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In "Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat - Was ist kommunistischer Anarchismus?" entfaltet Erich Mühsam eine leidenschaftliche und fundierte Analyse des kommunistischen Anarchismus. Mit scharfsinniger Kritik an politischen Strukturen und gesellschaftlichen Konventionen beleuchtet er die Notwendigkeit einer radikalen Erneuerung des sozialen Zusammenlebens. Sein literarischer Stil zeichnet sich durch eine klare, prägnante Sprache und eine argumentative Tiefe aus, die sowohl historische als auch zeitgenössische Perspektiven einbezieht und damit in den Kontext der anarchistischen Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts passt. Erich Mühsam (1878-1934) war ein deutscher Schriftsteller, Dichter und politische Aktivist, dessen Erfahrungen im Kontext der politischen Unruhen seiner Zeit seine theoretischen Überlegungen prägten. Als Verfechter des Anarchismus und Kritiker des autoritären Staates entwickelte er in seinen Schriften eine Vision von einer Gesellschaft, die auf Freiheit und Selbstbestimmung beruht. Mühsams radikale Ansichten und persönlichen Schicksale – darunter Gefangenschaft und Exil – zeugen von seinem unermüdlichen Einsatz für soziale Gerechtigkeit. Dieses Buch ist eine essentielle Lektüre für all jene, die sich mit den Ideen des Anarchismus auseinandersetzen möchten und die in Mühsams Schriften sowohl inspirierende als auch herausfordernde Denkanstöße finden werden. Durch seine differenzierte Betrachtung des Themas regt Mühsam zur Reflexion über die Möglichkeiten einer herrschaftsfreien Gesellschaft an und bietet wertvolle Einblicke in die Dynamik von Freiheit, Solidarität und sozialem Wandel. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Freiheit der Gemeinschaft gegen Herrschaft des Staates: aus dieser Spannung gewinnt Erich Mühsams Schrift ihre Dringlichkeit. Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat – Was ist kommunistischer Anarchismus? ist ein prägnantes Traktat, in dem der Autor sein Verständnis einer freiheitlichen, solidarischen Ordnung gegen die Institutionen politischer Macht profiliert. Als Stimme der radikalen Arbeiterbewegung entwirft Mühsam ein Programm der Selbstorganisierung, das auf die praktische Überwindung hierarchischer Strukturen zielt. Die Polemik richtet sich nicht bloß gegen Missstände, sondern gegen das Prinzip staatlicher Herrschaft selbst. So entsteht ein Text, der Argument und Aufforderung, Diagnose und Entwurf, Theorie und Handlungsimpuls verbindet.
Das Werk gehört zum Genre des politischen Essays und agitatorischen Pamphlets; sein Schauplatz ist weniger ein konkreter Ort als der öffentliche Raum sozialer Konflikte im deutschsprachigen Mitteleuropa der späten Weimarer Republik. In einem Klima von Wirtschaftskrisen, Massenarbeitslosigkeit und autoritären Versuchungen insistiert Mühsam auf der Möglichkeit kollektiver Selbstbestimmung. Der Publikationskontext ist von Zuspitzung geprägt: demokratische Institutionen erodieren, während sich Repressionsapparate stärken. Vor diesem Hintergrund formuliert die Schrift eine gegenläufige Perspektive auf Gesellschaft, die nicht Reform am Staat, sondern dessen Abschaffung zugunsten freier Assoziation ins Zentrum rückt. Die historische Lage verleiht dem Text Schärfe, ohne ihn zur Situationsschrift zu verengen.
Ausgangspunkt ist die Frage, wie Menschen ihr Zusammenleben organisieren, wenn Zwangsmittel und hierarchische Befehlsapparate wegfallen. Mühsam entfaltet seine Antwort in einer entschiedenen, oft dialogisch wirkenden Stimme, die sowohl erläutert als auch provoziert. Der Stil ist bündig, bilderreich und didaktisch, immer darauf gerichtet, Begriffe zu klären und Handlungsräume zu öffnen. Tonalität und Rhythmus verraten den geübten Redner: kurze, zugespitzte Passagen wechseln mit argumentativen Verdichtungen. Leserinnen und Leser erleben eine Mischung aus Analyse, appellativer Energie und praktischer Orientierung, die den Text zugleich zugänglich und herausfordernd macht, ohne sich in akademischer Terminologie zu verlieren oder in bloßer Empörung zu verharren.
Zentral ist die Unterscheidung zwischen Gesellschaft als Geflecht freier Beziehungen und Staat als Institution organisierter Herrschaft. Aus dieser Differenz entwickelt Mühsam seine Kritik an Eigentumskonzentration, Klassenherrschaft, Militarismus und nationaler Ideologie, die soziale Solidarität trennen. Dem setzt er den kommunistischen Anarchismus entgegen: eine Ordnung gemeinschaftlicher Güterwirtschaft, getragen von freiwilliger Kooperation, Föderation und gegenseitiger Hilfe. Politische Freiheit erscheint hier nicht als staatliche Gnade, sondern als Praxis der Menschen selbst, die ihre Angelegenheiten autonom regeln. Das Buch führt dazu Grundbegriffe, Prinzipien und Konsequenzen vor, ohne sich in Dogmen zu verfestigen, und hält die Frage nach Wegen der Umsetzung bewusst offen.
Heutige Leserinnen und Leser finden darin Anknüpfungspunkte zu Debatten über Demokratiemüdigkeit, soziale Ungleichheit und die Grenzen repräsentativer Politik. Wenn Plattformökonomien Macht bündeln und staatliche Sicherheitslogiken ausgeweitet werden, gewinnt Mühsams Plädoyer für Dezentralität, Transparenz und Selbstverwaltung neue Aktualität. Zugleich ermutigt die Schrift, jenseits bloßer Protestformen dauerhafte Institutionen solidarischen Wirtschaftens und gemeinsamen Lernens zu erproben, etwa in Genossenschaften, Nachbarschaftsprojekten oder offenen Wissensräumen. Die Relevanz liegt weniger in historischen Rezepten als in methodischen Impulsen: Kritik an Herrschaft, Vertrauen in kollektive Handlungsfähigkeit und die Verbindung von materieller Gerechtigkeit mit persönlicher Freiheit. Diese Orientierung lässt sich auf unterschiedliche lokale Kontexte übertragen, ohne ihre radikale Stoßrichtung einzubüßen.
Mühsam argumentiert zugleich politisch und moralisch: Er fragt, welche Institutionen Abhängigkeit erzeugen, und welche Formen des Zusammenwirkens Würde und Verantwortlichkeit stärken. Typisch ist die antizipierte Gegenrede: Er nimmt Einwände auf, prüft ihre Voraussetzungen und führt sie auf die Frage nach Macht zurück. Das macht die Lektüre dialogisch und dynamisch. Die Ausgangssituation ist bewusst elementar gehalten – das alltägliche Zusammenleben unter Bedingungen von Zwang, Konkurrenz und Angst –, sodass der Text ohne Vorwissen verständlich bleibt. Wer liest, erhält keine bloße Theorie, sondern eine Einladung, Begriffe im Licht konkreter Erfahrungen zu testen und organisatorisch zu übersetzen.
Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat ist damit weniger Lehrbuch als Kompass: ein Instrument, die Gegenwart auf Möglichkeiten jenseits des Gegebenen abzutasten. Mühsams kommunistischer Anarchismus fordert heraus, weil er nicht nur Missstände benennt, sondern die gewohnten Kategorien von Politik und Eigentum verrückt. Gerade darin liegt seine bleibende Bedeutung: Er provoziert produktive Unruhe, erhellt blinde Flecken unserer Institutionen und eröffnet Räume, in denen Verantwortung geteilt und Freiheit praktisch wird. Wer heute nach tragfähigen Formen solidarischen Zusammenlebens sucht, findet hier eine klare, streitbare und ermutigende Stimme, deren Entschiedenheit zur kritischen Prüfung ebenso anleitet wie zur gemeinsamen Aktion.
Erich Mühsams Schrift Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat – Was ist kommunistischer Anarchismus? skizziert in programmatischer Form die Grundlagen und Zielsetzungen eines freiheitlichen Kommunismus. Ausgehend von der Diagnose, dass Herrschaftsformen das soziale Leben deformieren, erläutert der Autor, warum die gesellschaftliche Selbstorganisation nur jenseits staatlicher Gewalt wirklich gedeihen kann. Die Abhandlung verfolgt einen argumentativen Aufbau: Zunächst klärt sie Begriffe und unterscheidet Anarchismus von autoritären Strömungen; anschließend entwickelt sie eine Kritik am bestehenden Ordnungsgefüge und entwirft Gegenentwürfe. Mühsam strebt keinen detaillierten Gesetzeskodex an, sondern eine Orientierung, die Praxis und Bewusstsein gleichermaßen verändern soll.
Ein Kernabschnitt widmet sich der Analyse des Staates als institutionalisierter Gewalt. Mühsam beschreibt ihn als geschichtliches Produkt der Absicherung von Herrschaft, das sich durch Monopol auf Zwang, Bürokratie und die Ideologie des Gesetzes legitimiert. Der Staat ordnet und schützt Eigentumsverhältnisse, schafft Hierarchien und trennt die Menschen von der Verantwortung für ihr Miteinander. In dieser Perspektive erscheint Recht nicht als neutrale Instanz, sondern als Ausdruck bestimmter Machtinteressen. Indem die politische Ordnung Abhängigkeit erzeugt und solidarische Initiative verdrängt, stabilisiert sie ungleiche Verteilungen. Diese Diagnose dient als Ausgangspunkt dafür, Befreiung nicht als Machtwechsel, sondern als Aufhebung politischer Herrschaft zu denken.
Eng damit verknüpft ist die Kritik der kapitalistischen Ökonomie. Privateigentum an Produktionsmitteln und Lohnarbeit erscheinen als Mechanismen, die Bedürfnisse unter Profitzwang ordnen und Klassenunterschiede verfestigen. Mühsam betont das Zusammenwirken von Staat und Kapital: Die politische Gewalt schützt Akkumulation, während wirtschaftliche Macht die staatliche Ordnung stützt und formt. In diesem Zusammenspiel werden Ausbeutung und soziale Unsicherheit perpetuiert, und moralische Appelle bleiben wirkungslos, solange die Strukturen intakt sind. Der Text plädiert daher für eine gesellschaftliche Umwälzung, die Eigentumsverhältnisse kollektiviert, ohne neue Zentralmacht zu begründen, und die Produktionsweise auf Gebrauchswert, Kooperation und Bedürfnisorientierung ausrichtet.
Die positive Skizze einer befreiten Ordnung konzentriert sich auf föderative Selbstverwaltung. Lokale Gemeinschaften und Verbünde von Produzierenden sollen auf Basis freier Vereinbarungen Aufgaben koordinieren, Ressourcen gemeinschaftlich nutzen und Entscheidungen durch direkt verantwortliche, jederzeit abberufbare Delegierte treffen. Zentrale Merkmale sind gegenseitige Hilfe, transparente Rechenschaft und die Trennung von Verwaltung und Herrschaft: Organisieren ja, regieren nein. Verteilung orientiert sich an Bedürfnissen, Arbeit wird als kooperative Tätigkeit begriffen, die Fähigkeiten entfaltet statt Menschen zu disziplinieren. Kultur, Bildung und Alltagspraxis verschränken sich dabei, um Autoritätsgläubigkeit abzubauen und soziale Kompetenz für die Selbstregelung zu stärken.
Zur Erreichung dieser Perspektive formuliert die Schrift strategische Überlegungen. Parlamentarische Wege werden als unzureichend bewertet, weil sie Macht delegieren und Abhängigkeit reproduzieren. Stattdessen setzt Mühsam auf direkte Aktion, Arbeitskämpfe und die schrittweise Aneignung gesellschaftlicher Funktionen durch rätedemokratische Strukturen in Betrieben und Quartieren. Organisation ist nötig, aber nicht als Befehlskette: Verbände sollen zweckgebunden, offen und kontrollierbar bleiben. Der Text reflektiert die Spannungen zwischen Verteidigung gegen Repression und dem Ziel, Zwang zu überwinden, und betont die ethische Dimension der Mittelwahl. Revolution erscheint weniger als Ereignis denn als Prozess, der neue Formen des Zusammenlebens praktisch etabliert.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Entkräftung verbreiteter Einwände. Gegen die Furcht vor Chaos wird eine föderale Koordination skizziert, die auf Mandaten, klaren Aufgaben und jederzeitiger Rückholbarkeit beruht. Sicherheit und Konfliktlösung sollen durch gemeinschaftliche Vereinbarungen, Schlichtung und Prävention organisiert werden, statt durch ein separates Gewaltmonopol. Die vermeintliche Gegnerschaft von individueller Freiheit und Gemeinwohl wird als falsche Alternative kritisiert: Freiheit entfalte sich erst in sozialen Verhältnissen, die niemanden unterwerfen. Übergänge sieht der Text in der Ausweitung solidarischer Netzwerke und in der Aneignung von Wissen und Infrastruktur, ohne eine neue Zentralinstanz zu errichten.
Im Schlussgestus verdichtet die Schrift ihre Botschaft: Befreiung verlangt die bewusste Absage an Herrschaftslogiken und den Aufbau tragfähiger Formen gemeinsamer Selbstbestimmung. Der Wert des Textes liegt weniger in technischer Detailplanung als in der Klarheit seiner Leitideen, die politische, ökonomische und kulturelle Sphäre gemeinsam adressieren. Als Intervention gegen Autoritarismus, Nationalismus und ökonomische Unterordnung formuliert Mühsam einen Maßstab, an dem sich Praxis messen lässt. Unabhängig vom historischen Kontext bleibt die zentrale Aussage wirksam: Gesellschaftliche Emanzipation beginnt dort, wo Menschen Verantwortung teilen, Eigentum und Macht entflechten und Institutionen so gestalten, dass sie Freiheit nicht einschränken, sondern ermöglichen.
Erich Mühsams Schrift Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat. Was ist kommunistischer Anarchismus? erschien 1932 in der späten Weimarer Republik. Schauplatz der Debatte war Deutschland mit seinen von Verfassung und Krisen geprägten Institutionen: Reichstag und Reichsrat, der Reichspräsident Paul von Hindenburg mit Notverordnungsrecht nach Artikel 48, die Reichswehr, Polizei und Justiz. Parteiensystem und organisierte Arbeiterschaft bestimmten die politische Landschaft, vor allem SPD, KPD und die rasch wachsende NSDAP, dazu der ADGB als größter Gewerkschaftsbund. Presse, Verlage und Kabaretts bildeten eine lebhafte Öffentlichkeit, in der linke und rechte Strömungen heftig um Deutungshoheit rangen.
Die Schrift spiegelt Erfahrungen der Revolution von 1918/19 und der Rätebewegung wider. Nach dem Ende des Kaiserreichs entstanden Arbeiter- und Soldatenräte in vielen Städten, inspiriert von Basisdemokratie und ökonomischer Selbstverwaltung. In München kulminierte dies 1919 in der kurzlebigen Bayerischen Räterepublik, die von Reichswehr und Freikorps niedergeschlagen wurde. Figuren wie Gustav Landauer, mit dem Mühsam eng verbunden war, prägten die Debatten über föderative, gewaltfreie Gesellschaftsmodelle. Zugleich standen ihnen sozialdemokratische Regierungsstrategien und kommunistische Parteidisziplin gegenüber. Diese Spannungen zwischen Rätemodell, Parteipolitik und staatlicher Gewalt bilden den historischen Resonanzraum, in dem Mühsams anarchokommunistische Argumente zu verorten sind.
Erich Mühsam (1878–1934) war anarchistischer Autor, Publizist und Agitator, der als Aktivist der Münchner Revolution 1919 bekannt wurde. Nach der Niederschlagung der Räterepublik wurde er verhaftet, in Hochverratsprozessen zu langjähriger Haft verurteilt und erst 1924 amnestiert. In den folgenden Jahren wirkte er vor allem in Berlin als Essayist, Lyriker und Herausgeber der Zeitschrift Fanal, in der er Antimilitarismus, Antikapitalismus und Rätesozialismus propagierte. Sein Netzwerk umfasste Künstler-, Kabarett- und Arbeiterkreise; zugleich stand er unter Beobachtung der Polizei. Diese biografischen Erfahrungen mit Revolution, Gefängnis und Publizistik rahmen die Entstehung seiner Programmschrift von 1932.
Die Jahre nach 1918 waren von politischer Gewalt und juristischen Auseinandersetzungen bestimmt. Freikorps und Reichswehr zerschlugen Aufstände wie in Berlin, im Ruhrgebiet und in Bayern; zahlreiche führende Linke wurden getötet, darunter Kurt Eisner (1919) und Gustav Landauer (1919), später auch Matthias Erzberger (1921) und Walther Rathenau (1922). Zeitgenössische Beobachter wiesen auf eine Justiz hin, die rechtsradikale Täter oft milder behandelte als Linke. Für radikale Demokraten, Sozialisten und Anarchisten bestätigte dies den Eindruck eines Staates, der Gewaltmonopol und Klassenordnung verteidigte. Mühsams Werk greift diese Erfahrungen auf, indem es die Rolle staatlicher Repression in gesellschaftlichen Konflikten systematisch thematisiert.
Ökonomische Erschütterungen prägten die Weimarer Epoche, auf die Mühsam reagierte. Nach der Hyperinflation von 1923 stabilisierte sich die Währung, doch die Weltwirtschaftskrise ab 1929 brachte Massenarbeitslosigkeit und soziale Not; 1932 waren Millionen ohne Arbeit. Reichskanzler Heinrich Brüning regierte seit 1930 überwiegend per Notverordnung und verfolgte Austerität, was politische Lager verhärtete. Die NSDAP wurde bei den Reichstagswahlen 1930 und 1932 zur Massenpartei, begleitet von SA-Gewalt auf den Straßen. Gleichzeitig eskalierten Verbote und Eingriffe gegen linke Organisationen, etwa der Preußenschlag 1932 gegen die SPD-geführte Landesregierung. In diesem Klima gewann radikale Systemkritik zusätzliche Resonanz.
International prägten die Folgen der Russischen Revolution die sozialistischen Debatten, auf die das Buch Bezug nimmt. Die Machtkonsolidierung der Bolschewiki, der Bürgerkrieg und Ereignisse wie die Niederschlagung des Kronstädter Aufstands 1921 wurden von Anarchisten als Warnung vor Parteidiktatur gedeutet. In Deutschland organisierten sich libertäre Strömungen u. a. in der FAUD, die der 1922 in Berlin gegründeten Internationalen Arbeiter-Assoziation (IAA/IWA) angeschlossen war. Mühsams Argumente stehen in einem Dialog mit Klassikern wie Bakunin und Kropotkin sowie mit den Ideen Gustav Landauers zu föderalen Gemeinschaften, Kulturarbeit und gewaltloser Revolution, die in den 1910er Jahren intensiv diskutiert wurden.
1932, im Jahr der Veröffentlichung, standen Präsidialkabinette, Straßengewalt und die Erosion parlamentarischer Mehrheiten für den Übergang zur Diktatur. Mühsam attackierte Nationalsozialismus und Militarismus öffentlich und war Ziel polizeilicher Überwachung. Nach der Machtübertragung an Hitler im Januar 1933 wurde er verhaftet, misshandelt und in Konzentrationslager verschleppt; 1934 wurde Mühsam im KZ Oranienburg ermordet. Bei den Bücherverbrennungen im Mai 1933 wurden seine Schriften diffamiert und vernichtet. Vor diesem Hintergrund liest sich die 1932 erschienene Programmschrift als pointierte Gegenrede zur autoritären Wende, abgefasst noch innerhalb der letzten Freiräume der Weimarer Öffentlichkeit. Zeitgleich zerfielen linke Bündnisse unter staatlichem Druck und strategischen Differenzen. Die Repression traf besonders anarchistische und syndikalistische Gruppen.
Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat bündelt diese Erfahrungen zu einer systematischen Skizze des kommunistischen Anarchismus: radikale Demokratie über Räte und Föderationen, Vergesellschaftung von Eigentum, Ablehnung parlamentarischer Stellvertretung und staatlicher Gewalt. Das Buch reflektiert Konflikte zwischen sozialdemokratischem Reformismus, bolschewistischer Partei- und Staatsmacht sowie syndikalistischen Selbstverwaltungsentwürfen. Es fungiert damit als historischer Kommentar zur Krise der Weimarer Institutionen am Vorabend der NS-Diktatur. Zugleich dokumentiert es die Position einer Strömung, die in Deutschland bald verboten und verfolgt wurde. So bietet der Text eine dichte Quelle zu Ideen, Hoffnungen und Grenzen libertärer Politik im 20. Jahrhundert.
