Europäischer Klimaplan - Jonas Beer - E-Book

Europäischer Klimaplan E-Book

Jonas Beer

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Beschreibung

Artensterben und Klimawandel sind die größten und drängendsten Probleme unserer Zeit. Beide Phänomene werden das Leben der Menschheit fundamental verändern und Wohlstand, Gesundheit und Möglichkeiten zukünftiger Generationen massiv beeinträchtigen – es sei denn, es gelingt uns, aus der Spirale immer weiter steigender CO2-Emissionen und aus dem Niedergang der Biodiversität auszubrechen. Dieses Buch will Wege aufzeigen, wie dem Klimawandel und dem Artensterben entgegengewirkt werden kann. Der Autor stellt ein von ihm entwickeltes stabiles Preissystem für den Emissionshandel vor, das die Folgen des Klimawandels und des Artensterbens berücksichtigt. Weitere riesige Chancen bieten der Einsatz von Stammzellen, Vertical Farming und Insekten-Farming. Sie zeigen: Die Lösungen für die Menschheit stehen längst bereit, es braucht nur ein Umdenken in gewissen Bereichen und eine konsequente Umsetzung. Jonas Beer stellt die Schlüsselbausteine zur Lösung des Klimawandels und des Artensterbens vor, zeigt auf, wie ein Weg in eine nachhaltige Zukunft gelingen kann, und präsentiert konkrete Ideen, was jeder Einzelne von uns verändern kann, um die Welt nachhaltiger zu machen.

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Seitenzahl: 194

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JONAS BEER

EUROPÄISCHER KLIMA PLAN

Mit konkreten Lösungen zurück ins Gleichgewicht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtiger Hinweis

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

1. Auflage 2022

© 2022 by Finanzbuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Ulrike Kroneck

Korrektorat: Silvia Kinkel

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildung: Shutterstock.com/DOERS

Satz: Satzwerk Huber, Germering

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-627-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-98609-189-7

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98609-190-3

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Einleitung

1. Klimawandel

2. Der Niedergang der Biodiversität

Was bedeutet eigentlich Biodiversität?

Fakten zur genetischen Vielfalt

Fakten zur Artenvielfalt

Fakten über Ökosysteme

3. Bestandsaufnahme – der Realität ins Auge sehen

Der IPCC-Bericht – Vergangenheit und Gegenwart

Charakteristik Klimawandel

Der IPCC-Bericht – Zukunft

IPBES – Wie steht es um die Biodiversität?

Klimawandel und Biodiversität

4. Wie wir dem Klimawandel begegnen können

Die richtige Mitte finden zwischen den beiden Extremen

Die Natur des CO2-Ausstoßes

Die Geschichte des EU-ETS

Vom Emissionshandel zum Erdtemperierungshandel

Emissionszertifikate werden zu Erwärmungszertifikaten

Eine neue Institution schaffen – die europäische Klimabank

Warum ein Mindestpreis so wichtig ist

Die soziale Frage und die Frage der Klimaförderung

Stromvorreiter Dänemark

5. Systemlösungen für die Biodiversitätskrise

Die Umsetzung

Der Geldfluss und die Umverteilung

Die Europäische Biodiversitätsbank – eine notwendige institutionelle Lösung

Was ist die Intention des Lebenserhaltungshandels?

6. Konkrete Lösungen für die Biodiversität

Lebensmittel retten

Vertical Farming

Aquaponics

Hydroponics und Aeroponics

Stammzellen – ein effektiver Weg zum Lebensmittel

7. Veränderung der Betrachtungsweise – Wachstum ohne materielles Wachstum

Druck, der auf dem Individuum lastet

Deutsche Parteien und ihr Eigeninteresse am Klima- und Biodiversitätsschutz

Die Steuer als Teil des Emissionshandels

8. Wie wir bessere nachhaltige Entscheidungen treffen

System und Entscheidungstools in Zeiten von Klimawandel und Artensterben

Der Feedbackloop

Kritische Masse und Klimakipppunkte

Sicherheitsmarge

Denken in Wahrscheinlichkeiten

Inversion

Thermodynamik

9. Was jeder von uns tun kann

Dein Stimmzettel für die Zukunft

Danksagung

Anmerkungen

Prinz William1

Einleitung

Die Menschheit steht zurzeit vor zwei großen Herausforderungen. Die eine ist der Klimawandel, die andere der Verlust der Biodiversität. Um den Temperaturanstieg zu beenden, benötigen wir ein nie dagewesenes Maß an Wandel in fast allen Bereichen unseres Lebens. Es verändert, wie Bill Gates es zusammenfasste, wie wir Strom produzieren, wie wir bauen, wie wir essen, wie wir heizen und wie wir uns fortbewegen.2 Es geht darum, Verantwortung für unseren Lebensstil zu übernehmen und unsere Lebensgrundlage zu schützen. In diesem Buch soll es speziell um die europäische Verantwortung gehen. Wir Europäer haben das fossile Zeitalter eingeleitet und haben deshalb eine besondere historische Verantwortung dafür, es zu beenden. Doch wie können wir die Erde beschützen?

Stell dir vor, es gäbe zwei Erden und zwischen diesen beiden Erden eine Schlucht. Über diese Schlucht führt eine Zuglinie. Die Erde auf der linken Seite fängt langsam Feuer und heizt sich immer weiter auf. Stück für Stück müssen die Bewohner über die Eisenbahnbrücke auf die andere Seite gelangen. Kein Bewohner kann für immer auf der linken Erde bleiben. Auf der anderen Seite wartet eine Erde im Gleichgewicht. Stell dir nun vor, du wärest dafür verantwortlich, diese Brücke zu bauen. Du willst deine Lieben, deine Mitmenschen und dich auf die andere Seite bringen. Wie wirst du die Brücke bauen? Wie stellst du sicher, dass die Brücke hält und die ganze Menschheit über die Brücke fahren kann? Wie gehst du damit um, dass du nur eine einzige Chance hast, die Brücke richtig zu bauen?

In diesem Buch soll es zuerst um die Ursachen dafür gehen, warum die Erde brennt, um die Ursachen für den Klimawandel und den Verlust der Biodiversität. Als Nächstes folgt die aktuelle Bestandsaufnahme. Dann geht es um konkrete Wege zur Lösung der Probleme. Der Weg, den Klimawandel zu bewältigen, führt über die richtige Bepreisung der Treibhausgase und die Grenzen, die wir Menschen setzen müssen. Um den Verlust der Biodiversität zu stoppen, brauchen wir vor allem eines: Platz. Mehr Platz für die Natur. Zuerst geht es um den von mir neu entwickelten »Lebenserhaltungshandel«, der den Konsum auf ressourcensparende Lebensmittel lenken soll. Anschließend geht es um Anbauarten, die großen Ressourcenersparnisse versprechen. Danach behandelt ein Kapitel die Änderung der Betrachtungsweisen. Ziel ist es, hinderliche gesellschaftliche Strukturen in förderliche zu verwandeln. Bei dieser Betrachtung bleibt auch das Hinterfragen des Wachstumsparadigmas nicht aus. Ungesundes Wachstum kann die Erde aus dem Gleichgewicht bringen. Einen generellen Wachstumsstopp braucht es aber nicht. Wichtiger ist es, zwischen materiellem und immateriellem Wachstum zu unterscheiden. Absolute Grenzen können dabei helfen, Rebound-Effekte zu vermeiden. Danach geht es um Entscheidungswerkzeuge, die dabei helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. Zum Schluss wird beleuchtet, was jeder von uns tun kann.

1. Klimawandel

Warum erwärmt sich die Erde und wieso dürfen wir keine Treibhausgase mehr emittieren? Bis Mitte des 18. Jahrhunderts war der Kohlenstoffkreislauf auf der Erde im Gleichgewicht.

Die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre lag 1750 bei circa 280 Teilen pro Million (ppm). Heute liegt sie bei über 400 ppm. Die Kohlenstoffemissionen entsprachen in etwa dem, was Pflanzen und andere organische Stoffe absorbiert haben. Dann haben Menschen begonnen, CO2 durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen auszustoßen. Dieses CO2 wurde durch abgestorbene Pflanzen und durch den Druck verschiedener Erdschichten in Öl, Kohle und Gas umgewandelt. Laut Bill Gates füllen wir seitdem jedes Jahr unsere Badewanne mit mehr CO2e4.

Definition CO2e

CO2e ist eine Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase. Durch diese CO2-Äquivalenz kann man die Treibhausgase besser vergleichen und auf eine Kennzahl reduzieren.

Das steigende Wasser in der Badewanne führt zu einem Temperaturanstieg. CO2e fängt Energie der Lichtwellen ein und sorgt dafür, dass die Energie in Form von Wärme lange auf unserer Erde bleibt. Mit lange ist sehr lange gemeint, das heißt, dass beispielsweise 20 Prozent der CO2-Emissionen in 10.000 Jahren immer noch auf der Erde sein werden.

Aber wie fängt CO2e Wärme ein? Moleküle bewegen sich, und die Temperatur gibt an, wie schnell sie sich bewegen. Wenn nun bestimmte Moleküle wie CO2 von Einstrahlung bestimmter Wellenlänge getroffen werden, nehmen sie die Energie auf und bewegen sich schneller. Das heißt, dass die Temperatur ansteigt. Andere Gase wie zum Beispiel Sauerstoff lassen diese Strahlung durch, und Energie kann wieder in die Atmosphäre entweichen. Durch Treibhausgase entweicht weniger Energie zurück in den Weltraum und es bleibt mehr Energie auf der Erde. Folglich heizt sich unsere Atmosphäre auf.

Ein Teil der Treibhausgase hilft uns, dass unsere Erde nicht zu kalt ist. Zu viele Treibhausgase sorgen dafür, dass sich unsere Erde aufheizt.5

Der Temperaturanstieg führt aktuell zu irreversiblen Schäden auf unserer Erde. Deshalb ist es wichtig, so schnell wie möglich, um ein Bild zu benutzen, den Wasserhahn zuzudrehen6 und zusätzlich Wasser aus der Badewanne durch CO2-Speichermethoden zu entnehmen.

Die aktuelle Wasserflussmenge, die pro Jahr durch den Hahn fließt, entspricht in etwa 35 Milliarden Tonnen CO2 und 50 Milliarden Tonnen CO2e. Das Gleichgewicht aus einströmendem Wasser und abfließenden Wasser nennen wir Nettonull-Treibhausgasemissionen. Wenn also die Menge des Wassers in der Badewanne7 konstant bleibt, sprechen wir von Nettonull-Emissionen.

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, soll es in diesem Buch speziell um die europäische Verantwortung für das Klima gehen. Das fossile Zeitalter wurde mit der Erfindung der Dampfmaschine durch James Watt eingeleitet. Es war der Ausganspunkt der Industrialisierung. Deshalb haben wir in Europa auch eine besondere Verantwortung, das fossile Zeitalter zu beenden. Für eine CO2e-neutrale Zukunft ist gerade die Frage von CO2e-armer Energieherstellung entscheidend. Dabei bedeutet CO2e-neutral, dass genauso viel CO2e ausgestoßen wie gespeichert wird.

Zur Erinnerung: CO2e fasst Treibhausgase auf ein Maß, die CO2-Äquivalenz, zusammen. Dadurch kann man die Treibhausgase besser vergleichen und auf eine Kennzahl reduzieren.

Wie steht es um die Treibhausgasemissionen in der EU? Entscheidend ist, wie viel CO2e wir in Europa ausstoßen. Die Emissionen der EU-28 im Überblick:8

Wir stoßen in der EU aktuell pro Jahr in etwa 3 Milliarden Tonnen CO2 aus. Berücksichtigt man, wie das Umweltbundesamt, auch die anderen Treibhausgase, so stoßen wir circa 3,6 Milliarden Tonnen CO2e aus.9 Die Reduktion der CO2-Menge in der EU ist ein positiver Anfang, aber noch nicht genug. Letztlich kommt es auf die im Zeitverlauf ausgestoßene Gesamtmenge von CO2 an. Global gesehen haben wir laut IPCC (Intergovernmental Panel of Climate Change) noch circa 400 Milliarden Tonnen CO2 übrig, um mit 67 Prozent Wahrscheinlichkeit nicht über 1,5 Grad Erderwärmung zu kommen.

Globales CO2-Budget laut dem 6. IPCC-Bericht ab 202010

Warming

Remaining carbon budgets

Scenario variation

Geophysical uncertainties

Non-CO2 scenario variation

Non-CO2 forcing and response uncertainty

Historical temperature uncertainty

ZEC uncertainty

Recent emissions uncertainty

Probabilities:

50 %

67 %

83 %

[°C]

[GtCO2 from 2020 on]

[GtCO2]

1.5

500

400

300

±220

±220

±550

±420

±20

1.6

650

550

400

1.7

850

700

550

1.8

1000

850

650

Für die EU-28 bleibt damit ein Restbudget zwischen 37–50 Milliarden Tonnen CO2. Dies ist unsere »Schuldenobergrenze«. Nur wenn man weniger ausgibt, als man einnimmt, kann man Schulden abbauen. Gleiches gilt für den CO2-Ausstoß. Nur die schnelle Reduktion des CO2-Ausstoßes unter die Rate der CO2-Speicherung ermöglicht die CO2-Neutralität bis 2050. Das Einhalten des Restbudgets verhindert dabei die »Überschuldung« gegenüber der Natur. Ist die Reduktion zu langsam, »überschulden« wir uns mit CO2 und es kommt zu irreversiblen Klima-Kipppunkten. Aber weshalb ist es wichtig, gerade 1,5 Grad Erderwärmung einzuhalten?

Vereinfacht gesagt, beschleunigen sich die Schäden, die die Natur nimmt, mit ansteigenden Temperaturen. Ökosysteme können Kipppunkte erreichen und die Schäden nehmen nicht-linear zu, wenn diese überschritten sind. Zudem kann sich die Erderwärmung schnell beschleunigen, wenn zum Beispiel die Permafrostböden auftauen und Methan entweicht. Diese Böden tauen ab einer gewissen Temperaturgrenze auf. Deshalb ist es so wichtig, die Klimaziele einzuhalten. Ähnliches gilt für die Polarkappen. Je höher die Temperatur, desto schneller schmelzen die Polarkappen. Die Polarkappen reflektieren durch die weiße Oberfläche Licht zurück ins Weltall. Sie schützen die Erde vor Überhitzung. Verschwinden sie, verschwindet der Schutz.

Zusammenfassung

Die Erde erwärmt sich seit Beginn der Industrialisierung. Der Klimawandel ist menschengemacht und wir Europäer tragen eine besondere Verantwortung für die Erde, da wir das fossile Zeitalter eingeleitet haben. Die entscheidende Messgröße für den Treibhausgasausstoß sind die CO2-Äquivalente (CO2e). Sie rechnen alle Treibhausgasemissionen in CO2 um. Die EU stößt aktuell circa 3,6 Milliarden Tonnen CO2e aus. Um die Pariser Klimaziele einzuhalten, darf die EU nicht mehr als circa 45 Tonnen CO2e ausstoßen. Eine Überschreitung wäre verheerend, weil die Schäden mit jedem weiteren Temperaturanstieg nicht-linear zunehmen. Das heißt, jeder weitere 0,1 Grad Temperaturanstieg erhöht den Schaden um mehr als das vorherige. Außerdem sind viele Schäden unumkehrbar.

2. Der Niedergang der Biodiversität

Was bedeutet eigentlich Biodiversität?

Jeder Einzelne von uns ist Teil der Biodiversität. Dies wird noch zu wenig wertgeschätzt. Unser kollektives Handeln sorgt für den Rückgang der Biodiversität. Neben dem Klimawandel ist der Verlust der Biodiversität die zweite große, selbst geschaffene Herausforderung für die Menschheit. Es geht darum, den Rückgang der Lebensvielfalt zu stoppen, um unsere Lebensgrundlage zu erhalten.

Aber was bedeutet eigentlich Biodiversität? Der Begriff Biodiversität ist die Kurzform von »biological diversity«, was so viel heißt wie Lebensvielfalt. Es geht um die wundervolle Vielfalt des Lebens auf der Erde. Diese Vielfalt hat drei Ebenen. Die Ebene der genetischen Vielfalt, die Artenvielfalt und die Vielfalt der Ökosysteme.

Die Biodiversität sichert das Leben auf mehreren Ebenen. Die genetische Vielfalt versichert das Überleben einer Art. Sie ermöglicht es, sich an neue Umweltbedingungen anzupassen. Die genetische Vielfalt einer Art sichert dabei das Überleben der einzelnen Art gegenüber Umweltveränderungen ab. Wird nun der Lebensraum eines Lebewesens stark eingeschränkt, so kann ein erheblicher Teil der genetischen Vielfalt verloren gehen. Dies kann in Extremfällen dazu führen, dass es zwar noch Tiere einer Art gibt, diesen aber das Aussterben droht, weil ihr Genpool mittlerweile zu wenige Variationen besitzt. Starke Populationsverluste können daher zu irreversiblen Schäden führen.

Neben der genetischen Vielfalt gibt es auch die Ebene der Artenvielfalt. Von Gänseblümchen bis Elefanten hat unsere Erde eine unfassbare Artenvielfalt. Diese Artenvielfalt ist sogar so außerordentlich, dass immer noch nicht alle Arten beschrieben wurden. Lebewesen konkurrieren laut Darwin um Nahrung und sie existieren erst nebeneinander, wenn sie sich ausreichend unterscheiden.11 Was eine Art kennzeichnet, ist bisher noch nicht einheitlich definiert. Die Herausforderung ist, dass sich Lebewesen kontinuierlich anpassen. Es ist deshalb nicht einfach, eine Grenze zu ziehen, ab wann zwei Lebewesen nicht mehr hinreichend ähnlich sind, um zur gleichen Art zu gehören. Die Grenze zwischen zwei Arten wird meist gezogen, wenn sie sich nicht mehr fortpflanzen können oder wenn ihre Gene zu verschieden sind. Laut Klaus Günther, deutscher Zoologe und Taxonom, hat dabei jede Art ihre eigene Nische. Eine Nische verändert sich, weil sich die Art und ihre Lebensgrundlage kontinuierlich in einem Wechselspiel anpassen. Außerdem existiert eine Nische nur, wenn eine Art und ihre Lebensgrundlage vorhanden sind. Geht eines der beiden verloren, geht die Nische verloren. Jede Art hat eine eigene, spezifische Funktion im Ökosystem. Es gibt viele wechselseitige Abhängigkeiten, bei denen die eine Art nicht ohne andere Arten auskommt. Dabei sichert sowohl die Artenvielfalt als auch die genetische Vielfalt die Ökosysteme ab. Das Ökosystem ist ein empfindliches System, und alle Arten im Ökosystem sind mehr als die Summe der Arten.

Fakten zur genetischen Vielfalt

Die genetische Vielfalt ist nicht so leicht zu messen. Um einen vollständigen Genkatalog zu basteln, müsste man das Genom jeder einzelnen Art entschlüsseln, und es werden ja ständig neue geboren. Die Kosten dafür wären sehr hoch. Die Kosten der Genomentschlüsselung sind zwar durch das Human Genome Projekt stark gesunken, aber die Entschlüsselung von einer Million Genome würde immer noch eine Milliarde Euro kosten. Zudem ist es nicht einfach, an das Genmaterial aller Lebewesen zu kommen. Die Datenerhebung ist also alles andere als einfach und nur mit Einschränkungen möglich.

Es gibt bereits regionale Versuche, die genetische Vielfalt von bestimmten Lebewesen zu ermitteln. Röbbe Wünschier, Professor für Biochemie und Molekularbiologie an der Hochschule Mittweida, hat mit dem Co-Creation Lab ein spannendes Projekt gestartet. Wildbienen, Hummeln und Honigbienen sammeln Pollen. In ihren »Bienenstöcken« gibt es dann spezielle Vorrichtungen, die gewährleisten, dass die Pollen durch ein Raster fallen. Von diesen Pollen wird dann das Genom bestimmt. Damit kann die Biodiversität der Pflanzen im Umfeld analysiert werden. 12

Auf globaler Ebene gibt es aber dazu noch kein ausreichendes Datenmaterial. Daher werde ich mich für eine Abschätzung der genetischen Vielfalt an der Entwicklung von Populationsgrößen der Arten orientieren. Je größer die Populationsgröße, desto größer ist tendenziell die genetische Vielfalt. Es kann zwar sein, dass eine Art durch einen genetischen Flaschenhals ging, das heißt, dass es nur noch wenige Arten gab und dann die Population wieder stark anstieg. Für eine Abschätzung reicht die Approximation aber auf jeden Fall. Einen Versuch dies zu messen, stellt der Living Planet Index des World Fund (WWF) und der Zoological Society of London dar. Sie messen die durchschnittliche Veränderung von 20.811 Populationen über 4.392 Spezies von 1970 bis 2016. Dabei werden Arten innerhalb einer geographischen Region extra aufgeführt. Beispielsweise sind Elefanten in Südafrika und Simbabwe separat aufgenommen. Teil des Indexes sind nur Wirbeltiere13, Insekten, Pilze, Korallen und Pflanzen sind nicht enthalten.14

Wie funktioniert nun die Kalkulation?

Das werde ich kurz an einem Beispiel erläutern. Angenommen, es gibt Elefanten in Südafrika und Simbabwe. 1970 gab es in Südafrika 1.000 Elefanten und 2016 waren es 500. Damit ging die Elefantenpopulation in Südafrika in diesem Zeitraum um 50 Prozent zurück. In Simbabwe gab es 1970 nur noch 50 Elefanten und 2016 waren es 60. Damit stieg in Simbabwe im gleichen Zeitraum die Elefantenpopulation um 20 Prozent. Für den durchschnittlichen Rückgang der Populationen ergibt sich nun ein Wert von 15 Prozent. Damit sank der Index von 1970 bis 2016 um 15 Prozent, obwohl die gesamte Elefantenpopulation um circa 47 Prozent zurückging. Die Messung unterschätzt tendenziell den tatsächlichen Rückgang an Lebensvielfalt. Trotzdem erlaubt sie eine erste Näherung. 15

Laut dem Living Planet Index sind die gemessenen Tierpopulationen um durchschnittlich fast 70 Prozent (!) zurückgegangen.

Der Freshwater Index misst mit ähnlicher Systematik die durchschnittliche Veränderung der Populationen von Süßwasserarten. Er enthält 3.741 Populationen von 944 Spezies. Dabei sanken die Süßwasserpopulationen durchschnittlich sogar noch stärker. Der durchschnittliche Rückgang der Populationen seit 1970 beträgt 84 Prozent!16, 17

Fakten zur Artenvielfalt

Es wird geschätzt, dass es auf unserem Planeten acht Millionen Arten gibt. 1,8 Millionen bekannte Arten wurden bisher registriert. Bedrohte Arten landen auf der Roten Liste des IUCN (International Union for Conservation of Nature), wenn sie denn erfasst werden. Schätzungsweise 80 Prozent aller Lebewesen sind uns noch nicht einmal bekannt. Von den 1,8 Millionen bekannten Arten erfasst die Rote Liste gerade einmal 70.000 Tier- und Pflanzenarten. Ein Drittel dieser Arten wurde als vom Aussterben bedroht eingestuft. Die entscheidenden Faktoren für die Einstufung sind die Populationsanzahl, Reproduktionsrate und die regionale Verteilung. Obwohl mindestens 10 Prozent aller Arten vom Aussterben bedroht sind, enthält die Rote Liste nur etwa 1 Prozent. Der Grund dafür ist, dass es zu wenig Geld gibt, die Populationen der Lebewesen zu erfassen. Zudem fließt tendenziell mehr Geld in die Erforschung großer Tiere in Westeuropa, statt in kleine wirbellose Tiere in den Biodiversitätszentren im globalen Süden.18

Um zu ermitteln, wie es um die Artenvielfalt steht, ist es nicht nur wichtig, die bedrohten Arten zu kennen, sondern auch zu wissen, wie viele Arten aussterben. Dazu vergleiche ich die Rate mit dem historischen Durchschnitt. Die Rate wird in ausgestorbene Spezies pro Millionen Speziesjahre gemessen (E/MSJ). Die Grundrate entspricht 0,1 ausgestorbene Arten pro Million Speziesjahre. Die Rate lag bei Vögeln vor 1900 bei 51 ausgestorbenen Arten pro Million Speziesjahre und nach 1900 bei 132. Das heißt, dass Vögel 1.320-mal schneller aussterben als der historische Durchschnitt. Die Rate von Säugetieren ist sogar 1.830-mal höher und die von Amphibien 5.870-mal höher. Die noch höheren Raten für Amphibien lassen sich unter anderem damit erklären, dass Feuchtgebiete um über 80 Prozent abgenommen haben.19

Aber nicht nur die Tiervielfalt, sondern auch die Pflanzenvielfalt geht zurück. Von den 1,8 Millionen bekannten Lebewesen sind 350.000 Pflanzenarten. Aelys M. Humphreys und ihr Forscherteam haben Daten von 100.000 verschiedenen Samenpflanzen verwendet, um die Aussterberate zu untersuchen. Die historische Grundrate lag genauso wie bei den Tieren bei 0,1 ausgestorbene Arten pro Million Speziesjahre. Von 1900 bis 2018 lag die Rate bei 26 Arten pro Million Speziesjahre. Damit sterben die Pflanzen circa 260-mal schneller aus als historisch üblich.

Der größte Artenverlust tritt oft in isolierten Gebieten auf. Besonders betroffen sind isolierte Inseln. Menschlicher Einfluss hat dort die größten negativen Auswirkungen auf die Artenvielfalt. 98 Prozent der ausgestorbenen Arten waren auf einer Insel heimisch. Außerdem sind 80 Prozent der ausgestorbenen Arten krautähnlich. Dies erscheint auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich, weil man bei ausgestorbenen Arten eher an große Arten wie den Dodo, den chinesischen Flussdelfin oder das Mammut denkt. Über diese Arten ist eine emotionale Geschichte zu erzählen ist leichter als über eine kleine Insektenart. Es wird jedoch weniger ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass es deutlich mehr Insektenarten als Flussdelfinarten gibt. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein kleines Tier ausstirbt. Das nächste ausgestorbene Lebewesen wird eher ein Kraut als eine Tanne beziehungsweise eher ein Insekt als ein Elefant sein.20

Wie sind nun diese Aussterberaten historisch und im Vergleich zu den anderen fünf Massensterben einzuordnen?21

Die vorherigen fünf Massensterben fanden gegen Ende des Ordoviziums, der Devonzeit, der Permzeit, der Trias und der Kreidezeit statt und ereigneten sich vor 444, 360, 250, 200 und 65 Millionen Jahren. Die Anzahl der ausgestorbenen Tiere ist aktuell noch nicht auf dem Level dieser fünf Ereignisse. Die Verantwortung liegt bei jedem von uns, dass dies so bleibt. Laut dem Umweltwissenschaftler Malcom McCallum sterben die Arten aber in einem sehr hohen Tempo aus, bis zu 165-mal schneller als während dem letzten Massensterben. Die Steigerung ist eindeutig steiler als bei vorherigen Massensterben.22

Im Diagramm werden die Aussterberaten mit dem letzten Massensterben verglichen. Die Daten unterstützen die These, dass wir uns im sechsten Massensterben befinden. Die vergangenen fünf waren von massiven Umweltveränderungen geprägt. Das aktuelle, sechste prägt der Mensch und es liegt in seiner Verantwortung, es zu stoppen. Nicht umsonst befinden wir uns im Anthropozän, dem Erdzeitalter, das vom Menschen geprägt ist.

Fakten über Ökosysteme

Die Wildfläche wird global immer stärker eingeschränkt. Die Gründe sind stärkere Bebauung, Ausweitung der landwirtschaftlichen Fläche sowie Flächenverbrauch für Bergbau und Verkehr. Dies führt zu einem Habitatsverlust für viele Lebewesen. Gerade die Bestände von Top-Räubern können wichtige Aufschlüsse über den Zustand von Ökosystemen geben. Top-Räuber halten die Balance in einem Ökosystem. In Kalifornien ist in den Küstenregionen die Seeotterpopulation zurückgegangen. Diese Seeotter ernähren sich von Seeigeln. Durch den Rückgang der Seeotterpopulation wuchs die Population der Seeigel ungebremst. Die Seeigel wiederum ernähren sich von Kelp. Da es zu viele Seeigel gab, fraßen die Seeigel die Kelpwälder kahl. Diese Kelpwälder sind circa 70 Meter lange Pflanzen, die eine Art Unterwasserwald bilden. Kelpwälder brechen Wellen vor der Küste und bieten einer Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten einen wichtigen Lebensraum. Beispielsweise gingen durch den Rückgang der Kelpwälder spezialisierte Fischarten zurück. Dies führt zu einem Rückgang von Vögeln wie dem Weißkopfseeadler. Ein Rückgang der Top-Räuber kann große Auswirkungen auf die Ökosysteme haben. Ökosysteme sind ein feines Beziehungsgeflecht vieler verschiedener Lebewesen.

Ein anderes besonderes Beziehungsgeflecht existiert rund um den Siliziumkreislauf in Afrika.23 Die Böden der Savannenlandschaft enthalten viel Silizium. Die Landpflanzen nehmen Silizium auf, um ihre Blätter und Stängel zu stabilisieren. Nilpferde entfernen sich nachts aus dem Wasser und vertilgen diese Pflanzen. Durch ihre Exkremente landet das Silizium dann in den Flüssen. Diese Exkremente fördern die Algenbildung. Von diesen Algen wiederum ernähren sich die Fische. Diese Fische werden schließlich von uns Menschen befischt. Im Mara-Fluss im Süden Kenias gelangen so durch die Nilpferde Dreiviertel des Siliziums in den Fluss.

Homo Sapiens als Verursacher

Zusammengefasst gibt es in allen drei Bereichen der Biodiversität Verluste – auf der Ebene der genetischen Vielfalt, auf der Ebene der Artenvielfalt und der Ebene der Ökosysteme. Verantwortlich dafür sind wir Menschen. Die Ursachen des Biodiversitätsverlusts lassen sich in einem Wort zusammenfassen: HIPPO. Die einzelnen Buchstaben stehen für Habitatsverlust, invasive Arten, Population, Pollution (Umweltverschmutzung), Overusing (Übernutzung). Gerade der Habitatsverlust und die Übernutzung natürlicher Ressourcen können durch bessere Nahrungsmittelherstellung verbessert werden. Dazu später mehr im Kapitel über nachhaltige Landwirtschaft.24