Erzählungen aus 1001 Nacht - 3. Band - Anonym - E-Book

Erzählungen aus 1001 Nacht - 3. Band E-Book

Anonym

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Beschreibung

Im 3. Band lesen wir die Erzählungen aus der einhundertsiebenten bis einhundertvierneunzigste Nacht. Die Erzählungen aus Tausendundeine(r) Nacht sind eine Sammlung morgenländischer Texte und zugleich ein Klassiker der Weltliteratur. Typologisch handelt es sich um eine Rahmenerzählung mit Schachtelgeschichten. Aus Sicht der frühesten arabischen Leser hatte das Werk den Reiz der Exotik, es stammt für sie aus einem mythischen "Orient". Das Strukturprinzip der Rahmengeschichte sowie einige der enthaltenen Tierfabeln weisen auf einen indischen Ursprung hin und stammen vermutlich aus der Zeit um 250. So wird zwar ein indischer Ursprung vermutet, aber dass der Kern der Erzählungen aus Persien stammt, kann nicht ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass zwischen dem indischen und persischen Kulturraum zu jener Zeit enge Beziehungen bestanden.

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Seitenzahl: 600

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Anonym

Erzählungen aus 1001 Nacht

Impressum

Texte:             © Copyright by Anonym

Umschlag:      © Copyright by Gunter Pirntke

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

[email protected]

Inhalt

Impressum

Einhundertsiebente bis einhundertvierneunzigste Nacht

Die Erzählung von Tadsch al-Muluk und der Prinzessin Dunja: dem Liebenden und der Geliebten

Die Geschichte des Azis und der Azisah

Die Geschichte vom Haschischesser

Die Geschichte des Badawi Hammad

Die Geschichte von den Vögeln und den Tieren und dem Zimmermann

Die Einsiedler

Die Fabel vom Wasservogel und der Schildkröte

Die Fabel vom Wolf und vom Fuchs

Die Geschichte vom Falken und vom Rebhuhn

Die Geschichte von der Maus und dem Ichneumon

Die Geschichte vom Raben und der Katze

Die Geschichte vom Fuchs und dem Raben

Die Geschichte vom Floh und der Maus

Die Geschichte vom Sakerfalken und den Vögeln

Die Geschichte vom Sperling und dem Adler

Die Legende vom Igel und den Holztauben

Die Geschichte vom Kaufmann und den beiden Gaunern

Die Geschichte vom Dieb und seinem Affen

Die Geschichte vom törichten Weber

Die Geschichte vom Pfau und vom Sperling

Die Geschichte Ali bin Bakkars und Schams al-Nahars

Die Geschichte Kamar al-Zamans

Einhundertsiebente bis einhundertvierneunzigste Nacht

Als nun die Hundertundsiebente Nacht da war, fuhr Schahrazad also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß König Zau al-Makan den Vezier und den Kämmerling und Rustam und Bahram berief und sich zu dem Minister wandte und sprach: ›Wisse, o Vezier, die Nacht ist gekommen und hat ihren Schleier des Dunkels über uns gebreitet, und wir wünschen, daß du uns jene Geschichten erzählest, die du uns versprochen hast.‹ Versetzte der Vezier: ›Mit Freude und großer Lust! Wisse, o glücklicher König, mein Ohr erreichte der Bericht von einem Liebenden und seiner Geliebten, von ihren Gesprächen und allem, was zwischen ihnen vorfiel an seltenen und herrlichen Dingen – eine Geschichte, wie sie die Sorge vertreibt aus dem Herzen und den Kummer tilgt, wäre es auch der des Patriarchen Jakob; es ist aber diese:

Die Erzählung von Tadsch al-Muluk und der Prinzessin Dunja: dem Liebenden und der Geliebten

In längst vergangenen Zeiten stand hinter den Bergen von Ispahan eine Stadt, geheißen die Grüne Stadt, und darinnen lebte ein König namens Sulayman Schah. Nun war er freigebig und wohltätig, gerecht und geraden Charakters, großmütig und aufrichtig; und zu ihm kamen die Reisenden aus allen Ländern, und sein Name wurde genannt in allen Gegenden und Städten, und er herrschte manches Jahr und genoß jeglicher Verehrung und jeden Glückes, nur daß er weder Frauen noch Kinder besaß. Nun hatte er einen Vezier, der es ihm gleichtat in Güte und Großmut, und eines Tages geschah es, daß er ihn holen ließ, und als er vor ihn trat, da sprach er: ›O mein Vezier, mir ist das Herz schwer, meine Geduld ist dahin, und meine Kraft versagt, denn ich habe weder Weib noch Kind. Das ist nicht nach anderer Könige Art, die da herrschen über alle Menschen, über die Vornehmen wie die Armen; denn sie suchen ihre Freude darin, daß sie Kinder und Nachfolger hinterlassen, durch die sie ihre Zahl und Kraft verdoppeln. Spricht doch der Prophet (den Allah segne und behüte!): Heiratet, mehret und vervielfältigt euch, damit ich mich am Tage der Auferstehung eurer Überlegenheit über die Völker zu rühmen vermag. Welches also ist dein Rat, o Vezier? Rate mir, welcher Weg und welches Verfahren rätlich sei!‹ Als der Minister diese Worte hörte, rannen ihm die Tränen in Strömen aus den Augen, und er erwiderte: ›Ferne sei es von mir, o König der Zeit, daß ich über etwas rede, was der Erbarmende sich vorbehielt! Willst du, daß mich der Zorn und Grimm des Allerneuers werfe in die Qualen des ewigen Feuers? Kaufe dir eine Konkubine.‹ Versetzte der König: ›Wisse, o Vezier, wenn ein Herrscher eine Sklavin kauft, so kennt er weder ihren Rang noch ihre Herkunft, und so kann er nicht wissen, ob sie niederen Ursprungs sei, damit er sich ihrer enthalte, oder vornehmen Blutes, damit er engen Umgang mit ihr pflege. Wohnet er ihr also bei, so empfängt sie wohl gar, und ihr Sohn ist vielleicht ein Heuchler, ein Mann des Zorns und Blutvergießens. Ja, eine solche Frau ist wohl einem salzigen Sumpf zu vergleichen, der da, ob man ihn auch ewig pflüge, doch nur wertloses Wachstum hervorbringt, das nicht dauert; denn vielleicht widerstrebt ihr Sohn dem Zorne des Herren und tut nicht, was Er gebietet, noch enthält er sich dessen, was Er untersagt. Deshalb will ich es nie dahin treiben, indem ich mir eine Konkubine kaufe; und es ist mein Wunsch, daß du für mich die Tochter eines der Könige zur Ehe verlangest, deren Herkunft man kennt, und die man weithin ob ihrer Schönheit nennt. Wenn du mich unter den Töchtern der Herrscher des Islam an ein Mädchen von Geburt und Frömmigkeit verweisen kannst, so will ich sie zum Weibe verlangen und sie mir vor Zeugen vermählen, so daß ich mir die Gunst des Herrn aller Kreatur erwerbe.‹ Sprach der Vezier: ›O König, wahrlich, Allah hat dir deinen Wunsch erfüllt und dich an dein Ziel gebracht‹; und er fügte hinzu: ›Wisse, o König, mir ist kund geworden, daß der König Zahr Schah, der Herr des Weißen Landes, eine Tochter hat von unvergleichlicher Schönheit, deren Liebreiz nicht Wort noch Rede auszudrücken vermögen; sie hat nicht ihresgleichen in unserer Zeit, denn sie ist vollkommen nach Ebenmaß und Wuchs, schwarzäugig wie mit Kohle gefärbt, langlockig, schlanken Rumpfes und schwerer Hüften. Wenn sie sich naht, so verführt sie, und wenn sie sich wendet, so schlägt sie tot; sie berückt so Herz wie Auge, und sie sieht aus, wie der Dichter sagt:

Die schlanke Maid beschämt das Weidenreis – Nicht Mond noch Sonne dunkelt ihren Schein:

Mit Wein mischt sich der Honig ihrer Lippe – Von ihrer Zähne Perlen tröpfelt Wein:

Ihr Rumpf ist schlank wie der der Himmelshuris – Schön ihr Gesicht, ihr Aug ein Unheilsschrein:

Wie manchen Toten hat ihr Blick erschlagen – Auf ihrem Liebespfad liegt ihr Gebein:

Leb ich, ist sie mein Tod! Mehr sag ich nicht – Doch sterb ich ohne sie, war nichts im Leben mein.‹

Als der Vezier nun die Jungfrau also beschrieben hatte, sprach er zum König Sulayman Schah: ›Es ist mein Rat, o König, daß du an ihren Vater einen Gesandten entsendest, scharfsinnig, erfahren und bewandert in den Dingen der Welt; der soll sie höflich von ihrem Vater für dich zum Weibe erbitten, denn wahrlich, sie hat nicht ihresgleichen, weder in den fernen Gegenden der Welt, noch in den nahen. So wird dir der Genuß ihrer Schönheit beschieden, und der Herr des Ruhmes ist mit dir zufrieden; denn es wird berichtet, daß der Prophet (den Allah segne und behüte!) sagte: Im Islam gibt es keine Möncherei.‹ Der König aber freute sich seiner Worte so, daß ihm die Brust weit und leicht wurde, Sorge und Not fielen von ihm ab, und er wandte sich zu dem Vezier und sprach: ›Wisse, o Minister, kein anderer soll dahinziehen als du mit deiner vollendeten Einsicht und deiner trefflichen Erziehung; also gehe nach Hause und tue alles, was du zu tun hast, und mit dem Morgen mache dich bereit und brich auf und erbitte dies Mädchen, mit dem du mir Herz und Gedanken erfüllt hast, für mich zum Weibe; und kehre nicht zurück ohne sie.‹ Versetzte der Vezier: ›Ich höre und gehorche.‹ Und er eilte nach Hause und befahl, Geschenke zu rüsten, wie sie sich für Könige schickten, Edelsteine, Kostbarkeiten und allerlei, was nicht beschwert und doch schwer ist an Wert; und ferner arabische Pferde und Rüstungen, wie David sie machte, und Schatzkisten, die die Rede nicht mißt. Und der Vezier lud das alles auf Kamele und Maultiere und brach auf, begleitet von hundert Sklavinnen, und Flaggen und Banner flatterten ihm zu Häupten. Der König aber trug ihm auf, nach wenigen Tagen zurückzukehren, und als er fort war, lag Sulayman Schah auf feurigen Kohlen, verzehrt von glühendem Verlangen.

Derweilen nun zog die Gesandtschaft dahin durch Düster und Licht, über fruchtbares Feld und Wüstenstriche, bis nur noch eines Tages Marsch zwischen ihr und ihrem Ziele lag. Hier setzte der Vezier sich nieder am Ufer eines Flusses; und er berief einen seiner Vertrauten und befahl ihm, zum König Zahr Schah zu eilen und ihm ohne Verzug sein Nahen zu melden. Sprach der Bote: ›Ich höre und gehorche!‹ Und er ritt hin in Hast zu der Stadt, und als er sie gerade betreten wollte, da traf es sich, daß der König, der in einem seiner Lustgärten vor den Toren saß, ihn erspähte; und dieweil er ihn als einen Fremden erkannte, befahl er, ihn herbeizuführen. So trat der Bote vor ihn hin und meldete ihm das Nahen des Veziers, der da gehorche dem gewaltigen König Sulayman Schah, dem Herrn des Grünen Landes und der Berge von Ispahan. Da freute der König sich und hieß ihn willkommen. Und er führte ihn in seinen Palast und fragte: ›Wo hast du den Vezier gelassen?‹ Versetzte er: ›Ich ließ ihn früh am Morgen am Ufer des Flusses, und morgen wird er dich erreichen; Allah bewahre dir seine Gunst und erbarme sich deiner Eltern!‹ Da befahl der König Zahr Schah dem einen seiner Veziere, den größeren Teil der Großen und Kämmerlinge und Hauptleute und Herren des Landes mit sich zu nehmen und dem Gesandten zu Ehren des Königs Sulayman Schah entgegenzuziehen; denn seine Herrschaft erstreckte sich auch über dieses Land.

Der Vezier aber blieb an seiner Lagerstelle, bis die Nacht halb verstrichen war, und dann brach er auf nach der Stadt. Als nun der Morgen da war und die Sonne auf Hügel und Hänge schien, da sah er plötzlich den Vezier des Königs Zahr Schah mit seinen Kämmerlingen und mit den großen Herren und Würdenträgern des Reiches sich entgegenkommen, und beide Scharen trafen ein paar Parasangen vor der Stadt zusammen. Da war der Vezier des Erfolges seiner Sendung gewiß, und er begrüßte das Ehrengeleit, das vor ihm herzog, bis sie des Königs Palast erreichten; und es trat ihm auch dort voran durch das Tor bis in die siebente Halle, die niemand zu Pferde betreten durfte, denn sie war nahe dem Sitz des Königs. So saß der Minister ab und ging weiter, zu Fuß, bis er in einen hohen Saal kam, an dessen oberem Ende ein marmornes Lager stand, besetzt mit Perlen und Edelsteinen, und mit vier Elefantenzähnen als Füßen. Darauf lag ein Polster aus grüner Seide, bestickt mit rotem Golde, und darüber hing ein Baldachin, geschmückt mit Perlen und Edelsteinen. Dort thronte der König Zahr Schah, und vor ihm standen seine Würdenträger. Als nun der Vezier zu ihm eintrat, da faßte er sich und löste die Zunge und entfaltete die Beredsamkeit der Veziere und grüßte den König in der Sprache der Wortgewandtheit. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundachte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der Vezier des Königs Sulayman Schah vor den König Zahr Schah trat, sich faßte, die Zunge löste, die Beredsamkeit der Veziere entfaltete und den König in der Sprache der Wortgewandtheit begrüßte, indem er die Verse improvisierte:

Er kommt, in Anmut gewandet, und sich verneigend – Gießt Tau der Huld auf Ernte aus und Schnitter:

Er zaubert; und nicht Talisman noch Schwarzkunst – Wehrt ab der Blicke segnendes Gewitter:

Sprich zu dem Tadler: Tadle nicht, denn nie – Flieh seine Liebe ich, ein feiger Ritter;

Mein Herz verriet mich, ihm nur war es treu – Der Schlaf, in ihn verliebt: mich haßt er bitter:

O Herz, glaub nicht, du liebest ihn allein – So bleib bei ihm, ich dulde Einsamkeit:

Nichts freut mein Ohr mehr mit dem Klang des Jubels – Als Preis Zahr Schahs, des Königes der Zeit:

Gäbst du für einen Blick von ihm dein Leben – Der Blick genügte dir in Ewigkeit:

Und willst ein fromm Gebet du für ihn beten – Mitbeten sollen alle, nah und weit:

Volk dieses Reichs! Wenn einer ihn verleugnet – Hoffend auf andre, ist's Gottlosigkeit.

Und als der Vezier geendet hatte, hieß der König Zahr Schah ihn näher treten und ehrte ihn mit den höchsten Ehren; er ließ ihn neben sich sitzen und lächelte ihn an und gab ihm huldreich Antwort. Und also plauderten sie bis zur Zeit des Mittagsmahles; da brachten die Diener die Tische in den Saal, und alle sättigten sich; dann trug man die Tische fort, und bis auf die ersten Würdenträger zogen sich alle Versammelten zurück. Als nun der Minister das sah, da stand er auf und pries den König zum zweitenmal; und er küßte den Boden vor ihm und sprach: ›O mächtiger König und gewaltiger Herr! Ich habe die Reise hierher gemacht und dich besucht, um dir Frieden, Glück und Wohlsein zu bringen: denn ich komme zu dir als Gesandter, um deine Tochter, die edle und erlauchte Jungfrau, zum Weibe zu erbitten für Sulayman Schah, einen Fürsten, berühmt ob seiner Gerechtigkeit und seines geraden Wesens, ob seiner Aufrichtigkeit und Großmut, den Herrn des Grünen Landes und der Berge von Ispahan; er sendet dir Geschenke in Menge und wertvolle Gaben in Fülle, denn glühend wünscht er dein Eidam zu werden. Aber bist du ihm wohlgeneigt wie er dir?‹ Und er verstummte, da er einer Antwort harrte. Da sprang König Zahr Schah auf und küßte ehrfurchtsvoll den Boden vor dem Vezier, so daß alle, die zugegen waren, staunten ob seiner Demütigung vor dem Gesandten und verwirrten Geistes auf ihn blickten. Dann pries er Ihn, der da der Herr ist des Ruhms und der Ehre, und erwiderte (immer noch stehend): ›O mächtiger Vezier und erlauchter Held; höre du an, was ich sage! Wahrlich, wir zählen für König Sulayman Schah unter die Zahl seiner Untertanen, und durch die Verbindung mit ihm, die wir glühend wünschen, werden wir erhöht; denn meine Tochter ist eine Sklavin unter seinen Sklavinnen, und es ist mein teuerster Wunsch, daß er mein Halt und meine verläßliche Stütze werde.‹ So berief er die Kasis und Zeugen, damit sie bezeugten, daß König Sulayman Schah den Vezier entsandt habe als Brautwerber, die Ehe zu schließen, und daß König Zahr Schah freudig für seine Tochter handelte und unterschrieb. So schlossen die Kasis den Ehevertrag und sandten Gebete empor für das Glück und das Wohlergehen der vermählten Gatten; da erhob der Vezier sich und holte die Gaben und Seltenheiten und Kostbarkeiten und breitete sie vor dem König hin.

Nun begann Zahr Schah sich mit der Aussteuer seiner Tochter zu befassen, und derweilen bewirtete er den Vezier in allen Ehren und gab seinen Untertanen Feste, allen, den Großen wie den Kleinen; und zwei Monate hindurch wurde also gefeiert, und nichts vergaß man, was Herz oder Auge erfreuen mochte. Doch als dann alles bereit war, wessen die Braut bedurfte, da ließ der König die Zelte hinausschaffen und vor der Stadt ein Lager aufschlagen; dort packten sie die Stoffe der Braut in Kisten, und sie machten die griechischen Dienerinnen bereit, und die türkischen Sklavinnen, und sie versahen die Prinzessin mit vielerlei kostbaren Schätzen und wertvollen Edelsteinen. Eine Sänfte aus rotem Golde hatte der König ihr machen lassen, und sie war besetzt mit Perlen und Juwelen, und zwei Mauleselinnen trugen sie; die Sänfte war wie eine der Kammern in einem Palaste, und wenn sie darin saß, dann sah sie aus, als wäre sie eine der lieblichsten Huris, und als säße sie in einem der Zelte des Paradieses. Und als sie die Schätze und das Geld in Ballen gepackt und auf den Maultieren und Kamelen verladen hatten, da zog König Zahr Schah drei Parasangen weit mit ihr hinaus; dort bot er ihr und dem Vezier und seinem Geleit Lebewohl und kehrte in Freude und Sicherheit zurück. Der Vezier aber zog mit der Königstochter dahin, und er ließ nicht ab von seiner Wanderung über die wüsten Strecken. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundneunte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der Vezier mit des Königs Tochter in Eilmärschen dahinzog und seine Reise Tag und Nacht nach Kräften beschleunigte, bis zwischen ihm und seiner Stadt nur noch drei Märsche lagen. Da schickte er einen Boten zum König Sulayman Schah, der ihm die Ankunft der Braut vermelden sollte. Und der König freute sich dessen und verlieh dem Boten ein Ehrengewand; er befahl seinen Truppen, hinauszuziehen in großem Aufzug, der Prinzessin und ihrem Geleit zu Ehren, angetan mit ihrem besten Schmuck, und die Banner über den Häuptern zu entrollen. Und sie gehorchten seinem Befehl. Des ferneren aber befahl er, daß man durch die ganze Stadt hin ausrief, kein verschleiertes Mädchen, keine vornehme Dame und keine von der Zeit gebrochene Greisin sollte es unterlassen, der Braut entgegenzuziehen. So zogen sie alle hinaus, um sie zu begrüßen, und die Größten von ihnen wetteiferten in ihrem Dienste, und sie kamen überein, sie bei Nacht in des Königs Palast zu führen. Die Würdenträger aber beschlossen, den Weg zu schmücken und sich in doppelter Reihe aufzustellen, wenn die Braut dahinzöge, geführt von ihren Eunuchen und Dienerinnen, und gekleidet in das Gewand, das ihr Vater ihr gegeben hatte. So umringten die Truppen sie, als sie erschien, und die Sänfte zog mit ihr dahin, bis sie sich dem Palaste nahten; und keiner blieb zurück, sondern alle kamen, um die Prinzessin zu sehen. Die Trommeln dröhnten, Speere wurden geschwungen, die Hörner schmetterten, Flaggen wehten, Rosse tänzelten, und Wohlgerüche ergossen ihren Duft, bis sie das Tor des Palastes erreichten und die Sklaven einzogen mit der Sänfte in die Pforte des Harims. Dort aber strahlte alles vor Glanz, und die Wände glitzerten vor Schmuck. Als nun die Nacht kam, öffneten die Eunuchen die Tür zum Brautgemach, und sie stellten sich auf am Eingang; da trat die Braut hervor, und inmitten ihrer Mädchen glich sie dem Monde unter den Sternen oder einer großen Perle unter geringeren, und sie trat in das Brautgemach, wo man ihr ein Alabasterlager bereitet hatte, das besetzt war mit Perlen und Juwelen. Und sowie sie saß, trat der König ein, und Allah füllte sein Herz mit der Liebe zu ihr, so daß er ihr das Mädchentum nahm und alle Sorge und Unruhe von ihm abfiel. Fast einen Monat lang blieb er bei ihr, doch in der ersten Nacht schon hatte sie empfangen; und als der Monat verstrichen war, da verließ er sie und setzte sich auf seinen Thron und sprach Recht unter seinen Untertanen, bis die Monde ihrer Schwangerschaft erfüllet waren. Am letzten Tage des neunten Monats kamen gegen Tagesanbruch die Wehen; so setzte sie sich auf den Schemel der Entbindung, und Allah machte ihr die Wehen leicht, und sie gebar einen Knaben, der alle Zeichen des Glückes trug. Als nun der König das hörte, da freute er sich in höchster Freude, und er belohnte den Bringer der guten Nachricht mit großen Schätzen; und in seiner Freude trat er ein zu dem Kinde und küßte es zwischen den Augen und staunte ob seiner glänzenden Schönheit; denn an ihm ward der Spruch des Dichters wahr:

In ragenden Festen macht Allah zum König ihn – Den Löwen, am Herrschaftshimmel zum leuchtenden Stern:

Seines Aufgangs freuen sich Speer und Thron – Und Gazelle und Strauß und Kriegesherrn:

Setzt ihn nicht auf die Brust, dann zeigt er euch bald – Nicht die Amme, das Roß reitet einzig er gern:

Entwöhnt ihn der Milch, denn süßerer Trank – Ist des Feindes Blut ihm, der einfiel von fern.

Und die Wehefrauen nahmen das neugeborene Kind und durchschnitten die Nabelschnur und schwärzten ihm die Augenlider mit Kohl und nannten es Tadsch al-Muluk Kharan. Er wurde gesäugt an der Brust liebreicher Nachsicht und aufgezogen im Schoße des Glücks; und so liefen seine Tage dahin, und die Jahre verstrichen, bis er sein siebentes Jahr erreichte. Da berief Sulayman Schah die Weisen und Gelehrten und befahl ihnen, ihn zu unterrichten im Schreiben, in den Wissenschaften und in der Literatur. Das taten sie denn ein paar Jahre hindurch, bis er alles Nötige gelernt hatte; und als der König sah, daß er wohlbewandert war in allem, was er wünschte, da nahm er ihn den Lehrern und Gelehrten und übergab ihn einem geschickten Meister, der den Knaben die Reitkunst lehrte und ritterliche Übungen, bis er sein vierzehntes Jahr erreichte; und so oft er ausging, waren alle, die ihn sahen, entzückt von seiner Schönheit, und sie sangen Lieder auf ihn; und selbst Fromme wurden verführt von seiner Schönheit. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundzehnte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Tadsch al-Muluk Kharan, der Sohn Sulayman Schahs, ein vollendeter Reiter wurde und alle seine Zeitgenossen übertraf; und wenn er ausging, so entzückte seine Schönheit alle, die ihn sahen, also daß sie Lieder auf ihn dichteten; und selbst die Frommen verführte seine strahlende Lieblichkeit. Spricht doch der Dichter von ihm:

Ich hielt ihn im Arm und war trunken von seinem Duft – Den herrlichen Zweig, dem Zephir die Nahrung lieh:

Nicht trunken dem Trinker des Weins gleich: trunken vom Trank – Den nächtlich der Honigtau seiner Lippen lieh:

Ganz zeigt sich die Schönheit in seiner Gestalt – Die über die Herzen der Menschen ihm Macht verlieh:

Bei Allah, mein Herz soll nie seine Liebe mißachten – Solange im Kerker des Lebens ich noch verzieh':

Solange ich lebe, leb ich in Liebe, und sterb ich – Vor Sehnsucht nach ihm, so ruf ich: Welch Glück, o sieh!

Und als er das achtzehnte Jahr erreichte, sproßte zarter Flaum auf seiner jugendfrischen Wange, die rechts ein rosiges Mal und links ein zweiter Schönheitsfleck verzierte, der einem Korne grauen Ambers glich; und er berückte Auge und Verstand eines jeden, der ihn sah, wie es der Dichter singt:

Er ist Kalif der Schönheit an Jusufs Stelle – Die Liebenden fürchten, wenn seine Anmut sie sehen:

Steh still und schau; so siehst du auf seiner Wange – Wie der Kalifen sandfarbene Banner wehen.

Und ein anderer:

Nie hat dein Aug einen schöneren Anblick gesichtet – Unter allem, was auf der Erde sprießt,

Als dieses braune Mal auf der rundlichen Wange – Die rosig das schwarze Auge umschließt.

Und ein dritter:

Ich staune, seh ich das Mal, das zum Feuer der Wange betet – Und doch nicht im Feuer verbrennt, ist es auch negerfarben3;

Ich staune, seh ich den Blick, der wie ein Gottesapostel – Wunder wirkt, wirkt er sie auch durch zaubrische Strahlengarben:

Wie frisch und hell deckt der Flaum seine Wange, und dennoch – Nährten wie Wasser ihn berstende Gallen all derer, die starben.

Und ein vierter:

Ich staune, wenn ich die Menschen fragen höre – In welchem Land man die Quelle des Lebens gefunden:

Ich sah sie sprudeln aus zierlich geschwungenen Lippen – Dem rosigen Mund, von grünlichem Flaum umwunden:

Ein Wunder der Wunder: als Moses sie erblickte – Weshalb er nicht ruhte von müden Wanderstunden!

Wie er nun soviel Schönheit entfaltet hatte, vermehrten sich seine Reize nur noch, da er heranwuchs; und sie gewannen ihm viele Gefährten und Freunde; ein jeder aber, der ihm nahekam, wünschte, daß Tadsch al-Muluk Kharan nach seines Vaters Tode Sultan, er selber aber einer seiner Emire würde.

Nun begann er leidenschaftlich zu reiten und zu jagen, so daß er kaum eine Stunde davon ablassen mochte. Sein Vater, Sulayman Schah, hätte es ihm gern verboten, weil er die Gefahren der Wüste und die wilden Tiere fürchtete; doch er achtete nicht auf seine warnende Stimme. Und einmal geschah es, daß er zu seinen Dienern sagte: ›Nehmt ihr für zehn Tage Vorrat und Futter‹; und als sie seinem Befehle nachgekommen waren, brach er mit seinem Gefolge auf zu Jagd und Zeitvertreib. Sie ritten hinaus in die Wüste und ließen vier Tage zu reiten nicht ab, bis sie zu einer Ebene kamen, deren Boden grün war, und dort sahen sie grasendes Wild und Bäume mit reifen Früchten und springende Quellen. Sprach Tadsch al-Muluk zu seinen Gefährten: ›Stellt hier die Netze auf, steckt sie in weitem Ringe fest, und da am Eingang des Kreises sei unser Sammelplatz.‹ So gehorchten sie seinen Worten und steckten mit Stricken einen weiten Bezirk ab; und es fand sich eine große Menge allerlei wilder Tiere und Gazellen zusammen, die aus Angst vor den Männern schrien und sich vor Schreck gerade vor die Pferde warfen; da ließen sie die Hunde und Luchse und Falken los; und sie schossen das Wild mit Pfeilen nieder, die ihnen die Eingeweide durchdrangen; und als sie zum hinteren Ende des Netzrings kamen, hatten sie schon eine große Zahl der Tiere erlegt, und die letzten flohen. Da saß Tadsch al-Muluk am Rande des Wassers ab und befahl, daß man ihm die Beute bringe; und nachdem er die besten Tiere für seinen Vater zurückgelegt und sie ihm geschickt und auch für die Hofbeamten einige beigefügt hatte, verteilte er die übrigen. Dort blieb er nun auch die Nacht hindurch, und als der Morgen dämmerte, kam eine Händlerkarawane mit Negersklaven und machte am Wasser auf dem grünen Grunde Halt. Als aber Tadsch al-Muluk sie sah, da sprach er zu einem seiner Gefährten: ›Bringt mir Nachricht von den Männern dort und fragt sie, weshalb sie hier Halt gemacht haben.‹ So ging der Bote zu ihnen und rief sie an: ›Sagt mir, wer ihr seid, und gebt mir unverzüglich Antwort.‹ Versetzten sie: ›Wir sind Händler, und wir haben Halt gemacht, um zu rasten, denn der nächste Rastort ist sehr fern, und wir bleiben hier, weil wir Vertrauen haben zu König Sulayman Schah und zu seinem Sohne Tadsch al-Muluk, denn wir wissen, daß alle, die in ihre Gebiete kommen, des Friedens genießen und der Sicherheit; und ferner haben wir kostbare Stoffe bei uns, die wir dem Prinzen bringen.‹ So kehrte der Bote zurück und brachte dem Königssohn diese Nachricht; und als er vernommen hatte, wie es stand und was die Kaufleute erwidert hatten, da sprach er: ›Wenn sie mir Stoffe mitgebracht haben, so will ich nicht in die Stadt einziehen noch von dieser Stelle gehen, ehe ich sie sah.‹ Und er stieg zu Pferde und ritt zu der Karawane, und seine Mamelucken folgten ihm, bis er sie erreichte. Da erhoben die Händler sich, um ihn zu empfangen, und sie riefen göttliche Hilfe und Gnade auf ihn herab und Dauer des Ruhms und der Kraft; und sie schlugen ein Zelt für ihn auf aus roter Seide, bestickt mit Perlen und Juwelen; darinnen aber breiteten sie auf einem seidenen Teppich, der am oberen Ende mit goldgefaßten Smaragden besetzt war, einen königlichen Divan. Dort setzte sich Tadsch al-Muluk, derweilen sich seine Diener vor ihn stellten, und er schickte hin und befahl den Händlern, alles zubringen, was sie bei sich hatten. Und sie trugen ihre Waren herbei und breiteten alles aus, und er sah sie an und nahm von ihnen, was ihm gefiel und zahlte ihnen den Preis. Dann sah er sich um in der Karawane und saß wieder auf, und schon wollte er fort, da fiel sein Blick auf einen herrlichen Jüngling in schöner Kleidung: er war von stattlicher und anmutiger Gestalt, seine Stirn war blütenweiß, sein Antlitz dem Monde gleich, nur war seine Schönheit zerstört, und gelbe Flecken hatten seine Wange bedeckt, weil er von denen getrennt war, die er liebte. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundelfte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Tadsch al-Muluk bei einem Gang durch die Karawane einen schönen Jüngling erblickte, der von anmutiger Gestalt und sauber gekleidet war, dessen Stirn einer Blüte glich, sein Gesicht aber einem Monde; nur war seine Schönheit verwüstet und seine Wange bedeckt von gelben Flecken, denn er war getrennt von denen, die er liebte; er seufzte und stöhnte, und seinen Lidern entströmten Tränen, derweilen er die Verse sprach:

Lang ist die Trennung, und Sorge und Furcht sind bitter – Nie endende Tränen, o Freund, den Augen entrinnen:

Ja, von meinem Herzen schied ich an jenem Tage – Und ziehe nun hoffnungslos, herzlos von hinnen:

Bleib stehn, o Freund, bei mir, dem Abschied nehmenden – Dein Wort kann helfen, kann mir Heilung gewinnen!

Als nun der Jüngling geendet hatte, weinte er eine Weile und fiel dann ohnmächtig nieder; und Tadsch al-Muluk sah ihn an und staunte. Doch als er wieder zu sich kam, hob er den verstörten Blick und sprach die Verse:

Hütet euch vor ihrem Blick, so rat ich, denn er kann hexen – Niemand entkommt unversehrt der Blicke schießendem Flug:

Wahrlich, die schwarzen Augen mit schläfrig sehnsüchtigen Blicken – Dringen tiefer ins Herz als ein Schwert die Wunde je schlug.

Laß dir die Sinne nicht durch ihre süßen Worte berücken – Gärend tragen ins Hirn und den Geist sie dir Fiebertrug:

Weich sind die Flanken, und drückte auf ihre Haut auch nur Seide – Rotes Blut spräng hervor, sieh selber es an, und mit Fug.

Achtsam hütet die Reize sie zwischen dem Hals und den Knöcheln – Ah! und welch anderer Duft gibt mir der Freuden genug?

Und laut schluchzte er auf und sank in Ohnmacht. Als aber Tadsch al-Muluk ihn also sahe, da war er bestürzt, und er trat auf ihn zu; und als der Jüngling wieder zu sich kam und den Königssohn zu seinen Häupten stehen sah, da sprang er auf und küßte den Boden zwischen seinen Händen. Tadsch al-Muluk aber fragte ihn: ›Weshalb zeigtest nicht auch du uns deine Waren?‹ und er versetzte: ›O mein Herr, unter meinem Vorrat ist nichts, was deiner erhabenen Höhe wert sein könnte.‹ Sprach der Prinz: ›Du mußt mir zeigen, was du hast, und mich bekannt machen mit deinem Schicksal; denn ich sehe dein Auge in Tränen, und das Herz ist dir schwer. Wenn du bedrückt worden bist, so wollen wir deine Bedrückung enden, und wenn du in Schulden bist, so wollen wir deine Schulden bezahlen. Denn mir brennt das Herz bei deinem Anblick, seit mein Auge auf dich fiel.‹ Dann ließ Tadsch al-Muluk die Sitze legen, und man brachte ihm einen Stuhl aus Elfenbein und Ebenholz, belegt mit einem Gewebe aus Gold und Seide; und vor den Füßen breitete man ihm einen seidenen Teppich hin. Da setzte er sich auf den Stuhl und winkte dem Jüngling, sich auf den Teppich zu setzen, und sprach: ›Jetzt zeige mir deinen Warenvorrat!‹ Versetzte der junge Händler: ›O mein Herr, sprich nicht so zu mir, meine Waren sind deiner nicht wert.‹ Erwiderte Tadsch al-Muluk: ›Es muß so sein!‹ Und er befahl den Sklaven, die Waren zu bringen. So brachten sie sie wider seinen Willen; und als er sie sah, da strömten ihm die Tränen aus den Augen, und er weinte und seufzte und klagte; ein Schluchzen lief ihm durch die Kehle, und er sprach die Verse:

Beim Kohl, das deine Augen tändelnd zeigen – Bei deines Leibs geschmeidigem Ebenmaß!

Bei deiner Lippen Honigtau und Wein – Bei deines Geistes Zier, der nie die Huld vergaß!

Dein Anblick, schon im Traum, o meine Hoffnung – Gibt mehr als Rettung mir aus schwerer Schmach Gelaß.

Und der Jüngling öffnete seine Ballen und breitete einzeln, Stück für Stück, seine Waren vor dem Prinzen aus, und unter ihnen war ein seidenes Gewand, mit Gold durchwirkt, das seine zweitausend Dinare wert war. Doch als er es entfaltete, da fiel ein Stück Linnen heraus, das der junge Händler eilig aufgriff und unter seinem Schenkel barg; sein Verstand aber entfloh, und er begann die Verse zu sprechen:

Wann heilt von dir dies Herz, das stets im Wehe wohnt? – Zu Sternen fänd ich wohl, doch nicht zu dir die Stege.

Verbannung, Trennung, Schmerz, Sehnsucht und Liebeslohe – Vertröstung, Aufschub: das sind meines Lebens Wege:

Ich leb im Wiedersehn und sterb im Grame nicht – Find keinen Pfad zu dir, wie ich mich schweifend rege:

Du kennst kein Recht, in dir wohnt das Erbarmen nicht – Ich kenne nicht zu dir, nicht von dir fort die Wege:

Denn Gehn und Kommen ist versperrt durch meine Liebe – Ich finde keinen Pfad, wie sehr ich sinn und wäge.

Ob dieser Verse nun staunte Tadsch al-Muluk, denn er konnte sie nicht begreifen. Als aber der Jüngling nach dem Linnen griff und es unter dem Schenkel barg, da fragte er: ›Was ist mit diesem Linnen?‹ ›O mein Herr‹, erwiderte der Händler, ›dies Linnen hat nichts mit dir zu tun.‹ Sprach der Königssohn: ›Zeige es mir‹; und der Händler: ›O mein Herr, um dieses Stückes Linnen willen weigerte ich mich, dir meine Waren zu zeigen; denn ich kann es dich nicht sehen lassen.‹ – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundzwölfte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der junge Händler sprach: ›Nur um deswillen weigerte ich mich, dir meine Waren zu zeigen, denn du darfst es nicht sehen.‹ Da entgegnete Tadsch al-Muluk: ›Ich muß und will es sehen‹; und er bestand darauf und wurde zornig. Da zog der Jüngling es unter dem Schenkel hervor und weinte und seufzte, und seufzte und schluchzte nur doppelt und sprach die Verse:

Jetzt schilt mich nicht; denn Schelten bringt nur Schmerz – Ich sprach ihm gütlich zu, doch fand sein Ohr ich nicht:

Schütz Allah meinen Mond, der in dem Tal sich hebt – Aus dem gelösten Kleid, wie er durch Wolken bricht:

Ich ließ ihn, doch hätt mir ein wenig Frieden nur – Die Liebe dort gewährt, noch heut ließ ich ihn nicht:

Wie lange sprach für mich am Trennungsmorgen er – Und Tränen liefen ihm wie mir vom Angesicht:

Straf mich nicht Lügen, Gott: verzeih mir mein Gewand – Das Trennung so zerriß, es flicken, ist mir Pflicht!

Mir blieb kein Lager weich, und liegt er ganz allein – Ein Lager tröstet auch, so weich es sei, ihn nicht:

Mit ihrer Unglückshand griff zwischen uns die Zeit – Ihr Freuden all, wie mir, so ihr auch ihm verblicht,

Hernieder strömt der Schmerz, die Zeit füllt eine Schale – Reicht mir sie, reicht sie ihm: wir trinken den Verzicht.

Und als er geendet hatte, sprach Tadsch al-Muluk: ›Ich sehe in deinem Verhalten nicht Anlaß noch Folge; so sage mir, weshalb du beim Anblick dieses Linnens weinest.‹ Der junge Händler aber seufzte bei der Erwähnung des Linnens und sprach: ›O mein Herr, meine Geschichte ist seltsam und mein Schicksal ungewöhnlich, soweit es zusammenhängt mit diesem Stück Leinen und mit der, von der ich es habe, und der, die diese Figuren und Zeichen gestickt hat.‹ Und er breitete die Leinwand aus, und siehe, man erblickte auf ihr die Gestalt einer Gazelle, in Seide gestickt, und durchwirkt mit rotem Golde, und ihr gegenüber stand eine zweite Gazelle, in Silber gestickt, mit einem Halsring aus rotem Golde, an dem drei Chrysolithenperlen hingen. Als nun Tadsch al-Muluk die Schönheit dieser Gestalten erblickte, da rief er aus: ›Ruhm sei Allah, der die Menschen lehret, was sie nicht kennen!‹ Und sein Herz sehnte sich danach, die Geschichte des Jünglings zu hören, und er sprach zu ihm: ›Erzähle mir dein Erlebnis mit ihr, der diese Gazellen gehörten.‹ Versetzte der Jüngling: ›Vernimm, o mein Gebieter.‹

Die Geschichte des Azis und der Azisah

Mein Vater war ein wohlhabender Kaufmann, und Allah hatte ihm kein anderes Kind gewährt als mich; doch ich hatte eine Base namens Azisah, die Tochter meines Vaterbruders, und wir wurden unter dem gleichen Dache aufgezogen; denn ihr Vater war tot, und vor seinem Tode hatte er mit meinem Vater vereinbart, daß sie mir vermählt werden sollte. Als wir nun erwachsen waren, trennte man sie denn auch nicht von mir, noch mich von ihr, bis schließlich mein Vater zu meiner Mutter sprach und sagte: ›Noch in diesem Jahre wollen wir den Ehevertrag zwischen Azis und Azisah schließen.‹ Da begannen sie für das Hochzeitsfest Vorräte zu speichern. Immer aber schliefen wir noch auf demselben Teppich, denn wir wußten nichts von den Dingen; doch war sie nachdenklicher, verständiger und von rascherer Fassungskraft als ich.

Als nun mein Vater die Vorbereitungen beendet hatte und nichts mehr zu tun blieb, als daß er den Vertrag aufsetzte und ich die Hochzeit mit meiner Base vollzog, da bestimmte er für das Fest die Zeit nach dem öffentlichen Gebet an einem Freitag; und er machte die Runde bei seinen Freunden unter den Kaufleuten und teilte es ihnen mit; und meine Mutter ging aus und lud ihre Freundinnen und ihre Sippe ein. Der Freitag kam, man rüstete für die Gäste, säuberte den Saal und wusch den Marmorboden; dann legte man im ganzen Hause Teppiche, behing die Wände mit Goldbrokat und stellte auf, was immer nötig war. Nun hatten die Gäste ihr Erscheinen nach dem Freitagsgebete zugesagt; und also ging mein Vater hin und befahl, Süßigkeiten und gezuckerte Schüsseln herzurichten, so daß nichts mehr fehlte, als daß der Vertrag geschrieben würde. Da schickte meine Mutter mich ins Bad, und mir nach schickte sie ein neues, sehr reiches Gewand; und als ich das Hammam verließ, da legte ich die Kleider an, die so parfümiert waren, daß sie auf meinem Wege den ganzen Pfad durchdüfteten. Ich hatte die Absicht, mich in die große Moschee zu begeben, doch ich besann mich auf einen meiner Freunde und kehrte um, damit auch er zugegen wäre bei der Schließung des Vertrages; und ich sprach bei mir selber: ›Das wird gerade bis zur Zeit des Gebetes dauern.‹ So ging ich dahin und bog in eine Nebenstraße, die ich noch nie betreten hatte; ich schwitzte aber infolge des Bades und der neuen Kleider reichlich, und der Schweiß rann mir herab, während mich die Düfte aus meinen Kleidern umwogten; da breitete ich am oberen Ende der Straße ein gesticktes Tuch, das ich bei mir hatte, über eine Steinbank und setzte mich darauf, um auszuruhen. Mehr und mehr jedoch bedrückte mich die Hitze, so daß mir die Stirn naß war und Tropfen über meine Wangen rannen; aber ich konnte mir das Gesicht nicht abwischen, weil ich auf meinem Tuche saß. Gerade wollte ich da den Saum meines Kleides nehmen, um mir die Wangen abzuwischen, als unerwartet von oben her ein weißes Tuch herabfiel, das sich weicher anfühlte als die Brise des Morgens und dem Auge lieblicher schien als dem Kranken die Heilung. Ich ergriff es und hob die Augen, um zu sehen, woher es käme; da traf mein Blick auf den Blick der Dame, der diese Gazellen gehörten.‹ – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertunddreizehnte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der Jüngling Tadsch al-Muluk erzählte: ›Da hob ich den Kopf, um zu sehen, woher dies Tuch käme, und mein Blick traf auf den der Dame, der diese Gazellen gehörten. Und siehe, sie blickte aus der Öffnung eines messingenen Gitterfensters, und nie sahen meine Augen eine schönere als sie. Als sie aber merkte, daß ich sie ansah, da steckte sie den Daumen in den Mund und legte Mittelfinger und Zeigefinger zusammen zwischen ihre Brüste; dann zog sie den Kopf zurück, schloß das Gitter und ging davon. In mir aber brach ein Feuer aus und häufte sich auf mein Herz, und es wuchs mein Schmerz; dieser eine Blick kostete mich tausend Seufzer, und ich blieb ratlos sitzen, da ich kein Wort von ihr vernahm noch auch ihre Zeichen verstand. Noch einmal blickte ich zu dem Fenster empor, doch ich fand es verschlossen; und geduldig wartete ich bis zum Untergang der Sonne, doch kein Laut verlautete und niemand erschien. Als ich nun daran verzweifelte, sie nochmals zu sehen, stand ich auf, nahm das Tuch und öffnete es; und ihm entströmte ein Moschusduft, der mich mit solcher Wonne durchschauerte, daß ich war wie einer im Paradiese. Da breitete ich es vor mir aus, und heraus fiel ein feines kleines Briefchen; und als ich das Papier entfaltete, das wiederum mit köstlichem Wohlgeruch parfümiert war, fand ich darauf diese Verse:

Ich schickte ihm einen Brief, der trug meine Liebesklage – Geschrieben in feiner Schrift, wie des Schreibers Geschick sie preist:

Da fragte mein Freund mich: Sage, weshalb du so fein geschrieben – So dünn, daß es fast beim Lesen als unlesbar sich erweist?

Sprach ich: Weil ich fein bin und mager, verwüstet und dünn geworden – So sollten die Liebenden schreiben, wie die Liebe zu tun sie heißt.

Und als ich einen Blick auf die Schönheit des Tuches warf, da sah ich auf der einen der beiden Kanten diese Verse gestickt:

Sein Wangenflaum schreibt (Glück dem guten Schreiber!) – Zwei Zeilen auf sein Antlitz in Rayhani- Schrift:

O wildes Mondeswunder, tritt er vor! – Und neigt er sich, Schmach jede Weide trifft!

Und gegenüber standen diese zwei Verse:

Sein Flaum schreibt auf der Wange mit Amberschrift auf Perlen – In Jett wie auf dem Apfel, gezeichnet zart und fein:

In seinem Aug ruht Totschlag, wenn einen Blick es wirft – Der Rausch in jeder Wange und ohne jeden Wein.

Und als ich die Verse auf dem Tuche las, da schlugen mir die Flammen der Liebe ins Herz, und Sehnsucht und Verlangen packten mich mit verdoppeltem Schmerz. Da nahm ich das Tuch und den Brief und ging nach Hause, denn ich kannte keinen Weg, ans Ziel meiner Wünsche zu gelangen, unerfahren, wie ich war, in Liebesdingen und ungewandt in der Auslegung von Zeichen und Winken. Doch ich kam nicht eher nach Hause, als bis ein guter Teil der Nacht verstrichen war, und meines Oheims Tochter saß in Tränen. Sowie sie mich aber sah, wischte sie sich die Tränen fort, und sie trat zu mir und nahm mir die Überkleider ab und fragte mich nach dem Grunde meines Ausbleibens und sagte: ›All die Emire und Kaufleute und Vornehmen hatten sich in unserem Hause versammelt; und auch der Kasi und die Zeugen waren da um die bestimmte Zeit. Sie aßen und blieben noch eine Weile sitzen, um dich zu erwarten und dann den Vertrag zu schreiben; doch als sie an deinem Kommen verzweifelten, da gingen sie auseinander und ihrer Wege. Und wahrlich, dein Vater raste vor übermäßigem Zorn, und er hat geschworen, er wolle die Hochzeit jetzt erst im nächsten Jahre feiern, dieweil er viel Geld auf diese Festlichkeit verwendet hat.‹ Und schließlich fragte sie: ›Was ist dir heute widerfahren, daß du so lange ausbliebst? Und weshalb hast du das geschehen lassen, was wegen deiner Abwesenheit geschehen ist?‹ Versetzte ich: ›O Tochter meines Oheims, frage mich nicht, was mir widerfahren ist.‹ Und ich erzählte ihr alles, was vorgefallen war, von Anfang bis zu Ende, und zeigte ihr das Tuch. Da nahm sie den Brief und las, was darin geschrieben stand, und ihr rannen die Tränen die Wangen herab, und sie sprach die Verse:

Wer sagt, daß Liebe einst aus freiem Willen kam – Dem sag: du lügst, denn sie ist Schmerz und Gram:

Doch keine Schmach bringt dir ein solcher Schmerz und Gram – Eins meldet jeder Spruch, der auf uns kam:

Geläufig Geld kann man Klippgeld nicht nennen!

Und wenn du willst, so sag, Lust sei in deiner Pein – Des Glückes Sprünge find lustig und gut wie Wein:

Und finde Segen auch in der Elenden Schrein – Die stets der Lust, dem Leid den gleichen Ausdruck leihn:

Mich wirst du zwischen Sinn und Gegensinn kauernd erkennen!

Doch dem, des Tage all hell wie der Sommer sind – Den jedes Mädchen grüßt (ihr Mund lächelt geschwind);

Den, wo er immer sei, fächelt ein duftiger Wind – Dem Glücklichen, der stets, was er sich wünscht, gewinnt,

Soll kein weißblütig Feiglingsherz im Busen brennen!

Dann fragte sie mich: ›Was sagte sie, und welche Zeichen machte sie dir?‹ Und ich versetzte: ›Sie sprach kein Wort, aber sie schob den Daumen in den Mund, legte Mittelfinger und Zeigefinger zusammen auf die Brust und deutete auf den Boden. Dann zog sie den Kopf zurück und schloß das Fenster, so daß ich sie nicht wieder sah. Doch sie nahm mein Herz mit davon, und ich blieb sitzen bis zum Sonnenuntergang, denn ich hoffte, sie würde noch einmal aus dem Fenster schauen; aber sie tat es nicht, und als ich daran verzweifelte, stand ich auf und kam nach Hause. Das ist meine Geschichte, und ich bitte dich, hilf mir in dieser meiner argen Not.‹ Da hob sie das Gesicht zu mir empor und sprach: ›O Sohn meines Oheims, wenn du mein Auge verlangtest, ich risse es für dich aus den Lidern, und also kann ich nicht anders, ich muß dir zu deinem Ziel verhelfen, und ich muß auch ihr zu ihrem Ziel verhelfen; denn sie ist so von Leidenschaft zu dir entflammt wie du zu ihr.‹ Fragte ich: ›Und welches ist die Deutung ihrer Zeichen?‹ Und Azisah versetzte: ›Wenn sie den Finger in den Mund schob, so hieß das, du seiest für sie, was ihre Seele ihrem Leibe ist, und sie möchte sich mit ihren Weisheitszähnen in die Vereinigung mit dir hineinbeißen. Das Tuch bedeutet, daß ihr Lebensodem in dich eingebunden ist. Und wenn sie die beiden Finger zwischen die Brüste legte, so ist die Erklärung diese: Dein Anblick kann meinen Gram zerstreuen. Denn wisse, o mein Vetter, sie liebt dich und vertraut dir. Das ist meine Deutung ihrer Zeichen, und könnte ich nach Willen kommen und gehen, so würde ich euch in kürzester Zeit zusammenbringen und euch beide mit dem Saum meines Kleides bergen.‹ Da dankte ich ihr, daß sie also sprach, und sagte bei mir selber: ›Ich will zwei Tage warten.‹ So blieb ich zwei Tage im Hause und ging weder aus, noch kam ich zurück; ich aß nicht und trank nicht und legte den Kopf in meiner Base Schoß, während sie mich tröstete und zu mir sprach: ›Sei gefaßt und guten Mutes und hoffe auf das Beste.‹ – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundvierzehnte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der Jüngling Tadsch al-Muluk erzählte: ›Und als die zwei Tage verstrichen waren, sprach sie zu mir: ›Sei der Sorge bar und mache dein Auge klar und fasse Mut, dich anzukleiden und nach der Verabredung zu ihr zu gehen.‹ Dann stand sie auf und wechselte meine Kleider und beräucherte mich mit Weihrauch. So nahm ich mich zusammen und faßte mir ein Herz und ging aus und zog dahin, bis ich in die Nebenstraße kam, wo ich mich eine Weile auf die Bank niederließ. Und siehe, plötzlich tat sich das Fenster auf, und ich blickte empor und sah sie und fiel ohnmächtig zu Boden. Und als ich erwachte, da nahm ich mich zusammen und faßte Mut und blickte noch einmal auf, und wiederum verlor ich das Bewußtsein für die Welt ringsum. Doch als ich wieder zu mir kam, da sah ich, daß sie einen Spiegel und ein rotes Tuch in der Hand hielt. Und als sie meinen Blick erkannte, da entblößte sie die Unterarme, spreizte die fünf Finger und schlug sich mit der Hand auf die Brust; dann hob sie die Hände, hielt den Spiegel zum Fenster hinaus, nahm das rote Tuch und trat damit ins Zimmer hinein; aber sie kehrte sogleich zurück, streckte die Hand mit dem Tuche heraus, senkte es dreimal zur Gasse nieder und hob es ebenso oft. Dann rang sie es aus und faltete es und neigte derweilen den Kopf herab; und schließlich zog sie es aus dem Fenster zurück, schloß das Gitter und ging wortlos davon; ratlos stand ich da und wußte nicht, was ihre Zeichen sagen wollten. So blieb ich denn bis zur Zeit des Nachtmahls und kehrte erst kurz vor Mitternacht nach Hause. Da fand ich die Tochter meines Oheims in Tränen, die Wange in die Hand gestützt; und sie sprach die Verse:

Weh mir! Was soll der Tadler Tadel dir anheften? – Wie ich mich trösten: gleichst du doch den zartesten Zweigen!

Du Wesen, hell, zerreißt mein Eingeweide – Mein Herz darf nur vor deinem Blick sich neigen4.

Dein Türkenaug legt wüst mein Herzensland – Wie das gefegte Schwert im Kampfesreigen.

Du wirfst mich nieder mit der Sorge Last – Und doch genügt mein Hemd, um mich zu beugen:

Bluttränen wein ich, daß der Tadler sagt: – Durchbohren soll dich seiner Wimper Neigen!

Der lügt, der sagt, Joseph nahm alle Schönheit – Vor manchem Joseph wird die deine stets nur steigen:

Ich zwinge mich, in Todesangst vor Spähern, dich zu fliehen – Und welche Kraft vermag von dir den Blick mir abzuziehen!

Und als ich ihre Verse vernahm, da wuchs meine Sorge, und meine Not wurde nur um so größer, so daß ich in einem Winkel des Hauses zusammenbrach; da aber stand sie eilends auf, kam zu mir, richtete mich empor, nahm mir die Überkleider ab und wischte mir mit ihrem Ärmel das Gesicht. Und sie fragte mich, was mir widerfahren sei, und ich beschrieb ihr alles, was geschehen war. Sprach sie: ›O mein Vetter, wenn sie dir mit der Hand und den fünf Fingern ein Zeichen gab, so ist die Deutung: Kehre nach fünf Tagen wieder; und wenn sie den Kopf zum Fenster hinausstreckte und den Spiegel bewegte und das rote Tuch hob und senkte und ausrang, so heißt das: Setze dich in den Färberladen, bis mein Bote zu dir kommt.‹ Als ich das hörte, da flammte in meinem Herzen das Feuer auf, und ich rief: ›O Tochter meines Oheims, du sprichst die Wahrheit in dieser deiner Deutung; denn ich habe in der Straße den Laden eines jüdischen Färbers gesehen.‹ Ich weinte und sie sprach: ›Sei guten Mutes und festen Herzens: wahrlich, andere leben jahrelang in den Banden der Liebe, und beharrlich ertragen sie die Glut der Leidenschaft, während du nur eine Woche zu warten hast; weshalb also diese Ungeduld?‹ Und sie heiterte mich auf mit tröstlichen Reden und brachte mir zu essen; da nahm ich einen Bissen und versuchte ihn, doch ich konnte nichts zu mir nehmen; und ich enthielt mich der Speise und des Tranks und entsagte dem Trost des Schlafes, bis meine Farbe gilbte und meine Schönheit verblich; denn ich hatte noch nie geliebt und nie zuvor die Glut der Leidenschaft gekostet. Und ich wurde krank, und meinetwegen erkrankte auch meine Base; aber, um mich zu trösten, erzählte sie mir jede Nacht Geschichten von großer Liebe und von Liebenden, bis ich einschlief; und so oft ich erwachte, fand ich sie wach, und um meinetwillen rannen ihr die Tränen herab. Das hörte nicht eher auf, als bis die fünf Tage verstrichen waren; und am fünften Tage stand meine Base auf und wärmte Wasser und wusch mich damit. Dann kleidete sie mich in mein bestes Gewand und sprach zu mir: ›Geh zu ihr, und Allah erfülle deinen Wunsch und bringe dich bei deiner Geliebten ans Ziel des Verlangens.‹ So ging ich denn aus und schritt dahin, bis ich zum oberen Ende der Gasse kam. Nun war es aber Sabbat, und ich fand den Färberladen verschlossen und setzte mich davor, bis ich den Ruf zum Nachmittagsgebet vernahm. Dann wurde die Sonne gelb, und die Mu'ezzins sangen den Ruf zum Sonnenuntergangsgebet, und die Nacht sank herein; doch ich sah kein Zeichen, noch hörte ich ein Wort, noch erfuhr ich das geringste von ihr. Und mich überfiel die Angst, da ich dort ganz allein saß; und schließlich stand ich auf und ging wie ein Trunkener wankend nach Hause. Dort fand ich meine Base Azisah, die dastand, die eine Hand auf einem Pflock, der in die Wand getrieben war, die andere auf ihrer Brust; und sie seufzte und stöhnte und sprach diese Verse:

Die Sehnsucht des Araberkinds, verlassen von den ihren – (Die zu dem Reis von Hidschas sich und seiner Myrte neigt,

Und die das Lagerfeuer dann mit Liebesglut entzündet – So oft die Karawane hält, zum Trunke Tränen reicht)

Ist größer auch als meine nicht, noch mehr zum Dienst bereit – Doch er, der sieht, mein Herz ist sein, verschmäht als Sünde, was sich mir als Liebe zeigt.

Und als sie geendet hatte, wandte sie sich mir zu, und da sie mich sah, wischte sie sich und mir mit dem Ärmel die Tränen ab. Und sie lächelte mich an und sprach: ›O mein Vetter, Allah gewähre dir Genuß an dem, was er dir gab! Weshalb verbrachtest du nicht die Nacht zur Seite deiner Geliebten, und weshalb hast du dein Verlangen nicht an ihr gestillt?‹ Als ich das hörte, da trat ich ihr mit dem Fuß vor die Brust, und sie fiel nieder im Saal, und ihre Stirn schlug auf den Rand des erhöhten Belags und traf auf einen hölzernen Pflock darin. Und ich blickte sie an und sah, daß ihre Stirn aufgeschlagen war und daß das Blut herabrann.‹ – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundfünfzehnte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der junge Kaufmann Tadsch al-Muluk erzählte: ›Als ich nun mit dem Fuße nach der Tochter meines Oheims trat, da stürzte sie auf den erhöhten Rand des Bodenbelags im Saal, und mit dem Kopf schlug sie auf einen hölzernen Pflock, so daß sie sich die Stirn verwundete und das Blut herabrann; aber sie schwieg und ließ keinen Laut vernehmen. Und sie stand auf, verbrannte ein wenig Feuerschwamm, stillte die Wunde damit und legte sich eine Binde um die Stirne. Dann wischte sie das Blut auf, das auf den Teppich geronnen war, und tat, als sei nichts geschehen. Sie trat zu mir, lächelte mich an und sagte mit sanfter Stimme: ›Bei Allah, o mein Vetter, ich sprach diese Worte nicht, um dich zu verhöhnen oder sie! Mich quälte ein Schmerz im Kopf, und ich wollte zur Ader gelassen werden; jetzt aber hast du mir den Kopf erleichtert und mir die Stirn entlastet; also sage mir, was dir heute widerfahren ist.‹ Da erzählte ich ihr alles, was zwischen mir und ihr vorgefallen war, und sie weinte bei meinen Worten und sprach: ›O Sohn meines Oheims, freue dich der frohen Botschaft, daß dein Verlangen erfüllt wird und dein Ziel erreicht. Wahrlich, dies ist ein Zeichen der Annahme; denn sie blieb einzig fort, um dich zu prüfen und zu erfahren, ob du geduldig bist oder nicht und aufrichtig in deiner Liebe zu ihr oder unaufrichtig. Morgen kehre an die alte Stelle zurück und achte darauf, welche Zeichen sie dir geben wird; denn wahrlich, deine Freude ist nahe und das Ende deiner Trauer nicht mehr fern.‹ Und sie tröstete mich noch weiter, doch meine Sorge und meine Not wuchsen nur. Dann brachte sie mir Speise, die ich mit dem Fuße von mir stieß, so daß der Inhalt der Schüssel nach allen Seiten verspritzte, und ich sprach: ›Jeder Liebende ist ein Irrer; er hat keine Lust an der Speise noch auch Genuß am Schlaf.‹ Und meine Base Azisah versetzte: ›Bei Allah, o Sohn meines Oheims, dies sind wirklich die Zeichen der Liebe!‹ Und die Tränen rannen ihr die Wangen herab, als sie die Scherben der Schüssel sammelte und ihren Inhalt auflas; dann aber setzte sie sich und sprach mir zu, während ich zu Allah betete, er möge das Grauen des Tags beschleunigen. Und schließlich, als der Morgen leuchtend aufging, da eilte ich hinaus und suchte die Gasse auf und setzte mich nieder auf der Bank; und siehe, das Fenster tat sich auf, und lachend streckte sie den Kopf heraus. Dann verschwand sie und kehrte mit einem Spiegel, einem Sack und einem Topf voll grüner Pflanzen zurück, und in der Hand hielt sie eine Lampe. Und sie nahm den Spiegel, tat ihn in den Sack, band ihn zu und warf ihn ins Zimmer zurück; dann ließ sie ihr Haar über das Gesicht herab und setzte rasch die Lampe auf den Blumentopf; dann nahm sie alles auf, trat zurück und schloß wortlos das Fenster. Mein Herz aber war zerrissen von all dem: von ihren heimlichen Zeichen, ihrer seltsamen Verstecktheit und ihrem Schweigen; meine Sehnsucht wurde nur heftiger, und meine Leidenschaft und meine Verstörtheit wuchsen. So ging ich tränenden Auges und schweren Herzens nach Hause, wo die Tochter meines Oheims mit dem Gesicht zur Wand gerichtet dasaß; denn ihr brannte das Herz vor Gram und fressender Eifersucht; dennoch aber verbot ihr ihre Liebe, mir zu sagen, was sie vor Leidenschaft und Sehnsucht zu erdulden hatte, so oft sie das Übermaß meines Verlangens und meiner Verstörtheit sah. Da sah ich sie an, und um ihren Kopflagen zwei Binden: die eine über der verwundeten Stirn, die andere über dem Auge, das wund war vom vielen Weinen. Und sie war elend anzuschauen, und sie vergoß Tränen und sprach die Verse:

Ich zähle die Nächte; zähle Nacht für Nacht – Doch lange war's, eh ich die Rechnung lernte, ach!

Mein Freund, ich weiß nicht, was für Layla Allah – Bestimmt hat, noch was mir er zuerteilte, ach!

Sie gab er anderen, mir zu ihr nur die Liebe – Was soll ich dulden noch als den Verlust der Layla, ach!

Und als sie geendet hatte, sah sie mich durch ihre Tränen an und wischte sie fort und trat eilig auf mich zu, doch konnte sie vor dem Übermaß der Liebe nicht reden. So blieb sie eine Weile stumm und sagte dann: ›O mein Vetter, sage mir, was dir diesmal widerfuhr.‹ Und ich erzählte ihr alles, was vorgefallen war, und sie sagte: ›Sei geduldig, denn die Zeit eurer Vereinigung ist gekommen, und du hast das Ziel deiner Hoffnungen erreicht. Das Zeichen des Spiegels, den sie in den Sack tat, bedeutet: Wenn die Sonne untergegangen ist; und daß sie das Haar über ihr Gesicht herabließ, heißt: Wenn die Nacht naht und die Schwärze des Dunkels fallen läßt und den Tag erstickt, so komme hierher. Die Geste aber mit dem grünen Blumentopf will sagen: Wenn du kommst, so tritt in den Blumengarten, der hinter der Straße liegt; und schließlich sagt dir das Zeichen der Lampe: Wenn du in den Blumengarten trittst, so durchschreite ihn bis dorthin, wo du die Lampe brennen siehst; setze dich darunter und harre meiner, denn die Liebe zu dir bringt mich ums Leben.‹ Als ich nun diese Worte meiner Base vernahm, schrie ich auf vor Leidenschaft und rief: ›Wie lange willst du mir Versprechungen geben und soll ich zu ihr gehen und doch nicht ans Ziel gelangen, noch wahren Sinn in deiner Deutung finden.‹ Da lachte sie und versetzte: ›Du brauchst nur noch den Rest des Tages Geduld zu haben, bis das Licht vergeht und die Nacht ersteht, so wirst du die Vereinigung erreichen und deine Hoffnung verwirklichen; und wahrlich, all meine Worte sind ohne Falsch.‹ Und sie sprach die Verse:

Laß die Tage die Falten und Krümmen entrollen – Und meide das Haus, da die Öde weilt!

Wenn die Freude fern scheint, so bist du oft – Der Stunde schon nah, die die Freude erteilt.

Und sie trat zu mir und begann mich mit sanften Worten zu trösten, aber sie wagte mir keine Speise zu bringen, denn sie fürchtete meinen Zorn und hoffte, ich würde mich zu ihr neigen; und sie nahm mir mein Überkleid ab und sprach: ›Setze dich, o mein Vetter, damit ich dich unterhalte, bis der Tag entsinkt, und so Allah es will, sollst du mit dem Einbruch der Nacht bei deiner Geliebten sein.‹ Ich aber achtete ihrer nicht und harrte unablässig des Dunkels und rief: ›O Herr, beeile die Ankunft der Nacht!‹ Und als die Nacht hereinbrach, weinte die Tochter meines Oheims in bitterem Weinen und gab mir eine Krume reinen Moschus und sagte: ›O mein Vetter, nimm diese Krume in den Mund, und wenn du die Vereinigung mit der Geliebten erreicht und deinen Willen an ihr gebüßt hast und sie dir gewährte, was du begehrst, so sage ihr diese Verse:

Ihr Liebenden, bei Allah, sagt mir an – Wenn ihn die Liebe plagt, was tut der Mann?