Erotika Biblion - Honoré Gabriel Riquetti Mirabeau - E-Book

Erotika Biblion E-Book

Honoré Gabriel Riquetti Mirabeau

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Beschreibung

Erotika Biblion ist eines der ersten pornografischen Werke der Weltliteratur - vergleichbar nur noch mit den Schriften des Marquis de Sade. Der Schriftsteller Henry Marchand nannte Erotika Biblion "eines der seltsamsten Bücher, das jemals geschrieben wurde". In der Einsamkeit und Trennung von seiner Geliebten Sophie hinter den Gefängnismauern von Vicennes schrieb Mirabeau, ein hitzköpfiger Lebemann, Erotika Biblion und veröffentlichte es 1783 anonym und mit dem fiktiven Erscheinungsort "A Rome de l' Imprimerie du Vatican". Auf den ersten Blick handelt es sich um ein rein erotisches und - für die damalige Zeit - schonungslos pornographisches Werk: Mirabeau geht auf unterschiedlichste Aspekte der menschlichen Sexualität ein. Er skizziert diese in einzelnen Kapiteln, die mit Kunstworten überschrieben sind. So werden Themen wie Homosexualität (überschrieben mit "Thalaba"), Tribadismus ("Andrandine"), Beschneidungen ("Akripodie") oder Nymphomanie ("Kadhesch") abgehandelt. Genüsslich führt er dabei bis in jedes Detail aus, wie "verdorben" die Völker der Antike in Wahrheit gewesen seien, die immer wieder als die Vorbilder in Sachen Vernunft, Ethik und Religion dargestellt wurden. Verschont werden dabei weder die Philosophen des antiken Griechenlands, noch das biblische Volk Israel, dessen sexuelle Ausschweifungen anhand von Zitaten aus der Bibel beschrieben werden. Der Leser erfährt so von Inzucht, Sodomie und Masturbation in der Heiligen Schrift. Erotika Biblion ist eines der ersten pornografischen Werke der Weltliteratur - vergleichbar nur noch mit den Schriften des Marquis de Sade. Der Schriftsteller Henry Marchand nannte Erotika Biblion "eines der seltsamsten Bücher, das jemals geschrieben wurde". In der Einsamkeit und Trennung von seiner Geliebten Sophie hinter den Gefängnismauern von Vicennes schrieb Mirabeau, ein hitzköpfiger Lebemann, Erotika Biblion und veröffentlichte es 1783 anonym und mit dem fiktiven Erscheinungsort "A Rome de l' Imprimerie du Vatican". Auf den ersten Blick handelt es sich um ein rein erotisches und - für die damalige Zeit - schonungslos pornographisches Werk: Mirabeau geht auf unterschiedlichste Aspekte der menschlichen Sexualität ein. Er skizziert diese in einzelnen Kapiteln, die mit Kunstworten überschrieben sind. So werden Themen wie Homosexualität (überschrieben mit "Thalaba"), Tribadismus ("Andrandine"), Beschneidungen ("Akripodie") oder Nymphomanie ("Kadhesch") abgehandelt. Genüsslich führt er dabei bis in jedes Detail aus, wie "verdorben" die Völker der Antike in Wahrheit gewesen seien, die immer wieder als die Vorbilder in Sachen Vernunft, Ethik und Religion dargestellt wurden. Verschont werden dabei weder die Philosophen des antiken Griechenlands, noch das biblische Volk Israel, dessen sexuelle Ausschweifungen anhand von Zitaten aus der Bibel beschrieben werden. Der Leser erfährt so von Inzucht, Sodomie und Masturbation in der Heiligen Schrift.

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Honoré Gabriel Riquetti Graf von Mirabeau

Erotika Biblion

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Impressum

ISBN 978-3-940621-37-5

E-Book: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH

Digitalisat basiert auf der Ausgabe von 1919 aus der Bibliothek des Vergangenheitsverlags; bibliografische Angaben:

Honoré Gabriel Riquetti Graf von Mirabeau, Erotika Biblion, Berlin 1919.

Digitalisierung: Vergangenheitsverlag. Bearbeitung: Dr. Alexander Schug

Die Marke „100% - vollständig, kommentiert, relevant, zitierbar“ steht für den hohen Anspruch, mehrfach kontrollierte Digitalisate klassischer Literatur anzubieten, die – anders als auf den Gegenleseportalen unterschiedlicher Digitalisierungsprojekte – exakt der Vorlage entsprechen. Antrieb für unser Digitalisierungsprojekt war die Erfahrung, dass die im Internet verfügbaren Klassiker meist unvollständig und sehr fehlerhaft sind. Die in eckigen Klammern gesetzten Zahlen markieren die Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe; durch die Paginierung ist auch die digitale Version über die Referenz zur gedruckten Ausgabe zitierbar.

© Vergangenheitsverlag, 2010

www.vergangenheitsverlag.de

Einleitendes Essay: Mirabeau – Der Löwe der Revolution

Honoré Gabriel Riquetti wurde am 9. März 1749 im französischen Bignon bei Nemours als erstes von elf Kindern geboren. Sein Vater war Victor Riquetti, ein geachteter Volkswirt und politischer Denker seiner Zeit. Victor war ein Bekannter des großen Staatstheoretikers der Aufklärung Montesquieu und Verfasser des einflussreichen Werkes „Ami des Hommes“, welches ihm seinen Beinamen als der „Menschenfreund“ einbrachte. Später, nach dem Tod seines Vaters, erbte Honorè Gabriel dessen Adelstitel als Marquis de Mirabeau.

Zeit seines Lebens sollte Honoré jedoch versuchen, sich gegen seinen herrischen Vater zu behaupten, aus dessen Schatten zu treten und seinen Respekt zu erlangen. Da der Vater ihm jegliche finanzielle Unterstützung verweigerte, trat der junge Mirabeau 1767 in die Armee ein. Zunächst nutze er seine adlige Herkunft für ein ausschweifendes Leben abseits der Kaserne. Als Mitglied einer der vornehmsten Familien Frankreichs fand er leicht Zugang zu den gehobenen gesellschaftlichen Kreisen. Er beging sogar Fahnenflucht, um einem Eheversprechen zu entgehen. Nachdem er zwischenzeitlich gefasst und eingekerkert worden war, rehabilitierte er sich durch seinen Dienst im Krieg auf Korsika.

Mirabeau war ein Lebemann: Die Verschwendungssucht und sein unsteter Lebenswandel wurden ihm jedoch immer wieder zum Verhängnis. Mit seinem Vater lebte er deswegen in ständiger Auseinandersetzung. Bei diesem fiel er schließlich in Ungnade und wurde auf dessen Geheiß hin (offiziell durch königlichen Befehl) sogar mehrfach gefangen genommen und in verschiedene Gefängnisse geworfen. Während seiner Ausgangszeiten im Gefängnis von Joux nahe Lyon lernte er Sophie de Monnier kennen, eine junge, verheiratete Frau und seine große Liebe. Zusammen planten sie ihre Flucht ins Ausland, die auch gelang. Doch Sophies erboster Ehemann lies ihnen nachstellen, sie gefangen nehmen und getrennt einkerkern. Man verurteilte beide zum Tode, ein Urteil, das jedoch nicht vollstreckt wurde und das Mirabeau dank seines Redetalents annullieren lassen konnte. Seine Haft in Vicennes bei Paris dauerte von 1780 bis 1782, er verbrachte die Zeit damit, zu lesen, erotische Schriften zu verfassen und Sophie zärtliche Briefe zu schreiben. Erst Jahre später sahen sich die beiden wieder, mussten jedoch feststellen, dass die Zeit sie zu sehr gezeichnet hatte, als dass ihre alte Liebe nochmals hätte aufflammen können.

In den 1770er/80er Jahren erlebte Mirabeau eine weitgehende Politisierung. Schon früher war er mit den politischen Theorien Rousseaus, einem der Vordenker der Französischen Revolution, in Kontakt gekommen und hatte eigene Werke gegen Despotismus und Willkürherrschaft verfasst, wie etwa den „Essai sur le despotisme“ von 1776, in dem er dem Volk Widerstandsrechte gegen Monarchen einräumte, wenn dieser die Freiheit bedrohte. 1782 folgte mit „De lettres de cachet et des prisons d'état“ eine Abrechnung mit den willkürlich ausgestellten königlichen Haftbefehlen, deren Opfer Mirabeau selbst war. Dieses Werk wurde 1788 sogar ins Englische übersetzt. Zuvor war Mirabeau 1785 nach London gefahren und hatte Kontakt zu den dortigen liberalen Kreisen aufgenommen. Er entwickelte sich zu einem Anhänger einer konstitutionellen Monarchie nach englischem Vorbild, mit Parlament und König.

Mirabeau sollte durch die Zeitumstände die Chance erhalten, seine politischen Visionen in die gesellschaftlichen Diskurse des späten 18. Jahrhunderts einzubringen. In Frankreich herrschte zu dieser Zeit durch eine Reihe von Kriegen und das ausschweifende Leben bei Hofe eine sehr kritische Finanzlage. Um diese zu beheben, lies König Ludwig XVI. 1789 verkünden, dass die Generalstände einberufen werden sollten. In dieser Versammlung saßen Vertreter aller drei Stände – des Adels, des Klerus und des Dritten Standes, also des einfachen Volkes. Die Sitzverteilung entsprach jedoch nicht den realen Begebenheiten in der Bevölkerung. Der Dritte Stand, der in der Gesamtbevölkerung ganze 95 Prozent ausmachte, hatte lediglich genau so viele Abgeordnete wie Adel und Klerus zusammen. Außerdem sollte die Stimmabgabe einheitlich pro Stand erfolgen, was eine 2:1 Mehrheit für die privilegierten Stände ergab.

Mirabeau lies sich, trotz seiner adligen Herkunft, im Mai 1789 als Abgeordneter des Dritten Standes wählen und nahm an den Sitzungen in Paris teil. Die Verhandlungen bewegten sich von ihrem eigentlichen Ziel, der Konsolidierung des französischen Haushalts, rasch fort und der Ruf nach Systemänderungen und Liberalisierungen wurde lauter. Dabei fiel Mirabeau immer wieder durch seine enormen rhetorischen Fähigkeiten auf. Vehement setzte er sich für die Errichtung einer konstitutionellen Monarchie nach englischem Vorbild ein, in der das Volk den König einsetzt und dieser sich nicht durch Gottesgnadentum, sondern eine Verfassung legitimiert. Mirabeaus Ziel war eine Reform, die den Bürgern mehr Rechte und Freiheiten einräumen sollte, nicht etwa eine Abschaffung des Ancién Regime. Diese Ansicht war weit verbreitet in den Anfängen der kommenden Revolution in Frankreich. Mirabeau war damit ein moderater Vertreter der Aufklärung und des Rufs nach Reformen, die schließlich der absolutistischen Monarchie in einer epochemachenden Revolution ein Ende bereiteten.

Als sich abzeichnete, dass die erhofften Reformen in den Generalständen nicht durchsetzbar waren, erklärten sich die Abgeordneten in einem revolutionären Akt zur Nationalversammlung und schworen im sogenannten „Ballhausschwur“ am 20. Juni 1789 nicht eher auseinander zu gehen, bis Frankreich eine Verfassung habe. Sie widersetzten sich damit eindeutig dem Willen des Königs.

Ludwig XVI. lies befehlen, dass die Generalstände sich auflösen sollten, um die Forderungen nach politischen Reformen im Keim zu ersticken. Nun schlug die Stunde des Marquis: Er widersetzte sich dem königlichen Abgesandten, indem er vor dem versammelten Plenum das Wort ergriff, und den Befehl zurückwies. Diese Tat sollte noch lange in Erinnerung bleiben. So legte der deutsche Schriftsteller Heinrich von Kleist Mirabeau später in seinem Essay „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken im Reden“ die folgenden heroisch anmutenden Worte (gegenüber dem königlichen Abgesandten) in den Mund:

„Was berechtigt Sie, uns hier Befehle anzudeuten? Wir sind die Repräsentanten der Nation. Die Nation gibt Befehle und empfängt keine. So sagen Sie Ihrem Könige, daß wir unsere Plätze anders nicht als auf die Gewalt der Bajonette verlassen werden.“ (Kleist wollte zeigen, dass Gedanken aus einer Sprechsituation heraus entstehen und dieses Beispiel erschien im angemessen, da Mirabeau die Gunst der Stunde nutzte.)

Der König gab schließlich nach und die Nationalversammlung konnte weiter tagen. In der Folge blieb Mirabeau einer der Anführer der beginnenden Revolution. Der Zorn des Volkes von Paris entlud sich schließlich am 14. Juli 1789 im Sturm auf die Bastille, einem Gefängnis und Symbol des Ancién Regime (in welchem zu diesem Zeitpunkt allerdings gar keine politischen Gefangenen mehr inhaftiert waren). Mirabeau nahm an diesem Ausbruch der Gewalt nicht teil, da sein Vater am selben Tag verstarb. Mit diesem hatte Mirabeau sich mittlerweile ausgesöhnt. Er half in der Folge wichtige Reformen voranzutreiben. Die Revolution zog immer weiter ihre Kreise und Schritt für Schritt wurden der König und die alten Eliten entmachtet und dadurch ein Systemwechsel eingeleitet. 1791 wurde Mirabeau sogar zum Präsidenten der neuen Nationalversammlung gewählt.

Noch im selben Jahr starb er allerdings überraschend am 2. April – ob es sich dabei um einen natürlichen Tod oder um Mord handelte, konnte nie geklärt werden. Er erhielt als erster ein Staatsbegräbnis im Pariser Pantheon, einer ehemaligen Kirche, die nun zur zentralen Gedenkstätte Frankreichs für verdiente Persönlichkeiten und Revolutionäre wurde.

Durch die Radikalisierung der Revolution nach seinem Tod und der Aufdeckung von Mirabeaus Kontakten zum Hof Ludwigs XVI. fiel er beim Volk jedoch postum in Ungnade und seine Gebeine wurden wieder aus dem Pantheon entfernt. Karl Marx war von der Person Mirabeaus derart angetan, dass er ihn in seinem Werk „Das Kapital“ jedoch ehrfurchtsvoll den „Löwen der Revolution“ nannte.

Erotika Biblion – Ein Meisterwerk der pornographischen Literatur?

Der Marquis de Mirabeau verfasste eine ganze Reihe von Werken, meist rein politischen Charakters. Im Geheimen verfasste er jedoch auch erotische Geschichten, die anonym publiziert wurden. Die bekanntesten sind „Le Rideau levé, ou l'Education de Laure“ (Der gelüftete Vorhang oder Lauras Erziehung) von 1786 oder „Erotika Biblion“. Der Schriftsteller Henry Marchand nannte dieses in seinem Werk „The erotic history of France“ „eines der seltsamsten Bücher, das jemals geschrieben wurde“.

In der Einsamkeit und Trennung von seiner Geliebten Sophie hinter den Gefängnismauern von Vicennes ist das Buch entstanden und wurde 1783 anonym und mit dem fiktiven Erscheinungsort „A Rome de l‘ Imprimerie du Vatican“ veröffentlicht.

Auf den ersten Blick handelt es sich um ein erotisches und – für die damalige Zeit – pornographisches Werk: Mirabeau geht auf unterschiedlichste Aspekte der menschlichen Sexualität ein. Er skizziert diese in den einzelnen Kapiteln des Buches, die mit Kunstworten überschrieben sind. So werden zum Beispiel Themen wie Homosexualität (überschrieben mit „Thalaba“), Tribadismus („Andrandine“), Beschneidungen („Akripodie“) oder Nymphomanie („Kadhesch“) abgehandelt. Genüsslich führt er dabei aus, wie „verdorben“ die Völker der Antike in Wahrheit gewesen seien, die immer wieder als die Vorbilder in Sachen Vernunft, Ethik und Religion dargestellt wurden. Verschont werden dabei weder die Philosophen des antiken Griechenlands, noch das biblische Volk Israel, dessen sexuelle Ausschweifungen anhand von Zitaten aus der Bibel beschrieben werden. Der Leser erfährt so von Inzucht, Sodomie und Masturbation in der Heiligen Schrift. Der starke Fokus auf das „heilige Buch“ gab Mirabeaus Buch schließlich auch den Titel.

Derart anzügliche Werke sind in dieser Epoche keine Seltenheit. Der Marquis de Sade, der für ungleich pornographischere Schriften berühmt wurde, war ein Zeitgenosse Mirabeaus. Die beiden begegneten sich sogar, als sie zeitgleich in Vicennes eingesperrt waren, ein Treffen, das allerdings von starker gegenseitiger Abneigung geprägt gewesen sein soll. Das Spielen mit erotischen Themen stellte für die Zeitgenossen einen Ausbruch aus den althergebrachten Normen dar. Die Werke spiegeln den Willen zu Neuerung und Auflehnung wider.

Zeitgenössische Rezensenten nannten das Buch das Werk eines armen Sünders, der die Abscheu eines jeden Christen verdiene, voll von Lastern und Unflätereien. Die Kirche setzte es auf den Index Librorum Prohibitorium, das Verzeichnis der durch die Inquisition verbotenen Bücher. Von der Erstauflage sind gerade einmal 14 Exemplare erhalten. Das Buch wurde als pornografisches Machwerk abgetan, dabei wurde jedoch seine politische Dimension verkannt.

Schon im ersten Kapitel („Anagogie“ – die planetarische Erzählung) findet sich ein Plädoyer für den Fortschritt der Wissenschaft und die Freiheit. In diesem Abschnitt wird von den fiktiven Bewohnern des Saturns erzählt. Diese seien wissenschaftlich sehr weit fortgeschritten und der Austausch ihres Wissens stelle ihr höchstes Gut dar. Sie würden in vollkommener Freiheit und Frieden leben, Künste wären hoch angesehen. Mirabeau erzählt von ihnen, um eine idealtypische, utopische Welt zu entwerfen. Für die Menschheit erhofft er sich, dass sie diesem Ideal nachstreben und sich ähnlich entwickeln. Es handelt sich letztlich um ein Plädoyer für Wissenschaft und Meinungsfreiheit. In den folgenden Kapiteln illustriert er den Fortschritt, den die Menschheit und der menschliche Verstand allerdings bereits gemacht haben. Die Verderbtheit der antiken Völker unterscheide sich schließlich bereits massiv von den Gepflogenheiten der Zeitgenossen Mirabeaus – die Menschheit sei also grundsätzlich zum Fortschritt fähig, so die Botschaft. Diese Einstellung spiegelt den Optimismus des Humanismus wider, die treibende Idee hinter der Epoche der Aufklärung. Die humanistische Lehre betonte den Wert jedes einzelnen Menschen und seine Fähigkeiten (Vernunft, Werte, Friede etc.). Derartige Ideen waren seit der Epoche der antiken Philosophen in Vergessenheit geraten – der einzelne Mensch zählte zu Zeiten Mirabeaus dagegen nur so viel, wie sein Stand es zuließ.

Im Kontrast dazu stand das monarchische System. Dieses System, in dem Mirabeau selbst aufwuchs und sozialisiert wurde, stützte sich auf Despotismus und Aberglaube. Adel und Priester hielten die Monarchie aufrecht, das Volk wurde dadurch gleichsam in Fesseln gelegt. Die Menschheit, so Mirabeaus These, sei nur deshalb noch nicht vollkommen, weil ihre Regierungen, deren eigentliche Aufgabe es sei, die Freiheit zu sichern, dies verhindern würden.

Mirabeau selbst schrieb über das Erotika Biblion an seine geliebte Sophie, es seien „amüsante Themen, sie werden zwar ernsthaft, dafür aber nicht weniger grotesk und doch dezent behandelt.“ Die Unterscheidung zwischen einem anzüglichen und einem ernsten Werk gilt für Mirabeau nicht – er stellt sein Werk in den Dienst der Sache. So ist das Erotika Biblion ein philosophisches und revolutionäres Werk. Es betont das Naturrecht der Menschen, die aufgeklärte Vernunft. Durch diese soll die Menschheit erkennen, auf welche Art der Despotismus sie unterdrückt. Dabei bedient sich Mirabeau spielerisch sexueller und teils pornographischer Diskurse und Anekdoten, um die scheinbar überlegene Moral der alten Eliten, wie Adel und Kirche, zu diffamieren. Das Buch „ist ein Kampf für die Philosophie und ein Kampf für die Freiheit.“

Autor: Benjamin Koerfer

[5]

Anagogie

[7] Bekanntlich[1] ) haben unter den zahllosen Ausgrabungen der Altertümer von Herkulanum die Handschriften die Geduld und den Scharfsinn der Künstler und Gelehrten erschöpft. Die Schwierigkeit besteht in dem Aufrollen der seit zweitausend Jahren durch die Lava des Vesuvs halbvernichteten Schriften. Sowie man sie berührt, zerfällt alles in Staub.

Indessen haben ungarische Mineralogen, die geduldiger und gewandter als die Italiener sind, Vorteile aus den Erzeugnissen, die der Mutterschoß der Erde darbietet, zu ziehen, der Königin von Neapel ihre Dienste angeboten. Die Fürstin, eine Freundin aller Künste, die den Wetteifer geschickt anzufeuern versteht, hat die Künstler liebenswürdig aufgenommen: sie aber stürzten sich auf diese unsäglich schwierige Arbeit.

Zuerst kleben sie eine dünne Leinwand über eine dieser Rollen: wenn das Leinen trocken ist, hängt man es auf und legt gleichzeitig die Rolle auf einen beweglichen Rahmen, um ihn unmerklich zu senken, je nachdem die Abwicklung vor sich geht. Um sie zu erleichtern, streicht man mit einem Federbart einen [8] Faden Gummiwassers auf die Rolle, und allmählich lösen sich Teile davon ab, um sich unverzüglich auf die ausgespannte Leinewand zu leimen. Diese mühselige Arbeit nimmt soviel Zeit in Anspruch, daß man im Laufe eines Jahres kaum einige Blätter abrollen kann. Die Unannehmlichkeit, nur allzu oft Handschriften zu finden, die nichts enthalten, hätte auf dieses schwierige und mühselige Unternehmen verzichten lassen, wenn so viele Anstrengungen nicht schließlich durch die Entdeckung eines Werkes belohnt worden wären, das bald den Scharfsinn von einhundertfünfzig Akademien Italiens herausgefordert hat[2] ).

[9] Es handelte sich um eine mozarabische Handschrift, die geschrieben ist in den fernen Zeiten, wo Philippus [10] von der Seite des Eunuchen von Candacia fort geraubt wurde[3] ); wo Habacuc, an den Haaren[4] ) emporgetragen, Daniel das Mittagbrot fünfhundert Meilen weit trug, ohne daß es kalt wurde, wo die beschnittenen Philister sich Vorhäute machten[5] ), wo Hintern von [11] Gold Hämorrhoiden heilten[6] ) … Ein gewisser Jeremias Shackerley, ein Rechtgläubiger laut der Handschrift, nutzte die Gelegenheit für sich aus.

Er war gereist, und von Vater auf Sohn war nichts in der Familie, einer der ältesten auf der Welt, verloren gegangen, da sie nicht unzuverlässige Überlieferungen aus dem Zeitabschnitt aufbewahrte, wo die Elefanten die kältesten Teile Rußlands bevölkerten, wo Spitzbergen wundervolle Orangen hervorbrachte, wo England nicht von Frankreich getrennt war, wo Spanien noch am Festland von Kanada hing durch das große, Atlantis geheißene Land, dessen Namen man kaum bei den Alten wiederfindet, das uns aber der scharfsinnige Herr Bailly so gut zu schildern weiß.

Shackerley wollte auf einen der entferntesten Planeten, die unser System bilden, gebracht werden[7] ) [12] , doch setzte man ihn nicht auf dem Planeten selber nieder, sondern lud ihn auf dem Ring des Saturn ab. Dieser ungeheure Himmelskörper war noch nicht in Ruhe. Auf seinen niedrig gelegenen Teilen gabs tiefe und stürmische Meere, reißende Sturzbäche, strudelnde Gewässer, beinahe immerwährende Erdbeben, die durch das Einsinken von Höhlen und häufige Vulkanausbrüche hervorgerufen wurden, wirbelnde Dampf- und Rauchsäulen, Stürme, die unaufhörlich durch die Erschütterungen der Erde und ihren wütenden Anprall gegen die Gewässer der Meere erregt wurden, Überschwemmungen, Austreten der Flüsse, Sintfluten; Lava-, Erdpech-, Schwefelströme, die die Gebirge verheerten und sich in die Ebenen stürzten, wo sie die Gewässer vergifteten; das Licht aber war durch Wasserwolken, durch Aschenmassen, durch glühende Steine, die die Vulkane auswarfen, verdunkelt … Also sah es auf diesem noch ungestalten Planeten aus. Einzig der Ring war bewohnbar. Sehr viel dünner und [13] mehr abgekühlt erfreute er sich bereits seit langem der Vorteile der vollkommenen, empfänglichen, weisen Natur; aber man erblickte von dort aus die furchtbaren Vorgänge, deren Theater der Saturn war.

Form und Bildung dieses Ringes erschienen Shackerley so ungewöhnlich, wie ihm nichts auf dem Erdboden gleich seltsam erschienen war. Erstens machte unsere Sonne, die auch für die Bewohner dieses Landes die Sonne ist, für sie kaum den dreißigsten Teil von dem aus, den sie für uns darstellt. Für ihre Augen erzeugte sie die Wirkung, die bei uns der Morgenstern hervorbringt, wenn er im höchsten Glänze steht. Merkur, Venus, Erde und Mars können von dort aus nicht unterschieden werden, doch vermutet man ihr Vorhandensein. Einzig der Jupiter zeigt sich dort, und zwar etwas näher, als wir ihn sehen, mit dem Unterschiede, daß er Wandlungen durchmacht, wie sie die Mondscheibe uns zeigt. Er war ebenfalls einer seiner Trabanten, und aus diesem Zusammentreffen gleichmäßiger Veränderungen ergaben sich seltsame und nützliche Erscheinungen. Seltsame: indem man den Jupiter im Wachsen und seine vier kleinen Monde bald im Wachsen, bald im Abnehmen, oder die einen zur Rechten und die anderen sich mit dem Planeten selber vermischen sah? Nützliche, indem Jupiter manchmal die Sonne mit seinem ganzen Gefolge passierte, was eine Menge von Berührungspunkten, nacheinander folgende Eintauchungen und Austritte mit sich brachte, die für die ganz regelmäßigen Beobachtungen nichts zu wünschen übrig ließen.

Ebenso war die Deduktion der Parallaxen aufs genaueste berechnet worden, dergestalt, daß trotz der Entfernung des Ringes oder des Saturns oder der Sonne, welche nach dem gelehrten Jeremias Shackerley [14] nicht viel weniger als dreihundertdrei Millionen Meilen beträgt, man seit unzähligen Jahrhunderten dort mehr Fortschritte auf dem Gebiete der Astronomie als auf der Erde gemacht hatte.

Die Sonne wirkte schwach; doch das Fehlen ihrer Wärme wurde durch die des Saturnballes ausgeglichen, der sich noch nicht abgekühlt hatte. Der Ring empfing von seinem Hauptplaneten mehr Licht und Wärme, als wir hier unten erhalten, denn schließlich hatte der Ring ja in sich selbst, in seinem Zentrum, den Saturnglobus, der neunhundertmal größer als die Erde ist, und war fünfundfünzigtausend Meilen von ihm entfernt, was dreiviertel der Entfernung des Mondes von der Erde ausmacht.

Um den Ring herum, in großen Zwischenräumen, sah man fünf Monde, die manchmal alle auf derselben Seite aufgingen. Nach Shackerleys Behauptung ist es unmöglich, sich einen hinreichenden Begriff von diesem glänzenden Schauspiele zu machen.

Der so gut gelegene Ring bildete gleich einer Hängebrücke einen kreisförmigen Bogen, man konnte ihn auf seinem ganzen Umfange bereisen, ebenso vermochte man von Ferne um den Saturnball zu reisen, dergestalt aber, daß der Reisende diesen Ball stets auf der gleichen Seite behielt.

Die Breite des Ringes beträgt nicht weniger als den Durchmesser unseres Erdballs, ist aber gleichzeitig so dünn, daß dieser Durchmesser für den, der ihn von der Erde aus wahrnehmen will, unsichtbar ist. Darum gleicht er einer Messerklinge, deren dünne Schneide man von weitem aus betrachtet. Shackerley kannte die Erscheinungen, die man hier unten feststellen kann, sehr genau, erwartete aber, sich wenigstens rittlings auf der Schneide dieses Ringes fort - [15] bewegen zu können. Wie überrascht war er jedoch, als er sah, daß dieser so geringe Durchmesser, der unserem Auge entgeht, eine ebenso große Entfernung wie die von Paris nach Straßburg ausmachte, denn dieses Beispiel wird schneller und genauer den Begriff der Ausdehnung geben als die Wegmessungen, die Shackerley vornahm, für die es einige tausendseitiger Erklärungen bedürfte, bis man sie unbestreitbar abgeschätzt hätte. Folglich könnte es auf dem unteren konkaven Rande kleine Königreiche geben, welche die Politiken unseres Erdballes, wenn er ihnen zur Verfügung stünde, herrlich in ein blutiges und durch zahllose ruhmreiche Ränke denkwürdiges Theater verwandeln könnten. Die Bewohner dieses Teiles, die man die Antipoden des äußeren Ringrückens nennen kann, die Bewohner des Inneren, sage ich, hatten den ungeheuren Saturnball zu ihren Häupten aufgehängt; der Ring aber bewegte sich wieder über diesen Ball hinweg und über den Ring hin strebten die fünf Monde.

Kurz, die Bewohner des Inneren sahen ihre rechte und linke Seite, wie wir die unsrigen auf der Erde sehen; der Horizont aber von vorn, ebenso wie der von hinten, waren sehr verschieden von denen, die wir hier unten erblicken. Auf zehn Meilen verlieren wir auf Grund der Biegung unseres Erdballes ein Schiff aus den Augen; auf dem Saturnring aber geht diese Biegung in entgegengesetzter Weise vor sich, sie erhebt sich, statt sich zu senken; da aber der Ring den Saturn in einer Entfernung von fünfzigtausend Meilen umgibt, folgt daraus, daß dieser Ring in der Form eines Wulstes einen Umkreis von mindestens fünfhunderttausend Meilen hat. Seine Biegung erhebt sich also unmerkbar. Der Horizont, der sich auf unserer [16] Erde senkt, erscheint dort auf einige Meilen Entfernung dem Auge eben, dann erhebt er sich ein weniges, die Gegenstände verkleinern sich; anfangs noch erkenntlich, verwischen sie sich schließlich: man erblickt nur noch die Massen; kurz, diese Erde erhebt sich in der Entfernung zu ungeheuren Weiten, indem sie kleiner wird. So sehr, daß dieser Ring, der durch die Täuschungen der Optik in der Luft endigt, für das Auge den Umfang unseres Mondes erhält und kaum in dem Teile gewahr wird, der sich über dem Haupte des Beobachters befindet, denn er macht für ihn mehr als die doppelte Entfernung des Mondes von der Erde aus, das heißt, fast zweihunderttausend Meilen.