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Beschreibung

Offenbar hat sich Eric Holler wegen seiner Tätigkeit als Privatdetektiv einen Feind geschaffen, von dem er keine Ahnung hat. Nur knapp entgeht er einem Mordanschlag, der anschließend immer mehr zu einem Rätsel wird. Daraufhin wird aus ihm vorübergehend der Mann, der viele Jahre für die CIA tätig war: ein knallharter Agent, der in Erfahrung bringen möchte, wer es auf ihn abgesehen hat. Der Weg zum Ziel wird steiniger, als es sich der Privatdetektiv vorstellen konnte.

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Inhaltsverzeichnis

Rückblende

01. Akt

Vorwürfe

Der Anschlag

Wo ist Holler?

Gewissensbisse

02. Akt

Aspekte

Feindesland

Frust

Bauchgefühle

03. Akt

Ein merkwürdiger Rundgang

Gefühle und Wahrheiten

Fragen und Schmerzen

Menschliche Züge

04. Akt

Tatort und Täter

Haltestelle Consolidation

Rambo – Made in Gelsenkirchen

Ende mit Schrecken

Hinweise:

Veröffentlichungen des Autors:

Impressum:

 

Eric Holler:

Gelsenkugeln

 

Ein Gelsenkrimi

von

Roman Just

 

 

Rückblende

E

ric Holler hatte einiges zu meistern. Zunächst erhielt er einen Auftrag von Kriminalhauptkommissar Werthofen, der mit seiner Familie im Urlaub zum ersten Mal seit Jahren Ibiza unsicher machen wollte. Für den Privatdetektiv stand eines fest: Dort, wo Werthofen zugange war, konnte das Chaos nicht weit entfernt sein, doch leichtsinnigerweise versprach er, sich während der Abwesenheit des Kripoangehörigen um dessen Haus zu kümmern. Wichtig waren vor allem die Pflanzen im Gebäude und der Garten hinter der Ruine. Das Grünzeug gehörte zu den Schätzen Heikes, der Gemahlin des Kommissars. Manch ein Blumentopf samt unaussprechlicher Pflanzengattung besaß für sie einen Wert, mit dem der Ehering nicht mithalten konnte. Für den Privatdetektiv hätte die übernommene Aufsichtspflicht somit Priorität besitzen müssen, aber schließlich kam eine Frau in sein Büro gerannt. Das Erscheinen Silvia Riemers hatte dafür gesorgt, dass die grün strahlende Wiese braune Flecken bekam und die botanische Ausstattung in den Räumen die Blätter hängen ließ.

In einem Crash-Kurs erhielt Eric von Silvia, die er zwischenzeitlich zu seinem Freund nach Amerika schickte, später eine Ausbildung zum Pflanzenretter. Das war, nachdem er der plötzlich in seinem Büro stehenden Frau aus der Patsche geholfen hatte. Es war ihm gelungen, ihre Behauptung, zwei Leichen im Kanal gesehen zu haben, zu belegen. Erst als sie in den USA und damit in Sicherheit war, ließ der Privatdetektiv die Katze aus dem Sack. Der Fall war gelöst, aber die Angelegenheit nicht erledigt. Bei den Leichen handelte es sich um die Söhne eines Unternehmers. Umgebracht wurden sie von den Kindern dessen rechter Hand, bei der es sich um den Firmenanwalt handelte, während eines Streits bei einem Pokerspiel. Ob die Morde aus Notwehr, im Affekt oder niedrigen Beweggründen geschahen, vermochte niemand zu sagen, auch der Vater der Täter nicht. Obwohl er von der Unschuld seiner männlichen Nachkommen überzeugt war, ließ er es sich nicht nehmen, sie in ein Land fliegen zu lassen, mit dem die deutsche Regierung kein Auslieferungsabkommen geschlossen hatte. Der Vater der toten Söhne hatte noch am gleichen Abend für eine Überraschung gesorgt. Anstatt seiner rechten Hand Vorwürfe zu machen, verzieh er ihm, mit dem Argument, dass er als Vater ebenso gehandelt hätte. Er gestand sich ein, bei der Erziehung seiner ermordeten Kinder versagt zu haben, denn sie waren von ihm emotional vernachlässigt und deswegen materiell verwöhnt worden. Die Einsicht kam allerdings zu spät: Die zu Männern herangereiften Söhne hatten ihr Leben bei einem Kartenspiel verloren. Der Vater der Täter hatte allerdings ein Spiel betrieben, das alles andere als legal war, nur um seine Kinder vor den Konsequenzen ihres Handelns zu schützen. Hinzu kam die Silvia Riemers Entführung, die in einem Fiasko hätte enden können. Nachdem es Eric Holler gelungen war, dem Firmenanwalt die Ausweglosigkeit seiner Situation begreiflich zu machen, gab es für ihn nur noch eine Sache, die unbedingt erledigt werden musste: Heikes geheiligte Blumen! Die Blätter der Pflanzen sahen inzwischen aus wie der Rasen hinter dem Haus Werthofens. Die meisten Zimmerpflanzen besaßen mittlerweile bräunlich-dunkelgelbe Färbungen, die ziemlich hässlich aussahen. Ähnliche Farben auf einer menschlichen Haut hätten im Mittelalter fürchterliche Konsequenzen für die ohnehin schon geplagten Leute nach sich gezogen. Eric Holler sah in den Verfärbungen, die sogar Picasso nicht zustande gebracht hätte, eine Ursache zwischenmenschlicher Querelen. Heike würde ihren Mann verfluchen, er wiederum wäre deswegen imstande, einen Mordanschlag gegen den Privatdetektiv zu verüben.

Aufgrund dessen begann Eric etwas, womit er sich noch nie zuvor beschäftigt hatte: umtopfen, Ableger verwöhnen, mit Pflanzen sprechen. Sogar zu einer Streicheleinheit ließ er sich bei diesem oder jenem Gewächs hinreißen. Er tat es nicht aus Angst oder Respekt vor Werthofen, sondern wegen seines Versprechens. Zudem wollte er nicht, dass seinetwegen ein Ehestreit ausbräche. Allerdings war er sich nicht sicher, ob das wiederum in Werthofens Interesse lag. Manchmal hatte der Privatdetektiv den Eindruck, dass der Hauptkommissar selbst nicht zu schätzen wusste, was für ein Familienleben ihm zuteilgeworden war. Seine Frau mochte nicht immer einfach sein. Aber wer besaß keine Ecken und Kanten? Aus Hollers Sicht gab es jedoch nur ein Detail, was von Bedeutung war: Die Werthofens liebten einander, schienen gesund und vital zu sein. Von privaten Fehden aus Eitelkeit abgesehen, deutete nichts auf Eheprobleme hin. Was wollte man mehr? Komisch: Mit solchen und ähnlichen Gedanken befasste sich der Privatschnüffler bei der Pflanzenpflege. Die Gewächse wussten es nicht, aber sie waren Eric Holler in wenigen Tagen nähergekommen als manch ein Mensch, der geglaubt hatte, ihn einigermaßen kennengelernt und durchschaut zu haben. Keine dieser Menschenseelen lebte in »Good Old Germany«, sie alle hatte Eric in seiner amerikanischen Vergangenheit zurückgelassen. Die meisten dieser Leute waren längst dement geworden, ob tatsächlich oder vorgetäuscht, konnte niemand sagen. Einige waren untergetaucht, andere verkrüppelt, viele hatten durch eine unheilbare Krankheit ihre Strafe erhalten, ein paar waren bereits tot.

Es änderte nichts daran, dass zu viele von ihnen immer noch ein Zepter in der Hand hielten, wiederholt Befehle erteilen konnten, die nichts mit Menschlichkeit zu tun hatten.

Sonderbar war auch, dass es Eric gelang, die Blumen, bis auf zwei, zu retten. Er besorgte Ersatz, in der Hoffnung, dass dieser gleichwertig war, denn Werthofens Rückkehr stand unmittelbar bevor. Für den Austausch der verwelkten Grünpflanzen hatte er sich Hilfe organisiert, schließlich galt es, zu vermeiden, dass Heike etwas merkt. Die Chancen standen trotz des Einsatzes der Fachkräfte schlecht, der Versuch war es jedoch wert. Billig war er nicht.

Silvia Riemer befand sich immer noch in Amerika bei seinem Freund Andy. Die Werthofens machten nach wie vor Ibiza unsicher und hatten dafür noch drei Tage Zeit. Es war wie ein Omen: Erst vor ein paar Tagen hatte Holler einen Traum erlebt, der plötzlich zur Realität wurde.

Der Privatdetektiv war kein Hellseher, schon gar nicht Mitglied einer durchgeknallten Sekte. Sein Traum (Eric Holler: Leichen im Kanal, 1. Akt, Amerika, Chapter Three) glich einer Prophezeiung, der er an keinem Ort der Welt hätte entkommen können. Der Bruder seiner bei einem Tankstellenüberfall ermordeten Frau war tot aufgefunden worden. Aus diesem Grund flog Eric Holler nach Amerika, während Silvia Riemer und die Familie Werthofen aus ihren Urlaubsorten zurückkehrten, ohne von dem Privatdetektiv in Empfang genommen zu werden. Die Wochen vergingen. Eric Holler kam zurück aus einer Welt, die sogar ihn ziemlich ausgezehrt und geschockt hatte. (Tatort, Boston 7, Der Clan, Veröffentlichung 2024) Seine Rückkehr führte ihn in ein Leben zurück, das neue Turbulenzen für ihn bereithielt. Niemandem, auch nicht seinen Eltern in Prien am Chiemsee, hatte Eric gesagt, dass er in die Staaten fliegen würde. Fast den gesamten August verbrachte er in seinem Geburtsland, was zwangsläufig dazu führte, in die Suche nach den Mördern seiner Frau und deren Bruders involviert zu werden. Als er zurück in Gelsenkirchen war, verlor Eric kein Wort über die Ereignisse, die hinter ihm lagen. Als Erstes beabsichtigte er, Silvia Riemer aufzusuchen, doch die Frau hatte ihre Boutique geschlossen und war unbekannt verzogen. Sie ausfindig zu machen wäre kein Problem gewesen, doch da sie ihm keine Nachricht hinterlassen hatte, verzichtete er darauf. Ihr Handeln sah er als berechtigt an, schließlich war er vor seiner Reise nach Amerika nicht anders vorgegangen. Am gleichen Tag informierte er sich über Ereignisse in der Stadt, die von ihm versäumt worden waren, insbesondere über die Ergebnisse des ansässigen Fußballclubs, der wieder einmal dazu beitrug, dass wegen des Abstiegs in der Vorsaison die zweite Liga deutlich attraktiver geworden war. Der letzte Tag im August war der Tag der Tage: Am Montag war Eric aus Amerika zurückgekehrt, am Dienstag hatte er Silvia vergeblich aufsuchen wollen, am Mittwoch stand Kriminalhauptkommissar Werthofen vor seiner Tür. Holler ließ den ungewöhnlich blassen Urlauber eintreten, wusste jedoch, dass die Gesichtsfarbe auf die Umstände zurückzuführen war, die er in Werthofens Haus hinterlassen hatte. Silvia Riemers Problem, ein verhinderter Raub in Werthofens Haus, der Traum in Verbindung mit dem Tod des Bruders seiner ermordeten Frau, die Reise nach Amerika, all das stellte eine Verkettung unglücklicher Umstände dar, deretwegen im Gebäude des Kriminalhauptkommissars ein unangenehmer Duft hinterlassen wurde. Im Vergleich zu diesem Gestank wäre allen Riechorganen der Geruch einer Jauchegrube wie das Aroma eines herrlich duftenden Rosenstraußes vorgekommen. Dementsprechend zornig stampfte Werthofen in das Büro Hollers, wartete, bis der Privatdetektiv saß, und ließ an ihm polternd die Wut aus, die er sofort nach der Heimkehr von seiner Gattin erfahren hatte. Eric ließ den vorwurfsvollen Wortschwall ohne Widerrede über sich ergehen, denn in der Haut des Hausbesitzers wäre er ebenso aufgebracht gewesen.

01. Akt

Vorwürfe

N

achdem sich Eric hingesetzt hatte, herrschte kurzes, bedrückendes Schweigen, bis Kriminalhauptkommissar Werthofen vor dem Schreibtisch des Privatdetektivs seine stehende Angriffsposition gefunden hatte. Als das geschehen war, polterte er los, wobei er die Stimme bei jedem Satz abwechselnd hob oder senkte. Ob er seine Stimmbänder bewusst im Bariton oder im Sopran benutzte, wusste nur er. Jedenfalls begann Werthofen, Holler mit tiefer Stimme zu tadeln: »Ich weiß gar nicht, ob ich wissen möchte, warum es in meinem Keller wie in den Tiefen eines Plumpsklos gestunken hat. Aber ja, ich muss es erfahren, damit ich Sie vor meiner Frau mit irgendeiner Ausrede schützen kann. Je dämlicher sie sein wird, umso besser. Inzwischen hat es sogar meine Holde eingesehen, dass Sie gern für Chaos, Krawall und Turbulenzen sorgen. Im Gegensatz zu Ihnen lasse ich niemanden nicht im Stich, aber nur, wenn Sie mir glaubwürdig erklären, wie es Ihnen gelingen konnte, den Kellerbereich meiner Bude in eine übelst riechende Kloake zu verwandeln.« Werthofen unterbrach sich, noch war er jedoch nicht fertig mit der Standpauke, was der Privatdetektiv auch nicht erwartet hatte. Immerhin ebbte der Zorn des Kripoangehörigen ab, und dieser begann, hin und her zu gehen. »Heike ist außer sich, jetzt vielleicht sogar dabei, sich irgendwo auf dem Schwarzmarkt eine Schrotflinte zu besorgen, um ihnen ein paar Löcher in den Pelz zu jagen. Ich werde sie nicht daran hindern, ansonsten bekomme ich selbst eine Ladung Schrot verpasst. Die einzige Chance, sie zu beruhigen, ist eine Geschichte, die sie schluckt. Also lassen Sie sich etwas einfallen!«

»Wie wäre es mit der Wahrheit«, entgegnete Eric, da ihn Werthofen erwartungsvoll angesehen hatte, ohne dass es diesem anzusehen war, ob er belogen werden wollte.

»Sie Komiker! Mit was für einer Wahrheit möchten Sie den Geruch nach Fäkalien erklären? Über drei Wochen sind Sie spurlos verschwunden, kein Mensch wusste, wo Sie sind. Waren Sie etwa in ganz Deutschland vergeblich unterwegs, um für meinen verseuchten Keller einhunderttausend Duftkerzen zu besorgen?« Holler kam trotz des Versuchs nicht zu Wort, mit einer entsprechenden Handbewegung war er mundtot gemacht worden. »Apropos, wo haben Sie überhaupt gesteckt? Kein Mensch, nicht einmal Ali, hat gewusst, wohin es Sie verschlagen hat.«

»Bei allem Respekt, es geht auch niemanden etwas an, auch Sie nicht«, erwiderte Eric knallhart. Sein scharfer Ton ließ Werthofen zusammenzucken. Die Stimmlage war auf die Erlebnisse Hollers in den Vereinigten Staaten zurückzuführen, wo er fast den ganzen August verbracht hatte. Sich darüber unterhalten wollte Eric ebenso wenig, wie den Frust über die Ereignisse in seinem Geburtsland an seinem Gast auslassen. »Sorry, aber ich war in einer unerfreulichen, privaten Angelegenheit unterwegs«, sagte er beschwichtigend und bat Werthofen, sich endlich zu setzen.

»Egal, eines Tages werden Sie es mir erzählen, zumindest wenn es im Zusammenhang mit meinem Keller steht«, sagte Werthofen in einer anderen Tonlage und nahm Platz. Kaum sitzend, ergriff er wieder das Wort: »War Ihre Reise an dem Zustand meines Kellers schuld?«

»Nein.«

Der Kriminalhauptkommissar kratzte sich an der Stirn. »Es stimmt vielleicht nicht, aber mir wurde gesagt, dass Sie vor Ihrem Verschwinden ziemlich tief ins Glas geschaut haben. Ist es wahr, und wenn, darf ich wenigstens dafür den Grund erfahren?«

»Dürfen Sie.«

Werthofen wartete, doch Holler schwieg. Unsicher hakte Werthofen nach: »Und? Weswegen war Ihr Durst ausgeprägter als sonst?«

»Wegen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.«

Manfred Werthofen war zwar Kriminalhauptkommissar, mit der Antwort konnte er allerdings gar nichts anfangen. Auf die Gefahr hin, den Privatdetektiv erneut aus der Fassung zu bringen, bohrte er weiter. »Könnten Sie mir das näher erläutern? Im Moment stehe ich komplett auf dem Schlauch. Überhaupt, wenn wegen Ihres Alkoholkonsums keine Gefahr eines Rückfalls besteht, könnte ich ein Bierchen vertragen, bei dem wir uns wegen Heike etwas einfallen lassen können. Aber zuerst klären Sie mich bitte auf.«

»Tut mir leid, noch kein Bier im Haus. Wenn Sie möchten, genehmigen wir uns in der ›Hexe‹ zwei Gläschen«, schlug Holler vor.

»Mit Gläschen meinen Sie sicher die Halblitereimer namens Weizenbiergläser, oder?« Werthofen erhielt ein zustimmendes Nicken und fuhr laut fort: »Es stimmt also: Sie haben einen Drang nach Süden gehabt und öfter zu tief ins Glas geschaut. Ich weiß, wegen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wie darf ich das verstehen?«, fragte er mit tiefer und bei einigen Worten neugierig piepsender Stimme.

»Die Vergangenheit bezieht sich auf mein Leben, bevor ich nach Deutschland kam, die Gegenwart bestand aus einem dummen Traum, der kurz danach zur Wahrheit wurde. Hinzu kam ein komplizierter Fall in der Gegenwart«, antwortete Eric ohne Emotionen.

»Was hatte die Zukunft mit Ihrem Durst zu tun?«

»Hört sich womöglich unverständlich an, aber die Zukunft liegt bereits hinter mir.« Die Antwort kam ebenfalls ohne Anzeichen irgendwelcher Gefühle.

»Wegen Ihres wochenlangen Verschwindens?«

»Auch.«

Kriminalhauptkommissar Werthofen kratzte sich erneut, diesmal an der Schläfe. »Aha, ›auch‹ bedeutet in den meisten Fällen, dass eine Frau involviert ist?«

Der Privatdetektiv erhob sich und schritt der Bürotür entgegen. »In diesem Fall trifft das nur in der Vergangenheitsform zu.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Werthofen. Er stand auf und trabte Holler hinterher, wobei er in seiner Sommerjacke nach etwas kramte. Als sie das Haus verlassen hatten, fand er endlich, wonach er suchte. »Hier, das soll ich Ihnen geben«, sagte er. Doch bevor er dem Privatdetektiv das Fundstück übergab, zog er es zurück. »Bevor ich Ihnen das Kuvert gebe, möchte ich ein Männerehrenwort.«

»Was soll ich versprechen?«, fragte Holler und ließ den Umschlag in Werthofens Hand nicht aus den Augen.

»Sie erzählen mir die Wahrheit darüber, warum es in meinem Keller dermaßen gestunken hat. Danach denken wir uns eine Story aus, mit der wir meine Gattin besänftigen können. Eine Furie in der Familie reicht mir.«

»Sie meinen Ihre Schwiegermutter?«

»Wen sonst? Es ist die einzige Frau, die ich kenne, der tatsächlich Haare auf den Zähnen wachsen.« Holler lächelte, gab seinem Schatten das verlangte Versprechen, nahm den Brief entgegen und steckte ihn in die Hosentasche.

»Sie wollen ihn nicht lesen?«

»Später.«

»Er ist von Ihrer letzten Klientin, Silvia Riemer«, sagte Werthofen, der Holler zum Öffnen des Umschlags bewegen wollte.

»Das weiß ich. Wer sonst würde mir einen Brief zukommen lassen? Meine Eltern und sonstigen Bekannten verfügen über Handys und sind, mit einer Ausnahme, schreibfaul. Außerdem verfügt das Kuvert über keine Briefmarke, also muss es Ihnen oder Ihrer Gemahlin persönlich ausgehändigt worden sein. Wann war das?«

Werthofen verzog schmollend die Mundwinkel. »Vor etwa vierzehn Tagen. Lassen Sie uns beim Bier darüber reden«, sagte er und nahm Schritt auf. Absichtlich einen Schritt vor Holler gehend, fing er erneut an, dem Privatdetektiv die Leviten zu lesen. »Ich glaube es nicht, ein dummer Traum, der aus Zufall Realität wird, in der Gegenwart, die heute Vergangenheit ist, ein Fall wie viele andere, dazu eine Frau, die ausgerechnet Ihnen den Kopf verdreht. Zugegeben, eine hübsche, scheinbar eine zudem sehr intelligente Person. Aber all das sind noch lange keine Gründe, die es rechtfertigen würden, meinen Keller und Heikes Blumen verkommen zu lassen. Oh ja, wir wissen Bescheid. Frau Riemer hat uns aufgeklärt, sie hat nur nicht gesagt, was in unserem Haus vorgefallen ist. Sie meinte, das wäre Ihr Job.«

»Hat Frau Riemer außerdem noch etwas gesagt?«, rief Holler Werthofen staunend hinterher. Obwohl er einen Kopf größer war als der Kriminalhauptkommissar, hatte er doch tatsächlich Probleme, den Abstand zu ihm nicht größer werden zu lassen.

»Eric da, Eric dort, es wurde uns fast peinlich. Die Frau ist unverständlicherweise restlos in Sie verschossen. Heike und ich konnten nichts sagen, bei dem Sie nicht von ihr in Schutz genommen wurden.«

»Hört sich an, als ob Sie mich ständig in die Pfanne hauen wollten.«

»Papperlapapp! Selbst wenn es von uns versucht worden wäre, die Frau war dermaßen redegewandt, dass sie sogar bei einer Mordanklage gegen Sie nichts anderes als ein Freispruch erwirkt hätte. Meine Güte, ich war ja auch mal jung und verliebt, aber solch eine rosarote Brille hatte ich nie auf.«

»Frau Riemer ist immerhin schon vierzig Jahre alt.«

»Umso schlimmer.«

»Haben Sie Silvia öfter gesehen?«

»Ach, nicht mehr Frau Riemer, sondern nun Silvia«, bemerkte Manfred. Eric sah es nicht, doch Werthofen verzog das Gesicht, blieb plötzlich stehen und drehte sich ihm zu. »Holler, Sie mögen ja ein As in Ihrem Job sein, aber offenbar haben Sie keine Ahnung von Frauen.

---ENDE DER LESEPROBE---