EVERY BODY - Julia Rothman - E-Book
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EVERY BODY E-Book

Julia Rothman

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Beschreibung

Let's talk about sex!

EVERY BODY berührt auf intime Weise. Dies ist das erste allumfassende Buch zur menschlichen Sexualität und Körperwahrnehmung in all seiner göttlichen Vielfalt. Es lädt spielerisch-abwechslungsreich ein zum Dialog mit anderen und sich selbst. Zutiefst persönliche Geschichten, spannende Reportagen und kurzweilige Interviews mit Körper-Experten der verschiedensten Disziplinen vereinen sich hier zu einem faszinierenden Mosaik der Möglichkeiten sexueller Identitäten gerahmt von wunderschönen, humorvollen und auch unverstellt expliziten Illustrationen. Witzig, verstörend, traurig, schön. Das Themenspektrum ist so divers wie die Wirklichkeit: erste Male, die offene Beziehung, ungewollte Schwangerschaft, Sexspielzeuge, Lust, Ängste und Traumata. Was wir über Sex wissen wollten und nicht zu fragen wagten: Hier gibt es intime Einblicke, berührende Geschichten und großartige Kunst zum Staunen, Mitfühlen und Verstehen.

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EPUB

Seitenzahl: 526

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Buch

ist das Aufklärungsbuch für alle, die ihren Körper und ihre Sinnlichkeit unbefangen entdecken, verstehen und genießen wollen. Was prägt unsere sexuelle Orientierung? Wie überwinden wir kulturelle Normierungen? Wie finden wir überhaupt heraus, was zu uns passt? Mal einen Sex-Fetisch ausprobieren? Wie fühlt sich Sex zu dritt an? Persönliche Erfahrungen, Reportagen und anschaulich vermitteltes Körperwissen vereinen sich in diesem Buch zu einem schillernd bunten Mosaik der menschlichen Sexualität in ihrer göttlichen Vielfalt. Von der selbstbewussten Muslima bis hin zum Kamasutra-Meister teilen Menschen ihre intimsten Gedanken: der Kitzel des ersten Mals, das Geheimnis der offenen Beziehung, die ungewollte Schwangerschaft, der Reiz von stimulierendem Sexspielzeug. Es geht um grenzenlose Lust, und auch um Ängste und Traumata bis hin zum Umgang mit sexualisierter Gewalt. Ein entwaffnend ehrliches Panorama sinnlicher Erfahrung, eingerahmt von kunstvollen Illustrationen. lässt niemanden unberührt.

Informationen zu Julia Rothman und Shaina Feinberg finden Sie am Ende des Buches.

Julia Rothman & Shaina Feinberg

Eine faszinierende Reise durch unsere Welt der sexuellen Lust und Identität

Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Brandl und Bettina Spangler

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel »EVERY BODY: An Honest And Open Look At Sex from Every Angle« bei Voracious, einem Imprint von Little, Brown and Company in der Hachette Book Group, Inc., New York, USA.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Erstausgabe Juli 2021

Copyright © 2021 der Originalausgabe: Julia Rothman und Shaina Feinberg

Copyright © 2021 der deutschsprachigen Ausgabe: Mosaik Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Illustrationen im Innenteil, sofern nicht anders gekennzeichnet: Julia Rothman

Umschlag: Sabine Kwauka, in Anlehnung an das Originalcover (Gestaltung Jenny Volvoski © 2021 Hachette Book Group, Inc.)

Umschlagabbildungen: Julia Rothman

Redaktion: Antje Steinhäuser

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

KF ∙ IH

ISBN 978-3-641-28080-2V001www.mosaik-verlag.de

Für Mom:Danke, dass ich dir all die Fragen stellen durfte, zu allem Möglichen.

Julia

Für Chris: Danke, dass du meine großen jüdischen Möpse so sehr magst.

Shaina

INHALT

EINFÜHRUNGWie alles kam Julia Rothman

STATISTIKEN

STORYSSo erfuhr ich, dass es Sex überhaupt gibt

ESSAYDie schmutzige Erde Jesu Elna Baker

STORYSMasturbation

INTERVIEW: MEINE STORYMasturbation als Profession Betty Dodson

STORYSLiebe deinen Körper

ESSAYDick J. Colin Huerter

STORYSDas erste Mal

ESSAYNeben dem Spazierweg – eine Erinnerung Fariha Róisín

STORYSReligion

ESSAYDating als Moslem Bilar Zafar

STORYSEthnische Herkunft & Zugehörigkeit

ESSAYLust und Liebe in der Stadt der Träume Myles E. Johnson

STORYSDie Psyche und ihr Zustand

COMIC10 Dinge, die du tust, wenn du geil und einsam bist Fareeha Khan

INTERVIEW: MEINE STORYIntersexualität River Gallo

STORYSSexuelle Identität, Orientierung und Erkundung

COMICNur ich und mein Arschloch David Heatley

INTERVIEW: MEINE STORYEin Leben mit HIV Anonym

STORYSSTIs – Sexuell übertragbare Krankheiten

ESSAYWas hat Jessica Rabbit, was ich nicht habe? Rebekah Taussig

STORYSProblem? Gelöst!

INTERVIEW: MEINE STORYSexualkompetenz Erica Chidi Cohen

STORYSUps! Waaas???

STORYSDates & flotte Nummern

ESSAYFreier Wäschefall Piera Gelardi

STORYSDas mag ich

ESSAYSexabenteuer im Park Ren Khodzhayev

STORYSDer Ort des Geschehens

STORYSUntreue

INTERVIEW: MEINE STORYWas dich in einem Sexclub erwartet Anonym

STORYSNicht-Monogamie/Polygamie

STORYSGruppensex & Sexpartys

COMICSpritztour zum Fleischmarkt! Turdluv

ESSAYDaddys Erwachen Jude Dry

STORYSFetisch

INTERVIEW: MEINE STORYWerdegang einer Domina Mistress Velvet

STORYSSexarbeit

INTERVIEW: MEINE STORYSex vor der Webcam Lauren Duck

STORYSSextoys

ESSAYDie Antwort auf die Frage Jiz Lee

STORYSPornografie

ESSAYMeines Leibes Frucht Rachel Evans

STORYSFruchtbarkeit, Schwangerschaft und Fehlgeburt

COMICDinge, die man vielleicht nicht über Fehlgeburten wissen will Julia Wertz

INTERVIEW: MEINE STORYTeenagerschwangerschaft Anonym

STORYSAbtreibungen

ESSAYWegbegleiterinnen der Geächteten Bianca I. Laureano, MA, CSES

INTERVIEW: MEINE STORYMein Leben nach sexuellem Missbrauch Karen Kornegay

STORYSEinvernehmlicher Sex & Übergriffe

INTERVIEW: MEINE STORYKriminaltechnischer Sexualkundler Eric Garrison

ESSAYKein Verfallsdatum Gretta Keene, LCSW, CST

STORYSAltern

STORYSCovid-19

COMICSexy Romane Emma Straub

SCHLUSSWORTEicheln Shaina Feinberg

KÜNSTLERVERZEICHNIS

DANK

Einführung

WIE ALLES KAM

von JULIA ROTHMAN

Während der Entstehung dieses Buches habe ich sehr viele Geschichten über Sex gehört und gelesen, was logischerweise auch Erinnerungen an meine eigenen Erfahrungen heraufbeschworen hat. Ich begann also irgendwann, meine eigene sexuelle Vergangenheit und mein bisheriges Liebesleben zu beleuchten, und stellte mir plötzlich jede Menge Fragen: Wieso will ich immer die, die nicht zur Verfügung stehen? Wieso brauche ich im Bett Anerkennung, um mit mir selbst zufrieden zu sein? Müsste ich experimentierfreudiger sein? Stimmt etwas mit mir nicht, weil ich auf dieses oder jenes stehe? War dieses eine Mal tatsächlich einvernehmlich? Was will ich wirklich? Wieso bin ich Single?

Den Vertrag für dieses Buch hatte ich unmittelbar nach einer Trennung unterschrieben. Ich war wieder allein, vermisste meinen Ex und stürzte mich kopfüber ins Leben – mit Unterstützung diverser Dating-Apps. Bei jedem ersten Date ließ ich einfließen, dass ich Sex-Storys sammle, die später anonym in einem Buch veröffentlicht werden sollten, woraufhin mir viele gleich ihre Geschichte erzählen wollten. Einer berichtete von seinem deformierten Penis, ein anderer gestand, er füge einer Frau gern vor dem Sex Schnittwunden am Bein zu, um ihr Blut zu trinken. Ich zog also mein Handy heraus und zeichnete die Storys auf, danach verabschiedete ich mich, fuhr nach Hause und brachte alles zu Papier.

Einen Teil der Geschichten für dieses Buch bekam ich über eine eigens gestaltete Webseite mit einem Dropdown-Menü mit Themen zur Auswahl, die ich über die sozialen Medien publik machte. Innerhalb kürzester Zeit flatterten mir Hunderte Geschichten ins Haus. Um eine möglichst breite Vielfalt zu gewährleisten, sollten die Verfasser ihre persönlichen Daten hinterlegen. Die Beiträge kamen aus allen Ecken des Landes, aber auch aus Mexiko, England, Australien und sogar aus Kasachstan.

Ich geriet schnell an meine Grenzen und beschloss, meine alte Freundin Shaina ins Boot zu holen. Sie ist Filmemacherin und hat Erfahrung damit, komplexe Projekte klar zu strukturieren. Ihre Idee war es auch, den direkten Kontakt mit den Menschen zu suchen, um noch vielfältigere Geschichten zu erfahren. Leute unmittelbar auf der Straße anzusprechen eröffne uns Möglichkeiten, die weit über unsere Netzwerke hinausgehen, meinte sie. Also pinselten wir ein Schild BITTE ERZÄHLT UNS EURE ANONYMEN SEX-STORYS!, ich druckte Einverständniserklärungen aus, und Shaina steuerte eine Flasche Handdesinfektionsmittel bei.

Als ersten Standort wählten wir den Union Square, ein Drehkreuz im Herzen Manhattans, das tagtäglich von Millionen von Menschen frequentiert wird. Also setzten wir uns mit unserem Schild auf eine Bank. »Hätten Sie Lust, über Sex zu reden?«, rief Shaina den Leuten in ihrer gewohnten Unerschrockenheit zu, während ich eisern schwieg. Ein Mann mittleren Alters mit einem Fedora-Hut setzte sich zwischen uns und vertraute uns an, dass er eine Affäre hatte. Er sei schon viele Jahre verheiratet, aber erst seit diese Frau in sein Leben getreten sei, verstehe er den Sinn von Liebesliedern. Eine Frau – die sich als französische Touristin entpuppte – kam sofort angelaufen, als sie unser Schild sah. Mit zitternden Händen erzählte sie uns, dass sie wegen anhaltender Scheidenkrämpfe nicht mit ihrem frisch angetrauten Ehemann schlafen könne und sich Hilfe von einem Hypnotiseur erhoffe. Zwei Frauen, die sich in einer Resozialisierungseinrichtung kennengelernt hatten, erzählten uns von ihrer Tätigkeit als Sexarbeiterinnen. Shaina und ich einigten uns darauf, uns Tagesziele zu setzen: Nach zwanzig Gesprächen packten wir zusammen und gingen nach Hause.

So sammelten wir Geschichten in ganz New York – in der Fulton Mall, auf Coney Island, im Washington Square Park. Wir flogen nach New Orleans und setzten uns ins belebte French Quarter. Die Leute sahen unser Schild und kamen beherzt auf uns zu, um uns ihre Geschichte zu erzählen. Einmal bildete sich sogar eine regelrechte Traube um uns. Ein Mann meinte, Viagra in der Tasche zu haben gebe ihm dasselbe Gefühl, wie eine geladene Waffe bei sich zu tragen. Eine Frau schilderte, wie sie ihre Jungfräulichkeit auf der Toilette einer Baptistenkirche verloren hatte. Eine andere erzählte, wie sie ihre Tochter (und deren sämtliche Freundinnen) bis ins letzte Detail aufklärte, weil ihre eigene Mutter das Thema Sex in der Erziehung eisern totgeschwiegen hatte.

Ich hatte das große Glück, eine Mutter zu haben, die mit mir offen über Sex sprach. Als ich elf war, erklärte meine Mutter mir, ich könne sie alles über Sex fragen, was ich wissen wollte – absolut alles. Für diese Offenheit bin ich ihr heute noch dankbar. Außerdem hat sie mir Unser Körper, unser Leben – Ein Handbuch von Frauen für Frauen in die Hand gedrückt, in dem ich wahre Geschichten und Informationen zugleich fand. Ich habe diese Geschichten verschlungen – die Geheimnisse der Leute, ihre verborgensten Gefühle, Wünsche und Sehnsüchte. Davon wollte ich mehr lesen. Ich stellte mir ein Buch vor, das ausschließlich aus solchen Geschichten bestand. Einige, die wir zu hören bekamen, waren traurig oder sogar so bedrückend, dass wir explizit um »etwas Positives« bitten mussten, weil die Schilderungen von Missbrauch, Einsamkeit, Liebeskummer und Ängsten sich häuften. Es war schwer, die Leute nicht einfach in den Arm zu nehmen und zu trösten, wenn sie in Tränen ausbrachen. Einige meinten, sie hätten noch nie jemandem erzählt, was sie uns gerade anvertraut hatten. Und dass es sich gut anfühle, es sich von der Seele zu reden. Einige wirkten enttäuscht, wenn wir uns einfach verabschiedeten, nachdem sie zu Ende erzählt hatten.

Manche Geschichten ließen mich danach nicht mehr los. Ich las sie wieder und wieder, malte mir aus, wie die Betroffenen sich fühlen mussten und wie es mir in ihrer Situation gehen würde. Ich sprach über das Projekt mit meiner Therapeutin und auch mit meiner Mutter. Wieso war ich so versessen darauf, intimste Geheimnisse anderer Leute zu erfahren? Wieso stellte ich eine derart enge Verbindung zu diesen Menschen her?

Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich wollte dieses Buch unbedingt machen, weil es etwas in dieser Art bisher nicht gab. Weil nicht jeder eine Mutter hat wie meine, die sich mit mir hinsetzte und locker über Sex sprach. Und weil ich diesen Menschen zeigen wollte, dass sie nicht allein sind.

Der wahre Grund könnte allerdings weitaus egoistischer sein: Letzten Endes habe ich dieses Buch gemacht, damit ich selbst mich nicht so allein fühle. Es hat funktioniert. Ich bin jedem, der mir, uns und euch allen seine Geschichte anvertraut hat, auf ewig dankbar. Danke.

STATISTIKEN

Alle in diesem Buch verarbeiteten anonymen Geschichten wurden uns entweder persönlich erzählt oder gingen uns über unsere Webseite zu, wo die Leute ein Formular ausfüllen sollten. Um euch einen Überblick über die demografische Aufteilung aller Beteiligten zu bieten, haben wir die unterschiedlichen Faktoren in einem Diagramm verarbeitet.

Unser Ziel ist es, in diesem Buch einen möglichst breiten und diversen Querschnitt derer abzubilden, die mit uns gesprochen haben. Wir bemühen uns, den Aspekt der Diversität besonders zu berücksichtigen.

Natürlich können wir die Authentizität des Erzählten ebenso wenig überprüfen wie die demografischen Angaben, allerdings vertrauen wir darauf, dass die Menschen, die mit uns gesprochen haben, aufrichtig waren. (Mit Ausnahme der explizit namentlich genannten Autoren wurden sämtliche Namen im Text geändert.)

BEHINDERUNG

Unser Fragebogen beinhaltete auch die Frage »Leidest du/Leiden Sie unter einer Behinderung?«

0,5% all jener, die uns anonym ihre Geschichten erzählten, gaben an, unter einer Behinderung zu leiden.

Folgende Einschränkungen wurden genannt: Diabetes, Fibromyalgie, Lupus, HIV+, Ileostomie, chronisches Erschöpfungssyndrom, Parkinson, Herzerkrankung, Bipolare Störung, PTBS.

Storys

SO ERFUHR ICH, DASS ES SEX ÜBERHAUPT GIBT

SHAINA Ich habe zum ersten Mal in dem Buch Wo kommen die kleinen Kinder her? über Sex gelesen. Die Illustrationen der zwei molligen Menschen, die Liebe machen, fand ich großartig.

JULIA Ich hatte dieses Buch auch! Die Menschen darin waren so süß! Erinnerst du dich an die Zeichnung, wie sie zusammen in der Badewanne sitzen?

SHAINA Ja!

JULIA »Wie wurdest du aufgeklärt?« war immer die beste Eingangsfrage bei unseren Unterhaltungen mit den Leuten auf der Straße.

SHAINA Absolut! Das brachte das Gespräch in Gang!

JULIA Ich hatte jedes Mal den Eindruck, als würden sie sich in der Zeit zurückversetzt fühlen. Die meisten mussten eine ganze Weile nachdenken.

Ich glaube, ich war acht Jahre alt und in der Grundschule, als wir das Thema Organismen behandelt haben. Eines Tages saß ich mit meinem Vater im Auto. Wir waren in die Garage gefahren, und ich glaube, ich habe ihn versehentlich »Was sind Orgasmen?« gefragt. Er: »Also, mein Junge, pass mal auf …« Bestimmt eine halbe Stunde saßen wir im Wagen in der Garage, und er redete über Sex. Mein Dad war Arzt und hat mir alles ganz wissenschaftlich und auf den Punkt erklärt. Und ich dachte … äh, eigentlich wollte ich das alles gar nicht hören, sondern dachte, wir reden über Organismen!

Wir hatten Sexualkundeunterricht auf der Highschool. Aber eigentlich war es viel zu spät, weil wir es uns längst gegenseitig mit der Hand machten. Ich weiß noch, wie ich in der sechsten Klasse von einem Jungen gehört habe, der einem Mädchen die Hand ins Höschen gesteckt hat.

Ich wurde in der Siebten von Goth Girl mit den Riesentitten aufgeklärt. Sie hat mir alles erklärt, was ich wissen muss, und auch gleich in die Tat umgesetzt. Wir haben es im Park getan. Damals wohnte ich in einem Vorort, und meine Eltern redeten nie mit mir über Sex. Sie denken bis heute, dass ich noch nie Sex hatte – und ich bin achtundzwanzig.

Sophie Page

Meine Eltern waren sexuell sehr aktiv, und mein Vater hat keine Gelegenheit ausgelassen, es auch zu zeigen. Tatsache ist, dass er mir mit seinem Verhalten und seinen Angewohnheiten die Augen geöffnet hat. Wir waren eine Arbeiterfamilie, untere Mittelschicht mit einem kleinen Haus. Die Zimmer lagen direkt nebeneinander, und meine Eltern hatten keinen Platz, um sich zurückzuziehen. Mein Vater hatte auch eine Pornosammlung auf VHS. Mit zwölf oder dreizehn packte mich die Neugier, und ich schnüffelte in ihrem Schlafzimmer herum. Eigentlich war mir von Anfang an klar, dass ich irgendetwas finden würde. Ich erinnere mich noch genau an einen Abend, als die ganze Familie, meine Eltern, meine Schwester und ich, auf ihrem Wasserbett herumgammelten und wir uns einen Film ansahen, ganz zwanglos, als mein Vater fragte: »Hast du eigentlich schon Sex?« Ich habe gelogen.

In Japan gibt es so etwas wie Aufklärung nicht. Eltern würden niemals mit ihren Kindern über Sex sprechen. Unter keinen Umständen. So etwas wird mit keiner Silbe erwähnt. Alles ist ein großes Geheimnis. Gleichzeitig sind Pornos allgegenwärtig, und in jedem Supermarkt an der Ecke kann man Sex-Cartoon-Hefte kaufen. Als ich fünfzehn war, fingen meine Freunde und ich an, Pornos zu gucken. In vielen japanischen Pornos kommen Oktopusse vor, deren Tentakeln sich die Frauen in die Vagina schieben. Er wird abgekocht und dadurch fest. Solche Dinge habe ich mir als Jugendlicher angesehen.

Ich habe mein Wissen über Sex aus Pornos zusammengetragen – traditionellen Pornos aus den Siebzigern und Achtzigern. Damals hatten die alle noch jede Menge Körperbehaarung. Auf VHS.

Meine Eltern waren in puncto Sex sehr zugeknöpft. Gesprächsthema war das nie bei uns. Als ich vierzehn war, meinte mein Dad, ein Orgasmus sei so, als müsste man dringend aufs Klo und dürfte sich dann endlich so richtig leerscheißen. Und ich so … ah, okay …? Anfangs war ich beim Sex komplett verklemmt, habe aber an mir gearbeitet und versucht, lockerer zu werden.

Mit elf bekam ich meine erste Periode, habe aber niemandem davon erzählt. Meine Mom fragte mich danach, als sie beim Waschen den Blutfleck in meiner Unterhose entdeckte. Jahrelang war mir meine Periode superpeinlich. Als meine Mom und meine Schwester »mit mir darüber reden« wollten, tat ich aus Verlegenheit die ganze Zeit so, als müsste ich husten.

Heute habe ich kein Problem mehr mit Blut und Tampons, viel peinlicher ist mir allerdings, dass ich keine Ahnung habe, wie mein natürlicher Zyklus funktioniert, weil ich schon mein halbes Leben lang die Pille nehme.

»Komm, wir vergleichen mal unseren Körper mit anderen!«

Luke Kruger-Howard

Ich habe etwas über Sex gelernt, indem ich ihn hatte. Es fühlte sich gut an, also habe ich mit Männern geschlafen. Ich bin keine junge Frau mehr, und früher wurde man nicht explizit aufgeklärt. Es gehörte einfach dazu, deshalb hat es jeder getan. Es waren die Siebziger, ich ging auf die Highschool, und alle hatten Sex. Ich auch. Und dann wurde ich schwanger. Das war 1979. Ich brachte das Baby zur Welt, heute ist meine Tochter längst erwachsen.

Ich habe mich bemüht, bei dem Thema offener mit ihr umzugehen, als es bei mir der Fall war, deshalb habe ich ihr alles über den Körper erklärt, welches Teil welche Funktion hat und was sich gut anfühlt. Ihr und ihren Freundinnen. Wie eine persönliche Dr. Ruth. Meine Tochter stöhnte immer: »Ma, wieso tust du das?«, aber ihre Freundinnen waren begeistert und meinten: »Deine Mom ist super, sie redet Klartext.« Auch das Thema Masturbation habe ich zur Sprache gebracht. Anfangs waren sie völlig von den Socken und wollten wissen, was das denn so sei. Aber dann sind sie aufgetaut. Es war schön. Wir haben Blockbuster-Videoabende veranstaltet. So lange ist das schon her. Ich habe mit ihnen über Masturbation gesprochen, weil man als Frau lernen sollte, sich selbst zu befriedigen. Wie soll man sonst seinem Partner sagen, was er tun soll? Nur so kann man ihm doch zeigen, was man mag.

Zu meiner Zeit wurde über Sex nicht gesprochen. Also hat mir meine Freundin Ava alles erzählt, was man wissen muss – es war nur leider völliger Quatsch. Sie meinte, wenn ein Junge einen am Arsch anfasst, wird man schwanger. Wir waren in der Grundschule und dachten, Ava hätte den vollen Durchblick. Einmal hat mein Klassenkamerad Dudley mich am Hintern berührt, und ich dachte prompt, ich sei schwanger. Ich habe es meiner Schwester erzählt – ich hatte allen Ernstes Schiss, ich bekäme ein Baby! Meine Schwester hat mich dann aufgeklärt.

Rachelle Baker

Damals, vor Urzeiten (in den Sechzigern) bestand die Aufklärung an unserer katholischen Schule darin, dass man eine Stunde lang mit dem Pfarrer alles besprach. Das war ein Riesenereignis für uns Fünftklässler! All die Geheimnisse und Gerüchte über die unvorstellbaren und schauderhaften Dinge, die meine Eltern heimlich taten, würden jetzt endlich gelüftet werden. Jeden Tag wurde ein Kind aus dem Unterricht geholt, das wenig später still und leicht verlegen zurückkehrte. Ich dachte immer, sie müssten doch anders aussehen als vorher – älter und klüger vielleicht?

Dann war ich endlich an der Reihe. Ich ging also ins Pfarrhaus gegenüber von unserer Schule, wo mich ein sichtlich nervöser und verlegener Father Schmidt bereits erwartete. Was genau er mir erklärt hat, weiß ich nicht. Im Grunde waren es die rein biologischen Fakten, aber ich habe nichts davon kapiert. Lediglich an die Ejakulation erinnere ich mich noch, weil ich die Vorstellung, dass außer Urin noch etwas anderes aus dem Penis kommt, so erschreckend fand. Das hat mich nicht mehr losgelassen, obwohl er längst zum nächsten Thema wechseln wollte, und er wurde allmählich sauer, aber ich habe immer weitergebohrt. »Und was ist das, dieses Sperma? Tut das weh? Wie sieht es aus? Kann man auch damit aufhören, wenn man will? Wie viel kommt da heraus?« Die letzte Frage habe ich ihm bestimmt dreimal nacheinander gestellt. Am Ende sagte Father Schmidt: »Es ist weiß und etwa ein Teelöffel voll.« Daraufhin zuckte ich bloß entsetzt zusammen. Zehn Minuten später kehrte ich in den Unterricht zurück. Das war’s dann mitmeiner Aufklärung, und ich hatte mehr Fragen als je zuvor.

Manjit Thapp

Den besten Ratschlag zum Thema Sex bekam ich von meinen Eltern. Sie sagten, es gäbe nur eines, was ich wissen müsste – das Allerwichtigste sei, dass der Partner glücklich sei. Das war noch ganz am Anfang, noch vor dem Part mit den Bienen und den Blumen. Sie brachten mir bei, dass Sex etwas höchst Intimes zwischen zwei Menschen ist. Und dass beide Partner es genießen und dabei auf ihre Kosten kommen sollen. Ich glaube, deshalb bin ich bei der Auswahl meiner Partner heute so wählerisch. Eine x-beliebige Frau kommt für mich nicht infrage, stattdessen muss sie ein toller Mensch und mein perfektes Gegenstück sein. Und sie muss wissen, wer sie ist. Der Sex, wie man ihn im Fernsehen sieht, ist doch oft völlig bedeutungslos, und die Menschen kennen sich praktisch gar nicht.

Ich war auf einer internationalen Privatschule in Äthiopien. In der fünften Klasse standen statt des regulären Unterrichts eine Woche lang Sex, Pubertät und unsere Körper auf dem Lehrplan. Dabei ging es nicht etwa um Lust oder Masturbation, sondern um die rein körperlichen Aspekte, beispielsweise welche Arten von Sex es gibt oder wie der Körper reagiert. Mir hat es geholfen, es mit dem zu vergleichen, was mir Leute über den Sexualkundeunterricht an amerikanischen Schulen erzählen. Stigmata oder Schamgefühl kenne ich nicht, sondern ich kann ganz offen über Sex reden.

Mit sechzehn habe ich meiner Mutter gesagt, ich sei jetzt bereit für die Verhütung und damit auch für Sex. Woraufhin sie zwar gelassen blieb, das Thema aber flott und bestimmt verwarf. Egal wie sehr ich ihr damit in den Ohren lag, weigerte sie sich, mit mir zum Gynäkologen zu gehen. Mit zwanzig wurde ich schwanger, und so sehr ich meinen mittlerweile vierjährigen Sohn liebe, bedauere ich, dass meine Mutter mir trotz meiner eindringlichen Bitten damals ihre Hilfe verweigert hat. Ich fände es gut, wenn Eltern endlich aufhören würden, ihre Töchter »vor dem Sex bewahren« zu wollen (O-Ton meine Mutter). Sex ist etwas Natürliches, muss nicht in einer Schwangerschaft enden und ist ein Teil unseres Lebens.

Essay

DIE SCHMUTZIGE ERDE JESU

von ELNA BAKER

Meine Initialzündung war die Dokumentation The Devil’s Playground über Amish-Jugendliche, die mit sechzehn in eine Phase ihres Lebens eintreten, die sie Rumspringa nennen. Dabei stürzen sie sich kopfüber ins Leben und tun, was ihnen in den Sinn kommt, ohne dass das im Hinblick auf ihre Religion irgendwelche Konsequenzen hätte. Spontan beschloss ich, mir eine einjährige Auszeit von meinem Leben als Mormonin zu nehmen (bei denen das im Gegensatz zu den Amish definitiv nicht vorgesehen oder gar erlaubt ist). Trotzdem sah ich es als einzige Möglichkeit herauszufinden, was so etwas mit einem macht – indem ich meiner Religion für eine Weile den Rücken kehrte und danach wieder Teil davon wurde.

Mein Plan war, es so richtig krachen zu lassen; ich hatte sogar eine Liste von Männern, mit denen ich unbedingt schlafen wollte. Doch sobald ich die Freiheit vor der Nase hatte, konnte ich mich nicht überwinden, sie mir auch zu nehmen. Es war, als sei ich von einem unsichtbaren elektrischen Zaun umgeben: Je näher ich kam, umso schlimmer war die Lähmung. Vor allem im Hinblick auf Sex.

Im mormonischen Glauben gilt Sex vor der Ehe als die zweitschlimmste Sünde nach Mord – mit der Androhung, dass man im Jenseits nicht mit der Familie vereint sein wird, wenn man sich dazu hinreißen lässt. Ich hatte zwar schon erste sexuelle Erfahrungen gesammelt, die allerdings nie über harmloses Fummeln hinausgegangen waren – und dieses eine Mal, als der Nachbarsjunge meinen Schritt durch den Stoff meiner Schlafanzughose geküsst und ich einen Orgasmus bekommen hatte.

In den ersten Monaten meiner Auszeit wurde ich Stammgast in einer kleinen Bar namens Beatrice. Alle paar Tage war ich dort, gabelte einen Typen auf und ging mit zu ihm nach Hause, um ein bisschen rumzumachen. Ich wollte mehr. Die Typen auch. Ich saß da, starrte auf die Beule in ihrer Hose und überlegte, ob ich sie anfassen sollte. Aber es erschien mir so primitiv. Unangemessen. Also tat ich gar nichts. Es war so eine Mischung aus religiösem Ballast – was ich hier tue, ist so schlimm wie Mord, ich werde meine Familie für immer verlieren – und gewöhnlicher Unsicherheit. Ich hatte Angst, dass ich es nicht hinkriege. Damals war ich siebenundzwanzig, ein Alter, in dem alle von einem erwarten, dass man sexuell erfahren ist. Die Typen konnten ja nicht wissen, dass ich das alles zum ersten Mal tat. Ob Sex, einen blasen oder einen runterholen, die Typen würden automatisch denken, ich hätte es schlicht nicht drauf. Die Krux war, dass mich genau diese Angst vor meiner eigenen Unerfahrenheit daran hinderte, Erfahrungen zu sammeln. Zwar rückte ich näher und näher an Typ und an Schwanz heran, nur um am Ende zu kneifen und einen Abgang zu machen.

Monatelang ging das so, bis ich mich meiner Freundin Andy anvertraute.

»Ich habe einen guten Freund, der bis Mitte zwanzig orthodoxer Jude war, dann aber ausgestiegen ist«, meinte sie. »Ihm erging es ähnlich wie dir. Ich stelle euch einander vor, dann könnt ihr in Ruhe über alles reden. Bestimmt kann er dir weiterhelfen.«

Ich traf mich mit David in einem kleinen italienischen Kellerrestaurant im West Village. Auf den Tischen brannten Kerzen, und es herrschte eine intime, beinahe erotische Atmosphäre. Außerdem war David echt süß. Schon im Vorfeld hatte ich ihn gegoogelt, allerdings war er im wahren Leben noch attraktiver und strahlte eine tolle Energie aus – souverän und voller Selbstsicherheit. Ich hatte im Internet einige Artikel von ihm gelesen und gesehen, dass er ein talentierter Autor war, was ihn älter und cooler wirken ließ. Trotzdem fühlte ich mich in seiner Gegenwart auf Anhieb wohl. In den folgenden zwei Stunden erzählte er mir von seinem Entschluss, seiner Religion den Rücken zu kehren, und fragte mich, wie es mir so gehe.

Ich erzählte ihm von meiner Befürchtung, meine Familie könnte es herausfinden und es würde ihnen das Herz brechen, und auch von meiner Angst, eine Entscheidung zu treffen, die ich nicht rückgängig machen konnte, was mich zu diesem Zeitpunkt am meisten lähmte.

»Mir ging es nach meinem Ausstieg ganz genauso«, meinte er. »Wie lange bist du schon raus?«

»Seit etwa fünf Monaten«, antwortete ich, wobei ich unterschlug, dass ich in Wahrheit keineswegs »raus« war.

»Dann bist du genau an dem Punkt, an dem du sein solltest. Es dauert eben länger als gedacht, um dich an die Veränderung zu gewöhnen. Aber hab Geduld mit dir, es besteht keinerlei Grund, dich unter Druck zu setzen.«

»Mag sein, aber ich habe ja bloß ein Jahr Zeit.«

»Wie meinst du das?«

Also beugte ich mich vor, sah in seine braunen Augen, in denen sich der Kerzenschein spiegelte, und schilderte ihm meinen Plan vom Rumspringa und der Rückkehr in die mormonische Gemeinschaft am Ende des Jahres. Er fand das amüsant.

»Du nimmst dir also eine religiöse Auszeit.«

»Genau.«

»Und was hast du bisher so getan?«

»Was meinst du?«

»Hast du Alkohol getrunken?«

»Nein.«

»Was ist mit Drogen? Hast du Drogen ausprobiert?«

»Nein.«

»Und Sex? Hattest du Sex?«

Ich sah ihm zögernd in die Augen. »Ehrliche Antwort? Ich habe keine Ahnung, was ich mit einem Penis anfangen soll.«

Er zuckte mit keiner Wimper. Und dann sah er mir tief in die Augen und sagte: »Soll ich es dir zeigen?« Aus seinem Mund klang es wie eine Art Dienst an der Gemeinschaft, den alle ehemals religiösen Menschen leisten müssen.

Ich biss mir auf die Lippe. Ich glaube, das war das Erotischste, was mir je im Leben passiert war.

»Ja.«

Zehn Minuten später standen wir auf der Straße, er winkte ein Taxi heran, mit dem wir zu mir nach Hause fuhren. Nervös saßen wir nebeneinander auf dem Sofa, bei voller Beleuchtung, die Augen auf die Wand vor uns geheftet.

»Aber du hast schon mal einen Penis gesehen, oder?«, fragte er.

»Ja«, antwortete ich mit einer Spur zu viel Entschiedenheit, um wirklich glaubhaft zu wirken. Dabei stimmt es. Na ja, mehr oder weniger. Ich hatte schon mal Babys die Windeln gewechselt. Also … Säuglingspenisse. Ich hatte die Penisse kleiner Jungs gesehen.

Und jetzt war der große Moment gekommen – gleich sollte ich einen richtigen Männerpenis zu sehen kriegen. Ich versuchte, mich innerlich darauf einzustellen, um das richtige Gesicht zu machen … dabei hatte ich keine Ahnung, was das richtige Gesicht überhaupt war. David wandte sich mir zu und warf mir einen Blick à la »Bist du bereit?« zu, worauf ich nickte. Er zog den Reißverschluss seiner Hose herunter, griff in seine Unterhose und holte seinen Schwanz heraus. Ich betrachtete ihn mit weit aufgerissenen Augen.

»Der ist ja so groß«, platzte ich heraus. (Was auch stimmte. Im Vergleich zu … einem Säuglingspenis.)

»Wow. Du machst das echt gut«, meinte er.

Es folgte eine Mischung aus erotischer Begegnung und nüchterner Lehrstunde, in der David mir seinen Penis näherbrachte. »Der Teil hier ist die Eichel, das ist der Schaft, und das sind die Hoden«, meinte er und deutete dabei auf den jeweiligen Teil seiner Anatomie.

»Die darf man nicht anfassen«, sagte ich. Die Erkenntnis hatte ich bei Die witzigsten Homevideos gewonnen: Trat man einen Mann zwischen die Beine, stöhnte er und krümmte sich vor Schmerz. Daher schienen die Hoden tabu zu sein.

»Nein, man kann sie durchaus berühren.« Er nahm meine Hand und legte sie darauf.

»Die sind ja ganz weich«, sagte ich. »Wie ein Vogelküken.«

Wir zuckten beide zurück.

Ich hob die Hand, ließ sie einen Moment lang direkt über seinem Schwanz schweben. Eigentlich wollte ich ihn gern anfassen, hatte aber Angst.

»Es ist okay«, sagte er. »Du kannst ihn ruhig berühren.«

Behutsam stupste ich ihn mit dem Finger an, so wie man jemandem einen Klecks Ketschup abwischt, den man nicht gut kennt: freundlich, aber mit Vorsicht.

»Komm.« Er nahm meine Hand und legte sie um das Schaftende. »Du kannst ruhig kräftiger zudrücken.« Er legte seine Hand um die meine, um mir den richtigen Druck zu zeigen, dann löste er sie, und ich schloss die Finger fester darum.

»Nicht ganz so fest«, meinte er. Am liebsten wäre ich vor Scham im Erdboden versunken.

»Es fühlt sich sehr schön an, wenn du die Hand auf und ab bewegst, aber er muss feucht sein.«

David spuckte auf seine Hand … jede Menge Speichel, den er auf seinem Penis verteilte. Ich hatte Mühe, meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten. Wie bitte? Du spuckst auf deinen Penis?

Wieder nahm er meine Hand in seine und zeigte mir, mit welcher Geschwindigkeit und welchem Druck ich seinen Schwanz streicheln konnte. Nach etwa einer Minute nahm er die Hand erneut weg und ließ mich allein weitermachen, wobei er immer wieder eingriff, damit ich den Rhythmus beibehielt. Es war ein bisschen so, als würde man fliegen lernen und das erste Mal selbst den Steuerknüppel bewegen.

»Ja, genau so ist es gut«, ermutigte er mich. »Und jetzt ein bisschen schneller.« Meine Hand glitt auf und ab, während ich daran dachte, was für eine seltsame Situation das hier war. Wir hatten uns noch nicht einmal geküsst. Ich beugte mich vor, und wir küssten uns. Unsere Zungen bewegten sich im Rhythmus der Bewegungen meiner Hand. Schließlich löste ich mich und sah in seine großen braunen Augen.

»Gehen die Schuldgefühle jemals weg?«, fragte ich. Sowie die Worte über meine Lippen kamen, wusste ich, dass es das Falsche gewesen war. Er sah aus, als hätte ihm jemand einen Kübel eiskaltes Wasser ins Gesicht geschüttet, und sein Schwanz, gerade noch hart und fest in meiner Hand, schrumpelte zu einer schlaffen Nudel zusammen. Ich versuchte, ihn wieder zum Leben zu erwecken. Heute weiß ich natürlich, was passiert war. Damals hatte ich nicht die leiseste Ahnung.

»Was ist denn?«, fragte ich panisch. »Habe ich dir wehgetan? Ist alles in Ordnung?«

»Nein, nein, es liegt nicht an dir«, versuchte er mich zu beruhigen, während wir verlegen auseinanderrutschten. Er nahm meine Hand von seinem Penis und legte sie mit einem leichten Tätscheln in meinen Schoß, als wollte er sagen: »Schön da liegen lassen.«

Dann verstaute er seinen Penis in seiner Unterhose. »Ich denke, wir … sollten das lieber nicht tun.«

»Nein!«, widersprach ich. »Es ist alles bestens. Ich möchte es wirklich gern. Tut mir leid, ich hätte das nicht sagen dürfen.« Ich wollte ihn an mich ziehen, aber er blockte meine Versuche ab.

»Du kannst nichts dafür. Ich dachte bloß, du wärst schon etwas weiter auf deinem Weg. Es tut mir leid. Es war ein sehr schöner Abend, und ich will nicht, dass dir irgendwas peinlich ist.« Er bemühte sich, nett zu sein, doch die Art, wie er seine Sachen zusammenpackte und zur Tür stürzte, als stünde das Haus in Flammen, sprach Bände. Er gab mir einen Kuss zum Abschied, wenn auch einen von der höflichen Sorte, wie man es bei einer Tante tut. Kein Gib mir doch deine Nummer oder Hey, ich würde dich gern wiedersehen.

Sobald David weg war, spürte ich die mormonischen Schuldgefühle wie eine superfiese Migräne in meinem Hinterkopf aufsteigen. Nein! Ich kämpfte dagegen an. Nein! Einfach nicht nachdenken. Nicht denken.

Ich rannte ins Bad, schluckte zwei Schlaftabletten und ging zu Bett. Das Ganze fühlte sich wie ein Traum an. Und zwar kein schöner. Was stimmt bloß nicht mit mir?

Am nächsten Morgen war ich wie gelähmt vor Angst. Das war der Moment, als die Gehirnwäsche in all ihren vielfältigen Dimensionen zum Vorschein kam. Ich hatte gegen die oberste Regel unserer Religion verstoßen und eine Todsünde begangen. Was ich getan hatte, ging weit über ein kleines Vergehen hinaus, wie einem Jungen zu erlauben, dass er einem die Brüste durch den BH streichelt. Ich hatte den Penis eines Mannes berührt und damit meine Seele besudelt, weshalb ich nie wieder derselbe Mensch sein konnte. Fast zwei Jahrzehnte lang war ich darauf konditioniert worden, vorehelichen Sex mit Mord auf eine Stufe zu stellen, und diese Überzeugung war bis in die Tiefen meines Unterbewusstseins verwurzelt.

Ich kämpfte gegen die Gedanken an, versuchte, mir selbst Mut zuzusprechen. Es ist okay … du bist okay … alles wird wieder gut. Du hast einen Penis angefasst. Na und? Deswegen geht die Welt doch nicht unter. Niemand ist gestorben. Ist doch keine Riesensache.

Es half. Ein bisschen zumindest. Doch mit jeder Sprosse, die ich aus meinem Hochbett herunterstieg, drohte mich die Realität dessen einzuholen, was ich getan hatte. Der Abend war real, ich konnte ihn nicht ungeschehen machen. Niemals. Sobald meine nackten Füße den Boden berührten, schlug die Flut meiner religiösen Schuldgefühle über mir zusammen und riss mich mit sich. Tränenüberströmt brach ich zusammen, überwältigt von einem Schmerz, wie jemand ihn sonst nur nach dem Verlust eines geliebten Menschen verspürt. Was habe ich getan?

Es ist schwer, meine Gefühle Menschen zu erklären, die nicht mit denselben Glaubensdogmen großgeworden sind. Ihnen mag es albern vorkommen. Ich meine, was hatte ich schon getan? Ich hatte einen Penis angefasst. Kein Riesendrama, oder? Für mich dagegen war es etwas unbeschreiblich Schlimmes. Es war, als hätte ich ein Verbrechen begangen. Ich war ein schlechter Mensch, ein Ungeheuer, eine schlechte, unreine Frau. Und Gott war zutiefst enttäuscht von mir. Natürlich hatte ich all das schon vorher gewusst, und doch war ich Satan und den Versuchungen des Fleisches verfallen, hatte dabei den Körper eines anderen Menschen unsittlich berührt – etwas, das mir für immer anhaften würde.

Aber es waren nicht nur Schuldgefühle und Reue, die mich im Würgegriff hielten – sondern auch blanke Angst. Ich konnte kaum noch atmen, die Tränen schnürten mir förmlich die Luft ab; als würde ich ganz allein mitten in der Nacht durch den Wald laufen, verfolgt von einem schrecklichen Ungeheuer. War die Begegnung mit David der Beginn eines Lebens in Schande und Lasterhaftigkeit? Denn genau so erging es doch den Mädchen ohne Anstand und Moral, nicht wahr? Mit diesen Bildern werden wir erzogen, wir sehen sie vor uns, wenn wir das Fundament unserer Überzeugungen legen. Und das ist nicht nur im Mormonentum so. In der Welt insgesamt ist weibliche Sexualität sehr eng mit Gewalt verknüpft. Oft werden Frauen Opfer dieser Gewalt, indem sie bloß abends alleine nach Hause gehen. Dabei resultiert diese Gewalt weniger aus der Tatsache, dass die Frauen ihre Sexualität ausleben, als vielmehr durch ihre pure Existenz. Trotzdem ist die Botschaft, die uns als Mädchen vermittelt wird, eindeutig: Diese Frauen haben ihr Schicksal herausgefordert. Mir wurde eingetrichtert, dass Gott über mich wacht, solange ich nur rein und keusch bleibe – dadurch bliebe ich von dieser Art der Gewalt stets verschont. Was natürlich absolut illusorisch ist, trotzdem war sie ein fester Bestandteil meiner Erziehung. Und nun war dieser Schleier des Beschütztseins fort, und alles konnte passieren.

Als ich als schluchzendes Bündel der Verzweiflung am Boden lag, hatte ich eine Idee – eigentlich war es bloß ein verrückter Gedanke, der mir durch den Kopf schoss und gar nichts mit meiner mormonischen Religion zu tun hatte. Als ich siebzehn war, hatten meine Familie und ich eine Reise nach Jerusalem unternommen und dort die Pilgerstätte Getsemani besucht – jenen Ort, an dem Jesus Christus Buße tat und sein Blut für die Sünden der Menschheit vergoss – ein liebevoller Akt der Selbstaufopferung, durch den uns unsere Sünden vergeben werden, solange wir sie nur bereuen. Bei diesem Ausflug hatte ich Erde aus dem Garten in eine verschließbare Plastiktüte gefüllt, die ich zu Hause in eine hellgrüne Vase gab und in meiner Wohnzimmervitrine aufbewahrte, als Erinnerung an die Opfer, die Jesus Christus für mich gebracht hatte.

Ich ging also, als wäre es das Normalste auf der Welt (als hätte der Arzt es mir als Heilmittel verschrieben), zum Schrank, schüttete etwas von der Erde aus der Vase in meine Hand, mit der ich den Penis berührt hatte, und sprach ein Gebet: Vater im Himmel, vergib mir durch das Blut Christi in dieser Erde, dass ich Davids Penis berührt habe. Ich bereue meine Sünde und gelobe, es nie wieder zu tun. Ich spreche diese Worte im Namen von Jesus Christus. Amen.

Dann streckte ich die Hände aus und rieb sie aneinander, als würde ich sie mit dem Schmutz waschen. Anschließend ging ich zum Mülleimer und ließ in einem symbolischen Akt die Erde hineinfallen. Das war mein Opfer. Denn da ich etwas so Grauenvolles getan hatte, musste ich mich von meinem Schmutz befreien, damit mir vergeben werden konnte. Und das Verrückteste dabei war – es funktionierte. Dieses spontane Ritual schenkte mir zumindest einen Funken Erleichterung. Ich konnte wieder atmen, schöpfte neue Hoffnung. Sünden wie meine konnten also doch verziehen werden.

Allerdings hat die Sache mit der sexuellen Neugier einen Haken: Sie ist wie ein Trommelschlag, der sich immer weiter aufbaut und schneller und schneller wird. Und sie treibt uns weiter, immer noch ein kleines Stück, ganz egal wie weit wir beim letzten Mal gegangen sind. Gerade noch Jesu Christi Erde an den Händen schlossen sie sich zwei Wochen später um einen anderen Schwanz.

Storys

MASTURBATION

JULIA Wenn man die Storys so liest – echt verblüffend, wie erfinderisch die Leute sind. Und wie oft Haarbürsten zum Einsatz kommen!

SHAINA Aber hallo! Und Zahnbürsten. Plüschtiere. Und Bettpfosten!

October Joe

Das Wichsen habe ich im Camp gelernt. Ich hab mir den nächstbesten geschnappt und gefragt: »Spuckt man einfach in die Hand und legt los?« Das hat’s nicht gebracht. Das Einzige, was ich sonst noch griffbereit hatte, war Zahncreme. Mit meinen zwölf Jahren hatte ich doch keine Ahnung. Ich schmiere also meinen Schniedel mit Zahncreme ein und fange zu reiben an. Hat sich verdammt gut angefühlt. Und dann ich auf einmal so: »Scheiße, das brennt – es brennt wie Hölle!« War mir eine Lehre!

Samstags war ich früher immer auf dem Fort-Greene-Wochenmarkt in Brooklyn. Da hat mich einmal ein Kerl angequatscht. Er war Bauer und hatte einen eigenen Stand dort. Wir unterhielten uns geschlagene zwei Stunden. Über Gott und die Welt. Ich fand ihn total sexy. Er musste sich zwar zwischendurch um seine Kunden kümmern, hatte aber nur Augen für mich. Ich habe mich selten auf Anhieb so gut mit jemandem verstanden. Am liebsten hätte ich ihn vom Fleck weg geheiratet.

Kurz bevor wir uns verabschiedeten, habe ich noch Gemüse bei ihm gekauft. Er wollte mir alles schenken, aber ich bestand darauf zu bezahlen. Als ich nach Hause kam, noch immer mit einem Lächeln auf den Lippen, fiel mein Blick auf diese Gurke. Er hatte sie mit seinen eigenen Händen angebaut. Ich griff danach – sie lag gut in der Hand. Und dann hatte ich Sex mit dieser Gurke. Es war drei Uhr Nachmittag, und die Sonne schien auf das Bett, auf dem ich lag.

Alvin Armstrong

Als ich drei oder vier war, besuchte ich einen Montessori-Kindergarten, der an eine Kirche angeschlossen war. Wir gingen auf Spielplätze, bastelten und machten täglich Mittagsschlaf. Alles ganz normal, nur dass ich damals ein sexuell recht aktives Kleinkind war. Ich weiß noch, wie ich meinen beiden besten Freunden meine Vulva zeigte. Das war in diesem kleinen Häuschen auf dem Spielplatz. Dafür ließen sie mich ihre Penisse sehen. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich mich überhaupt angefasst habe. Jedenfalls hatte ich einen Orgasmus – im Kindergarten.

Unser Nickerchen machten wir im Keller der Kirche. Da gab es diese unbequemen rauen Pritschen. Jedes Kind hatte seine eigene Decke. Ich legte mich auf den Bauch, und dann ging ich wie zu Hause auch immer meiner Lieblingsbeschäftigung nach: Ich legte mir beide Hände in den Schritt, und dann wetzte ich hin und her, bis es passierte. Das einzige Problem war, dass ich mir an dem Klappbett die Nase blutig rieb! Keine Ahnung, was die Erwachsenen dachten oder ob sie überhaupt was mitbekommen haben. Ich weiß nur noch, dass meiner Mutter sehr wohl klar war, was für ein aufgewecktes Kind ich in dieser Hinsicht war.

Einmal, ich muss ungefähr fünf oder sechs gewesen sein, hat sie mich mit einer ganzen Batterie von Salben und Cremes erwischt, die ich ihr stibitzt hatte. Ich lag auf dem Bett und schmierte meine Vulva damit ein. Es war ein schönes Gefühl. Sie funkelte mich wütend an, schnappte sich die Fläschchen und Tuben und verließ wortlos mein Zimmer. Jetzt als Erwachsene frage ich mich, was sie damals alles mitbekommen hat.

Sie saß oft kurz vor dem Einschlafen bei mir auf der Bettkante, weil ich Angst im Dunkeln hatte. Manchmal masturbierte ich dann auf dem Bauch liegend. Ich denke, man hat kaum was davon gemerkt. Auch heute noch befriedige ich mich am liebsten in dieser oder einer ähnlichen Position, deshalb weiß ich, dass man da kaum etwas sieht. Trotzdem frage ich mich, ob sie es wusste, und wenn ja, warum sie nie was gesagt hat? Hat sie bewusst darüber hinweggesehen?

Als ich schon etwas älter war, machte meine damalige beste Freundin mit. Wir kannten uns aus dem Kindergarten, und irgendwann ging das los mit dem Übernachten. Dann machten wir immer »Suppe«. Wir benutzten sämtliche Vorräte aus unseren Spielküchen und taten so, als würden wir unsere Vaginas hacken und in den Kochtopf geben. Und dann taten wir so, als würden wir die Geschlechtsteile der jeweils anderen klein schnibbeln.

Als wir auf die Highschool wechselten, zog sie mich gern in aller Öffentlichkeit mit dieser Suppe auf. Wir waren da schon nicht mehr die allerdicksten Freundinnen. Klar hat niemand wirklich verstanden, wovon sie redete, aber ich wäre trotzdem am liebsten vor Scham im Erdboden versunken. Wieso hatte sie kein Problem mit unseren Jugendsünden? Lag es vielleicht daran, dass sie einen Freund hatte und ich nicht? Außerdem hatte ich zu der Zeit jede Menge Probleme mit meiner Körperwahrnehmung.

Ich frage mich nach wie vor, ob meine Masturbationsgewohnheiten normal waren und woher sie rührten. Inzwischen weiß ich, dass viele Mädchen schon in jungen Jahren damit anfangen, aber ich war wirklich noch extrem jung. Aber ich fand es toll! Ich konnte gar nicht genug kriegen. In den Jahren vor der Pubertät hatte ich das große Bedürfnis, mir penisförmige Objekte in die Vagina zu stecken, dabei wusste ich nichts über echte Penisse. Außerdem fühlte ich mich zu älteren Jungen und Männern hingezogen. In meiner Fantasie malte ich mir aus, wie ich dominiert wurde. Keine Ahnung, warum.

Gleichaltrige Mädchen träumten von süßen Romanzen wie im Film. Ich dagegen hatte ein heftiges Verlangen nach knallhartem Sex. Es war nie mein Herzenswunsch, zu heiraten und Kinder zu kriegen. Auch heute nicht. In diesem Punkt bin ich nicht ehrlich zu den Männern in meinem Leben. Irgendwie hatte ich schon immer das Gefühl, dass ich mich in Sachen Sex nicht mit anderen Heterofrauen vergleichen kann. Genauso im Hinblick auf das, was ich mir von einer Beziehung erhoffe. Das hat für sehr viel Verwirrung und Unglück gesorgt.

Und aus allen diesen Gründen vermisse ich es, wie unbeschwert ich als kleines Mädchen masturbiert habe. Das war damals so wunderbar unschuldig. Es musste nicht groß etwas bedeuten. Es passierte einfach. Völlig unabhängig von irgendwelchen Beziehungen oder vom Urteil anderer. Das war ganz allein mein Ding. Kein Üben für später oder ein Ersatz für echten Sex. Heute habe ich das Gefühl, dass meine Sexualpartner einen Orgasmus von mir erwarten, selbst wenn es gerade nicht geht. Und genau deshalb kann ich mich nicht mehr fallen lassen.

Es ist lange her, seit ich zum allerersten Mal masturbiert habe. Ich war damals fünfzehn Jahre alt und lebte mit meinen Eltern in einer Kleinstadt an der Ostküste. Mom stammt von erzkatholischen polnischen Einwanderern ab, mein Vater ist malaysischer Chinese und extrem konservativ.

Während meine Eltern schliefen, schlich ich mich ins Wohnzimmer und sah fern. Damals hatte man noch extra Programmzeitschriften (ja, so lang ist das schon her!). Ich liebte es, darin zu blättern, auf der Suche nach allem, was irgendwie mit Sex zu tun hatte. So stolperte ich zufällig über Sex and the City, nur dass in der Zeitschrift nicht mehr als Sex and in die Zeile gepasst hatte. Aber das reichte mir. Meine Neugier war geweckt.

John Cuneo

An diesem Abend saß ich mit meinen fünfzehn Jahren wegen G-String Divas vor dem Fernseher. In dieser hochinteressanten Serie ging es um vier Stripperinnen, die in einem Nachtclub arbeiteten. Man sah sie auf der Bühne und Backstage, sie lachten, machten Witze, zogen sich um, tanzten. Was sie da hatten, war eine waschechte Frauenfreundschaft – sie waren sich gegenseitig eine Stütze, standen sich sehr nah. Sie bildeten in meinen Augen die ideale sexpositive Gemeinschaft.

Und dann war da Hope. Hope hatte einen Freund … und eine Freundin. Es gab Szenen, wo Hope direkt in die Kamera sprach, so richtig echt und unverfälscht. Einmal sieht man, wie sie ihren Freund küsst, ein anderes Mal knutscht sie mit ihrer Freundin. Ich war hin und weg! Das alles war möglich?

In der ersten Viertelstunde dieser Folge lernte ich mehr über Sex und Beziehungen als in den fünfzehn Lebensjahren davor. Ich bin mir sicher, dass die Produzenten von G-String Divas vor allem eins zum Ziel hatten: Kleinstadtmädchen wie mir, die mit ihrer sexuellen Identität noch im Unreinen sind, zu helfen. Damit wir uns akzeptiert fühlen und unsere eigene sexpositive Frauengemeinschaft finden. Aber da waren auch noch andere Aspekte, die mich fesselten.

Das Strippen. Logo. Auf einen Schlag hatte ich vier neue Idole gefunden, die noch dazu höllisch heiß waren. Klar war mir bewusst, dass sie in erster Linie für ein männliches Publikum tanzten, aber für mein Empfinden taten sie es einzig und allein für mich.

Nach dieser Folge fühlte ich mich, als hätte ich eine lebensverändernde Erfahrung gemacht. Eine bedeutsame Lektion gelernt. Und ganz plötzlich überrollte mich ein Gefühl, gegen das ich nicht ankam. Ich musste etwas unternehmen, das war sonnenklar. Also stapfte ich hinunter in mein Zimmer im Keller. Ich schob den Perlenvorhang beiseite und legte eine CD von Destiny’s Child ein. Dann sah ich mich suchend um.

Danielle Orchard

Keinen blassen Dunst, woher mein jugendlich unerfahrenes Hirn wusste, wonach ich Ausschau halten musste. Ich hatte keinerlei sexuelle Erfahrungen, abgesehen von gelegentlichem harmlosem Geknutsche, aber die Heteronormativität war auch in mir tief verwurzelt. Ich zog alle möglichen Dinge heraus, die sich aus meiner Sicht eignen könnten, legte aber eins nach dem anderen wieder weg, bis ich fündig wurde. Es war eine Haarbürste, rund, mit dichten Borsten und einem ebenfalls runden knallpinken Plastikgriff. Passt perfekt, dachte ich mir.

Ich legte mich auf mein extrabreites Bett mit der mit Delfinbettwäsche bezogenen Decke, starrte nachdenklich auf meine Hanson-Poster und zögerte. Während ich nach dem passenden Objekt gesucht hatte, war meine so schlagartig aufgeflammte Lust etwas abgeflaut. Doch kaum dachte ich an Hope und ihre Freundin, den Tanz, stürmte alles wieder auf mich ein. Schnell schnappte ich mir diese Haarbürste, griff sie an dem borstigen Ende und fing an, hemmungslos damit zuzustoßen.

Ich will nicht behaupten, dass ich an diesem Abend meinen ersten Orgasmus hatte … aber kurz danach, als der ekstatische Rausch sich legte und mein Kopf wieder klar war, zog ich die Haarbürste heraus, lag einfach nur schwer atmend da und dachte: Was … zur Hölle … war das denn?

Ich masturbiere gerne zu Pornos. Das fing schon sehr früh an bei mir, so ungefähr mit acht oder neun. Ich hatte irgendwie Wind davon gekriegt – keinen Schimmer wo –, deshalb forschte ich nach, wie Mädchen masturbieren. In der Schule hatte man uns das nämlich nicht beigebracht. Ich weiß noch, dass ich damals der festen Überzeugung war, so ein Orgasmus würde irgendwie wehtun, sei aber auch verdammt toll. Ich masturbierte mit einer elektrischen Zahnbürste. Von Pornos und Erotikmagazinen hatte ich auch schon gehört, deshalb wollte ich mir irgendwas in die Richtung organisieren. Nach und nach kam ich dahinter, was mich »antörnte«, und schaute mir dann die entsprechenden Fotos an, während ich mich selbst befriedigte.

Wir machen einen Sprung. Fünf, sechs Jahre später masturbierte ich immer noch mindestens einmal pro Woche, mit dem Griffende der Haarbürste, genau wie damals. Allerdings kam ich viel schneller zum Orgasmus, wenn ich mir dabei auch noch einen Porno ansah. Eines Tages also, ich war allein zu Hause, beschloss ich, mich ganz auf mein Gefühl zu konzentrieren und rauszufinden, wo und wie genau es für mich am besten war, ganz ohne Input von außen – so was wie Pornos zum Beispiel. Der Orgasmus, den ich erlebte, war um Längen besser als mit jedem Pornofilm und jeder Erotikzeitschrift, viel intensiver.

Siobhan Gallagher

Eine persönliche Anmerkung: Ich bin Christin, und ich bin nie auf den Gedanken gekommen, meine Liebe zu Gott könnte in irgendeiner Weise etwas damit zu tun haben, wie oft ich mich selbst sexuell befriedige. Meiner Meinung nach sind das zwei Paar Schuhe, so verschieden wie Eis und Kuchen. Normalerweise mag man beides, ganz unabhängig voneinander. Gott liebt mich uneingeschränkt und möchte, dass ich mich selbst liebe. Und Masturbation ist eine Form der Selbstliebe.

Ich befriedige mich normalerweise jeden Tag. Nur manchmal lege ich eine Pause von fünf Tagen ein, damit ich wieder richtig in Fahrt komme.

Ich benutze zum Masturbieren Olivenöl. Die Konsistenz ist ideal. Nicht zu dünn, nicht zu zähflüssig, genau richtig. Und es lässt sich gut abwischen. Und ist noch dazu natürlich. Außerdem stellt niemand peinliche Fragen, wenn Olivenöl herumsteht.

Ich finde es gut, wenn ich beim Masturbieren schnell ans Ziel komme. Ich stelle mir immer vor, ich müsste meine Körpertemperatur möglichst schnell runterkühlen. Irgendeine Art von Stimulation brauche ich – am liebsten sind mir Pornovideos. Klar spielt das Voyeuristische dabei eine tragende Rolle, aber am wichtigsten ist mir die Geräuschkulisse. So ein Video muss sich vor allem echt anfühlen. Ich will hören, was die Beteiligten sagen, will etwas von den Räumlichkeiten sehen. Ohne Ton finde ich keinen Zugang – dann kann ich es mir genauso gut sparen. Es bringt mir nichts.

Als Kind war ich ein richtiger Klettermaxe. Auf dem Spielplatz bin ich immer tausendmal die Stangen rauf- und runtergeklettert, kein Problem. Irgendwann stellte ich fest, dass es ein richtig lustvolles Gefühl in mir auslöste. Wenn ich das obere Ende erreicht hatte, fühlte ich mich großartig, als würde ich jeden Moment explodieren.

Einmal erzählte ich meiner Mom von meiner Entdeckung, und sie meinte, das sei toll, ich solle es nur nicht tun, wenn andere Leute zusähen.

Irgendwann später wurde mir bewusst, dass das meine ersten Orgasmen waren, und da merkte ich, dass ich mich sehr schnell »an diesen Punkt« bringen konnte, indem ich mich berührte.

Interview: Meine Story

MASTURBATION ALS PROFESSION

BETTY DODSON

Ich heiße Betty Dodson und arbeite als professionelle Masturbatorin – genauer gesagt, ich unterrichte Gruppen in der Kunst der Selbstbefriedigung, wobei sich dieser Berufsweg erst allmählich herauskristallisiert hat. Ich kann keinen konkreten Zeitpunkt benennen, an dem ich zur Masturbationsexpertin wurde, vielmehr begleitet mich das Thema schon mein ganzes Leben.

Bereits in der Schule fing es an. Als junges Mädchen interessierte mich Sex brennend, und der nackte Körper stand auch stets im Mittelpunkt meiner Arbeit als Malerin. Sex ist etwas Wunderbares, Masturbation dagegen ist … purer Wahnsinn. Masturbation ist die ultimative Freiheit. Man kann es alleine tun oder mit Freunden. Selbstbefriedigung ist Sex in Perfektion.

Andere Menschen in Gruppen zu unterweisen ist das Größte für mich – sie um mich zu versammeln und ihnen nicht nur beizubringen, was ich weiß, sondern auch mit ihnen gemeinsam zu masturbieren. Die Orgasmen, die man in der Gruppe erlebt, sind himmlisch. Weil die Energie im Raum so einzigartig ist. Ich bin fast neunzig und masturbiere immer noch, Sex mit einem Partner ist hingegen kein Thema mehr für mich ist. Hat man erst mal angefangen, andere Menschen die Kunst der Masturbation zu lehren und es mit ihnen gemeinsam zu tun, wird Paarsex total langweilig.

Als ich etwa vier oder fünf war, fuhr ich mit meiner Familie im Wagen, meine Mutter, meine drei Brüder und ich. Ich wartete, bis meine Brüder eingenickt waren, steckte mir die Hand ins Höschen und begann, mich zu reiben. Es fühlte sich schön an, und ich hatte einen Orgasmus. Erst da merkte ich, dass meine Mutter mich im Rückspiegel beobachtet hatte. Wahrscheinlich war es nicht mein erster Orgasmus, aber definitiv der erste, bei dem mir jemand zusah. Das Interessante daran war, dass meine Mutter mir keinen Einhalt gebot, dabei hinderten Mütter damals ihre Kinder kategorisch daran, an sich herumzuspielen – bestimmt tun sie das teilweise heute noch, aber meine Mom tat nichts dergleichen. Als ich sie später danach fragte, meinte sie: »Ach, du hattest solchen Spaß und hast niemandem geschadet, und die Fahrt dauerte ja ewig!« Das war so eine schöne Antwort, und genau das versuche ich, meinen Gruppenmitgliedern beizubringen: Man schadet keinem, und es macht Spaß!

Zwei Faktoren sind besonders wichtig bei der Masturbation: Penetration und Vibration. Ganz einfach zu merken, weil es sich auch noch reimt. Für besonders vibrierende Momente sorgt der sogenannte Hitachi Magic Wand, der wahre Wunder vollbringt. Am besten geht man einfach in den Sexshop, denn die Auswahl ist riesig, und das Personal kennt sich meistens gut aus.

Wenn Leute mich fragen, was mich am meisten antörnt, antworte ich: ich selbst. Das war nicht immer so, denn früher war ich oft unsicher. Erst als ich älter wurde und auf das zurückblicken konnte, was ich geleistet hatte, wuchs mein Selbstwertgefühl. Ich habe einen guten Tipp für euch: Vergleicht euch nicht mit anderen. Niemals. Das ist eine meiner Grundregeln. Und sie funktioniert.

Sich selbst einen Orgasmus zu schenken ist das Herzstück des Feminismus, das ist meine Philosophie. Weil es darum geht, sich selbst zu kennen, nicht von anderen abhängig und mit sich und seinem Körper im Reinen zu sein. Ihr könnt jederzeit einen Orgasmus haben, wenn euch gerade der Sinn danach steht. Das ist wahre Freiheit. Sexuelle Freiheit. Viele Menschen werden unterdrückt – das haben wir der Religion zu verdanken. In meinen Workshops erzählen wir uns meist erst einmal unsere Geschichten, die einander häufig sehr stark ähneln. Die Unterdrückung ist kein Einzelfall.

Die meisten von uns haben als Kinder Sexspielchen gespielt, was völlig normal ist, nach dem Motto: Ich zeige dir meins, wenn du mir deins zeigst. Aber es ist immer wieder erstaunlich, wie konservativ, gehemmt und festgefahren die Leute sind und Kinder daran gehindert werden, ihren eigenen Körper zu entdecken. Warum nur? Die Gesellschaft muss noch eine Menge Reife entwickeln. Das wird noch dauern, aber der Prozess ist in Gang gesetzt. Er läuft bereits. Zwar ganz, ganz langsam, aber Schritt für Schritt geht es voran. Und irgendwann werden wir alle offener sein.

Gerade ist unsere Kultur auf Monogamie fixiert. Ich persönlich bin keine Verfechterin davon, weil ich noch nie daran interessiert war, Sex mit nur einem Menschen zu haben. Das ist so, als würde man jeden Tag dasselbe essen. Die Abwechslung ist das Salz in der Suppe des Lebens – ein altes Sprichwort, aber durchaus wahr. Mit Ende zwanzig war ich etwa fünf Jahre verheiratet, allerdings ging die Ehe in die Brüche. Nach außen hin war ich tieftraurig, aber in meinem Inneren war ich heilfroh, weil ich endlich meine Freiheit hatte. Ich gehörte der ganzen Welt!

Ich werde ständig nach meiner sexuellen Orientierung gefragt. Welche sexuelle Identität haben Sie? Du meine Güte, all diese neumodischen Begriffe. So etwas gab es nicht, als ich jünger war. Im Hinblick aufs Masturbieren spielt die sexuelle Präferenz keine Rolle. Weil man Sex mit sich selbst hat! Ich bin gewissermaßen solosexuell, und wenn ich nicht solosexuell bin, dann bin ich soziosexuell. Dabei geht es mir nicht um Hetero- oder Homosexualität, sondern um die Frage: solo oder sozial. Würden alle so denken, gäbe es wesentlich weniger Vorurteile. Wieso sind wir nicht einfach alle, was wir sind?

Es täte den Leuten gut, wenn sie allgemein weniger Vorurteile hätten, sowohl über sich selbst als auch über andere. Das gilt zum Beispiel für menschliche Körper: Hat man erst mal angefangen, Sex in der Gruppe zu haben, sieht man viele Körper, und sie sind alle ganz wunderbar. Sobald man die Menschen nackt sieht, lernt man, all die unterschiedlichen Körper zu akzeptieren. Probiert es aus!

Storys

LIEBE DEINEN KÖRPER

SHAINAAuch heute noch fällt es mir manchmal schwer, meinen Körper zu akzeptieren.

JULIAGeht mir genauso. Es gibt Zeiten, in denen ich mich wegen meines Gewichts völlig verrückt mache, dann ist es mir wieder völlig schnuppe. Ich dachte, im Lauf der Jahre würde es besser werden, aber ich tappe immer wieder in dieselbe Falle. Dass Body Positivity in der Gesellschaft mehr und mehr thematisiert wird, hilft jedenfalls sehr.

Schon mit neunzehn drohte mir eine Glatze, gleichzeitig wurde meine Körperbehaarung immer stärker. Natürlich setzte mir die Vorstellung, in so jungen Jahren bereits kahl zu sein, massiv zu, und ich hatte Angst, dass ich bei den Mädels schlechte Karten hätte. Dann wuchsen mir auch noch Haare auf dem Rücken und auf dem Hintern, und zwar massenhaft. Das war mir total peinlich, und ich hatte keine Ahnung, was ich dagegen tun sollte, schließlich konnte ich mir ja nicht jeden Tag den Arsch rasieren. Ich achtete darauf, dass mich niemand von hinten zu sehen bekam, weil ich Angst hatte, ausgelacht zu werden. Aber irgendwann fand ich mich damit ab, weil mir nichts anderes übrigblieb.

Hängen deine Schamlippen ganz weit runter, baumeln rum, ganz wild und munter?Ich habe mich schon immer für meine Vagina geniert, weil meine Schamlippen so lang sind, wie Lappen. Und so dunkel, fast so wie die Haut an den Ellbogen. So waren sie immer schon. Auf der Highschool fragte mich meine Freundin in der Umkleide mal, ob ich einen Penis hätte. Das hat mich regelrecht traumatisiert. Ich dachte, bei mir stimme da unten etwas nicht. Und eigentlich denke ich das heute noch und frage mich, ob die Jungs kurz innehalten, wenn sie die langen Dinger sehen. Aber bisher hat keiner etwas gesagt. Irgendwann habe ich meinen Gynäkologen gefragt, der meinte, es sei alles ganz normal, trotzdem finde ich sie immer noch komisch.

Branche Coverdale

Ich leide unter Schlupfwarzen. »Seit wann haben Sie das schon?«, werde ich mein ganzes Leben schon beim Arzt gefragt, weil Schlupfwarzen wohl ein Symptom für eine Brustkrebserkrankung sein können.

»Schon immer«, antworte ich dann.

»Ah. Na dann. Aber wahrscheinlich werden Sie später mal nicht stillen können«, lautet die Standardantwort.

Diese Prophezeiung bekam ich schon als kleines Mädchen zu hören, als ich noch keinen Gedanken an das Thema verschwendete. Allerdings bescherte es mir einen heftigen Komplex. Ich dachte, mit meinen Brüsten stimme etwas nicht. Ehrlich gesagt habe ich mich wie ein Monster gefühlt. Als Teenager hatte ich immer Angst vor dem Nacktbaden, weil ich nicht wollte, dass jemand meine Schlupfwarzen sieht, und wenn ich Sex hatte, achtete ich stets darauf, dass meine Nippel bedeckt blieben. So ging das jahrelang.