Nassbert, der Wannenwichtel Band 2 - Martina Meier (Hrsg.) - E-Book

Nassbert, der Wannenwichtel Band 2 E-Book

Martina Meier (Hrsg.)

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Beschreibung

Es gibt fast nichts Schöneres für Kinder und Erwachsene, als in der Badewanne zu sitzen, eine Menge Schaumberge um sich herum zu haben und mit der Quietscheente zu spielen. Aber da fehlt doch noch was? Natürlich – ein Buch! Das wusste auch schon Nassbert, einer unserer Helden des Buches „Nassbert, der Wannenwichtel“, das bereits 2015 erschienen ist. Nun gibt es eine Neuauflage mit neuen Geschichten in und aus der Badewanne. Fehlt nur der Blubber-Badeschaum für ein entspanntes Badevergnügen!

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Nassbert, der Wannenwichtel

Geschichten in und aus der Badewanne Band 2

Martina Meier (Hrsg.)

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Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Herausgegeben von Martina Meier – www.cat-creativ.at in Auftrag von

© 2023 – Papierfresserchens MTM-Verlag

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

www.papierfresserchen.de

Alle Rechte vorbehalten.

Erstauflage 2023

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Herstellung: CAT Creativ – www.cat-creativ.at

Titelbild: © Obsidian Fantasy - Adobe Stock lizenziert

ISBN: 978-3-99051-106-0 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-99051-107-7 - E-Book

*

Inhalt

Unter großen Schaumbergen

Tante Mathildas verzauberte Erbschaft

Die Abenteuer des Kapitän Schnurrbart

„Plitsch-Platsch“ Schreck lass nach!

Als Berta wieder lächeln konnte

Badetag mit Nele

Brüderliche Seefahrt

Volle Fahrt voraus

Nassberts besondere Haarwäsche

Badewannenblues

Weihnachten fällt ins Wasser

Der König kommt aus der Badewanne

Prinzessin Badewanne greift ein

Die Sagetanne

Das Feen-Geburtstags-Bad

Zauberwichtels Dampfbad

Das Schaumpalais

Mein Hund, der heißt Räuber

Die Seifenkiste

Das magische Bad

Schaumstunde

Eine Viertelstunde Meerjungfrau

Peter und der Kobold

Meerjungfrau, backbord voraus!

Der magische Badeschaum

Einmal Prinzessin sein ...

Das Schaumschloss

Das Fliederlilaschaumbad

Seemannsgarn

Die Abenteuer von Klara und dem Quietscheentchen

Märchenhaft wie in 1001 Nacht

Simons Abenteuer in Schaumlantis

Amelie und die Quietscheenten

Der Frühlingsputz

Eine Überraschung für Arnold

Lea und der Süßkram-Urwald

Die Warmwasser-Meerjungfrau

Freunde sind einfach da

Meine beste Freundin

Glückstag

Je mehr Schaum, desto besser

Wasserspaß

Opa Kalle taucht ab

Der kleine Pirat Kevin überlistet Nassbert

*

Unter großen Schaumbergen

Die Sonne verschwand schon langsam hinter dem Horizont, als Tim, von oben bis unten mit Matsch beschmiert, nach Hause kam. Es war ein schöner, regnerischer Sonntag und er freute sich darauf, in die Badewanne zu hüpfen.

Schnell zog er seinen gelben Regenmantel und die rosa Gummistiefel aus und lief barfuß die Treppe nach oben. Sein Papa stand in der Küche und begrüßte ihn mit einem Kuss auf den Kopf.

„Na, mein Schätzchen, du siehst ja aus, als wenn du viel Spaß gehabt hättest“, rief er und zeigte auf Tims verschmiertes Gesicht. „Die Badewanne ist bereits vollgelaufen und du kannst gleich reinspringen“, rief er Tim hinterher.

Tim stapfte in das Badezimmer und zog seine Klamotten aus. Gemeinsam mit seinem Einhorn Edgar schlüpfte er in das warme Wasser. Er ließ seine Hände durch den glitzernden Schaum gleiten und freute sich über die großen Schaumberge. Lachend versteckte er Edgar, das Einhorn, im Schaum und suchte es dann wieder. Tim war gerade dabei, seine Haare zu waschen, als etwas an sein Bein stieß.

„Huch? Warst du das etwa, Edgar?“, fragte Tim verwundert. Aber Edgar schwamm neben ihm und sah genauso ratlos aus wie er. „Vielleicht war es ja auch ein anderes Spielzeug“, sagte Tim nachdenklich.

In dem Moment passierte es wieder. Etwas zwickte ihn und Tim zog erschrocken seine Füße an den Körper heran. Schnell schnappte er sich Edgar.

„Ich glaube, ich muss mal eben nachschauen, was da im Wasser ist. Du passt aber auf okay, Edgar?“

Edgar sah Tim fest in die Augen und Tim wusste genau, dass sein Einhorn-Freund aufpassen würde. Er holte tief Luft und schob seinen Kopf unter einen besonders großen Schaumberg. Dabei hatte er mit vielem gerechnet, aber dass ihn zwei blaue Augen angucken würden, das hätte er nie gedacht. Zu diesen blauen Augen gehörte ein Kopf ... und an dem Kopf war ein Körper mit einer langen Flosse dran.

Eine Flosse? Ja, genau, Tim konnte sehen, wie sie im warmen Licht blau glitzerte.

„Wer bist du denn?“, fragte Tim das andere Kind und konnte seinen Blick nicht von der Flosse abwenden. Er würde sich so freuen, selbst einmal Flossen haben und damit durch das ganze Meer schwimmen zu können.

„Ich bin Bo“, sagte das andere Kind.

„Aber Bo, was machst du denn in meiner Badewanne?“, fragte Tim das grünhaarige Kind vor sich. Tim schaute sich um und konnte den Rand der Badewanne nicht mehr erkennen. Als er nach oben schaute, konnte er auch das Leuchten der Lampe und die großen Schaumberge nicht mehr sehen. Erschrocken versuchte Tim, mit seinen Beinen zu strampeln, aber das wollte einfach nicht funktionieren. Sein Blick wanderte an seinem Körper hinab und was er da sah, konnte er nicht glauben. „Ich habe ja eine Flosse“, rief er. Und tatsächlich: Da, wo eigentlich seine Füße sein sollten, waren glitzernde Flossen. Vorsichtig wackelte Tim damit und bewegte sich ein bisschen hin und her.

Wie konnte es denn sein, dass er eine Flosse hatte? Jetzt musste er sich genauer umschauen, denn um ihn herum sah er nun grüne Algen und Sand wirbelte an ihm vorbei.

„Bo, sind wir etwa im Meer?“, fragte Tim erschrocken und konnte nicht fassen, was er da in seiner Badewanne gefunden hatte.

„Ja klar! Wir sind bei mir zu Hause. Ich habe deine Füße im Wasser gesehen und wollte mir die genauer angucken“, erzählte Bo ihm.

„Aber wo kommt denn die Flosse her?“

„Ich dachte, es wäre toll, wenn wir beide ein bisschen zusammen schwimmen könnten.“ Bo nahm Tims Hand und schwamm los.

Das Wasser fühlte sich kalt, aber angenehm auf Tims Haut an und er genoss es, an Bos Hand durch das Meer zu gleiten. Langsam versuchte er, seine Flosse zu bewegen, und ließ sie hoch und runter gleiten. Bo ließ nach und nach immer mehr seine Hand los und endlich konnte er alleine schwimmen.

Das Gefühl, durch das Wasser zu gleiten, ließ Tims Herz schneller schlagen und er musste laut anfangen, zu lachen. Plötzlich hörten sie ein komisches Geräusch. Es war ein lautes Blubbern und es hörte sich ganz und gar nicht glücklich an.

Bo hielt an und suchte die Gegend ab, um herauszufinden, woher das Geräusch kam. Auch Tim drehte sich vorsichtig hin und her. Das Blubbern wurde immer lauter und plötzlich sahen sie eine große Flosse, die zwischen ein paar Felsen hervorschaute.

„Oh nein, das ist ein Mondfisch. Wir müssen ihm helfen, ich glaube, er steckt fest“, rief Bo erschrocken. Sie schwammen näher heran und sahen den Mondfisch, der in einer Felsspalte feststeckte.

Tim war überrascht, wie groß der Mondfisch war, er hatte vorher noch nie einen gesehen. Wie konnte es nur passieren, dass er in so einer kleinen Spalte stecken geblieben war?

Bo schwamm langsam zu dem Mondfisch und fing auch an, zu blubbern. Nachdem sie sich eine Weile unterhalten hatten, kam Bo wieder zu Tim zurück. „Der Mondfisch hat gerade etwas zu essen gesucht und ist leider in der Felsspalte stecken geblieben. Wir müssen ihm helfen, da wieder rauszukommen, denn er schafft es nicht allein.“

Tim fragte sich, wie sie den großen Mondfisch aus diesem kleinen Loch herausholen sollten. „Könnten wir den Mondfisch nicht irgendwie rausziehen?“

Tim und Bo überlegten beide, wie sie dem Fisch helfen konnten. Es würde schwer werden, ihn aus der Spalte zu ziehen, sie waren beide viel kleiner als der Mondfisch. „Was wäre, wenn wir erst ein paar Steine aus dem Felsen brechen würden?“, fragte Bo.

Tim nickte und schnell machten sich die beiden daran, ein Felsbröckchen nach dem anderen aus dem Felsen zu brechen. Das war gar nicht so einfach und irgendwann taten ihnen so die Hände weh, dass sie eine Pause machen mussten.

„Vielleicht sollte der Mondfisch jetzt einmal probieren, aus dem Loch zu kommen“, schlug Tim vor.

Bo übersetzte wieder blubbernd das, was Tim gesagt hat. Der Mondfisch fing an seine Flossen hin und her zubewegen und zappelte dabei wie wild.

Der Mondfisch sagte etwas blubbernd zu Bo und Bo übersetzte wieder. „Der Mondfisch fragt, ob wir ihn ziehen können.“

Gesagt, getan.

Beide Kinder zogen ganz fest an dem Fisch, während dieser sich wild hin und her bewegt. Plötzlich gab es einen Ruck und der Mondfisch war frei. Jubelnd schwammen die beiden Kinder um den Fisch herum, der sich sehr freute, endlich wieder frei zu sein. Plötzlich drängte der Mondfisch die beiden zu dem Felsspalt und als Bo und Tim hindurchschauten, sahen sie ein paar leuchtende Steine.

„Ich glaube, wir dürfen uns einen Stein als Dankeschön nehmen“, übersetzte Bo das Geblubberte.

Tim suchte sich einen aus, der in allen Regenbogenfarben schillerte, und Bo schnappte sich einen, der genauso grün war wie die Haare auf seinem Kopf. Sie verabschiedeten sich von dem Mondfisch und schwammen weiter.

Plötzlich sahen sie, dass etwas auf sie zuschwamm – es war Edgar, das Einhorn.

„Ich glaube, ich muss jetzt nach Hause“, sagte Tim traurig.

Bo drückte ihn fest und gemeinsam schwammen sie zur Wasseroberfläche. Tim konnte so langsam wieder die Schaumberge sehen, die schon viel kleiner waren als vorher. Dann verabschiedete er sich ein letztes Mal von Bo und schwamm mit Edgar zurück in seine Badewanne.

Als er auftauchte, schaute er sich im Badezimmer um. Es sah alles so aus wie vorher – bis auf die Schaumberge, die wirklich ein bisschen kleiner geworden sind.

Schnell sprang Tim aus der Wanne, als er den leckeren Duft von Papas selbst gekochtem Abendessen roch. Den Regenbogenstein behielt er dabei die ganze Zeit als Erinnerung in der Hand.

Alena Hopfgarten, geboren 1994 in Bassum, machte eine Ausbildung zur Erzieherin. Während ihrer Ausbildung hat sich Alena Hopfgarten schon intensiv mit dem Thema „Bücher für 6- bis 16-Jährige“ auseinandergesetzt und konnte das Themengebiet während kleiner Fortbildungen erweitern. Ihre Urlaube hat sie schon immer gerne am Wasser verbracht und auch als Erzieherin nutzt sie jede Gelegenheit, die Kinder mit den Elementen experimentieren zu lassen.

Sebastian Schaf, geboren 1994 in Demin, machte eine Ausbildung zum Erzieher. Während seiner Ausbildung hat er sein großes Interesse an Kinderbüchern und das Illustrieren entdeckt. In Zusammenarbeit mit den Kindern seiner Einrichtung konnte er schon mit vielen gemeinsam an Werken arbeiten und die Kreativität fördern.

*

*

Tante Mathildas verzauberte Erbschaft

Kai stoppte seinen Roller und starrte mit offenen Mund auf die riesige Badewanne, die die Möbelpacker aus dem Lkw luden.

Auch Kais Vater schien fassungslos: „Was hat sich denn Tante Mathilda dabei gedacht? Warum hat sie uns so ein Monstrum vererbt? Das passt doch niemals in unser Badezimmer. Was, wenn sie durch die Decke kracht?“

Kais Mutter lachte nur: „Ach, du weißt doch, meine Tante war schon immer etwas speziell. Ich habe es als Kind geliebt, darin zu baden. Sicher hat sie sich daran erinnert.“

Kai hörte seinen Eltern nicht weiter zu. Er war näher an die Badewanne gefahren. Hatte gerade ein Platschen gehört. Er schaute in die Wanne, aber darin war kein Wasser.

Eine Stunde später stand die Badewanne im Bad. „Kann ich jetzt baden?“, fragte Kai.

„Untersteh dich. Wenn die voll Wasser ist, ist sie so schwer, dass sie durch die Decke kracht.“ Kais Vater murmelte etwas über verrückte Tanten und verschwand die Treppe hinunter.

Kai ließ vorsichtig die Hand über die glatte, cremefarbene Oberfläche der Wanne gleiten. Sie hatte glänzende Füße, die wie Tierkrallen aussahen. Der Wasserhahn hatte die Form eines Drachens – wie Wasserspeier an alten Kathedralen. Kai stellte sich vor, wie heißes Wasser aus dem Drachenmaul sprudelte. Er zuckte zusammen. Hatte der Drache ihm zugezwinkert? „Wie schade, dass wir sie nicht benutzen können, ich würde mich darin fühlen wie ein König.“

Seine Mutter zwinkerte ihm zu: „Ach, man kann nie wissen, was so passiert.“

Zwei Wochen später wurde Kai von einem plätschernden Geräusch geweckt. Er tapste ins Bad und staunte. Seine Mutter befüllte Tante Mathildas Wanne mit einem Eimer. „Mama, wenn Papa das erfährt.“

„Papa ist auf Kegeltour. Der wird gar nichts merken.“

„Und wenn die Wanne durch die Decke kracht?“

„Das passiert nicht. Das ist mein Elternhaus und schon meine Mutter hatte hier eine große Badewanne. Jetzt komm, sonst wird das Wasser kalt.“

Kai kletterte in die Wanne und schloss die Augen. Er liebte es, wie das warme Wasser seinen Körper umschloss. Hier fühlte er sich völlig schwerelos – wie in einem Pool.

„Dann mal bis später.“ Seine Mutter verließ das Badezimmer und Kai öffnete die Augen.

Das Wasser sah merkwürdig aus. Es war tiefblau und er konnte die Körperteile, die unter der Oberfläche waren, nicht sehen. Das musste der Badezusatz sein, den seine Mutter benutzt hatte. Kai schloss die Augen wieder. Er hörte Stimmengewirr, ein Lachen und leise Musik. Hatte seine Mutter den Fernseher angeschaltet? Nein, die Geräusche schienen aus der Tiefe der Wanne zu kommen. Er ließ langsam den Kopf unter die Wasseroberfläche gleiten, die Geräusche wurden sofort lauter. Vor ihm schwebte ein goldfischgroßes Wesen durch das Wasser, das aussah wie eine Meerjungfrau. Er folgte ihr mit dem Blick und traute seinen Augen kaum.

Am Boden der Wanne breitete sich eine Stadt aus. Unzählige kleine Häuser, dazwischen Schlingpflanzen und bunte Lichterketten. Die Musik kam von einem Platz in der Mitte. Dort schienen die Bewohner ein Fest zu feiern. Wuselige kleine Meermänner und -frauen schwebten anmutig umeinander herum.

Kai spürte Druck in seiner Brust. Er musste auftauchen und schnappte nach Luft. Er nahm ein paar tiefe Atemzüge und tauchte dann wieder unter, um sich das bunte Treiben anzuschauen. Er entdeckte Artisten, die Kunststücke vorführten, und Meerfrauen, die gemusterte Fische an der Leine spazieren führten. Meerkinder sausten auf kleinen Brettern, die wie Fischstäbchen aussahen, durch die Gegend.

Wieder und wieder tauchte Kai unter. Er konnte nicht genug von dieser Welt bekommen. Doch irgendetwas schien nicht zu stimmen. Die Farben wurden immer blasser, die Bewegungen der Meermenschen bei jedem Untertauchen langsamer. Kai zitterte. Das Wasser war inzwischen kalt. Er konnte seinen blauen Finger unter Wasser sehen. Es war wieder durchsichtig. Schnell streckte er den Kopf unter die Oberfläche, aber die Stadt und die Meermenschen waren verschwunden. Sie konnten scheinbar nur im warmen Wasser existieren. Er tauchte auf und sah seine Mutter vor der Wanne stehen.

„Komm raus, du Wassermann, du bist ja schon ganz schrumpelig.“ Traurig sah Kai dabei zu, wie seine Mutter das Wasser aus der Wanne schöppte. Ob die Essenz der Wesen in dem Wasser steckte? Nein, es musste an Tante Mathildas Badewanne liegen.

„Autsch, mein Zeh. So ein Mist. Morgen setz ich das verdammte Ding bei eBay rein.“ Kais Vater war wie fast jeden Morgen gegen die Badewanne gerannt.

Kais Herz zog sich zusammen. Es durfte nicht sein, dass sein Vater seine magische Welt einfach so an fremde Leute verkaufte. Doch sein Vater ließ sich nicht stoppen. Er fotografierte die Wanne von allen Seiten und gab eine Anzeige auf.

Nach einigen Tagen nahm Kai beim Essen seinen ganzen Mut zusammen und fragte: „Hast du einen Käufer für Mathildas Wanne gefunden?“

„Nein, wahrscheinlich ist dieses Monstrum den Leuten zu groß und zu schwer.“

Kai atmete auf, doch zwei Tage später rief sein Vater erfreut: „Ich habe jemand gefunden, der das Ding haben will. Er ist Bodybuilder und meint, er kann sie transportieren. Heute Abend kommt er vorbei.“

Während Kai am Abend mit Tränen in den Augen daneben stand, versuchten sein Vater und der bullige Bodybuilder, die Wanne aus dem Bad zu schieben. Obwohl beide schon einen hochroten Kopf hatten, hatten sie erst wenige Zentimeter geschafft.

„Ahhhh, oh nein, auaaaa!“

Kai schrak zusammen, als sein Vater aufschrie.

„Mein Rücken, ich glaube, ich habe einen Hexenschuss.“

Da der Vater sich nicht mehr bewegen konnte, musste der Bodybuilder wieder abziehen und versprach, am nächsten Tag mit seinen Kumpeln wiederzukommen.

Kai schaute seinen Vater an, der mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden saß. Seine Mutter streichelte dem Vater über die Wange. „Schatz, bei einem Hexenschuss hilft wirklich am besten ein heißes Bad.“

Es brauchte noch etwas an Überredung, aber schließlich stieg der Vater in Mathildas Badewanne. Kai lauschte im Flur. Nach einigen Minuten hörte er ein aufgeregtes Prusten und der Vater rief: „Da blas mir doch einer ’nen Schuh auf. Was ist denn das?“

Kais Mutter, die gerade vorbeiging, zwinkerte Kai zu.

Sie hörten Papa telefonieren, er sagte dem Bodybuilder ab. „Ist doch alles Quatsch!“, vernahmen sie.

Mit einem lauten Platsch war er unter Wasser getaucht und blubberte in weiser Fische-Geheim-Geheimsprache.

Vera Lörks: Ein verliebter Rasenmäherroboter, ein Gespenst mit Sehnsucht nach der Schweiz, eine gelangweilte Küchenmaschine und ein Wikinger, der auf einem Kreuzfahrtschiff gefangen gehalten wird – das sind die Figuren, die die Geschichten von Vera Lörks bevölkern. Die 1986 geborene Autorin und Lektorin lebt am Niederrhein und hat zahlreiche Bücher und Geschichten veröffentlicht. Mehr unter veraloerks.wordpress.com.

*

Die Abenteuer des Kapitän Schnurrbart

Kapitän Schnurrbart sah sich misstrauisch um. Noch war alles ruhig, viel zu ruhig. Sie durchquerten gefährliches Gewässer, aber das wusste nur er. Seine Freunde waren direkt hinter ihm, Rüdiger in seinem roten Boot und Emma folgte in ihrem kleinen, gelben. Er selbst steuerte seine große, grüne Rakete, das schnellste und wendigste Boot weit und breit. Kapitän Schnurrbart zählte leise die Gefahren auf, die auf ihrem Weg vor ihnen lagen. Es waren genau drei. Die erste Gefahr war nicht mehr weit entfernt, das konnte er in jeder Faser seines Körpers spüren. Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Das Wasser unten ihnen verfärbte sich … war das Rot? Nein, Pink! Das Wasser wurde plötzlich pink! Wuäh, Kapitän Schnurrbart hasste Pink!

„Wow, was ist denn jetzt los?“, kreischte Emma. „Das sieht aber schön aus!“

„Ist das Gift?“ Rüdiger hielt seine Nase über den Bootsrand nahe an das verfärbte Wasser. „Es riecht giftig.“

„Ich probiere das mal aus“, rief Emma vergnügt und bevor Kapitän Schnurrbart etwas dagegen tun konnte, sprang das Mädchen ins Wasser. Dort planschte es fröhlich umher.

„Alles in Ordnung!“, meinte Emma.

Das ließen sich die beiden anderen nicht zweimal sagen. Alle drei schwammen und spielten begeistert im pinken Wasser. Doch das Badevergnügen wurde jäh unterbrochen durch die Gefahr Nummer 1, die Kapitän Schnurrbart schon erwartet hatte.

Gefahr Nummer 1: Der magische Wasserfall.

Das Wasser prasselte plötzlich von oben auf sie herab. Die drei kletterten in ihre Boote und versuchten, zu fliehen. Aber der Wasserstrahl war zu stark. Rüdigers rotes Boot kenterte.

„Ahhh“, schrie er, als er aus seinem Boot fiel. „Hilfe!“

Kapitän Schnurrbart und Emma kämpften sich durch den Wasserfall. Sie konnten kaum etwas sehen. Wo war Rüdiger? War er unter Wasser gedrückt worden?

Emma fand ihn zuerst, hatte aber Schwierigkeiten, ihn in ihr Boot zu ziehen. Dann hatte sich auch Kapitän Schnurrbart zu seinen Freunden manövriert. Gemeinsam schafften sie es, Rüdiger aus dem Wasser in Emmas Boot zu ziehen. Langsam zog der magische Wasserfall weiter.

„Puh, das war knapp!“, stöhnte Emma. Gemeinsam drehten sie das rote Boot wieder richtig herum und halfen Rüdiger hinein.

„Leute, das war Gefahr Nummer 1 auf unserem Weg!“, meinte der Kapitän.

„Was, wie viele gibt es denn noch?“, fragte Rüdiger entsetzt.

„Noch zwei!“, antwortete Schnurrbart und ignorierte Rüdigers Aufschrei. Der Kapitän hatte etwas bemerkt. Konzentriert beobachtete er das Wasser. Da! Wellen! Das Wasser wurde unruhig und starke Wellen ließen die Boote der drei Abenteurer hin und her tanzen. Und dann sah der Kapitän etwas, das seinen ganzen Körper erstarren ließ! Einen riesigen Arm!

Gefahr Nummer 2: Das haarlose Ungeheuer.

Alle drei kreischten, so laut sie konnten, auf! Ein Monster! Ein Ungeheuer! Ein Riese! Die Boote wurden durch das Wasser geschleudert, sie hatten Schwierigkeiten, sich festzuhalten. Das Ungeheuer war unfassbar groß, hatte einen runden, fast haarlosen Kopf und Sabber lief aus seinem Mund. Es grapschte mit seinen Riesenhänden nach den Booten. Emma konnte gerade noch entwischen, auch Rüdigers schnelles Wendemanöver rettete ihn in letzter Sekunde vor der grapschenden Pranke. Die grüne Rakete des Kapitäns steuerte flink durch die dicken Beine des Monsters. Doch dann erschien ein Riesenarm direkt vor ihm. Schaffte er es vorbei? Der Kapitän lenkte nach links, aber zu spät. Die Hand schnappte ihn und zog ihm mitsamt seinem Bootes aus dem Wasser.

„Es hat mich erwischt!“, schrie der Kapitän angsterfüllt auf. Das Ungeheuer zog ihn aus seiner Rakete und ließ diese ins Wasser zurückfallen. Dann führte es seine Hand mit dem Kapitän zu seinem Gesicht zu seinem geöffneten Maul. „Es will mich fressen!“, kreischte der Kapitän. „Hilfe! So helft mir doch!“

Emma und Rüdiger konnten nur hilflos zusehen! Das Ungeheuer war viel zu groß, sie hatten keine Chance, auch nur in die Nähe des Kopfes zu kommen.

„Was sollen wir nur tun?“, jammerte Rüdiger und sah verzweifelt zu, wie das Monster den Kapitän in den Mund nahm.

Dann überschlugen sich die Ereignisse. Ausgerechnet in diesem Moment erreichte sie die Gefahr Nummer drei!

Gefahr Nummer 3: Der alles verschlingende Strudel.

„Schluss für heute!“, ertönte eine helle Stimme von oben.

Dann erfasste der Strudel Emma und Rüdiger und wirbelte sie herum. Das Wasser wurde weniger und weniger, der Strudel nahm alles in sich auf, schluckte alles, was in seine Nähe kam.

„Neeeeiiin“, rief Emma entsetzt, als sie das dunkle Loch sah, in das sie hineingezogen wurde.

„Doch dann kam eine gute Fee und rettete die beiden aus dem Abfluss!“, meinte die Stimme von oben.

„Och, Mama!“ Max starrte die Frau an, die die beiden Playmobil-Figuren aus dem Abfluss zog, dem alles verschlingenden Strudel.

„Müssen wir wirklich schon aus der Badewanne?“

„Ja, ihr seid schon ewig da drin.“ Die Frau nahm das Baby aus der Halterung in der Badewanne und wickelte das kleine Mädchen in ein weiches Handtuch.

„Na, versucht du wieder, Maxis Spielsachen zu essen?“, lächelte sie, zog ihrer Tochter die Kapitänsfigur aus dem Mund und überreichte sie Max.

„Ihh, voller Sabber!“, stöhnte Max und stellte den Duschkopf an. „Du musst leider noch mal unter den magischen Wasserfall, Kapitän Schnurrbart!“

„Du und deine Geschichten“, meinte die Mama und lächelte ihren Sohn an. „Die musst du unbedingt mal aufschreiben!“

Claudia Gers ist vierzig Jahre alt, Diplombiologin, und wohnt mit ihrer Familie in Wassenberg, NRW. Neben ihrem Vollzeitjob und den zwei kleinen Töchtern halten sie noch ihre zwei Hunde, ein frecher Kater und die Schildkröten auf Trab. In ihrer (sehr geringen) Freizeit widmet sie sich ganz ihrer Fantasie und verfasst gerne Kurzgeschichten und Kinderbücher.

*

„Plitsch-Platsch“ Schreck lass nach!

Vorfreudig lasse ich mir ein Bad ein,

lass den lieben Gott ’nen guten Mann sein,

gebe duftendes Badesalz hinzu,

stimme mich ein auf wohlverdiente Ruh,

gleite sanft ins Badewasser hinein

tauche sodann so tief wie möglich ein.

Ich fühle mich entspannt und geborgen,

schalte ab, mich kümmert nicht das Morgen,

genieße die Zeit, frei vom Online-Chat,

stelle einen Kelch Wein aufs Wannenbrett,

nehme genüsslich ein paar Schlucke Wein,

wie schön es doch ist ganz mit mir allein.

Vom grauen Alltag bin ich schon weit weg,

doch dann fährt mir in die Glieder der Schreck,

eh ich mich versehe macht es plitsch-platsch,

meine beiden Katzen sind pitschenass,

das Glas mit dem Rotwein plumpst ins Wasser

Bodenfliesen werden nass und nasser.

Katzen strampeln wie wild um ihr Leben,

in der Wanne entsteht ein Seebeben,

entsetzt steig ich aus der Wanne heraus,

was mir derzeit widerfährt ist ein Graus,

ich fische aus dem Wasser die Katzen,

zum Dank sie meine Hände zerkratzen.

Mit einem Handtuch trockne ich sie ab,

danach ich Kratzer auch an Armen hab,

als ich den Föhn zum Einsatz bringen will,

halten meine Katzen erst recht nicht still,

geschickt sie sich meinem Griff entwinden,

schnell wie der Wind unterm Bett verschwinden.

Mit Pflaster versorg ich meine Wunden,

liege schlaflos im Bett viele Stunden,

Stresshormone schäumen in meinem Blut

nur ganz allmählich ebbt ab meine Wut,

endlich fall ich in Schlaf und träume dann

von ’nem Bad, das ich voll genießen kann.

Ingrid Baumgart-Fütterer

*

Als Berta wieder lächeln konnte

Es war einmal eine Badewanne. Ihr Name war Berta. Sie stand mit ihrem Freund Otto, dem Badeofen, im Badezimmer der Familie Krüger. Beide waren schon viele Jahre alt, was man ihnen auch ansah. Das Wanneninnere von Berta war grau und hatte Flecken. Auch Otto sah man sein Alter an. Rund um die Ofentür war es schwarz eingebrannt und an einigen Stellen war die Emaille abgeplatzt. Berta und Otto waren sehr traurig. Sie fühlten sich nutzlos, da schon monatelang, vielleicht auch Jahre, niemand mehr das Badezimmer betreten hatte. Und so fragten sich beide, warum dies so war, und grübelten über den Sinn ihres Daseins nach.

Einmal fragte Berta: „Otto, kannst du dich noch erinnern, wie Frau Krüger dich jeden Sonnabend eingeheizt hat?“

„O ja, das kann ich. Dann wurde es mir so warm im Herzen. Richtig wohl habe ich mich gefühlt, wenn das Wasser nach und nach heiß wurde.“

„Ja, und ich freute mich darauf, wenn dein warmes Wasser mich aufwärmte“, erinnerte sich die Badewanne. „Ich freute mich, wenn Frau Krügers Enkel in mir badete und mit seinem Segelboot spielte. Da war er immer ein Pirat. Das machte uns beiden Spaß“, träumte Berta weiter.

„Und wenn dann seine Oma hereinkam, schimpfte sie, weil das ganze Bad unter Wasser stand“, sagte Otto lachend.

„Es war auch angenehm, wenn Frau Krüger mich geschrubbt hat. Auf die Massage habe ich mich immer gefreut“, fügte die Badewanne an.

„Das waren noch Zeiten. Jetzt stehen wir herum und dienen zu nichts mehr. Wir werden nicht mehr gebraucht“, seufzte der Badeofen.

Und so hing ein jeder seinen Gedanken nach.

Eines Tages war Lärm zu hören. Es polterte und schepperte im Haus. Berta und Otto erwachten aus ihren Träumen und fragten sich, was jetzt los sei. Bei diesen Gedanken ging die Badtür auf und zwei Männer betraten den Raum. Sie schauten sich um, nahmen aus einer Tasche Werkzeug und fingen an, am Waschbecken zu hantieren. Plötzlich krachte es. Das Becken schlug auf dem Boden auf und zerbrach. Das schien aber die Handwerker nicht zu stören. Sie sammelten die Bruchstücke auf und trugen sie hinaus. Danach schraubten sie die Toiletten ab. Danach demontierten die Männer Otto und brachten die einzelnen Teile fort.

Berta war innerlich aufgeregt und fragte sich, was jetzt mit ihr geschehen würde. Die Handwerker kamen zurück und begannen, den Abfluss der Badewanne zu entfernen. Dann nahmen sie Berta und trugen sie ins Freie, wo sie sie absetzten. Berta schaute sich um und sah, dass Otto auf einem Berg von Schutt lag. Das schmerzte Berta ungemein.

Erneut wurde sie aufgehoben. Berta dachte, dass sie jetzt auch auf den Schuttberg gebracht würde. Aber das war ein Irrtum. Die Männer stellten sie in einem düsteren Schuppen ab.

Da stand sie nun schon wochenlang und keiner kümmerte sich um sie. In ihr wurden Autoreifen und anders Gerümpel abgeladen. Sie trug schwer daran.

Eines Tages, es war heiß und stickig, kam ein kleiner Junge in den Schuppen und kramte in allen Ecken herum. Als er die Badewanne sah, blieb er vor ihr stehen und schien zu überlegen. Plötzlich rief er: „Papa, komm doch bitte mal her.“

Ein Mann betrat den Schuppen und fragte: „Tim, was gibt es denn?“

„Schau mal. Da steht eine alte Wanne. Können wir sie nicht auf die Wiese stellen und mit Wasser füllen. Es ist so warm, da könnte ich baden und mit meinen Schiffchen spielen. Das würde mir Spaß machen“, sagte der Junge.

Sein Vater überlegte und meinte: „Da hast du recht. Das könnten wir machen, dann hast du dein eigenes Swimmingpool.“

„Au fein“, freute sich der Knabe.

Kurze Zeit später kam Tim mit seinem Vater und einem großen Jungen zurück. Sie räumten die Wanne aus und trugen Berta hinaus auf die Wiese. Danach montierte Tims Papa einen Abfluss an die Wanne, damit das Wasser später ablaufen konnte. Tim nahm einen Wasserschlauch und füllte Berta damit. Sie schüttelte sich, da das Wasser kalt war, was sie nicht gewohnt war. Als die Wanne voll war, kam Tim mit seinem Schiffchen und ließ es auf dem Wasser schwimmen.

Plötzlich kam eine dunkle Gestalt angerannt und sprang in die Badewanne, sodass es nur so spritzte. Es war Bodo, der Hund der Familie. Dieser verließ gleich wieder die Wanne und schüttelte sein Fell aus. Dabei spritze er alles in seiner Umgebung nass. Alle lachten und schellten Bodo.

Seit diesem Tag war Berta wieder fröhlich. Ihr Leben hatte wieder einen Sinn, sie wurde nämlich gebraucht. Auch wenn sie nicht mehr in einem Badezimmer stand, so freute sie sich doch, wenn Tim in ihr planschte und seinen Spaß hatte.

Aber wenn es abends dunkel war, dachte sie oft an ihren Freund Otto. Früher hatten sie gemeinsam im Bad gestanden und heute lag er ohne Nutzen im Schrott. Berta sagte sich: „Trotz allem werde ich ihn niemals vergessen.“

Dieter Geißler, geboren 1954 in Weimar, Ausbildung zum Koch, danach Studium an der Fachschule für Gaststätten- und Hotelwesen Leipzig. Arbeitete als Küchenleiter in Großküchen, später Produktionsleiter in der Schulspeisung. Heute lebt der Rentner in Frankenheim, in der „Hohen Rhön“. Durch eine Krankheit kam er mit 57 Jahren zum Schreiben. Er verfasst Gedichte und Kindergeschichten. In verschiedenen Verlagen wurden von ihm Gedichte, Kindergeschichten Anekdoten veröffentlicht.

*

Badetag mit Nele

Nein, Nele will heut’ nicht ins Badewasser,

gibt Widerworte und sich sträubt und windet,

obwohl sonst gern sie’s hat als Fratz, als nasser,

wenn dann ein jeder sie entzückend findet.

Die Wanne läuft inzwischen langsam voll.

Das Wasser schäumt, ist warm und duftet fein.

Und Vati weiß nicht, was er tun noch soll.

Das Töchterchen will einfach nicht hinein.

Ein Glück, dass Mutti früh genug noch kommt

und das so sehr vermisste Spielzeug bringt.

Die Kleine ändert ihre Meinung prompt,

zieht flink sich aus und in die Wanne springt.

Ihr Badeentchen drückt die liebe Nele.

Ach, seht sie an, ein Herz und eine Seele!

Wolfgang Rödig lebt in Mitterfels. Er hat seit 2003 mehr als 600 belletristische Kurztexte in Anthologien, Literaturzeitschriften und Tageszeitungen veröffentlicht

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Brüderliche Seefahrt

Zwei Kapitäne steuern ein Boot. Abwechselnd leiten es die Hände von Lukas und Tom vorbei an Schaumhügeln, Gebirgen aus Seifenblasen, die in Regenbogenfarben schillern. Dann und wann läuft das Unterdeck voll mit Wasser und das Schiff muss von einem der beiden Jungs an Land gehoben werden. Entleert von der Schwere dieser Wassermassen, setzt das Boot seine Reise bald fort durch Kanäle, die der Seifenschaum und die angewinkelten Beine von Lukas und Tom vorgeben. Sie lassen das Schiff ziehen, bloß untergehen darf es nicht, dagegen arbeiten sie strikt an, das wollen sie mit allen in ihrer Macht stehenden Mitteln vermeiden. Lukas und Tom, die Herren der Ozeane. Kapitäne wie sie haben nun mal die Pflicht, ihren Dampfer gegen sämtliche Untergangsdrohungen heil in den Hafen zu lotsen. Sie steuern den … Dampfer.

Tom stellt ausdrücklich klar: „Das ist kein Boot oder ein normales Schiff, das hier ist ein Dampfer, der Eroberer der Weltmeere.“

Böse Zungen würden bei dem Dampfer schlicht von einem undichten Gegenstand aus Kunststoff sprechen. Von einem Schiffchen, das in einer Badewanne schippert, das ständig durch einen unvorhergesehenen Spalt vollläuft. Die Brüder verdrängen solche Gedanken. Verdrängen? Keine Sekunde zweifeln sie an der Realität ihrer Fantasie.

Lukas stimmt in Toms Jubel ein: „Jawohl, ein Dampfer, nichts anderes. Das ist es, das ist er. Wie du sagtest, der Eroberer der Weltmeere.“ Ein regelrechter Gigant, der da auf der Oberfläche des Badewassers tanzt, durchbewegt von sachten Wellen, die ausgelöst werden von den agilen Unterschenkeln der Jungs. Zwischenzeitlich lässt Tom warmes Wasser nach. Der senkrecht herabstürzende Strahl klingt nach einer Mahnung. Und sieht in seiner strikten Linie in die Tiefe auch so aus.

Ist der Dampfer dem Untergang geweiht?

„Dem Untergang geweiht.“ Derartige von Schauspielern gesprochene Sätze sind Tom vertraut. Von Klassenkollegen werden sie häufig zusammenhangslos zitiert und Tom nimmt sie nach Schulschluss mit nach Hause. Gerade kommt er ins Grübeln, gerade deshalb versucht er, mehr sich selbst als Lukas Mut einzureden.

„Wir sind wahre Kapitäne“, beteuert Tom in einer Tonlage, die unbedingt überzeugen will.

Lukas quittiert mit einem eindringlichen Nicken, er fügt hinzu: „Wenn wir nicht, wer dann?“

Während sie im wohlig lauen Wasser unter dem austropfenden Hahn sitzen, den Dampfer hin und wieder an Land auskippen, damit er nicht untergeht, kommt Tom eine Idee. Er mustert die inzwischen sehr vereinzelten Schaumberge und spricht, als spräche er in der Aula seiner Schule zu einer gewaltigen Menge an Schülern: „Warum schreiben wir nicht einfach an die Seitenränder der Wanne? Platz wäre dort, Stifte habe ich aus dem Wohnzimmer mitgenommen. Interessante Fakten fallen uns gewiss ein: Geschwindigkeit in Knoten, Höhe des Wellengangs, der Pegel des Wasserstands, der Kram eben, den auch Kapitäne in ihren Büchern verankern. Verankern, sage ich, hörst du, haha, ist der nicht gut?“

Lukas erwidert, ohne nachzudenken: „Respekt. Klasse Einfall. Was du spontan aus deinem Gedächtnis schüttelst … Manchmal bist du genial.“ Seinem Bruder Tom das einzugestehen, sicher keine leichte Aufgabe.

Lukas verstummt, seine Augen ruhen auf den Gesichtszügen des in Redefluss gekommenen Bruders: „Schwarze Stifte auf weißer Wanne. Deutlichere Signale können wir kaum senden. Überleg doch. Wir kommunizieren wie waschechte Seebären.“

Rasch verständigen sie sich, die Badewannenseiten mit Schriftzügen zu verschnörkeln. Der Dampfer schaukelt, von Brandungen des schwappenden Wassers wird er gerüttelt. Wer also erledigt was? Ein Plan muss her. Wer rettet im Fall des Falles den Dampfer vor seinem endgültigen Versinken, wer diktiert und wer notiert die Daten? Eine nervliche Zerreißprobe, doch die Entscheidung naht.

Tom wird der Schreiber. Auf den rutschigen Grund der seitlichen Badewannenwände kritzelt er Zahlen und Buchstaben, die ihm Lukas zuruft. Stets fragt der nach: „Guter Tom, hast du alles aufgeschrieben? Oder muss ich mich wiederholen?“

Sie treiben ihr Unternehmen voran. Fast nirgends noch ein freier Fleck an den Rändern, die Uferlandschaft ist übersät von schwer entzifferbaren Hieroglyphen. Die handgeschriebenen Informationen entwickeln allmählich ein abenteuerliches Eigenleben. Im Anschluss durchrennen die Pupillen der beiden Jungs den Parcours aus schwarzen Tupfern, Bögen und Geraden.

Abermals fixiert Lukas Tom. Tom tut es ihm gleich. Auch er heftet seine Blicke auf den Bruder. Ihre untereinander ausgetauschten Blicke lassen den Stolz auf das weitverzweigte Gebilde lediglich annähernd ermessen. Tom ergänzt letzte Silben, zieht manch unleserliche Ziffer nach, Lukas hält den Dampfer auf Kurs und klopft seinem jüngeren Bruder auf die Schulter: „Einsen wirst du für deine Schrift nie erhalten, aber das tut nichts zur Sache. Kapitäne, hat Papa einmal gesagt, haben eine Klaue wie Ärzte, darum verdient deine Art, zu schreiben, Applaus.“

Achtung, die Reling des Dampfers hängt nur noch knapp über dem Wasserspiegel! Mit vereinten Kräften richten sie ihr Prachtstück wieder auf. Das Wasser gurgelt.

„Auch robuste Kapitäne müssen irgendwann ihren Feierabend antreten“, grölt Lukas, nachdem er bereits den Gummistöpsel gezogen hat. „Wäre ja gelacht, wenn wir morgen nicht da anknüpfen könnten, wo wir heute aufgehört haben.“

Als die Wanne zum Trockenbecken geworden ist, sitzen sie, bibbern und frieren. Wird ihre Hoffnung bestätigt? Werden sie von der hereinstürmenden Mutter mit frischer Kleidung auf den Armen Lob einheimsen? Immerhin haben die Brüder, das muss man ihnen zugutehalten, nach bestem Wissen ihrer Schifffahrtskunde protokolliert.

Wie sollen sie reagieren, falls Mutter erpicht ist, jene Belege an den Wannenseiten zu entfernen? Sind die Lippen der Mutter etwa vor Begeisterung geöffnet? Welche sonstigen Regungen lassen ihre Schneidezähne aufblitzen?

Sie ringt um Fassung, doch hört man der Brüchigkeit ihrer einsetzenden Stimme bei jedem zweiten Wort inneren Aufruhr heraus: „Meine Güte, Tom, ach mächtiger Gott, Lukas.“

Tom, ernstlich verblüfft, schaltet sich ein: „Was ist verkehrt? Die Stifte vom letztjährigen Christkind sind wasserlöslich.“

„Lieber Tom, guck auf die Verschlusskappe …“

Kurzes Schweigen, dann Einsicht: „Oh. Mist. Da hab ich mich vergriffen.“

„Die wasserlöslichen Stifte lagern in der separaten Box unmittelbar daneben. Bitte keine Ausreden, sie ist beschriftet.“

Lukas prustet zuerst, Tom gelingt für die Dauer eines winzigen Moments, seinen Lachanfall mit einem Gähnen zu kaschieren. Dann bricht es auch aus ihm heraus.

Mutter schrubbt. Durch die kichernden und gackernden Jungs reckt sie am langen Arm ein Tuch nach dem Geschriebenen. „Keine Chance“, meint sie, „das geht nicht ab.“

„Was für ein Glück, dass Papa ausgerechnet vorletzte Woche bei einer Sanitärfirma angefangen hat zu arbeiten.“

Auch wenn der Mutter ihr eigenes unverhohlenes Gelächter auf Toms simple Antwort deplatziert vorkommt, alle Bemühungen sind vergebens, sie kann es nicht unterbinden.

Der Dampfer liegt mittlerweile gekentert im Zentrum der nackten Jungs. Trotz ihrer Unachtsamkeit entsteht keinerlei Seenot. Wie sollten Passagiere in dem auf Nullstand zurückgesunkenen Meer ertrinken? Lediglich noch von einem dünnen Film aus Wasser ist der Wannenboden bedeckt. Der Ozean aus Badewasser wird möglicherweise schon morgen in eine neue Wanne einlaufen. Allein an Papa liegt es, wann er sie herbeischafft …

Oliver Fahnwurde 1980 in Pfaffenhofen an der Ilm im Herzen Oberbayerns geboren. Der Heilerziehungspfleger lebt bis heute zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in der Kreisstadt. Fahn veröffentlicht regelmäßig Beiträge in Kulturmagazinen und verfasst Texte für Anthologien.

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Volle Fahrt voraus

„Ach, du meine Güte“, rief Sausewind,

„ich muss die Segel hissen geschwind“.

Dichter Nebel kam auf

und alles nahm seinen Lauf.

Es pustete, tobte und staubte,

dem Kapitän die Sicht raubte.

Wollte er gerade trinken seinen Tee,

zogen schwarze Wolken über die See,

überschatteten die Mondsichel.

Etwas traf ihn wie ein Stichel.

Er schlug die Hände über’n Kopf.

Etwas Entsetzliches packte ihn am Schopf.

Es hob ihn hoch, er baumelte in der Luft.

„So ein Lümmel, so ein Schuft“,

rief Sausewind empört.

„Das ist ja unerhört!“

Es sollte noch schlimmer kommen,

und davon war er ganz benommen.

Die See ist für alle da, in allen Ehren.

Aber hierüber darf man sich beschweren!

Ein riesiges Seeungeheuer pustete ihm eine,

nach Fischbrötchen riechende, gar nicht feine,

riesengroße Mundgeruchwolke entgegen.

Und das war alles andere als ein Segen!

Kapitän Sausewind wurde ein wenig schlecht,

und er rief: „Ich glaube das nicht so recht!“

Sah er nun, was ihn Ungeheuerliches packte,

Sausewind sehr aufgeregt nach Luft schnappte.

Das Seeungeheuer hatte eine rote Mähne,

große Pranken und dazu noch spitze Zähne.

Es hatte ein riesiges Maul wie ein Grünschnabel,

der nur essen kann mit Bauer Janßens Ackergabel.

Und es war furchterregend grün-gelb-violett!

Doch Moment mal? War es nicht komplett?

An ihm hing herunter schleimiger Schleim!

Doch was sah Sausewind nun? Es fehlte ein Bein!

Der Kapitän rieb sich die Augen und atmete auf.

„Ach, dieses Ungeheuer ist vielleicht gar nicht so mies drauf“,

sagte er sich und bekam seine Furcht wieder in den Griff.

Er wünschte sich dennoch zurück auf sein sich’res Schiff.

„Ach“, seufzte das Ungeheuer, „auch du hast keine Angst vor mir,

bin ich gar kein furchterregendes, angsteinflößendes Seeungetier?“

Es fiel zusammen und neigte sein Haupt ganz traurig.

Es weinte und jammerte: „Niemandem ist schaurig.

Ach, hätte ich doch nur alle acht Beine,

dann fühlte sich das eine nicht so alleine.

Mit nur sieben Beinen bin ich nicht richtig gefährlich.

So ist mein Talent als Ungeheuer nur sehr spärlich.“

„Ach“, bedauerte Kapitän Sausewind, „es tut mir leid,

dass Ihr ein Meeresungeheuer mit nur sieben Beinen seid,

denn Seeungeheuer, so habe ich es in der Schule gelernt,

ich bin sehr alt, aber erinn’re mich so ganz entfernt,

müssen doch riesengroß und ungeheuerlich sein,

furchterregend, laut, angsteinflößend und gemein,

denn sonst gäbe es ja keine Seeungeheuergeschichten,

und das wäre ja schlecht fürs Seemannsgarn dichten!“

„So wahr ich in Euren Klauen hänge,

Euch zu mehr Aufmunterung dränge:

Wir werden Euer Bein suchen in allen Ozeanen.

Mit meiner Seekarte werden wir die Suche planen.

Einen Kompass habe ich auch und ein Fernglas.

Und als Proviant haben wir Matjes im Übermaß.

Wir werden herausfinden, wo dein Bein ist,

und wenn du dann wieder vollständig bist,

gibt es auch wieder Gerüchte über ein Seeungeheuer,

vor dem sich jeder fürchtet, ja, wie ein Wasserscheuer!

Du wirst uns alle wieder erschrecken

und viele Meeresstreiche aushecken!“

Du, mein allerliebstes Badewannenspielzeugabenteuer,

mein schreckliches, grünes, schleimiges Seeungeheuer!

„Wir haben großen Spaß,

Ach…tung: Wir geben Gas!“

Das Seeungeheuer tauchte auf den Grund,

war es doch ansonsten superkerngesund.

Und als es wieder hochkam, hatte es ein Seil im Maul,

spannte es um das Boot herum und zog es wie ein Gaul.

Kapitän Sausewind holte das Fernglas aus der Kajüte.

„Doch nicht gar so schnell“, rief er, „ach, du meine Güte!“

Und weiter ging die Suche, volle Fahrt voraus,

am Badeschaumberg vorbei, immer geradeaus,

mitten durch den Badewannensee,

denn Kapitän Sausewind hatte eine Idee

wo sie finden könnten das verlor’ne Bein.

Bestimmt würde es im Bermudadreieck sein …

Bianca Buchmannlebt in Oldenburg. Sie macht gerne lange Spaziergänge an der Nordsee, beobachtet die Möwen und denkt sich dabei Geschichten wie diese aus. Wieder zu Hause, schreibt und malt sie die Ideen auf, damit sie sie nicht wieder vergisst. Mut und Humor sind ihre wichtigsten Zutaten. Sie hat schon einige Geschichten in verschiedenen Anthologien des Papierfresserchens MTM-Verlags veröffentlicht.

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---ENDE DER LESEPROBE---