Es war einmal im Sommer - Martina Meier (Hrsg.) - E-Book

Es war einmal im Sommer E-Book

Martina Meier (Hrsg.)

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Beschreibung

Die Tage werden wieder länger, die Temperaturen steigen stetig und die Sonne zeigt sich immer öfter. Das kann nur eines bedeuten: Der Sommer steht vor der Tür! Daher suchte das Papierfresserchen alle Geschichten rund um Sommer, Sonne und Strand. Die Autorinnen und Autoren haben ihrer Fantasie freien Lauf gelassen oder ihre schönsten Erlebnisse aus Urlaub oder Freizeit geschildert. Die Texte richten sich an Kinder und Jugendliche.

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Es war einmal im Sommer

Martina Meier (Hrsg.)

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Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet - www.papierfresserchen.de

© 2023 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2013.

Bearbeitung: CAT creativ - www.cat-creativ.at

Cover: © Frenta - Adobe Stock lizenziert

ISBN: 978-3-86196-220-5 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-759-8 - E-Book

*

Inhalt

Der gelbe Schirm am Grund des Sees

Meeresrauschen

Impulsive Liebe

Die Katze mit der grünen Sonnenbrille

Froschkonzert am See

Der Bernstein

Ein neuer Freund

Träume, Pferde, Sommerglück

Sonnentage am Meer

Stille auf dem See

Das Ömel und der Heldenspecht

Strandgeflüster

Indianerspiele

Sommerfrische

Ein Fund mit Folgen

Perfekter Sommertag

Die geheime Botschaft

Die neuen ersten Sommerferien

Die Jauchengrube

Sommerlöcher, Katz und Maus

Isabella fährt in die Sommerferien

Auf nach Malle

Sommerferien

Wasser, Eis und Literatur

Das Titelbild

Eiskugeln um Mitternacht

Sommer im Marmeladenglas

Das Lachen des Sommers

Radtour

Danke, Athena!

Joschi und die Liebe

Knisteralarm!

Sommermärchen

Zufälliges Glück

Das Glühwürmchen

Der erste Tag

Ausflug nach Saintes-Maries-de-la-mer

Zora

Sommergefühl

Das Mathe-Camp

Professor Doktor Sommerzwerg

Der fremde Hund im Teich

Urlaubsreise einmal anders

Wer braucht schon Amerika?

Der Sommer in mir

Ohne Titel

Sommerliebe

Sommergäste

Gänsehaut im Sommer

Der Veilchenstrauss

Flucht & Flut

Regenbogenliebe

*

Der gelbe Schirm am Grund des Sees

„Dominik, kommst du endlich?“, hallte die Stimme seiner Mutter durch den Gang. Sie klang angestrengt. Vermutlich trug sie die schwere Kühltasche und die Badetasche alleine und kam sich vor wie ein Packesel. Eigentlich liebte Dominik den kleinen Baggersee, der nach dem Spitznamen seines Besitzers Bibisee hieß. Aber ein Ausflug in die Öffentlichkeit zusammen mit seiner Mutter und vor allem Opa Gerd konnte peinlich werden, das wusste er aus Erfahrung. Und so stieg er nur widerwillig in das Auto.

Am See ging es gleich wie befürchtet los: Opa packte seine „tragbare Umkleidekabine“ aus, wie er ein riesiges Bettlaken mit einem Loch für den Kopf nannte, und zog seine unmodische, rot gestreifte Badehose an. Unnötig, denn er ging sowieso nie ins Wasser. Dominik versuchte, unbeteiligt zu wirken, und ließ sich von seiner Mutter ordentlich viel Nudelsalat auf den Teller geben. Fasziniert beobachtete er einen jungen Mann, der auf einem Surfbrett paddelte.

„Kann ich zum Geburtstag ein Surfbrett haben?“, fragte er.

„Wozu?“, grummelte Opa. Aber zu Dominiks Überraschung fügte er hinzu: „Wünsch dir doch ein Schlauchboot.“

„Ist doch uncool, Opa.“ Dominik verzog das Gesicht.

„Du irrst dich“, hakte der Opa ein. „Da kann man sich nämlich gemütlich reinlegen und ein gutes Buch lesen.“ Damit konnte der Opa punkten, denn Dominik war ein begeisterter Leser.

„Von mir aus auch ein Schlauchboot“, entgegnete er.

„Auf dem Dachboden müsste noch mein altes Boot liegen“, sagte Opa Gerd gedankenversunken.

Dominiks Herz begann zu pochen. Trotzdem bemühte er sich, seine Begeisterung zu verbergen. „Wahrscheinlich würde ich mir beim Lesen im Schlauchboot nur einen Sonnenbrand holen.“

„Dann nimm dir doch einen Sonnenschirm mit“, lachte der Opa. Dann wurde er seltsam nachdenklich und fügte hinzu: „Ich hatte mal einen gelben Sonnenschirm, aber den habe ich dort hinten bei den Seerosen vor der kleinen Halbinsel verloren.“ Er zeigte auf das gegenüberliegende Ufer.

„Vielleicht ist der Schirm ja noch da“, überlegte Dominik.

Der Opa sprang auf, kippte dabei seinen Teller um, sodass sich der ganze Nudelsalat quer über dem Handtuch verteilte, und sagte völlig aufgebracht: „Aber das ist doch schon über 40 Jahre her. Von dem Schirm ist bestimmt nichts mehr übrig.“ Worüber regte er sich so auf?

Während Dominiks Mutter die Nudelsalat-Sauerei beseitigte, schwamm Dominik zu der Stelle mit den Seerosen. Dort tauchte er auf den Grund. Schon beim ersten Versuch sah er zwischen den langen Seerosenstängeln etwas Gelbes leuchten. Als er näher kam, erkannte er einen aufgespannten Schirm aus einem seiden glänzenden Stoff mit langen silbernen Fransen am Rand. Keine einzige Alge saß darauf und keine Löcher, nicht einmal ein kleiner Riss, waren daran zu erkennen. Als wäre der Schirm gerade erst auf den Grund des Sees gesunken. Außerdem sah es so aus, als würde sich der Schirm immer leicht zusammenziehen und dann wieder aufblähen. Atmete er? Unsinn! Das sah bestimmt durch die Wasserbewegungen nur so aus. Dominik wollte den Schirm gerade fassen, als ihn jemand von hinten unsanft an der Schulter packte und an die Wasseroberfläche zog.

„Habe ich dir nicht gesagt, du sollst die Finger von dem Schirm lassen!“, schrie Opa Gerd ihn an.

Dominik war verwirrt. Erstens hatte der Opa nicht direkt verboten, dass er nach dem Schirm suchte, und zweitens: Seit wann schwamm der Großvater?

„Wir fahren jetzt sofort zurück nach Hause. Und für die Zukunft verbiete ich dir, dass du im Bibisee badest!“

Dominik kamen fast die Tränen. Was hatte er denn getan?

Zu Hause rannte er sofort in sein Zimmer und schlug die Tür laut zu. Er ließ sich auf sein Bett fallen, als Opa Gerd hereintrat. „Es tut mir leid“, sagte dieser kleinlaut. „Ich hatte einfach Angst um dich.“

„Aber warum?“

„Als ich ungefähr zwölf Jahre alt war, so wie du jetzt, habe ich zusammen mit meinem Freund Quirin in einem kleinen Moorsee einen Sonnenschirm entdeckt. Quirin ist in den See gestiegen, um ihn herauszuholen. Als er nach dem Schirm griff, begann dieser zu zappeln wie ein wildgewordener Karpfen. Ich habe laut gelacht, weil ich dachte, Quirin spielt das. Aber als ich sein erschrockenes Gesicht sah, wusste ich, dass er mir nichts vormachte.“

Dominik fixierte den Großvater ungläubig. Wurde der jetzt plötzlich zum Märchenonkel? Eigentlich fühlte Dominik sich zu alt für solche Geschichten. Aber hatte sich der Schirm nicht auch bewegt, als er ihn unter Wasser beobachtet hatte?

„Zum Glück verließen den Schirm nach einiger Zeit die Kräfte. Wir nahmen ihn mit an den Bibisee. Als wir dort auf unseren Handtüchern lagen, beobachteten wir, wie der Schirm Stück für Stück an den See heranrobbte. Ich glaube, er will zurück ins Wasser, rief mein Freund und stieg in unser Schlauchboot. Ich stürzte hinterher. Im Boot lag der Schirm dann ganz ruhig. Mach ihn doch mal auf, schlug Quirin vor, während er ruderte. Das tat ich dann auch, schließlich habe ich genauso empfindliche Haut wie du. Geöffnet versuchte der Schirm, nach links und nach rechts ins Wasser zu gelangen. Ich schrie vor Schmerz auf, denn er verdrehte mir meinen Arm. Lass ihn auf keinen Fall entkommen, rief Quirin, doch in diesem Moment konnte sich der Schirm losreißen und verschwand im Wasser. Quirin wirkte sehr enttäuscht, also bin ich hinterhergetaucht und habe den Schirm auf dem Grund des Sees zwischen den Seerosenstängeln gefunden. Ich packte den Griff, da schoss der Schirm los und zog mich in die Mitte des Sees und wieder zurück zum Schlauchboot. Als ich das Quirin erzählte, wollte er es auch ausprobieren.“ Auf dem Gesicht von Opa Gerd formte sich ein Grinsen: „Von wegen Surfbrett. Der Schirm ist cool.“

„Aber warum hast du dich so aufgeregt, als ich ihn gefunden habe?“, wollte Dominik wissen.

Das Gesicht des Großvaters verfinsterte sich. „Das ist leider nicht die ganze Geschichte. Wir ließen uns von dem Sonnenschirm kreuz und quer durch den See ziehen. Irgendwann sagte Quirin: „Glaubst du, dass ich es einmal ganz von einem Ende des Sees bis zum anderen schaffe? Nein, antwortete ich. So lange kannst du die Luft nicht anhalten. Quirin lachte: Ich glaube, mit dem Schirm kann man atmen wie ein Fisch. Er tauchte nicht wieder auf. Als die Wasserwacht ihn herausfischte, war er bereits ertrunken.“ Dominik schluckte. Aber die Vorstellung von einem Sonnenschirm in atemberaubendem Tempo durch den See gezogen zu werden, jagte ihm einen Nervenkitzel durch den Körper. „Nur weil dein Freund so unvernünftig war, muss ich es ja nicht sein, oder?“, sagte Dominik und verließ das Zimmer.

„Warte!“, schrie Opa Gerd ihm hinterher.

Aber Dominik ließ sich nicht aufhalten. Als er mit dem Rad auf die Halbinsel am See raste, kribbelten seine Finger vor Aufregung. Wenig später schwebte er im Wasser über dem nun zusammengefalteten Schirm. Ein mulmiges Gefühl erfasste ihn. Dominik versuchte, sich zu beruhigen: Er konnte den Schirm jederzeit loslassen, also packte er den Griff. Der Schirm ploppte auf und zog Dominik mit sich. Unter ihnen sauste der sandige Boden vorbei, sie überholten einen Schwarm Rotfedern und schossen um die Kurven wie in einer Achterbahn. Ein Freudenschauer durchlief Dominik. Was für eine Fahrt!

Es dämmerte, als er zurück nach Hause radelte. Der Opa erwartete ihn bereits. „Und wie war es?“, fragte er zu Dominiks Überraschung.

Dominik begann zu grinsen.

„Ich glaube, das nächste Mal begleite ich dich. Wenn du deinen alten Opa mitnimmst.“

„Klar“, gab Dominik zur Antwort.

Andrea Bannert: Grüne Wälder, Wasser, die Sonne und das Lachen inspirieren die junge Autorin Andrea Bannert zu ihren fantastischen Geschichten. Sie schreibt von der Welt hinter der Welt; der Welt zwischen der Welt; der Welt in uns und um uns, die wir nur manchmal wahrnehmen, wenn wir es zulassen. 2013 erschien ihr vierter Roman „Die Clyátomon – Schlacht um die versunkenen Reiche“, eine etwas andere Atlantis-Geschichte. Mehr Informationen zur Autorin unter: www.andreabannert.de.

*

Meeresrauschen

Die SONNE spüren – dazuliegen

in blautürkiser Bucht am STRAND,

den Körper in den Wellen wiegen

im Rausch vom ewigen Bestand

und unbeschreiblichen Vergnügen.

Die SONNE spüren – dazuliegen

in blautürkiser Bucht am STRAND,

wenn sie sich aneinanderschmiegen,

das Land ans Meer, das Meer ans Land,

um dessen Spuren hinzuzufügen

wie ein paar Zeilen in den Sand,

um die Bewegung so zu spiegeln.

Die SONNE spüren – dazuliegen,

in blautürkiser Bucht am STRAND.

Liliana Kremsner: 1966 in Handlova (Slowakei) geboren. Aufgewachsen in Tschechien, gelernte Großhandelskauffrau. 1990 verlegte sie ihren Hauptwohnsitz nach Österreich, wo sie mit ihrem Mann und ihrem Sohn in St. Michael lebt. Seit Herbst 2009 über fünfzig Veröffentlichungen in Anthologien mehrerer Verlage.

*

Impulsive Liebe

Ich sehe vor mir in der Ferne das große, weite Meer. Ich höre den Wind um mich herum säuseln, ich rieche und schmecke die salzige Brise und fühle den Sand unter meinen Füßen.

„Lilly“, ruft mich meine Mum. „Komm her, du musst unbedingt diesen Erdbeer-Cocktail probieren.“

Etwas genervt wate ich durch den Sand zu ihr hin und setze mich auf einen der Barhocker. Der durchaus attraktive Barkeeper serviert mir das Getränk mit einem freundlichen Gesichtsausdruck. Meine Mum starrt mich förmlich an und ich entgegne: „Mum, ob du es glaubst oder nicht, ich kann schon alleine trinken.“

Sie seufzt und ich ärgere mich, dass ich wieder so hart zu ihr war, sie hat schließlich gar nichts gemacht. „Tut mir leid, war nicht so gemeint Mum“, versuche ich, mich möglichst glaubwürdig zu entschuldigen.

Sie nickt und derzeit nehme ich einen Schluck von dem Cocktail und meine: „Hmmm, der ist wirklich gut.“

Der Barkeeper grinst zufrieden und ich mache mich auf in Richtung Meer. Schließlich habe ich mir für den Urlaub nicht umsonst einen neuen Bikini gekauft. Ich renne ins Wasser und genieße dieses Gefühl von Geborgenheit. Zu Wasser hatte ich immer schon eine ganz besondere Verbindung, Wasser ist mein Element. Ich schwimme einen weiten Weg hinaus ins Meer und spüre die Wellenschläge des Wassers an meinem Körper.

Nach einiger Zeit mache ich mich auf den Rückweg und möchte noch einmal so einen leckeren Cocktail wie den von vorhin trinken. Zu meiner Überraschung ist an der Strandbar noch der gleiche Barkeeper wie vorhin und ich setze mich erwartungsvoll zu ihm. Als er mich sieht, leuchten seine Augen und ich muss lächeln. Er sieht einen kurzen Augenblick lang in meine Augen, sieht sich in seinem Cocktailsortiment um, mixt ein paar Zutaten zusammen, verziert sein Werk und sagt während des Abstellens des Glases zu mir: „Das ist mein Special-Fantasy-Summer-Cocktail, nur für dich.“

Ich fühle mich geschmeichelt und antworte verlegen: „Danke. Das hat noch nie jemand für mich gemacht. Du musst mich wirklich mögen.“

„Von dem ersten Augenblick an, als ich dich gesehen habe, wusste ich, dass du ein ganz besonderes und kein gewöhnliches Mädchen bist“, meint er liebevoll.

Es kribbelt in meinem Bauch und ich verspüre den Wunsch, ihn zu küssen. Warum denke ich nur so lange darüber nach? Ich will es doch!

Er fragt: „Ist alles in Ordnung bei dir? Kann ich dir irgendwie helfen?“

„Ja“, antworte ich und küsse ihn.

Er erwidert meinen Kuss so liebevoll und zärtlich und ich genieße diesen Moment. Dieser war zwar nur kurz, wird für mich aber immer unvergesslich sein. Ich habe die leichte Hoffnung, dass dies hier kein einmaliger Urlaubsflirt bleibt, sondern eine feste und romantische Beziehung auf Dauer werden wird.

Es ist am gesamten Strand nur leises Getuschel zu hören, als er das auch bemerkt, stellt er sich auf den Tresen, guckt zu mir hinunter und sagt: „Wasser ist auch mein Element. Lilly, ich kenne dich noch nicht sehr lange, aber ich weiß, dass du ein ganz besonderes Mädchen bist. Du bist mein Mädchen, wir sind füreinander bestimmt, und ich möchte dich etwas fragen. Lilly, willst du mit mir zusammen sein, bis der Tod uns scheidet?“

Jetzt ist es ganz ruhig um uns herum und ich klettere zu ihm auf den Tresen. „Ich kenne noch nicht einmal deinen Namen, aber ja, ja ich will mit dir zusammen sein, bis der Tod uns scheidet.“ Ich sehe ihm tief in die Augen.

„Ich heiße Mark“, sagt er schnell und küsst mich.

Dieses Mal küssen wir uns länger und ich fühle mich in der Geborgenheit seiner Arme sehr wohl. Als unser Kuss beendet ist und wir uns wieder in die Augen sehen, klatschen die Leute, die in einem Kreis um uns herum stehen und uns hoffnungsvoll ansehen.

Als ich mich umsehe, erblicke ich auch meine Mum und erschrecke zuerst. Doch als ich sie genauer ansehe, merke ich, dass sie lächelt und sich für mich freut. Dann kann ich auch lächeln und küsse Mark zart auf die Lippen. Mein Wunsch mit der romantischen dauerhaften Beziehung erfüllt sich gerade.

Laura Christin Klug: Ist 17 Jahre alt und kommt aus Kürten, einer Gemeinde in der Nähe von Köln. In ihrer Freizeit schreibt sie sehr gerne Geschichten, liest, oder trifft sich mit Freundinnen. Bisher hat sie an verschiedenen Schreibwettbewerben teilgenommen und dabei zwei Geschichten veröffentlicht.

*

Die Katze mit der grünen Sonnenbrille

Samstag, 22. Juni

Heute ist der erste Tag auf der gewonnenen Italien-Kreuzfahrt. An unserem Tisch sitzt ein Franzose, Louis. Mama findet seinen Akzent süß. Er redet wie eine Waßärfahl, über saine süpär Wagön, eine Porsch’, und saine Villa enorm. Doch das ist alles gelohgön. Ich sehe es an seinen Augen. Meine Mama sitzt da und staunt. Oh Mann, merkt sie nicht, was er für ein Aufschneidör ist?

Ich langweile mich doll. Es regnet, schwimmen ist nicht drin. Darum fange ich eine Untersuchung an. Wenn ich groß bin, werde ich nämlich Detektivin. Mama sagt, ich bin nur neugierig. Aber ich bin gut: Zum Beispiel habe ich Tante Gudruns Katze wiedergefunden. Im Keller der Meier. Die hatte sie nämlich „aus Versehen“ eingeschlossen. Und wenn mich die Polizei letztens nicht am Flughafen geschnappt hätte, dann – ach, lieber nicht darüber nachdenken, sonst muss ich wieder weinen. Also, ich werde Louis abchecken und auch die Frau mit der grünen Sonnenbrille an unserem Tisch. Sie nimmt die Brille nie ab. Auch nicht beim Essen, in dem sie nur herumstochert. Ihre Bewegungen sehen aus wie von einer Katze. Ich wäre gerne wie sie. So geheimnisvoll. Sie wird von einem Mann begleitet, der wie ein chinesischer Faltenhund aussieht. Er unterhält sich auch mit anderen Leuten, aber die Katze (das ist mein Deckname für sie) nur mit ihm.

Sonntag, 23. Juni

Gestern hab ich gehört, wie die Katze weinte. Mama glaubt mir nicht. „Alina, die wird doch auf Händen getragen!“ Es ist aber wahr. Ich hab nur ein bisschen geschwindelt. Es war nämlich nicht am Tag, sondern abends. „Ich halte es nicht mehr aus!“, hat sie geschluchzt.

Der Faltenhund hat geantwortet: „Du bist so jung! Wir finden etwas anderes für dich!“ Ich kann Mama ja nicht sagen, dass ich aus der Kabine abgehauen bin. Sie ist mit Louis (ich nenne ihn den Windhund, WH abgekürzt) beim Tanzen gewesen, und ich durfte nicht aufbleiben. Dabei bin ich kein Baby mehr.

Montag, 24. Juni

Heute schwimme und tauche ich den ganzen Tag im Pool, die Sonne verbrutzelt mich sonst noch. Die Katze liegt auf einer Liege im Schatten. Trotzdem hat sie die Sonnenbrille auf und ihre Seidentunika an. Ich weiß, warum. Wegen der blauen Flecke. Aber ich habe noch keine Beweise. Der WH lädt Mama nie ein. Er vörgisst seine Gelt imär ihn där Kabin. Ich finde, sein Kabinennachbar sieht viel netter aus als er. Wie ein trauriger Spaniel. Beim Essen reden wir über Tiere in Indonesien. Ich erzähle ihm, dass mein Papa Meeresbiologe ist und alles über Fische weiß. Und dann sage ich sehr laut: „Und angeben tut er nie!“ Das hört Mama und ich kriege ihren Blick. Ohoh!

Dienstag, 25. Juni

Abends schleiche ich auf dem Weg zur Kabine der Katze an der vom WH und dem Spaniel vorbei. Die Tür ist nur angelehnt. Der Spaniel steht an der Reling und starrt aufs Meer. Ich schlüpfe rein. Es ist nicht schwer zu erraten, welches Bett vom WH ist. Seins ist perfekt gemacht und ein frisch gebügeltes schneeweißes Hemd liegt darauf. Im Nachttisch finde ich seine Brieftasche. Ich krieche unters Bett und fische den Ausweis raus. Er heißt echt Louis de Verrue. Und ein neu aussehendes Foto steckt drin: Er hat eine Frau mit Betonfrisur im Arm. Neben ihm steht ein Junge, der aussieht wie er in Mini. Arme Mama! Ich stecke es in meine Hosentasche. Im selben Moment schließt jemand die Tür. Der Spaniel setzt sich auf das andere Bett. Oje, muss ich etwa die ganze Nacht hierbleiben? Er seufzt. Ich würde ihn gerne trösten. Aber das ist natürlich nicht drin. Als er ins Bad geht, lege ich die Brieftasche in den Nachttisch zurück und will raus. An der Tür dreh ich mich noch einmal um. Neben den Kleidern des Spaniels liegt das Foto eines Mädchens. Hat er eine Tochter? Draußen tut die Katze grade was Merkwürdiges. Sie macht sich vom Faltenhund los, der ihre Hand hält, klettert auf die Reling des Oberdecks und balanciert darauf. Der Faltenhund wird stinkwütend: „Komm sofort runter!“

„Nein, ich fange wieder an!“

Mittwoch, 26. Juni

Am Morgen wedelt der WH mit seinem Geldbeutel. „Chérie, isch schenkö disch die Ausflugg!“ Ausflüge sind nämlich nicht im Gewinn drin, und sie sind teuer. Ich würde so gern den schiefen Turm von Pisa sehen. Aber leider gibt es Wichtigeres, deshalb mache ich es so: Als der WH aus dem Geldbeutel ein paar Scheine herauszieht und sie mir hinhält, flippe ich das Foto unter dem Tisch in seine Richtung. Mama sieht es und hebt es auf. Ohoh, der Blick! Der WH kriegt eine fette Ohrfeige. Der Landausflug fällt ins Wasser. Hoffentlich kippt der Turm nicht um, bevor ich zurückkomme! Dafür sind wir den WH los. Der traurige Spaniel heißt Timo, er kann super zuhören. Ich erzähle ihm, dass ich wegen Papa so traurig bin. Weil sein Schiff auf einer Forschungsreise in Indonesien gesunken ist. Und dass ich glaube, dass er vielleicht auf einer kleinen Insel gestrandet ist und auf Rettung wartet. Es gibt dort Tausende von Inseln. „Deshalb weißt du so viel über Indonesien!“

Die Katze liegt nicht mehr im Liegestuhl. Sie ist den ganzen Tag im Gymnastiksaal und macht Saltos und andere coole Akrobatik. Der Faltenhund sitzt alleine an der Bar und trinkt Schnaps.

Donnerstag, 27. Juni

Ich kann jetzt bis auf den Boden vom Pool tauchen. Timo kauft mir einen roten Gummiring. „Damit ist es lustiger!“ Mama lächelt ihn an. Abends schauen Mama und ich den tanzenden Paaren zu. „Komm, Mama, wir können das auch!“ Wir hopsen und lachen, bis wir Seitenstechen kriegen.

Freitag, 28. Juni

Heute machen wir mit Timo den Ausflug nach Rom. Der WH geht auch an Land. Er muss Mamas Blicke im Rücken spüren, weil er mit den Schultern wackelt. Das Kolosseum in Rom ist so cool! Timo meint: „Meine Tochter Lea würde das auch mögen.“ Sie ist das Mädchen vom Foto. Er ist geschieden. Lea lebt bei ihrer Mama, und er vermisst sie doll. Ich verstehe ihn so gut. „Papa fehlt uns auch total!“ Timo nickt. Da platze ich raus: „Mama glaubt, er ist tot.“ Ich erzähle ihm auch, dass ich ausgerissen bin, um ihn zu suchen, als sie es das erste Mal vor zwei Monaten zu mir gesagt hat. Aber ich bin ja nur bis zum Flughafen gekommen. Und dass ich Tagebuch schreibe, damit ich ihm alles erzählen kann, was er in den 370 Tagen verpasst hat. Timo meint: „Cassandra, du musst mit Alina nach Indonesien fahren!“ Mama sieht ihn traurig an. „Und mit welchem Geld?“

Samstag, 29. Juni

Am Abend beobachtet der Faltenhund die Katze im Gymnastiksaal durch die Scheibe beim Radschlagen. Sie wirbelt durch die Luft. Timo sagt zum Faltenhund: „Sie ist fantastisch!“ Da fängt der an zu reden und hört gar nicht mehr auf. Früher war die Katze Seiltänzerin. Einmal ist sie heruntergefallen und fast gestorben. Der Faltenhund ist Chirurg. Er hat sie operiert, und sie wurde wieder gesund. Sie haben sich ineinander verliebt und er wollte nicht, dass sie weiter tanzt. Weil er Angst um sie hat. Ohne Seiltanzen ist die Katze aber furchtbar traurig und weint dauernd. Deshalb hat sie immer die Brille auf. Und unter der Tunika versteckt sie die Narben. Keine blauen Flecken. Ich schäme mich, dass ich das gedacht habe.

Sonntag, 30.Juni

Heute baden wir drei im Meer. Da steht auf einmal die Katze auf der Reling. Sie macht einen Handstand und einen Salto. Der Faltenhund sieht ihr ängstlich zu. Aber die Katze wirft ihm eine Kusshand zu, und dann dreht sie sich zum Meer und schleudert ihre Sonnenbrille über Bord. Ich rufe: „Sie hat die Brille weggeworfen!“

„Sie braucht sie nicht mehr.“

Timo zieht mich auf seinen Rücken und sagt zu Mama: „Nächster Urlaub Indonesien?“ Ich sehe Mama bittend an. Sie hebt die Schultern: „Okay, wenn wir das Geld zusammenkriegen.“

Timo drückt meine Hand und nickt: „Das kriegen wir hin!“

Anne Reinéry: Lebt seit mehreren Jahren mit ihrem Mann und ihren Kindern in einem kleinen Dorf unweit von Paris. Schon immer hat sie viel gelesen, aber irgendwann genügte ihr das nicht mehr und sie begann, selbst zu schreiben.

*

Froschkonzert am See

Es war ein wunderschöner Spätsommerabend. Die Sonne schien langsam im See einzutauchen, die Sterne begannen zu funkeln. Der Mond streckte sich am Himmel, er hatte geschlafen, um am Abend seine volle Leuchtkraft einsetzen zu können. Der See unter ihm glitzerte in den schönsten Farben.

Gerade an diesem Tag hätte man meinen können, dass sich alle Frösche des Sees dazu entschieden hätten, für den Mond ein kleines Konzert zu geben. Ihre Instrumente waren außergewöhnlich gut. Ein Frosch holte sein Schlagzeug aus Seerosenblättern, ein anderer eine Flöte aus Schilf, einer brachte eine Gitarre aus Seerosenblättern und Spinnenfäden, auf denen man spielen konnte, ohne dass sie rissen. Es wurde geübt, damit alles klappte. Einige Frösche taten sich zusammen zu einer Gesangsgruppe.

Dann wurde losgelegt. Die Glühwürmchen und der Mond spendeten das perfekte Licht für die Frösche. Weitere Glühwürmchen und Grillen tanzten am Himmel zur Musik. Das war ein Spektakel. Das Konzert ging bis zum Morgen.

Der Mond verabschiedete sich und machte sein Licht aus, da sich am Himmel langsam die Sonne zeigte. Die Frösche packten ihre Instrumente ein, die Glühwürmchen machten ihre Laternen aus, die Grillen hörten auf zu zirpen. Langsam wurde es still am See. Die Halme des Schilfes wiegten sich sanft im Wind. Ein neuer Tag brach an.

Alexandra Dietz: Ist Jahrgang 1977. Sie lebt in einer Gemeinde am Rande des Schwarzwaldes bei Pforzheim. Ihre ersten Gehversuche als Autorin hat sie mit Tierfabeln und Kindergeschichten gemacht. Die Geschichte „Geliebtes Sofa“ in dem Buch „Als die Sonne sich selten machte“ ist ihre erste Veröffentlichung.

*

Der Bernstein

Als Kind verbrachte ich oft den ganzen Sommer in Dänemark. Solange ich noch nicht zur Schule ging, stellte das kein Problem dar. Meine Eltern waren Artisten, mussten meist erst am Abend auftreten und so habe ich wunderschöne Erinnerungen an für mich endlos erscheinende Kindersommer.

In einem Jahr hatten wir unser Lager (im wahrsten Sinne des Wortes) auf einem Campingplatz in der Nähe von Esbjerg aufgeschlagen. Das grüne 2-Mann-Zelt beherbergte meinen Vater und mich für zwei Monate. Zum Zeltplatz gehörte ein kleiner Privatzoo und ich erinnere mich, es gab dort nicht nur Rhesus-Äffchen und einen Esel, sondern auch knallrote Wurst und Eis in bunten Farben zu kaufen. Solches Eis hatte ich zu Hause noch nie gesehen. Und es gab viele Obstbäume mit reifen gelbgrünen Früchten, die hießen Ringlo. Auch die kannte ich noch nicht, kam aber schnell auf den Geschmack! Im Zelt war es heimelig und es roch immer nach meines Vaters Petroleumlampe, die am Abend warmes Licht verbreitete. Zum Waschen gab es nur kaltes Wasser, zum Kochen einen altmodischen Gaskocher. Aber das machte nichts. Es war Sommer und ich hatte meinen Vater ganz für mich alleine!

Die Tage verbrachten wir selten auf dem Campingplatz. Wenn das Wetter es zuließ, ging es ans Wasser. Wir waren drei Kinder, Tochter und Sohn eines Kollegen meines Vaters und ich, die Jüngste. Wir bauten riesige Sandburgen, sammelten Muscheln und spielten Verstecken inmitten der Dünen. Von Langeweile keine Spur! An einem Strandabschnitt konnte man nach stürmischen Nächten, wenn der Wind landeinwärts blies, am Morgen Bernsteine finden. Da waren wir Kinder gleich dabei und suchten stundenlang. Auch ich fand kleine Bernsteinchen, aber wie gesagt, die Betonung liegt auf „Steinchen“. Die beiden anderen hatten durchaus mehr Glück und ich war traurig, denn ich wollte doch für meine Mama einen ganz großen Bernstein finden ...

Wieder mal tobte in der Nacht der Wind über die Nordsee und wir machten uns am Morgen auf die Suche. Wieder mal hatte ich nur kleine Steinchen gefunden. Wieder mal sagten die „Großen“, dass sie nun bald aus ihren gesammelten Bernsteinen ein Armband für ihre Mama fädeln könnten. Meine Steinchen waren so winzig, da konnte man noch nicht mal ein Loch durchbohren, um sie aufzufädeln. Ich kam mit meiner mageren Ausbeute traurig zurück zu unserer Sandburg.

„Na, was hast du gefunden?“, fragte mein Vater.

Ich hielt ihm die Winzlinge hin. „Die von den anderen sind aber viel größer!“

„Mach dir nichts draus“, meinte er. „Schau mal, hier ist auch ein guter Platz, um zu suchen!“ Er zeigte auf eine kleine Erhebung hinter sich.

Ungläubig schaute ich ihn an, begann dann aber, den Sand mit dem Fuß zur Seite zu scharren. Und da sah ich ihn! Einen riesigen Bernstein! Ich konnte es nicht fassen und lief mit dem Teil zu Sandburg zwei, in der die Freunde saßen.

„Guckt mal, guckt mal“, rief ich und hielt meinen goldgelben Fund triumphierend in die Höhe.

Neidische Blicke trafen mich. Vier Hände streckten sich mir entgegen und wollten meinen Stein anfassen. Das war mir egal, ich hielt ihn fest. Ich war glücklich.

Erst Jahre später habe ich erfahren, dass mein Vater mir keinen Bernstein, sondern ein Stück Geigenkolophonium gegeben hatte. Der Unterschied ist für ein Kind (und auch für manche Erwachsene) kaum zu bemerken, da Kolophonium die gleiche Farbe und das gleiche Gewicht wie Bernstein hat. Kein Wunder, es besteht ja auch zu 70 Prozent aus Baumharz. Als ich den Stein meiner Mutter schenkte, hat auch sie mich nicht merken lassen, dass sie Bescheid wusste. Mein Bernstein hatte noch lange Jahre einen Ehrenplatz auf ihrem Nachttisch.

Andrea Lutz: War schon als Kind extrem fabuliersüchtig. Dieser Sucht ist sie bis ins Erwachsenenalter treu geblieben. 1952 als Artistenkind in Wiesbaden geboren, lebt sie mittlerweile in Pforzheim. Sie hat 3 erwachsene Töchter und 3 Enkelkinder.

*

Ein neuer Freund

„Heute werde ich es allen beweisen“, dachte Fiona und zog Buck an der Leine hinter sich her Richtung Wald. „Heute werde ich Mama und Papa beweisen, dass ich schon groß genug bin, um Buck alleine auszuführen. Sie trauen mir absolut gar nichts zu.“ Fiona stapfte entschlossen voran.

Sie wollte zu ihrem Lieblingsplatz gehen, einem kleinen Bach am nahe gelegenen Waldrand. Als sie an dem großen Maisfeld vorbeikam, passierte es dann. Buck riss sich los und verschwand knurrend und bellend im Maisfeld.

„Buck! Wo steckst du?“ Fiona rief ihren Hund wieder und wieder. Sie hatte schreckliche Angst um ihn und ihr rannen dicke Tränen über die Wangen.

Es war Spätsommer und jetzt kamen wieder viele Wildschweine aus dem Wald, um Mais zu fressen. Erst letzte Woche war ein Jagdhund nicht weit von hier tot aufgefunden worden. Die Wildschweine hatten ihm mit ihren Hauern den Bauch aufgeschlitzt.

Fiona sah sich Hilfe suchend um, dabei wehten ihre langen Haare unablässig im Wind. An der entfernten Hauptstraße polterte ein Lastwagen vorbei, doch sonst war weit und breit kein Mensch zu sehen. Den Feldweg hier benutzten sonst viele Dorfbewohner, um spazieren zu gehen, doch es war mitten in der Woche und alle waren bei der Arbeit oder anders beschäftigt.

Fiona war früher als geplant von der Schule nach Hause gekommen und hatte sich gelangweilt. Ihre Eltern kamen erst spät zurück und so hatte Fiona nur Buck zum Spielen. Buck war noch jung und übermütig, sie hatten ihn erst ein halbes Jahr. Alle fürchteten sich vor ihm, weil er stahlblaue Augen und rabenschwarzes Fell hatte. Fiona schaute wieder über den Bach zu dem Maisfeld. Es war plötzlich so still geworden. Sie fasste einen Entschluss.

Ohne Buck konnte sie nicht nach Hause, sie musste versuchen, ihn zu finden. Er liebte die Getreidefelder und sprang immer wie wild umher, dabei sah er aus wie ein Hase mit seinen großen Ohren. Wenn sie es schaffte, in die Mitte zu dem großen Stein zu gelangen, konnte sie ihn vielleicht sehen. Ein kleiner Bach floss direkt vor dem Maisfeld entlang.

Fiona zögerte kurz und sah sich noch einmal um, dann trat sie langsam an das Ufer des Baches heran. Sie zog ihre Schuhe aus und tastete sich vorsichtig auf die andere Seite, um auf den glitschigen Steinen nicht auszurutschen. Das Maisfeld war aus dieser Perspektive gigantisch. Es überragte Fiona fast um das Doppelte ihrer Größe.

Sie bog die ersten großen Stängel beiseite und sah die Pfotenabdrücke von Buck in dem vom Regen noch feuchten Erdboden. Ohne zu überlegen, rannte sie tief in das Feld hinein, den Spuren von Buck hinterher. Bald waren die Abdrücke verschwunden und Fiona tapste orientierungslos herum. Sie begann abermals zu weinen. Dieser Tag war wirklich schrecklich für sie. Erst verlor sie Buck und jetzt hatte sie sich hoffnungslos im Mais verirrt. Niemand würde sie hier suchen kommen. Sie hatte keine Nachricht zu Hause hinterlassen. Es war jetzt schon richtig gruselig hier, wie würde es erst sein, wenn es dunkel wurde?

Fiona hörte plötzlich ein lautes Knacken vor sich. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Was konnte das sein? Dann vernahm sie ein leises Knurren, das allmählich immer lauter und lauter wurde. Das Geräusch kam direkt von vorn. Fiona hockte sich hin, um zwischen den Maisstängeln besser sehen zu können.

Da sah sie Buck vor sich aus dem Gestrüpp auftauchen. Fiona freute sich riesig. Doch warum hatte er die Ohren angelegt und knurrte sie an? Er musste sie doch erkannt haben. Fiona blieb in der Hocke und wollte Buck gerade rufen, als er unvermittelt zu bellen begann und auf sie zustürmte. Fiona hatte keine Zeit zu reagieren, Buck war nur in Sekunden bei ihr und dann mit einem gekonnten Satz über sie hinweggesprungen. Sie sah gerade noch, wie er wenige Meter hinter ihr mit einem Wildschwein zusammenstieß. Das Wildschwein quiekte laut und beide lieferten sich einen langen Kampf. Sie hieben und bissen unablässig aufeinander ein.

Fiona wollte Buck helfen, doch sie hatte keinen Stock oder etwas anderes Brauchbares. Sie wich den beiden aus, so gut sie konnte, dann war schlagartig alles wieder still. Fiona hatte Buck aus den Augen verloren. Ihre Brust war wie zugeschnürt. Hatte Buck das Wildschwein besiegen können? Die Anspannung war unerträglich.

Jetzt hörte sie ein erneutes Knacken und wich ängstlich einen Schritt zurück. Doch ihre Angst war unbegründet. Buck kam schwanzwedelnd und laut hechelnd zu ihr zurück. Er schleckte ihr übermütig das ganze Gesicht ab und bellte freudig. Jetzt wo die Anspannung aus ihrem Körper wich, hörte sie auch das leise Plätschern des Baches. Fiona schnappte sich Bucks Leine und eine Minute später standen sie wieder auf dem kleinen Feldweg.

Fiona war wieder glücklich. Buck hatte sie verteidigt, er war jetzt ihr allerbester Freund. Doch eines hatte Fiona an diesem Nachmittag gelernt. Ihre Eltern hatten sie mit ihren Ermahnungen nur beschützen wollen. Sie würde ab sofort immer einen Zettel schreiben, wo sie hingehen wollte. Und das nächste Mal doch wieder einen Erwachsenen mitnehmen, zumindest, bis sie groß genug war, um Buck richtig festhalten zu können.

Andrea Heine: Wurde 1983 geboren und lebt in Münster. Sie veröffentlichte bisher zwei Gedichte in Anthologien. In ihrer Freizeit erklimmt sie gerne Berge, jongliert mit Feuer und wandelt Tagträume in Geschichten um.

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Träume, Pferde, Sommerglück

Lina hielt ihre Nase ganz weit nach oben in die salzige Seeluft. Möwen kreischten aufgeregt um sie herum und das Meerwasser klatschte laut an die Bordwand. „Endlich Ferien“, jubelte Lina. Zusammen mit ihren Eltern und vielen weiteren Urlaubsgästen fuhr sie mit der Fähre zur Nordseeinsel Juist. Und das Erste, was sie nach ihrer Ankunft auf der Insel tun würde, war zu den beiden Norwegerponys Merle und Fin laufen.

---ENDE DER LESEPROBE---