palette.
Unsere Herausforderung ist, 24/7 zu produzieren. Da niemand am Wochenende mit dem Stapler fahren will, haben wir die FTS eingeführt. Allein durch die reduzierten Schäden an Werkstücken und Hallentoren rechnet sich die Umstellung.
Bevor wir mit den FTS angefangen haben, haben wir ein FMS eingeführt (Verkettung von Fräsmaschinen). Die erste Linie haben wir 2009 fertiggestellt. Damals war das noch unvorstellbar. Jetzt wird gerade die dritte Linie in Betrieb genommen.
Wir haben für uns selbst ein Nullpunktspannsystem entwickelt, dass mit Bluetooth den Zustand der Bearbeitung oder Warnungen weitermeldet.
Aktuell erweitern wir die PV-Anlage von 400 kW auf 1 MW. Wir haben eine USV (unterbrechungsfreie Stromversorgung) mit nahezu 1 MW installiert, weil wir im Jahr durchschnittlich 20 Stromausfälle, überwiegend aber Mikroausfälle in der Größenordnung von einer Minute hatten. Mit der USV können wir davon 18 Stück überbrücken. Dazu arbeiten wir gerade eine intelligente Abschaltautomatik aus, mit der die Maschinen je nach ihrer Intelligenz heruntergefahren werden. Manche fahren den Satz noch fertig, andere werden kontrolliert heruntergefahren. Bei ‚dummen‘ Maschinen, wie unserer Sandstrahlanlage, bleibt es bei einer Hard-Cut-Abschaltung.
Wir wollen die papierlose Fertigung stark vorantreiben.
Wir arbeiten seit neuestem mit ‚digitalen Zwillingen‘ der Maschinen. Damit werden alle Bearbeitungen virtuell simuliert.
Die Fräsanlagen sind alle untereinander vernetzt. Fällt eine Anlage aus, transferieren wir den Auftrag mit einem Regalbediengerät auf die nächste Maschine.
Die Maschinen messen die Werkstücke mittels Infrarottaster und senden die Messdaten teilweise unmittelbar zu den Kunden. Wir greifen auch direkt auf die Maschinensteuerungen zu.
Zudem sind wir stark in Richtung prozesssichere Fertigung unterwegs.
Aktuell sind wir dabei, die Reinigungsmaschinen autonom in den frühen Morgenstunden zu betreiben.
WELCHE ENTSCHEIDUNG ERFÜLLT SIE RÜCKBLICKEND MIT FREUDE / STOLZ?
In jüngster Vergangenheit sicherlich, dass das Kroatien-Projekt so gut aufgegangen ist. Das stellt auch einen absoluten Anker für die österreichische Fertigung dar, weil wir mit diesem Werk zu einem Voll-Segmenter wurden und das komplette Produktportfolio ohne Zukäufe von Halbfertigteilen anbieten können.
Sehr stolz sind wir auch auf das Thema ‚4.0‘. Weil wir dort extrem tief reingreifen und durch eine ständige und sehr nachhaltige Entwicklung unsere Ziele erreichen. Vielleicht realisieren wir nicht alle Ziele zeitlich punktgenau, aber wir bleiben auf jeden Fall dran nach dem Motto: „In Ordnung, das war ein Rückschlag, das ist heute nicht so sexy gelaufen, aber morgen probieren wir es wieder.“ Es ist wieder eine Form der Beharrlichkeit.
MIT WELCHEN MAßNAHMEN KONNTEN SIE GRÖßERE VERLUSTE IN IHRER FIRMA ABWENDEN?
Durch das Erkennen, was den Standort im Hochlohnland Österreich absichert, damit es gar nicht erst so weit kommt, Verluste zu machen. Das heißt auch, einen Automatisierungsschritt nach dem anderen zu gehen.
Irgendwann hat man den ersten Roboter im Haus. Man muss ihm genau das beibringen, was die Mitarbeiter schon immer gemacht haben. Wir haben damals sicher an den schwersten Enden angefangen. Denn einen automatisierten Teilewechsel in einer CNC-Bearbeitungsmaschine – das bringt jeder zusammen. Aber ein Kugellager mit einem Sicherungsring zu fixieren, der zwei kleine Löcher zum Auseinanderziehen hat, das ist schon eine andere Schwierigkeitsklasse.
Das Aufbringen des Kugellagers auf die Passung wird dazu noch einmal weg- und drucküberwacht. Weil wir so viele Zyklen gefahren sind, waren die Greifer zu Beginn alle paar Tage wieder kaputt. Auch das Design war noch nicht 100%ig für diesen Einsatz ausgelegt. Es ist ein ständiges Lernen. Gerade bei Automatisierungsprojekten lernt man nur mit Rückschlägen.
WELCHE FEHLENTSCHEIDUNGEN GAB ES VON IHNEN, IHREN MITARBEITERN ODER IHREN VORGÄNGERN?
Klar gibt es Fehlentscheidungen. Wir hatten auch Firmenübernahmen, die nicht geklappt haben, weil wir uns zu sehr auf den Menschen verlassen haben, der die Firma hätte leiten sollen. Das hat mich betroffen, weil ich dort der zweite Geschäftsführer war. Ich habe mich aber zu sehr darauf verlassen, dass alles in Ordnung ist. Einige Wochen später haben wir den Standort dann geschlossen und alle Maschinen verkauft. Der Fehler damals war, blind vertraut zu haben, ohne Beweise dafür eingefordert zu haben. Das würde ich heute nicht mehr so machen. Vertrauen muss erarbeitet werden und es müssen Beweise dafür erbracht werden. Ich habe kein Problem damit, dass ich Vertrauen vorausschicke, aber es gibt den Punkt, an dem man die Ergebnisse kritisch betrachten sollte.
Es ist oft leichter, wegzuschauen als hinzuschauen. Das hat generell mit Mitarbeiterführung zu tun. Das sogenannte ‚Schleifenlassen‘ setzt voraus, dass man wegschaut. Es ist dem Mitarbeiter und der Führungskraft nicht gedient, wenn man das macht. Es gibt schon manchmal die Situation, in der man sich sagt, ich schau einmal weg. Aber generell ist es einfacher, wenn man in den Anfängen gleich darüber redet und immer wieder leichte Korrekturen macht. Denn wenn jemand bei einer Kreuzung falsch abgebogen ist und schon den halben Weg hinter sich hat, und erst dann mitgeteilt bekommt, dass er umdrehen soll, zurück zur Kreuzung fahren soll, um den anderen Weg zu nehmen, dann kommt das einem Rückzugsgefecht gleich.
WAS SIND IHRE GRÖßTEN LEARNINGS?
Das ist mit Sicherheit der Umgang mit Menschen, sowie zu lernen, meine Empfindungen ernst zu nehmen und nicht kleinzureden. Sie lieber noch einmal zu hinterfragen und zu prüfen. Denn meistens liegt das Gefühl richtig. Grundsätzlich sind wir alle gefühlsgesteuert. Wenn man schon einmal das Gefühl hat, dass etwas verkehrt läuft, auch wenn die Zahlen das noch nicht zeigen, sollte man doch lieber ein zweites Mal hinschauen und hinterfragen, woher das Gefühl kommt.
WAS SIND DIE NICHT GEPICKTEN ROSINEN, GESCHEITERTEN PROJEKTE UND UNERREICHTEN ZIELE?
Die gibt es nicht, denn ein nicht erreichtes Ziel heißt bei mir, dass ich da noch dran bin (lacht). Wir können über nicht erreichte Ziele reden, wenn ich nicht mehr in der Firma sitze, aber Beharrlichkeit setzt voraus, dass ich an meinen Zielen dranbleibe.