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In "Erich Mühsam: Verse eines Kämpfers" versammelt der Herausgeber eine eindrucksvolle Auswahl von 151 Gedichten, die das leidenschaftliche und kämpferische Geiste des Autors widerspiegeln. Mühsam, ein herausragender Vertreter des Expressionismus, zeigt in seinem lyrischen Schaffen eine Synthese aus politischem Engagement und emotionaler Tiefe. Die Gedichte beleuchten Themen wie Freiheit, Gerechtigkeit und die sozialen Kämpfe seiner Zeit, während sein unverwechselbarer Stil, geprägt von kraftvollen Metaphern und rhythmischer Musikalität, die Leser auf eine bewegende Reise mitnimmt. Die Texte stellen nicht nur persönliche Empfindungen dar, sondern sind auch ein widerständiger Kommentar zur politischen Realität des frühen 20. Jahrhunderts. Erich Mühsam (1878-1934) war ein deutscher Dichter, Sozialist und Anarchist, dessen Lebensweg stark von den politischen Umwälzungen seiner Zeit geprägt war. Als ein vehementer Gegner des aufkommenden Nationalsozialismus und ein Verfechter der sozialen Reformbewegungen wurde Mühsam mehrmals inhaftiert und schließlich von den Nazis ermordet. Sein literarisches Werk spiegelt nicht nur seine persönliche Überzeugung und sein leidenschaftliches Streben nach sozialer Gerechtigkeit wider, sondern ist auch ein eindringlicher Ausdruck der Widerstandskraft des Geistes in Zeiten der Unterdrückung. Dieses Buch empfiehlt sich für Leser, die nicht nur an poetischer Ästhetik interessiert sind, sondern auch an der politischen Dimension der Literatur. Mühsams Gedichte sind ein kraftvoller Aufruf zum Widerstand und zur Reflexion über gesellschaftliche Missstände, die auch in der heutigen Zeit relevant sind. Seine Verse ermutigen dazu, für die eigene Überzeugung einzustehen und sich aktiv in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. Ein unverzichtbares Werk für alle, die die Macht der Poesie in der politischen Auseinandersetzung schätzen. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine umfassende Einführung skizziert die verbindenden Merkmale, Themen oder stilistischen Entwicklungen dieser ausgewählten Werke. - Ein Abschnitt zum historischen Kontext verortet die Werke in ihrer Epoche – soziale Strömungen, kulturelle Trends und Schlüsselerlebnisse, die ihrer Entstehung zugrunde liegen. - Eine knappe Synopsis (Auswahl) gibt einen zugänglichen Überblick über die enthaltenen Texte und hilft dabei, Handlungsverläufe und Hauptideen zu erfassen, ohne wichtige Wendepunkte zu verraten. - Eine vereinheitlichende Analyse untersucht wiederkehrende Motive und charakteristische Stilmittel in der Sammlung, verbindet die Erzählungen miteinander und beleuchtet zugleich die individuellen Stärken der einzelnen Werke. - Reflexionsfragen regen zu einer tieferen Auseinandersetzung mit der übergreifenden Botschaft des Autors an und laden dazu ein, Bezüge zwischen den verschiedenen Texten herzustellen sowie sie in einen modernen Kontext zu setzen. - Abschließend fassen unsere handverlesenen unvergesslichen Zitate zentrale Aussagen und Wendepunkte zusammen und verdeutlichen so die Kernthemen der gesamten Sammlung.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Erich Mühsam: Verse eines Kämpfers (151 Gedichte in einem Band) versammelt die lyrische Stimme eines Autors, dessen dichterische Arbeit untrennbar mit gesellschaftlichem Engagement verbunden ist. Der Band bündelt 151 Gedichte und macht sie in einer kompakten, thematisch weit gespannten Zusammenstellung zugänglich. Ziel ist es, die Spannbreite von Mühsams Tonlagen und Perspektiven zu zeigen – vom privaten Bekenntnis bis zur öffentlichen Rede, vom Spott zur Beschwörung. Die Sammlung versteht sich als Lesebuch und Fundus zugleich: ein konzentrierter Zugang für Neulinge und eine verlässliche Grundlage für vertiefende Lektüren, Vergleiche und thematische Erkundungen.
Im Unterschied zu Ausgaben, die ein Gesamtwerk oder die vollständigen Dramen und Prosatexte vereinen, konzentriert sich dieser Band ausschließlich auf die Lyrik. Er bietet die 151 Gedichte in einer kompakten, gut zugänglichen Zusammenstellung und macht die historische wie ästhetische Präsenz der Texte erfahrbar. Ziel ist es, die Vielfalt der Formen und Tonlagen sichtbar zu machen und zugleich einen klaren Einstieg in Mühsams Werk zu ermöglichen. Damit dient die Sammlung sowohl dem genussvollen Lesen als auch dem Studium von Motiven, Entwicklungen und Formvarianten. Im Mittelpunkt steht die Vielstimmigkeit eines Dichters mit künstlerischer und gesellschaftlicher Haltung.
Die enthaltenen Texte sind Gedichte in vielfältigen Formen. Neben spruchhaften Stücken und epigrammatischen Miniaturen finden sich Lieder, Elegien, Oden, Balladen und Gesänge. Manche Gedichte erzählen in balladesker Manier Begebenheiten oder porträtieren Personen; andere treten als Anrede, Appell oder Marschlied auf. Es gibt Naturgedichte, Stadtbilder und Momentaufnahmen des Alltags, daneben satirische und groteske Stücke. Wiederkehrend sind poetische Formen, die auf mündliche Vortragsweisen zielen: Refrains, Kehrreime, klare Strophik und rhythmische Zuspitzungen. So profiliert der Band die ganze formale Beweglichkeit einer Lyrik, die zwischen Gesang, Rede und erzählerischer Szene wechselt.
Innerhalb dieser lyrischen Vielfalt markieren bestimmte Untergattungen Fixpunkte. Mit Balladen und erzählenden Gedichten werden Figuren und Konflikte verdichtet; Titel wie Balladen, Die drei Gesellen oder Der Revoluzzer weisen darauf hin. Feierliche oder nachdenkliche Formen wie Elegie im Kriege und Ode zum Jahreswechsel 1916/17 öffnen einen größeren Horizont. Satiren und Grotesken – etwa Bürgers Alpdruck oder Der tote Kater – setzen scharfe Kontraste. Daneben stehen Trinklieder und Liebesstücke wie Gebt mir Schnaps oder Liebesweisheit. Landschafts- und Ortsgedichte, unter ihnen Nacht im Schwarzwald, Der Bahnhof oder Lerchen schmettern mir den Morgengruß, erweitern die Palette.
Verbindende Themen sind Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und der Widerstand gegen Unterdrückung. Zahlreiche Gedichte sprechen als Aufruf oder Zuspruch – man denke an Kampfruf, Appell, Gesang der Arbeiter, Rebellenlied oder Trutzlied. Antimilitaristische und kriegskritische Töne durchziehen Stücke wie Krieg, An die Soldaten oder Elegie im Kriege. Gedenk- und Widmungsgedichte ehren und betrauern Getötete, Verbündete und Vorbilder: Francesco Ferrer, Gustav Landauer, Karl Liebknecht – Rosa Luxemburg, Sacco und Vanzetti, Peter Kropotkin, Tolstois Tod oder Frank Wedekind. Diese Texte verbinden Trauerarbeit, politisches Bekenntnis und Ermutigung zu beharrlicher Zivilcourage.
Der kämpferische Impuls steht neben leisen, selbstbefragenden Tönen: Liebes- und Sehnsuchtsgedichte, Natur- und Jahreszeitenstücke, Momenten der Müdigkeit und des Trostes. Der Band führt durch Stadt- und Werkstattbilder ebenso wie durch Kerker- und Haftgedichte – etwa Haft, Der Gefangene, Einzelhaft, Gefängnis, In der Zelle, Freiheit in Ketten. Biblische und mythische Motive (Kain, Moses, Golgatha) werden mit zeitgenössischer Erfahrung kurzgeschlossen. Stilistisch wechseln Pathos und Ironie, Redegeste und Lied, schroffe Zuspitzung und zarte Miniatur. Umgangssprache und rhetorische Figuren stehen einander nicht entgegen, sondern treiben den energischen, oft rhythmisch markanten Sprechton voran.
Als Gesamtheit erschließt die Sammlung ein dichterisches Profil, das Kunstwille und gesellschaftliche Haltung untrennbar zusammendenkt. Sie zeigt den Dichter als Kämpfer und den Kämpfer als Dichter – nicht in Programmsätzen, sondern in Formen, Stimmen und Szenen. Die Bandbreite vom Spottlied bis zur elegischen Klage, von der Parole bis zur Intimität ermöglicht es, aktuelle Fragen an diese Texte zu stellen: nach Verantwortung, Widerstand, Gemeinschaft und Trost. So bleibt der Band nicht nur als Zeugnis einer Epoche bedeutsam, sondern als lebendige Einladung, Sprache, Musik und Haltung im Gedicht neu zu hören.
Erich Mühsam (1878–1934) war ein jüdischer Schriftsteller, Anarchist und Publizist, dessen Gedichte Liebeslyrik, Satire und Kampflieder verbinden. Aufgewachsen in Lübeck, wurde er 1896 wegen „sozialistischer Umtriebe“ vom Katharineum verwiesen, ein frühes Signal seines politischen Weges. Seine Dichtung entsteht im Spannungsfeld des späten Kaiserreichs, der zunehmenden Urbanisierung und der erstarkenden Arbeiterbewegung. Nachwirkungen der Sozialistengesetze, polizeiliche Überwachung und Zensur prägten die literarische Öffentlichkeit um 1900 ebenso wie Antisemitismus und bürgerliche Moral. Die in diesem Band versammelten Texte spiegeln diese Umbrüche: Sie wechseln zwischen subjektiven Bekenntnissen und agitatorischen Appellen und zeigen die Sprache als Werkzeug persönlicher Emanzipation und gesellschaftlicher Intervention.
Um 1900 bewegte sich Mühsam in der Berliner Lebensreform und der „Neuen Gemeinschaft“ sowie in der Schwabinger Bohème Münchens. Treffpunkte wie das Café Stefanie bündelten Künstler, Anarchisten und Reformkreise; Debatten über freie Liebe, Genossenschaften und Antimilitarismus nährten seine poetische Haltung. Freundschaften und Konflikte mit Gustav Landauer und Frank Wedekind verbanden Ethik, Theater und Aufruhr. In Kabaretts und Lesebühnen erprobte Mühsam den Ton des Spottes, der Parodie und des Liedes, der später seine politischen Gedichte tragen sollte. Diese kulturelle Infrastruktur – Zeitschriften, Kneipen, Ateliers – war Labor für eine Literatur, die bürgerliche Konventionen angriff und die Figur des „Dichters als Kämpfer“ formte.
Vor dem Ersten Weltkrieg schärfte Mühsam sein Profil als Publizist und Herausgeber. Mit der Zeitschrift Kain. Zeitschrift für Menschlichkeit (Berlin, 1911–1914) propagierte er Antiautoritarismus, Sexualreform und Antimilitarismus. Im Zeichen imperialer Spannungen – vom Marokko-Konflikt bis zur Zabern-Affäre 1913 – richtete sich seine Lyrik gegen Kasernenhofgeist und Untertanenmentalität. Die Texte verbinden Satire, Parabel und Ballade, um Machtverhältnisse sichtbar zu machen. Zugleich hält sich die Verbindung zur Alltagskultur: Gassenhauer, Kneipenlieder, Liebes- und Spottverse entstehen aus der mündlichen Performance. Diese frühen Jahre lieferten Motive, die das spätere Werk durchziehen: Skepsis gegenüber Parteien, Vertrauen in spontane Solidarität und die Idee einer herrschaftsfreien, von unten organisierten Gesellschaft.
Der Krieg von 1914–1918, Hungerwinter 1916/17 und Zensur radikalisierten Mühsams Antimilitarismus. In der Novemberrevolution 1918 engagierte er sich in München und wurde 1919 in den Wirren der Bayerischen Räterepublik als Agitator bekannt. Nach der Niederschlagung durch Reichswehr und Freikorps (Mai 1919) wurde sein Freund Gustav Landauer am 2. Mai 1919 im Gefängnis Stadelheim ermordet; die Ereignisse hinterließen tiefe Spuren. Mühsam wurde verhaftet, 1920 zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt und im Zuchthaus Niederschönenfeld inhaftiert. Die Gefängniserfahrung – Isolation, Zensur, strikte Tagesregime – prägt zahlreiche Gedichte dieser Sammlung, die Trost, Trotz und ethische Selbstvergewisserung in den engen Radius der Zelle einschreiben.
Die Amnestie von 1924 entließ Mühsam in eine polarisierte Weimarer Republik. In Berlin gründete er 1926 die Zeitschrift Fanal (bis 1931), die Streiks, Wohnungsnot, Justizskandale und den aufkommenden Faschismus kommentierte und wiederholt Beschlagnahmen ausgesetzt war. Zwischen Hyperinflationserinnerung und Weltwirtschaftskrise ab 1929 artikulieren seine Gedichte soziale Verzweiflung und kämpferische Hoffnung. Straßengewalt zwischen SA-Formationen und Arbeiterorganisationen, politische Morde und Prozesse bilden den Hintergrund einer Lyrik, die Sprechgesang, Chor und Marschrhythmus aufgreift. Mühsam suchte Bündnisse jenseits parteipolitischer Doktrin, hielt jedoch an anarchistischen Grundsätzen fest: Selbstorganisation, Antimilitarismus, Säkularismus und die Kritik an Führerkulten – Themen, die in vielen Texten leitmotivisch wiederkehren.
Die Sammlung enthält zahlreiche Gedichte der Solidarität und des Gedenkens, die eine transnationale Genealogie des Widerstands entwerfen. Francisco Ferrer, am 13. Oktober 1909 in Barcelona erschossen, Leo Tolstoi (gestorben am 20. November 1910), Frank Wedekind (9. März 1918, München), Gustav Landauer (2. Mai 1919), Peter Kropotkin (8. Februar 1921, Dmitrow), Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg (ermordet am 15. Januar 1919, Berlin), Wladimir Lenin (21. Januar 1924) sowie Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti (hingerichtet am 23. August 1927 in Massachusetts) sind Knotenpunkte. Ihre Lebens- und Sterbegeschichten bilden das historische Koordinatensystem, in dem Mühsams Lyrik Trauer, Anklage und Aufruf zur beharrlichen Tat miteinander verschränkt.
Die Zuspitzung der Krise 1932/33, Straßenterror und die Machtübertragung an die Nationalsozialisten prägen den Endhorizont des Bandes. Nach der Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 wurde Mühsam verhaftet, in die Lager Sonnenburg und Brandenburg verschleppt und schließlich im KZ Oranienburg festgehalten. Dort wurde er am 10. Juli 1934 ermordet; das Regime tarnte die Tat als „Selbstmord“. Dieses Ende verleiht den zuvor formulierten Warnungen vor Militarismus, Führerwahn und Aberglauben bedrückende historische Evidenz. In vielen Gedichten verdichten sich Appell, Spott und eschatologische Metaphorik zu einer letzten, an ein Publikum der Straße gerichteten Rede gegen die Verhärtung der Herzen und Institutionen.
Ästhetisch verbindet Mühsam Ballade, Gassenlied, Hymnus und Pamphlet zu performativer Lyrik, die auf Stimme, Kollektiv und Refrain setzt. Umgangssprache, Parodie und pathetische Formeln werden produktiv gegeneinander ausgespielt; Gleichnisse und Visionen rahmen Alltagsszenen. Diese Poetik erklärt die Aufnahme seiner Verse in Arbeiterchöre, Kabaretts und Versammlungen ebenso wie ihre spätere Wirkung. Nach 1945 wurde Mühsam in beiden deutschen Staaten ediert; seit den 1960er Jahren belebten Studierendenbewegung und Gegenkultur sein anarchistisches Erbe neu. Der Band ist somit nicht nur Dokument einer Epoche, sondern ein Archiv von Stimmen, in denen individuelles Begehren, historische Katastrophe und utopische Beharrlichkeit untrennbar ineinandergreifen.
Ironisch-selbstreflexive Eröffnung, die Kategorisierungswut und bequeme Etiketten verspottet und die kämpferische Funktion der Poesie betont.
Selbstverständnis zwischen Vagabundage und Handwerk: Der Dichter ringt mit Brotarbeit, Publikum und Auftragspoetik und bekennt sich zur engagierten, undomestizierten Kunst.
Kneipen-, Arbeits- und Elendsbilder, die trotz rauem Humor Solidarität mit den Ausgegrenzten zeigen und soziale Kälte anklagen.
Rastlosigkeit und Heimweh als Lebensform: zwischen Aufbruchswille, Müdigkeit und der Suche nach Sinn und innerer Ruhe.
Leichtfüßige bis derbe Miniaturen über Begehren, Nähe und alltägliche Romantik; die Liebe erscheint körperlich, verspielt und lebenszugewandt.
Poetische Protokolle von Abschied und Entfremdung, in denen Sehnsucht und Selbstzweifel nüchterner Würde weichen.
Die Nacht als Bühne von Furcht, Verlorenheit und Großstadteinsamkeit; exakt beobachtete Atmosphären treffen auf innere Unruhe.
Jahreszeiten spiegeln Stimmungen und soziale Wirklichkeit; Natur erscheint zugleich tröstlich und unbarmherzig.
Groteske Tierparabeln, die Ekel, Mitleid und Moral verhandeln und soziale Verwahrlosung im Spiegel des Kreatürlichen zeigen.
Bissige Miniaturen und Dialoge gegen Patriotengesten, Seelenklemmen und bürgerpädagogische Phrasen; Entlarvung durch Witz und Zuspitzung.
Gedichte über Sinn, Endlichkeit und Gegenwartsfrömmigkeit; skeptische, oft polemische Glaubenskritik zugunsten eines ethischen Diesseits.
Orts- und Dinggedichte zwischen Natur- und Industriepanorama; Technik wird sozial-symbolisch gelesen, Landschaft existenziell.
Ein satirischer Monatsreigen, der Alltag, Politik und Stimmungslagen eines Jahres bündelt und Vorzeichen kommender Erschütterungen andeutet.
Bekannte Gestalten werden als Rebellen und Gewissensfiguren neu gelesen; religiöse Narrative kippen in politische Ethik.
Seismografische Texte, die Bedrohung und Umbruch erspüren, zur Wachsamkeit rufen und eine Ethik der Standhaftigkeit formulieren.
Erzählgedichte mit markanten Milieufiguren und schicksalhaften Wendungen, oft tragikomisch und mit sozialkritischem Unterton.
Schonungslose Anklagen gegen Militarismus und nationale Raserei; Leid der Front und Heimatfront wird in Gegenhymnen und elegischen Tönen verdichtet.
Kriegsfolgen und Entbehrung treffen auf die Sehnsucht nach radikalem Wandel; Visionen der Erschöpfung und des Neubeginns kollidieren.
Aufrufe zur Selbstermächtigung und kollektiven Aktion; die Sprache bündelt Pathos und Direktheit zu poetischen Parolen.
Eingängige Mobilisierungslieder, die Mut, Zusammenhalt und politisches Bewusstsein bei jungen Menschen und Arbeitern fördern.
Satirische Abrechnungen mit Scheinradikalismus, Anpassung und nationaler Selbstgefälligkeit der Bildungsbürger.
Klagestücke und Mahnrufe, die vor Rachespiralen warnen und Verantwortung gegenüber den Opfern einfordern.
Innenansichten des Kerkers zwischen Disziplin, Verzweiflung und Hoffnung; Freiheit wird als Haltung und Aufgabe behauptet.
Ritualisierte Trauerstücke, die Verlust in Gemeinschaft verwandeln und den Übergang von Abschied zu erneuter Verpflichtung markieren.
Porträts und Nachrufe auf Vordenker und Gefallene; sie zeichnen eine Traditionslinie der Revolte und prüfen Vorbildhaftigkeit ohne blinden Kult.
Glaubt ihr mich wert, für künftige Studenten im Namensalmanach »Wer war's?« vermerkt zu stehn – ich lächle schon – doch mag's geschehn: die Manen zehren gern von Ruhmesrenten. Laßt die Magister literarischer Seminare der Verse Rhythmen metrisch spalten, Symbol-Metaphern unters Prisma halten und Rühmens machen von der Dichterware, die Zeugnis gibt poetischen Charakters, wie sie teils griechisch-schlicht, teils in getragner Gotik serviert wird – wenn auch leider die Erotik oft recht obszön scheint, daß so leicht nichts Nackters sich findet in der deutschen Lit'ratur; dies ist betrüblich – andrerseits lockt doch auch dieser Muse Formenreiz und führt bisweilen gar auf ernster Liebe Spur. Da sieht man, wie aus Herzverdruß sich des Poeten echte Seufzer ringen, beziehungsweise, wie Humore schwingen (zwar häufig bittre) aus der Liebe Ungenuß. – – So mag, was mein intimes Sein bewegte, bei Hörern und bei Hörerinnen, mein Lieb- und Leiden Sympathie gewinnen, wie auch, daß mir der grelle Mondschein Furcht erregte ... Nun aber räuspern sich die Professoren: De mortuis nihil nisi bene! Doch – tief bedauerlich – es geben jene ein Quantum wieder meines Ruhms verloren: Der Dichter, von des Tages Eitelkeit verblendet, hat manchmal sein beachtliches Talent – kopfschüttelnd rügt es der Privatdozent – auch an der Gosse Mobinstinkt verschwendet und hat in solchen trüben Sphären mit übeln Kampfgesängen Triebe aufgerührt, die, hätte sie die Hetze nicht verführt, dem Bürger nie zur Pein geworden wären ... Statt poesievoll alle Menschen zu versöhnen, schürt er – dies hüllt sein Licht in Schatten – den Haß des Hungerpöbels auf die Satten, die Kunst entweihend mit politischen Tönen. So traf – der Wahrheit sei die Ehre! – ihn, den wir gern als Zierde des Parnasses nennten – und ein umflorter Blick streift die Studenten –, die Strafe der Justiz mit wohlverdienter Schwere. In den Annalen der politischen historia wird drum, als Schädling unsres Staats, der Name aufbewahrt – der eines Herostrats; ein Warnungsmal: sic transit mundi gloria! Hingegen wir, wir unpolitischen Ästheten, wir kennen und verdammen freilich seine Schmach – doch unser Musenalmanach vermerke immerhin den lyrischen Poeten ...
Soll das der Nachruhm sein, der mir beschieden? – Es sei: Mein Name gilb in Listen form- und gemütbegeisterter Seminaristen, mit einem Schandkreuz angemerkt. – Ich bin's zufrieden. Sonst sei er ausgelöscht im Weltgedächtnis. Auch sei, was ich von Mond und Mädchen je gedichtet, für Dissertationen im Archiv geschichtet: das Tote ist dem Leben kein Vermächtnis! ... Doch, blieb aus meinem Freiheitsruf ein Reim, ein einziger, lebendig bei Rebellen – gelang ein Wort mir, Dumpfheit zu erhellen, so kehr mein Name gern zum Lethe heim. Denn: färbt ein weißes Blütenblatt sich rot vom Blute meiner Leidenschaft – ein einziges auf dem Feld, wo junge Kraft den Sieg erkämpfen soll –, so ist mein Werk nicht tot! Es lebt im Hauche, den es stärkend trug[1q] zum Kampf der Jugend. – – Name nicht, noch Wort – der Geist, der wirkende lebt fort! Darf meiner Freiheit wirken, ist's mir Ruhm genug.
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt; der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt; vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.
Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt; der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt; der das Erwachen flieht, auf das er harrt.
Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt; der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt; der einst in fahle Ewigkeiten fällt.
Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt; das tauentströmt in Wolken sich ergießt; das küßt und fortschwemmt – weint und froh genießt.
Wo ist, der meines Wesens Namen nennt? Der meine Welt von meiner Sehnsucht trennt? Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt.
Die hohen Türme haben mich gegrüßt, die über meinen Kinderträumen ragten, und ihre unbewegten Mienen fragten, wie ich des Lebens wachen Ernst verbüßt. Des Waldes Blätter haben mir gerauscht, wo meine Schmerzen erste Reime fanden. Ich habe ihre Frage wohl verstanden: ob ich beglücktes Dichten eingetauscht.
Doch, als ich kam zu meines Meeres Flut, da stürmten alle Wellen, mich zu grüßen, und drängten zärtlich sich zu meinen Füßen und fragten nichts. – Da war mir frei und gut.
Stimmt eure Seelen zu festlichen Klängen, füllt eure Herzen mit jauchzendem Wein! – Denn die Jahre der Jugend drängen, und das Alter bricht polternd herein. – Noch strahlen uns Sonnen, noch blinken uns Gläser – noch lachen uns Lippen und Brüste heiß – noch blühen die Blumen, noch grünen die Gräser – aber eilt euch: was rot ist wird weiß!
Rasch ziehen vorüber die glücklichen Stunden. – Hält uns nicht die Jugend – wir halten sie nicht! Wehrt euch der Würde! – Der ist überwunden, den fromme Sitten plagen und Pflicht! Nieder mit dem, den Sorgen bedrücken – denn der weiß nicht, was Leben heißt: Lebend genießen, lebend beglücken – aufs Leben trinken, bis es zerreißt!
Trinken! Trinken! Auf Leben und Sterben! Leben! Leben! Auf Blut und Kuß! Leert den Pokal, dann keilt ihn in Scherben! Lebt euer Leben – und dann ein Schuß! Trinken ist Leben, und Leben ist Trinken! Nieder der Schwächling, der trunken fällt! Wein her! – Wir wollen im Leben versinken! Das Leben her! – Es lebe die Welt!
Kein Schlips am Hals, kein Geld im Sack. Wir sind ein schäbiges Lumpenpack, auf das der Bürger speit. Der Bürger blank von Stiebellack, mit Ordenszacken auf dem Frack, der Bürger mit dem Chapeau claque, fromm und voll Redlichkeit.
Der Bürger speit und hat auch recht. Er hat Geschmeide gold und echt. – Wir haben Schnaps im Bauch. Wer Schnaps im Bauch hat, ist bezecht, und wer bezecht ist, der erfrecht zu Dingen sich, die jener schlecht und niedrig findet auch.
Der Bürger kann gesittet sein, er lernte Bibel und Latein. – Wir lernen nur den Neid. Wer Porter trinkt und Schampus-Wein, lustwandelt fein im Sonnenschein, der bürstet sich, wenn unserein ihn anrührt mit dem Kleid.
Wo hat der Bürger alles her: den Geldsack und das Schießgewehr? Er stiehlt es grad wie wir. Bloß macht man uns das Stehlen schwer. Doch er kriegt mehr als sein Begehr. Er schröpft dazu die Taschen leer von allem Arbeitstier. Oh, war ich doch ein reicher Mann, der ohne Mühe stehlen kann, gepriesen und geehrt. Traf ich euch auf der Straße dann, ihr Strohkumpane, Fritz, Johann, ihr Lumpenvolk, ich spie euch an. – Das seid ihr Hunde wert!
