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Die neue Praxis Dr. Norden - So war es nicht geplant, doch Dr. Danny Norden betrachtet es als Chance. Äußere Umstände zwingen ihn zu einem Neustart. Und diesen nimmt Danny tatkräftig in Angriff, auch, wenn er mit Abschied, Trennung, Wehmut verbunden ist. Dr. Danny Norden praktiziert jetzt in seiner neuen, modernen, bestens ausgestatteten Praxis. Mit Kompetenz, Feingefühl und Empathie geht er auf seine Patienten zu und schafft ein Klima, das die Genesung fördert: eben Dr. Danny Norden, wie er leibt und lebt, und er wird immer besser! Olivia und Daniel waren sich einig darüber, dass Oda und Vincent erst nach ihrem zweiten Geburtstag in den Kindergarten gehen sollten. Bis dahin würden sie sich regelmäßig mit Freunden treffen, die gleichaltrige Kinder hatten, um gemeinsam mit ihnen etwas zu unternehmen. Da Kindergartenplätze aber wie überall knapp waren, sahen sie sich bereits ein paar Wochen nach der Geburt der Zwillinge nach zwei Plätzen um. Von dem Kindergarten in ihrem Stadtviertel, der nur ein paar Minuten von ihnen entfernt war, hatten sie bisher nur Gutes gehört und hatten deshalb für den Donnerstagabend einen Gesprächstermin mit Gerda Michelmann, der Kindergartenleiterin, vereinbart. Der Kindergarten war in einem renovierten Altbau am Waldrand untergebracht. Das Haus mit den zwei Stockwerken lag inmitten eines Gartens mit alten Kastanien und Ahornbäumen. Es gab einen Spielplatz mit Sandkasten, Rutsche und Klettergerüsten. Im Erdgeschoss waren die Räume für die Jüngeren, der erste Stock war für die Vorschulkinder eingerichtet. »Von Montag bis Donnerstag haben wir von 7 bis 18 Uhr geöffnet, an den Freitagen bis 15 Uhr. Eltern, die länger arbeiten müssen, haben Vereinbarungen mit Verwandten oder Freunden getroffen, die ihre Kinder gegebenenfalls abholen. Natürlich nur nach vorheriger Absprache mit uns. Wir übergeben die Kinder niemals an einen Fremden«, versicherte Gerda Michelmann Olivia und Daniel, als sie auf dem Sofa in der Besucherecke ihres Büros saßen. »Das ist eine Liste unserer Angebote. Wir bieten Englischkurse, Musikunterricht, Theaterkurse und später Vorschulunterricht. Die sportliche Ausbildung überlassen wir allerdings den Turnvereinen, bei uns sollen sich die Kleinen einfach nur ganz ungezwungen bewegen, entweder im Garten oder bei schlechtem Wetter in unserem Toberaum im Keller. Ich könnte Sie jetzt durch die Räumlichkeiten führen, falls Sie das möchten«, schlug Gerda schließlich vor. »Sehr gern«, erklärten sich Daniel und Olivia mit der Führung auch sofort einverstanden.
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Olivia und Daniel waren sich einig darüber, dass Oda und Vincent erst nach ihrem zweiten Geburtstag in den Kindergarten gehen sollten. Bis dahin würden sie sich regelmäßig mit Freunden treffen, die gleichaltrige Kinder hatten, um gemeinsam mit ihnen etwas zu unternehmen. Da Kindergartenplätze aber wie überall knapp waren, sahen sie sich bereits ein paar Wochen nach der Geburt der Zwillinge nach zwei Plätzen um. Von dem Kindergarten in ihrem Stadtviertel, der nur ein paar Minuten von ihnen entfernt war, hatten sie bisher nur Gutes gehört und hatten deshalb für den Donnerstagabend einen Gesprächstermin mit Gerda Michelmann, der Kindergartenleiterin, vereinbart.
Der Kindergarten war in einem renovierten Altbau am Waldrand untergebracht. Das Haus mit den zwei Stockwerken lag inmitten eines Gartens mit alten Kastanien und Ahornbäumen. Es gab einen Spielplatz mit Sandkasten, Rutsche und Klettergerüsten. Im Erdgeschoss waren die Räume für die Jüngeren, der erste Stock war für die Vorschulkinder eingerichtet.
»Von Montag bis Donnerstag haben wir von 7 bis 18 Uhr geöffnet, an den Freitagen bis 15 Uhr. Eltern, die länger arbeiten müssen, haben Vereinbarungen mit Verwandten oder Freunden getroffen, die ihre Kinder gegebenenfalls abholen. Natürlich nur nach vorheriger Absprache mit uns. Wir übergeben die Kinder niemals an einen Fremden«, versicherte Gerda Michelmann Olivia und Daniel, als sie auf dem Sofa in der Besucherecke ihres Büros saßen. »Das ist eine Liste unserer Angebote. Wir bieten Englischkurse, Musikunterricht, Theaterkurse und später Vorschulunterricht. Die sportliche Ausbildung überlassen wir allerdings den Turnvereinen, bei uns sollen sich die Kleinen einfach nur ganz ungezwungen bewegen, entweder im Garten oder bei schlechtem Wetter in unserem Toberaum im Keller. Ich könnte Sie jetzt durch die Räumlichkeiten führen, falls Sie das möchten«, schlug Gerda schließlich vor.
»Sehr gern«, erklärten sich Daniel und Olivia mit der Führung auch sofort einverstanden.
Das, was sie sahen, gefiel ihnen. Die Räume waren alle hell und freundlich eingerichtet, hatten große Fenster und schöne Dielenböden. Die Tische und Stühle waren aus hellem Holz, und es gab reichlich Spielzeug, Bücher und Malbücher. Die Küche, in der das Frühstück und das Mittagessen zubereitet wurde, und die Sanitärräume waren sauber und hell.
»Darf ich vorstellen, Eva Lindner, eine unserer Erzieherinnen. Sie hat heute den Spätdienst übernommen«, machte Gerda Olivia und Daniel mit einer jungen Frau bekannt, die mit fünf Kindern im Vorschulalter in einem der Räume im ersten Stock auf dem Boden saß und ihnen aus einem Buch vorlas.
»Wir kennen uns, hallo, Doktor Norden« begrüßte Eva den jungen Arzt, den sie sich vor einigen Monaten als Hausarzt ausgesucht hatte, nachdem ihr bisheriger in den Ruhestand gegangen war.
»Hallo, Frau Lindner«, entgegnete Daniel freundlich. Es scheint ihr nicht gut zu gehen, dachte er. Trotz des Make-ups, das sie aufgetragen hatte, konnte er die tiefen Augenringe erkennen, die die schlanke junge Frau mit dem dunklen kurzen Haar offensichtlich zu verbergen versuchte. Aber er würde sie sicher nicht vor ihrer Chefin darauf ansprechen.
»Ich hoffe, unser Angebot und unsere Räumlichkeiten konnten Sie davon überzeugen, dass Ihre Kinder sich hier wohlfühlen werden. Selbstverständlich legen wir auch großen Wert auf die Fortbildung unserer Erzieherinnen. Wir alle arbeiten hier ausschließlich zum Wohl der Kinder«, versicherte Gerda Olivia und Daniel, nachdem sie den Raum, in dem sich Eva mit den Kindern aufhielt, wieder verlassen hatten und die schöne alte Holztreppe, deren Stufen ein wenig knarrten, in das Erdgeschoss hinuntergingen.
»Wir danken Ihnen für Ihre Zeit, Frau Michelmann. Wir geben Ihnen in den nächsten Tagen Bescheid, wie wir uns entschieden haben«, sagte Olivia.
»Lassen Sie sich aber nicht allzu viel Zeit, unsere Plätze sind äußerst gefragt«, entgegnete Gerda, die ein wenig enttäuscht schien, dass sie nicht gleich eine Zusage erhielt.
»Wie meine Frau schon sagte, wir melden uns in den nächsten Tagen«, schloss sich Daniel Olivia an.
Sie bedankten sich noch einmal für die Führung und verabschiedeten sich von Gerda. Da der Kindergarten nur etwa zwanzig Minuten zu Fuß von ihrem Haus entfernt war, hatten sie ihren Besuch dort mit einem Spaziergang verbunden. Jetzt auf dem Rückweg wollten sie noch ein paar Einkäufe erledigen. Es war kurz vor sechs, und die Geschäfte in der Fußgängerzone hatten alle bis sieben Uhr geöffnet.
»Hattest du auch den Eindruck, dass es Frau Lindner nicht gut geht?«, wollte Daniel von Olivia wissen, nachdem sie den Kindergarten verlassen hatten.
»Sie sieht schon ein bisschen mitgenommen aus, das stimmt. Aber vielleicht war sie auch einfach nur müde. Sie wird sich schon bei dir melden, falls sie ein Problem hat.«
»Das hoffe ich.«
»Darüber musst du gar nicht nachdenken. Deine Patienten vertrauen dir, mein Schatz«, sagte Olivia lächelnd und küsste Daniel zärtlich auf die Wange. »Und überhaupt, viel Schlaf bekommen wir im Moment auch nicht. Ich möchte nicht wissen, wie wir beide im Moment auf andere wirken.«
»Wir sind glückliche Eltern, das ist es, was die Leute sehen, wenn sie uns begegnen.«
»Das ist es auch, wenn ich in den Spiegel sehe, aber so ganz vertreibt das die Müdigkeit nicht«, seufzte Olivia. »In ein paar Wochen sind diese unruhigen Nächte aber vorbei, dann schlafen die Zwillinge nachts durch.«
»Dann werden wir aber erst einmal weiterhin hochschießen, um uns davon zu überzeugen, dass es ihnen gutgeht.«
»Das kann durchaus sein«, stimmte Olivia ihm lächelnd zu.
»Hallo, Doktor Norden, Frau Doktor Norden-Mai«, wurden sie gleich darauf von einer Frau im bunten Sommerkleid begrüßt, die ihnen in der Fußgängerzone entgegenkam.
»Hallo, Frau Meier, wie geht es Ihnen?«, fragte Daniel die rundliche Mittvierzigerin, nachdem er und Olivia stehen geblieben waren.
»Mir und meinem Mann geht es wieder gut, was wir Ihnen beiden zu verdanken haben. Sie haben die Krankheit meines Ferdis erkannt. Ohne Ihre Hilfe wären wir vermutlich nicht mehr zusammen.«
»Genauso ist es«, stimmte ihr der große starke Mann in dem blauweiß karierten Hemd zu, der mit einer kleinen weißen Papiertüte aus der Apotheke kam. »Ich bin wirklich sehr froh, dass wir Sie als unseren Hausarzt gewählt haben, Herr Doktor. Wer weiß, ob ein anderer Arzt ebenso schnell diese Diagnose gestellt hätte.«
»Die Hauptsache, es geht Ihnen wieder gut«, sagte Daniel. Ferdi Meier hatte an einer Pilzerkrankung gelitten, deren Auswirkungen ihn als alkoholkrank erscheinen ließen. Daniel und Olivia hatten die seltene Krankheit erkannt, und Ferdis Frau, die schon glaubte, ihr Mann würde den Alkohol ihr vorziehen, hatte ihre Ehe nicht länger in Gefahr gesehen.
»Ich halte mich auch genau an Ihre Anweisungen. Ich habe mir gerade wieder die Tabletten geholt, die ich noch ein paar Wochen nehmen soll«, sagte Ferdi und deutete auf die weiße Papiertüte, bevor er sie in einer seiner Hosentaschen verschwinden ließ.
»Es sind nur ein paar Aufbaupräparate. Sobald die Packung zu Ende ist, machen wir noch einmal ein großes Blutbild. Sollten dann alle Werte im grünen Bereich sein, müssen Sie sie nicht mehr einnehmen«, sagte Daniel.
»In Ordnung, ich komme pünktlich vorbei.«
»Wissen Sie, Gusti, Ferdis Tante, sagt immer, dass es auch für uns, die Leute hier in diesem kleinen verträumten Stadtteil von München ein großes Glück ist, dass Sie beide sich gefunden haben. Manchmal haben körperliche Probleme seelische Ursachen, oder seelische entstehen auf Grund eines körperlichen Leidens. In jedem Fall sind wir bei Ihnen an der richtigen Adresse. Nicht wahr, mein Schatz, du stimmst mir doch gewiss zu?«, wandte sich Frau Meier ihrem Mann zu.
»So ist es, mein Herzblatt, aber jetzt wollen wir den Herrn Doktor und die Frau Doktor nicht länger aufhalten.«
»Du hast recht, junge Eltern sind immer ein bisschen in Eile«, stimmte seine Frau ihm lächelnd zu, und sie und Ferdi verabschiedeten sich von Olivia und Daniel.
»Ein glückliches Paar«, stellte Olivia fest und schaute den beiden nach.
»Wir sind auch ein glückliches Paar, denke ich zumindest«, sagte Daniel.
»Nein, das weißt du«, entgegnete Olivia lächelnd und hakte sich bei ihm unter.
*
Wie immer am frühen Abend herrschte in der Fußgängerzone reges Treiben. Bewohner des Stadtteils, die in der Innenstadt arbeiteten, wollten auf dem Heimweg noch etwas einkaufen und hatten es immer ein bisschen eilig, weil sie endlich nach Hause wollten. Auch einige, die nicht mehr im Berufsleben standen, gingen um diese Uhrzeit gern einkaufen. Manchmal störten sich die Eiligen daran, weil es ihnen an den Kassen dann nicht schnell genug ging.
»Ich mag den Trubel am Abend, da spüre ich das Leben. Es tut mir leid, wenn die jungen Leute sich dann von mir gestört fühlen, aber ich brauche einfach dieses Gefühl, noch dazuzugehören«, hatte eine der alten Damen, die Olivias Gesprächstherapien im Seniorenheim besuchten, einmal zu ihr gesagt.
An diesem warmen Frühsommerabend waren aber offensichtlich alle, die in der Fußgängerzone unterwegs waren, bestens gelaunt. Der Himmel war noch strahlend blau, die Sonne schien, und die Blumen in den Steinkübeln, die die Eingänge der Geschäfte flankierten, verbreiteten ihren verführerischen Duft.
»Hallo, Doktor Norden, Frau Doktor Norden-Mai!«, wurden Daniel und Olivia immer wieder freundlich begrüßt.
Inzwischen war es für die beiden so gut wie unmöglich, nicht erkannt zu werden, wenn sie in diesem Stadtteil mit seinem eher dörflichen Charakter unterwegs waren. Die meisten Einheimischen wohnten schon seit mehreren Generationen in denselben Häusern und kannten sich gut. Den jungen Arzt und seine Familie hatten sie inzwischen mit Freude in ihre Gemeinschaft aufgenommen. Sie gehörten zu ihnen.
Als Daniel und Olivia die Drogerie betraten, wurden sie gleich wieder von einigen Kunden herzlich begrüßt, und alle erkundigten sich nach den Zwillingen. Sie versicherten ihnen, dass die beiden sich prächtig entwickelten, während sie an den Regalen vorbeigingen und alles in den Einkaufswagen luden, was auf ihrem Einkaufszettel stand.
»Da schau her, diese Seife nehm ich auch am liebsten«, sagte eine füllige Blondinne in Caprihosen und weit ausgeschnittenem T-Shirt, die zur selben Zeit wie Olivia und Daniel das Regal mit den Seifen und Shampoos erreichte und die gleiche Flüssigseife in ihren Einkaufswagen packte, wie die beiden.
»Wir wechseln hin und wieder die Marke, Frau Dornsberg. Wir probieren gern auch mal etwas Neues aus«, entgegnete Olivia lächelnd.
»Freilich, das mach ich auch. Wenn wir schon die Auswahl haben, dann sollten wir sie auch nutzen«, sagte Frau Dornsberg und nahm auch noch die Flüssigseife einer anderen Firma aus dem Regal, während sie Daniel und Olivia nachschaute: »Mei, so ein schönes Paar«, murmelte sie.
Nachdem Daniel und Olivia ihre Einkäufe in der Drogerie erledigt hatten, machten sie sich auf den Weg zur Bäckerei Listner am Ende der Fußgängerzone. Bevor sie die Bäckerei betraten, wurde Daniel von einem älteren Mann mit welligem Haar und freundlichen dunklen Augen angesprochen.
»Verzeihen Sie die Störung, Herr Doktor, Frau Doktor«, wandte er sich auch Olivia kurz zu, bevor er wieder Daniel anschaute und ihn um ein kurzes Gespräch bat.
»Wie kann ich Ihnen helfen, Herr Kerner?«, fragte Daniel Gerold Kerner, einen seiner Patienten, der wegen seiner Arthrose bei ihm in Behandlung war, die er aber mit Sport ganz gut im Griff hatte. Daniel hoffte, der besorgte Blick seines Patienten bedeutete nicht, dass er befürchtete, ernsthaft krank zu sein.
»Lass dir Zeit«, sagte Olivia und ließ Daniel mit seinem Patienten allein. Falls Gerold Kerner ein medizinisches Problem mit Daniel besprechen wollte, war es ihm sicher lieber, wenn er mit ihm allein reden konnte.
»Gehen wir ein paar Schritte«, schlug Daniel vor. Den meisten Menschen fiel es leichter, über unangenehme Dinge zu sprechen, wenn sie sich bewegten.
*
Die Bäckerei mit ihren weißblauen Wandfliesen, den Regalen und dem Verkaufstresen aus dunklem Holz war ein beliebter Treffpunkt für die Nachbarschaft. Sie war schon seit über 100 Jahren im Besitz der Familie Listner. Das Flair der längst vergangenen Zeit war noch immer zu spüren. Einer der Gründe, warum ihre Kunden nicht nur zum Einkaufen kamen. Der andere war die Kaffeetheke. Die aus dunklem Holz angefertigte Theke war vor dem Fenster angebracht und erlaubte den Kunden, die noch auf einen Kaffee blieben, um ein wenig mit den Nachbarn zu plaudern, einen weiten Blick auf die Fußgängerzone.
Der Verkaufsraum der Bäckerei war nicht sehr groß, und die Kunden und Kundinnen standen eng beieinander, als Olivia hereinkam. Eleonore Listner, die Frau des Bäckers, eine rundliche Mittfünfzigerin, stand wie immer gut gelaunt hinter dem Tresen und plauderte mit ihren Kunden. Die ältere Dame, in dem eleganten dunklen Kostüm und den halblangen silbergrauen Haaren, die gerade an der Reihe war, konnte mit dieser Freundlichkeit aber offensichtlich nicht viel anfangen.
»Zwei Weißbrote, wie immer, was denn sonst?«, fuhr sie Frau Listner an, nachdem sie sie nach ihren Wünschen gefragt hatte.
»Verzeihung, Frau von Lenfeld, aber Ihr Sohn hat jetzt schon einige Male eines unserer dunklen Brote gekauft. Ich dachte, Sie würden auch gern einmal etwas Neues …
»Papperlapapp, ich will nichts Neues ausprobieren. Zwei Weißbrote, und gut ist es.«
»Geh, Agathe, warum bist du denn in letzter Zeit so grantig?«, mischte sich eine Frau im hellblauen Trachtenkostüm in das Gespräch ein.
»Ich bin nicht grantig, ich habe es nur eilig. So ist das, wenn man noch mitten im Leben steht, Edelgard. Nicht jeder kann es sich mit seiner Rente bequem machen«, sagte Agathe von Lenfeld und betrachtete Edelgard mit einem herablassenden Blick.
»Schlecht geht es dir mit eurem Juwelierladen wohl nicht, und so eingespannt bist du dort auch nicht mehr.«
»Schon vergessen, was uns erst kürzlich zugestoßen ist?«, fuhr Agathe Edelgard an.
»Falls du von dem Raub sprichst, das Collier, das euch gestohlen wurde, ist doch wieder aufgetaucht. Ein echter Schaden ist euch also nicht entstanden.«
»Aber wir hatten jede Menge Unannehmlichkeiten. Und ganz nebenbei kümmere ich mich auch noch um meinen Enkel. Das dürfte wohl jedem hier bekannt sein.«
»Mei, vielleicht wird dir diese Aufgabe schon bald abgenommen. Ist es nicht das, was dich gerad so ärgert?«, fragte Edelgard schmunzelnd.
»Jetzt spricht sie wohl von der neuen Liebe deines Sohnes, die dir doch so gar nicht in den Kram passt, wie es heißt«, mischte sich eine hagere Frau im beigen Dirndl ein, die genau wie die anderen Kunden in der Bäckerei diesem Gespräch zwischen Edelgard und Agathe aufmerksam zuhörte.
»Was mir nicht in den Kram passt, wie du es nennst, Walburga, das hat auch keinen Bestand. Und jetzt kümmert euch um euren eigenen Kram«, herrschte Agathe die beiden an.
»Wer ist diese Liebe eigentlich wirklich? Ich meine, man sieht deinen Sohn ja immer mal wieder mit einer Frau. In letzter Zeit allerdings recht häufig mit …«
»Halte dich mit deinen Vermutungen zurück, da wird nie etwas sein. Hast du das verstanden, meine Liebe?«
»Geh, jetzt flipp doch nicht gleich so aus. Ein bissel mehr Gelassenheit würde dir das Leben erleichtern, Agathe«, entgegnete Walburga, die ungefähr so alt wie Edelgard war. »Vielleicht solltest du mal zum Yoga gehen«, riet sie Agathe.
Aber Agathe hörte nicht mehr zu. Sie nahm die beiden Weißbrote entgegen, die Frau Listner ihr reichte, bezahlte sie und verließ grußlos den Laden.
»Wieso seid ihr sie so angegangen?«, fragte Frau Listner Edelgard und Walburga, nachdem die Tür hinter Agathe zugefallen war.