Expositionsbasierte Therapie der Panikstörung mit Agoraphobie - Thomas Lang - E-Book

Expositionsbasierte Therapie der Panikstörung mit Agoraphobie E-Book

Thomas Lang

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Beschreibung

Die Wirksamkeit von kognitiv-verhaltenstherapeutischen Programmen bei Panikstörung und Agoraphobie wurde vielfach nachgewiesen. Eine der effektivsten Interventionsstrategien stellt die Exposition dar. In der therapeutischen Praxis gestaltet sich die Durchführung von Expositionsübungen jedoch häufig schwierig. Das vorliegende Manual zur Behandlung der Panikstörung und Agoraphobie stellt die Expositionskomponente in den Mittelpunkt der Therapie und beschreibt zwei Anwendungsvarianten der Exposition: Mit Therapeutenbegleitung in der Situation oder mit ausführlicher Vor- und Nachbereitung von Expositionsübungen ohne explizite Therapeutenbegleitung. In der Neuauflage des Manuals wurden die Veränderungen in den diagnostischen Kriterien für Panikstörung und Agoraphobie ebenso berücksichtigt wie der aktuelle Diskussionsstand zu den Wirkmechanismen der Expositionsbehandlung. Nach einer Beschreibung der Störungsbilder und des diagnostischen Vorgehens werden die 12 Sitzungen des Therapieprogrammes umfassend dargestellt. Zunächst werden im Rahmen der Psychoedukation die individuellen Entstehungs- und Aufrechterhaltungsbedingungen der Störung erarbeitet. Mithilfe strukturierter Therapiematerialien wird der Patient dann an die Expositionsdurchführung herangeführt. Im ersten Schritt werden interozeptive Expositionsübungen zur Reduktion der Angst vor Körpersymptomen gemeinsam durchgeführt, bevor im zweiten Schritt Übungen zur Reduktion der Angst in Situationen umgesetzt werden. Zur Durchführung der In-vivo-Exposition stehen Expositionsprotokolle zur Verfügung, die der Übungsbesprechung und Hausaufgabendurchführung dienen. Ausführlich wird auch auf den Umgang mit Problemen bei der Durchführung der Übungen eingegangen. Die zahlreichen Arbeitsmaterialien liegen auf einer CD-ROM vor. Die Wirksamkeit des Behandlungsprogramms wurde in einer der bisher größten Behandlungsstudien für Panikstörung und Agoraphobie evaluiert; für beide Expositionsvarianten konnte eine hohe Wirksamkeit gezeigt werden.

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Thomas Lang

Sylvia Helbig-Lang

Dorte Westphal

Andrew T. Gloster

Hans-Ulrich Wittchen

Expositionsbasierte Therapie der Panikstörung mit Agoraphobie

Ein Behandlungsmanual

2., aktualisierte Auflage

Dr. Thomas Lang, geb. 1972. Seit 2007 geschäftsführender Leiter des Christoph-Dornier-Instituts Bremen und des Institutes für Psychologische Psychotherapieausbildung in Bremen.

Dr. Sylvia Helbig-Lang, geb. 1978. Seit 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Hamburg und dort seit 2015 Leiterin der Psychotherapieausbildung.

Dipl.-Psych. Dorte Westphal, geb. 1977. Seit 2005 wissenschaftliche und therapeutische Mitarbeiterin der Institutsambulanz des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden und dort seit 2016 Leiterin der Spezialambulanz für Angststörungen.

Prof. Dr. Andrew T. Gloster, geb. 1974. Basel. Seit 2002 Professor für Klinische Psychologie und Intervention an der Universität Basel (Schweiz).

Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen, geb. 1951. Von 2000–2017 Direktor des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie mit angeschlossener Institutsambulanz und Tagesklinik, seit 2017 Professur an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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www.hogrefe.de

Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar

Format: EPUB

2., aktualisierte Auflage 2018

© 2012 und 2018 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2867-3; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2867-4)

ISBN 978-3-8017-2867-0

http://doi.org/10.1026/02867-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Vorwort zur 2. Auflage

Teil 1: Grundlagen

Kapitel 1 Beschreibung des Störungsbildes

1.1 Panikstörung: Störungsbild und diagnostische Kriterien

1.2 Agoraphobie: Störungsbild und diagnostische Kriterien

1.3 Beziehungen zwischen Panikstörung und Agoraphobie

1.4 Epidemiologische Befunde

1.4.1 Prävalenzen

1.4.2 Ersterkrankungsalter und Verlauf

1.4.3 Komorbidität

Kapitel 2 Störungsmodelle

2.1 Biologische Modelle

2.2 Das kognitive Modell

2.3 Das psychophysiologische Modell

2.4 Störungsmodelle der Agoraphobie

2.4.1 Das Zwei-Faktoren-Modell

2.4.2 Das Stufenmodell der Agoraphobie

2.5 Ein integratives Vulnerabilitäts-Stress-Modell

2.5.1 Prädisponierende Vulnerabilitäten

2.5.2 Auslösende und moderierende Faktoren

2.5.3 Aufrechterhaltung

Kapitel 3 Stand der Psychotherapieforschung

3.1 Effektivität verschiedener Therapieansätze bei Panikstörung und Agoraphobie

3.1.1 Psychodynamische Therapie

3.1.2 Gesprächspsychotherapie

3.1.3 Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)

3.2 Aktuelle Diskussion zum Wirkmechanismus von Expositionsverfahren

3.3 Empfehlungen zur Durchführung von Expositionsverfahren

3.4 Kombinationsbehandlung mit Pharmakotherapie

Teil 2: Behandlung

Kapitel 4 Diagnostik

4.1 Erstgespräch und Erhebung der Symptomatik

4.2 Diagnosestellung und Differenzialdiagnostik

4.2.1 Verfahren der klassifikatorischen Diagnostik

4.2.2 Differenzialdiagnosen

4.2.3 Berücksichtigung komorbider Diagnosen

4.3 Verfahren zur Therapieplanung und Verlaufsdiagnostik

4.4 Funktionale Bedingungsanalyse

Kapitel 5 Aufbau des Manuals und Behandlungslogik

5.1 Kernkomponente Psychoedukation

5.1.1 Informationen über Angst

5.1.2 Einführung des Teufelskreises der Angst

5.1.3 Entstehungsmodell und Verhaltensanalyse

5.1.4 Wirkung von Vermeidungsverhaltensweisen und Therapieziele

5.2 Kernkomponente interozeptive Exposition

5.3 Kernkomponente In-vivo-Exposition

5.3.1 Rational der In-vivo-Exposition

5.3.2 Ableitung des Behandlungsrationals für die In-vivo-Exposition

5.3.3 In-vivo-Exposition

5.3.4 Motivationskomponente

5.3.5 Kernkomponente Lernerfahrungen und Erwartungsangst

5.4 Kernkomponente Rückfallprophylaxe

5.5 Modifikationen des Behandlungsvorgehens

Kapitel 6 Evaluation

6.1 Manualentwicklung

6.2 Design und Ablauf der Behandlungsstudie

6.3 Stichprobe

6.4 Ergebnisse der Evaluation

Teil 3: Beschreibung der Sitzungen

Sitzung 1

Sitzung 2

Sitzung 3

Sitzung 4

Sitzung 5

Expositionssitzungen (Sitzung 6 bis 8 sowie 10 und 11)

Beispielsitzung 6 – unbegleitete Exposition

Beispielsitzung 10 – begleitete Exposition

Sitzung 9

Sitzung 12

Auffrischungssitzungen

Literatur

Anhang

Materialien auf CD-ROM

|9|Vorwort

Mit dem vorliegenden Behandlungsmanual liegt erstmalig im deutschen Sprachraum ein hoch strukturiertes, verhaltenstherapeutisches Konzept für die Einzelbehandlung von Patienten mit Panikstörung und Agoraphobie vor. Das Manual wurde ursprünglich für eine der größten kontrollierten Therapiestudien zu Wirkmechanismen der Therapie der Panikstörung mit Agoraphobie entwickelt, die 369 Patienten mit dieser Symptomatik untersuchte (MAC-Studie; „Mechanisms of Action in CBT“). Die Studie wurde von 2007 bis 2009 an 8 Universitätsambulanzen1 in Deutschland durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziell gefördert2.

Als Autoren dieses Manuals und als Wissenschaftler haben wir lange die Frage diskutiert, ob wir das für eine Studie entwickelte, hoch strukturierte Behandlungsmanual der Fachöffentlichkeit zugänglich machen sollten. Folgende Überlegungen haben uns darin bestärkt, dieses Wagnis zu unternehmen:

Das Behandlungsmanual wurde im Rahmen unserer Studie erfolgreich bei schwer bis sehr schwer erkrankten Patienten eingesetzt, die in der Regel seit vielen Jahren unter der Symptomatik litten und mehrere komorbide Störungen aufwiesen. Bei diesen Patienten führte das vergleichsweise kurze, expositionsfokussierte Behandlungsprogramm zu deutlichen Verbesserungen der Symptomatik und zu vergleichbar guten Ergebnissen, wie sie aus der Wirksamkeitsforschung bekannt sind. Gleichzeitig war dieses Vorgehen nicht mit höheren Dropout-Raten verbunden, wie diese üblicherweise in Therapiestudien beobachtet werden. Insofern gehen wir davon aus, dass der Einsatz des Behandlungsprogramms unter weniger formalisierten Bedingungen von den Patienten gut akzeptiert wird und zu guten Behandlungsergebnissen führt.

Die im Manual enthaltenen Behandlungsvarianten „Exposition mit Therapeutenbegleitung“ und „Expositionsvorbereitung ohne Begleitung in den Situationen“ erlauben – jenseits der Vorgaben einer Therapiestudie – eine flexible Auswahl einer jeweils angemessenen Behandlungsvariante. Beide Behandlungsmodalitäten erbrachten überzeugende, langfristig stabile Effekte, wenngleich die Bedingung mit Therapeutenbegleitung in einzelnen Dimensionen eine leichte Überlegenheit aufwies.

Der Einsatz des Manuals im Rahmen der Studie, aber auch im Rahmen unserer Lehr- und Ausbildungstherapien bestätigt, dass das Behandlungsprogramm von Patienten und Behandlern gut angenommen wird. Durch die Fokussierung auf eine Wirkkomponente der Therapie – die Exposition – ist das Behandlungsprogramm vereinfacht und gibt mit den aufeinander aufbauenden Arbeitsmaterialien eine nachvollziehbare Behandlungsstruktur vor. Unsere Erfahrungen zeigen, dass das Manual sowohl dem Therapeuten als auch den Patienten eine hinreichende Klarheit bezüglich des Behandlungsablaufes bietet, ohne dabei die Individualität des Patienten zu vernachlässigen.

Neben den Studienergebnissen unseres Verbundes und unseren positiven Erfahrungen haben uns die Befunde zur Übertragbarkeit klinischer Studien in die therapeutische Praxis dazu bewogen, eine Veröffentlichung vorzunehmen. Hier waren vor allem Befunde ausschlaggebend, die aufzeigten, dass die Effektivität der Behandlung in der Routinepraxis dann leidet, wenn der Therapie kein Behandlungsmanual zugrunde liegt.

|10|Wir möchten mit der Veröffentlichung des Manuals ein praktisch anwendbares und in seiner Wirksamkeit überprüftes Behandlungsprogramm vorlegen und hoffen, dadurch zu einer Verbesserung der Behandlungsqualität der Panik- und Agoraphobiebehandlung in der Praxis beizutragen. Damit dieses Anliegen gelingen kann, sind eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ablauf des gesamten Behandlungsprogramms, das Verständnis der Interventionslogik und die genaue Kenntnis der Übergänge zwischen den einzelnen Behandlungsschritten notwendig. Entsprechend enthält das Manual neben den genauen Sitzungsbeschreibungen ausführliche Erläuterungen zur Manuallogik, den zugrunde liegenden empirischen Befunden und Hinweise zum Umgang mit Problemen. Nichtsdestotrotz erscheint uns ein Therapeutentraining im Umgang mit den Arbeitsmaterialien unumgänglich. Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Behandlungsprogramm selbst keine spezifischen Informationen und Empfehlungen zum Beziehungsaufbau mit dem Patienten enthält. Das Programm unterstützt den Beziehungsaufbau zwar durch seine Struktur, setzt die Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten zum Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Beziehung jedoch voraus. Nach entsprechender Beschäftigung und erfolgtem Training ist das Behandlungsprogramm sowohl für Berufsanfänger als auch für erfahrene Therapeuten gut geeignet.

Zuletzt möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bei all jenen bedanken, ohne die das Manual in der vorliegenden Form nicht hätte entstehen können. Hier sind vor allem diejenigen Kolleginnen und Kollegen zu nennen, die in der Entstehungsphase durch ihre kritischen Hinweise und hilfreichen Anmerkungen das Behandlungsprogramm verbessert haben. Dank gilt vor allem Alexander Gerlach, Lydia Fehm, Werner Rebber, Peter Neudeck, Jürgen Hoyer und Georg W. Alpers. Dank gilt auch dem gesamten BMBF-Forschungsverbund, ohne den die Durchführung und die Evaluation des Manuals nicht hätte erfolgen können. Unser ausdrücklicher Dank geht dabei an alle im Rahmen der Behandlungsstudie tätigen Therapeuten, die neben der Umsetzung des Studienmanuals auch ein – in kontrollierten Studien übliches – striktes und strenges Studienprozedere einhalten mussten. Ohne ihren Einsatz hätte die Behandlungsstudie des Panik-Netzes nie durchgeführt und zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden können. Den in der Studie behandelten Patienten danken wir für ihre Bereitschaft, zusätzlich zur Therapie an der Vielzahl diagnostischer Untersuchungen teilzunehmen. Schließlich danken wir dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, ohne dessen finanzielle Unterstützung die gesamte Studie nicht hätte durchgeführt werden können. Dem Hogrefe Verlag und insbesondere Frau Susanne Weidinger – die die Entstehung des Buches mit hilfreichen Anregungen und freundlicher Unterstützung begleitet hat – danken wir für die Möglichkeit, das Behandlungsprogramm in Buchform vorlegen zu können.

Was wir dem Manual nicht wünschen ist, dass es als Fundgrube für Arbeitsblätter dient oder nur als weiteres, nicht praxisrelevantes und in der Praxis nicht anwendbares Forschungsrelikt betrachtet wird. Wir wünschen uns, dass dem Vorgehen die Möglichkeit eröffnet wird, die Behandlung der Panikstörung mit Agoraphobie weiter zu optimieren und das für einen Gesunden vermutlich nicht zu 100 Prozent nachvollziehbare Leid der Betroffenen zu mildern.

Bremen und Dresden, im April 2011

Thomas Lang, Sylvia Helbig-Lang,

Dorte Westphal, Andrew T. Gloster und

Hans-Ulrich Wittchen

1

Aachen (T. Kircher), Bremen (T. Lang), Berlin Charité (A. Ströhle), Berlin Adlershof (T. Fydrich, L. Fehm), Dresden (H.-U. Wittchen), Greifswald (A. Hamm), Münster (A. Gerlach), Würzburg (G. W. Alpers).

2

Förderkennzeichen 01GV0615. Verbundkoordinator V. Arolt (Münster).

|11|Vorwort zur 2. Auflage

Wir freuen uns sehr, dass wir eine zweite Auflage unseres Manuals zur expositionsbasierten KVT bei Panikstörung und Agoraphobie vorbereiten konnten – nicht nur, weil dies für das Interesse an unserem Behandlungskonzept spricht, sondern auch, weil es uns die Möglichkeit gegeben hat, auf die neueren Entwicklungen im Bereich der Klassifikation von Panikstörung und Agoraphobie sowie zu neuen Befunden zu Wirkfaktoren von Expositionsverfahren einzugehen.

Entsprechend haben wir das Manual in der zweiten Auflage insbesondere im ersten Teil grundlegend überarbeitet, um den Neuerungen in der diagnostischen Einordnung der Agoraphobie und den Weiterentwicklungen in den Theorien zur Behandlung von Angststörungen Rechnung zu tragen. So bezieht das erste Kapitel nun die Störungskriterien für Panikstörung und Agoraphobie aus der 5. Ausgabe des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen DSM-5 mit ein, in dem erstmals die Agoraphobie als eigenständige Diagnose kodiert wird. Die Agoraphobie wird entsprechend ihres neuen Stellenwerts etwas ausführlicher als Einzelstörungsbild charakterisiert. Darüber hinaus werden neuere epidemiologische Ergebnisse zur Häufigkeit von Panikstörung und Agoraphobie zusammengefasst.

In jüngerer Zeit gab es eine umfängliche Diskussion zu den Wirkmechanismen von Exposition, die vor allem Bezug nimmt auf Inhibitionslernen als mögliche Form des Neulernens. Um dieser Diskussion Rechnung zu tragen, wurde im dritten Kapitel zum Stand der Psychotherapieforschung ein Abschnitt zu neueren Theorien und den daraus abgleiteten Empfehlungen für die klinische Anwendung von Expositionsverfahren ergänzt. Gleichzeitig ist das beschriebene Behandlungsvorgehen in Teil C unverändert geblieben, da aktuell nur für diese Art der Umsetzung eine wissenschaftliche Evaluation vorliegt.

Wir hoffen, dass wir mit der neuen Auflage unseres Manuals ein bewährtes Konzept in einen aktuellen Rahmen stellen können und so weiterhin zu einer erfolgreichen Umsetzung einer evidenzbasierten KVT bei Panikstörung und Agoraphobie beizutragen.

Bremen, im März 2018

Thomas Lang, Sylvia Helbig-Lang, Dorte Westphal,

Andrew Gloster und Hans-Ulrich Wittchen

|13|Teil 1: Grundlagen

|15|Kapitel 1Beschreibung des Störungsbildes

Panikstörung und Agoraphobie sind in der klinischen Praxis häufige Phänomene, die zu erheblichen Einschränkungen und Belastungen führen. Obwohl beide Störungen seit langer Zeit beschrieben und in den Diagnosesystemen verankert sind, war und ist die Klassifikation und insbesondere das Verhältnis zwischen Panikstörung und Agoraphobie ein Thema intensiver Kontroversen. Während die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrer International Classification of Diseases (ICD) die Agoraphobie bereits seit den 1970er Jahren als eigenständige Störung betrachtet, war im Diagnostic and Statistical Manual (DSM) der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (APA) die Agoraphobie lange Zeit nur als Syndrom definiert, das zusätzlich zu einer Panikstörung vergeben werden konnte. Erst im kürzlich erschienenen DSM-5 (APA/Falkai et al., 2015) wurde die Agoraphobie als eigenständige Diagnose aufgenommen, die einzeln oder komorbid zu einer Panikstörung vergeben werden kann. Bezugnehmend auf die klassifikatorische Neuordnung werden hier zunächst die Störungsbilder der Panikstörung und der Agoraphobie getrennt dargestellt. Anschließend werden epidemiologische Befunde zu beiden Störungsentitäten zusammengefasst.

1.1 Panikstörung: Störungsbild und diagnostische Kriterien

Hauptkennzeichen der Panikstörung sind wiederkehrende unerwartete Panikattacken. Mit dem Begriff Panikattacke (oder auch Panikanfall, Angstanfall) wird im DSM eine diskrete Episode von Angsterleben bezeichnet, die mit mindestens vier körperlichen und kognitiven Symptomen einhergeht, wie z. B. Herzrasen oder -stolpern, Kurzatmigkeit, Schwindel sowie Angst zu sterben, verrückt zu werden oder die Kontrolle zu verlieren. Dabei erreicht die Angst innerhalb kurzer Zeit ihren Höhepunkt. In der ICD-10 (vgl. Dilling, Mombour & Schmidt, 2004) werden ähnliche Kriterien für die Definition von Panikattacken verwendet wie im DSM. Auch hier wird das Auftreten von vier aus insgesamt 12 Symptomen gefordert, wobei mindestens ein Symptom aus dem psychovegetativen Bereich vorliegen muss. Tabelle 1 stellt die aktuellen diagnostischen Kriterien der Panikstörung nach ICD und DSM gegenüber.

Wiederkehrende Panikattacken sind damit das Kardinalsymptom der Panikstörung; jedoch lässt das Auftreten von Panikattacken allein noch nicht die Diagnose der Panikstörung zu. Differenzialdiagnostisch relevant sind die Auftretensbedingungen der Panikattacken: Bei einer Panikstörung müssen wiederholt Panikattacken ohne erkennbaren Auslöser, wie „aus heiterem Himmel“, berichtet werden. Davon abzugrenzen sind situationsgebundene oder situationsbegünstigte Panikattacken, die häufig im Rahmen anderer Angststörungen auftreten und bei denen klare Auslösereize erkennbar sind. Diese können extern sein, wie z. B. ein bestimmtes Objekt oder Tier oder eine bestimmte Situation im Rahmen einer Spezifischen Phobie. Auslöser können auch internale Reize sein, wie Zwangsgedanken, Sorgenketten im Rahmen einer Generalisierten Angststörung oder intrusives Erleben im Rahmen einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Panikattacken können darüber hinaus auch außerhalb von Angststörungen beobachtet werden, z. B. im Rahmen affektiver Störungen, weshalb das DSM-5 Panikattacken als allgemeine Zusatzcodierung zur Spezifikation anderer Störungen (außer der Panikstörung) vorsieht (z. B. „Soziale Angststörung mit Panikattacken“).

|16|Tabelle 1: Vergleich der diagnostischen Kriterien der Panikstörung

ICD-10-Kriterien

DSM-5-Kriterien*

A. Wiederholte Panikanfälle, die oft spontan auftreten und nicht ausschließlich auf eine spezifische Situation, ein spezifisches Objekt, eine reale Gefahr oder besondere Anstrengung bezogen sind

A. Wiederholte unerwartete Panikattacken. Eine Panikattacke ist eine plötzliche Anflutung intensiver Angst oder intensiven Unbehagens, die innerhalb von Minuten einen Höhepunkt erreicht, wobei in dieser Zeit vier (oder mehr) der folgenden Symptome auftreten:

Beachte: Die plötzliche Anflutung kann aus einem Ruhezustand oder einem ängstlichen Zustand heraus eintreten.

a)

Palpitationen, Herzklopfen oder beschleunigter Herzschlag.

b)

Schwitzen.

c)

Zittern oder Beben.

d)

Gefühl der Kurzatmigkeit oder Atemnot.

e)

Erstickungsgefühle.

f)

Schmerzen oder Beklemmungsgefühle in der Brust.

g)

Übelkeit oder Magen-Darm-Beschwerden.

h)

Schwindelgefühle, Unsicherheit, Benommenheit oder Gefühl, der Ohnmacht nahe sein.

i)

Kälteschauer oder Hitzegefühle.

j)

Parästhesien (Taubheit oder Kribbelgefühle).

k)

Derealisation (Gefühl der Unwirklichkeit) oder Depersonalisation (sich von der eigenen Person losgelöst fühlen).

l)

Angst die Kontrolle zu verlieren oder „verrückt zu werden“.

m)

Angst zu sterben.

Beachte: Kulturspezifische Symptome (z. B. Tinnitus, Nackenschmerz, Kopfschmerz, unkontrollierbares Schreien oder Weinen) können beobachtet werden. Solche Symptome sollten aber nicht als eines der vier erforderlichen Symptome gezählt werden.

B. Eine Panikattacke ist eine einzelne Episode intensiver Angst oder Unbehagens. Sie beginnt abrupt und erreicht innerhalb weniger Minuten ein Maximum und dauert mind. einige Minuten. Es müssen mind. vier Symptome aus der folgenden Liste vorhanden sein. Ein Symptom muss dabei aus der Gruppe der ersten vier Symptome (a bis d) stammen:

a)

Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz.

b)

Schweißausbrüche.

c)

Fein- oder grobschlägiger Tremor.

d)

Mundtrockenheit.

e)

Atembeschwerden.

f)

Beklemmungsgefühl.

g)

Thoraxschmerzen und -missempfindungen.

h)

Nausea oder abdominale Missempfindungen (Unruhegefühle im Magen).

i)

Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit.

j)

Gefühl, die Objekte sind unwirklich (Derealisation) oder man selbst ist weit entfernt oder nicht wirklich hier (Depersonalisation).

k)

Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“.

l)

Angst zu sterben.

B. Bei mindestens einer der Attacken folgte ein Monat (oder länger) mit mindestens einem der nachfolgend genannten Symptome:

Anhaltende Besorgnis oder Sorgen über das Auftreten weiterer Panikattacken oder ihrer Konsequenzen (z. B. die Kontrolle zu verlieren, einen Herzinfarkt zu erleiden, „verrückt“ zu werden).

Eine deutlich fehlangepasste Verhaltensänderung infolge der Attacken (z. B. Verhaltensweisen, um Panikattacken zu vermeiden, wie die Vermeidung körperlicher Betätigung oder unbekannter Situationen).

C. Panikattacken dürfen nicht Folge einer körperlichen, organischen psychischen Störung oder anderen psychischen Störung sein.

Bestimme Schweregrad: Bis zu vier Attacken im Rahmen von vier Wochen entspricht einer mittleren, vier Panikanfälle pro Woche über mindestens vier Wochen entspricht einer schweren Ausprägung der Panikstörung.

C. Das Störungsbild ist nicht Folge einer physiologischen Wirkung einer Substanz (z. B. Substanz mit Missbrauchspotenzial, medikamentöse Wirkstoffe) oder eines medizinischen Krankheitsfaktors (z. B. Hyperthyreose, kardiopulmonale Erkrankungen).

D. Das Störungsbild kann nicht besser durch eine andere psychische Störung erklärt werden (z. B. Panikattacken treten nicht nur in Reaktion gefürchtete soziale Situationen auf, wie bei der Sozialen Angststörung; in Reaktion auf umschriebene phobische Objekte oder Situationen, wie bei der Spezifischen Phobie; in Reaktion auf Zwangsgedanken, wie bei der Zwangsstörung; in Reaktion auf Erinnerungen an traumatische Ereignisse, wie bei der Posttraumatischen Belastungsstörung; oder in Reaktion auf die Trennung von Bezugspersonen, wie bei der Störung mit Trennungsangst).

Anmerkung: * Diagnostische Kriterien für Panikstörung nach DSM-5 (APA/Falkai et al., 2015, Reprinted in German with permission from Hogrefe Verlag GmbH & Co.KG. Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, (Copyright 2013). American Psychiatic Association).

Panikpatienten berichten im Störungsverlauf häufig darüber, dass sie keine voll ausgebildeten unerwarteten Panikanfälle mehr erleben würden und stattdessen Attacken mit unvollständiger Symptomatik (d. h. mit weniger als vier Symptomen) oder situati|17|onsbegünstigte Angstanfälle in bestimmten Situationen (z. B. in vollen Räumen, öffentlichen Verkehrsmitteln, etc.) auftreten. Dies ist nicht ungewöhnlich und spricht nicht gegen die Diagnose einer Panikstörung. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die initialen unerwarteten Panikanfälle durch Versuche, alle panikauslösenden Reize zu vermeiden, reduziert werden. Für die Diagnosestellung ist daher insbesondere zu evaluieren, welche Qualität Panikattacken zu Beginn der Störung hatten.

Im DSM-5 wird in Abgrenzung zur ICD-10 für die Diagnose der Panikstörung über das Auftreten von unerwarteten Panikattacken hinaus gefordert, dass bestimmte Konsequenzen aus dem Erleben der Panikattacken resultieren. Diese Konsequenzen können entweder in einer ausgeprägten Besorgnis über die Bedeutung oder die Folgen der Panikanfälle bestehen oder in deutlichen Veränderungen im Verhalten aufgrund der Angstanfälle.

Für die Entwicklung einer Panikstörung nach initial auftretenden Panikattacken werden häufig katastrophisierende Befürchtungen über die Bedeutung der Attacken verantwortlich gemacht. Aufgrund der zunächst vorwiegend somatischen Symptompräsentation bzw. der fehlenden Erklärungen für die Symptome nehmen die Betroffenen häufig an, an einer Krankheit oder körperlichen Störung zu leiden. Je nach Ausprägung der auftretenden Symptome sind dabei häufige Befürchtungen (1) einen Herzinfarkt zu erleiden, (2) zu ersticken, (3) ohnmächtig zu werden oder umzufallen bzw. (4) die Kontrolle über sich zu verlieren oder verrückt zu werden. In Einzelfällen werden andere neurologische Erkrankungen vermutet oder allgemeine Befürchtungen geäußert, dass „etwas nicht stimmt“. In Verbindung mit diesen katastrophisierenden Kognitionen entwickelt sich häufig eine ausgeprägte Erwartungsangst vor dem Wiederauftreten von Attacken. Diese kann sich einerseits als eher diffuses Angsterleben, erhöhte Wachsamkeit und Schreckhaftigkeit äußern, andererseits als konkretes Angsterleben vor bestimmten Ereignissen oder Situationen, in denen das Auftreten von Paniksymptomen vermutet wird.

Patienten mit Panikstörung weisen darüber hinaus häufig eine Reihe von Verhaltensänderungen auf, die darauf ausgerichtet sind, die Wahrscheinlichkeit von Paniksymptomen oder die Wahrscheinlichkeit gefürchteter Konsequenzen zu reduzieren. Einige Patienten meiden Aktivitäten oder Substanzen, die Körpersymptome auslösen könnten, wie z. B. Ausdauersport oder koffeinhaltige Getränke. In Einzelfällen werden alle Situationen vermieden (z. B. auch Filme), die mit Stress oder emotionaler Erregung gleichgesetzt werden. Diese auf die Vermeidung von Körpersymptomen ausgerichteten Strategien werden unter dem Begriff „interozeptive Vermeidung“ zusammengefasst (vgl. Kasten).

Beispiele für interozeptive Vermeidungsverhaltensweisen bei Panikstörung

Kaffee trinken

Schnell laufen oder rennen

Alkohol trinken

Sportliche Aktivitäten

Saunabesuche

Sexuelle Aktivitäten

Bei sehr heißem Wetter draußen sein

Karussell fahren

Aufregende Filme sehen

Sich streiten

Interozeptive Vermeidung wird dem Konzept des Sicherheitsverhaltens zugeordnet, das in den letzten Jahren zunehmend als wesentlicher Faktor in der Aufrechterhaltung von Angststörungen diskutiert wird (vgl. Kasten zur Bedeutung von Sicherheitsverhalten).

Die Bedeutung von Sicherheitsverhalten

Der Begriff Sicherheitsverhalten oder „safety seeking behaviour“ geht auf Paul Salkovskis zurück (Salkovskis, 1991), wenngleich ähnliche Mechanismen z. B. im Bereich der Zwangsstörungen früher bereits beschrieben wurden (Rachman & Hodgson, 1980). Salkovskis sah in bestimmten Verhaltensweisen von Panikpatienten die Ursache dafür, dass katastrophisierende Bewertungen, wie „Ich werde einen Herzinfarkt bekommen“, über lange Zeit aufrechterhalten werden, ohne dass die befürchtete Katastrophe jemals eintritt. Dieses Phänomen führte er auf eine Fehlinterpretation der Bedeutung des eigenen Verhaltens zurück: Die Person glaubt, aufgrund ihres eigenen Verhaltens (z. B. die Situation zu verlassen, sich hinzusetzen, etc.) gerade noch einmal der Katastrophe entkommen zu sein.

Salkovskis teilte Sicherheitsverhalten ursprünglich in drei Kategorien ein:

Situative Vermeidung: Vermeidung von Situationen, in denen das Auftreten von Panik oder Angst befürchtet wird,

Flucht aus der Situation, sobald Angst auftritt und

Subtile Vermeidung: Verhaltensweisen, die während des Auftretens von Angst ausgeführt werden, um die befürchtete Katastrophe zu verhindern (z. B. sich hinsetzen bei der Befürchtung, umzufallen).

Im Laufe der Zeit wurde das Konzept des Sicherheitsverhaltens immer weiter ausdifferenziert und auf andere Angststörungen übertragen. So werden heutzutage auch kognitive Strategien, wie Ablenkung in den |18|Situationen oder Rückversicherungsstrategien als Sicherheitsverhalten verstanden. Grundsätzlich kann man dabei zwischen Verhaltensweisen unterscheiden, die in Vorbereitung auf schwierige Situationen ausgeführt werden, um das Auftreten von Angst zu verhindern und Strategien, die eingesetzt werden, wenn Angst auftritt, um die Wahrscheinlichkeit befürchteter Konsequenzen zu verringern.

Panikstörungen verursachen in erheblichem Ausmaß soziale, berufliche oder persönliche Einschränkungen. Nicht selten müssen Arbeitstätigkeiten oder soziale Aktivitäten aufgegeben werden oder können nur noch sehr eingeschränkt ausgeführt werden. Die enormen Beeinträchtigungen zeigen sich auch darin, dass Panikstörungen bei Diagnosen, die mit den meisten krankheitsbedingt verlorenen Lebensjahren einhergehen, an zehnter Stelle stehen – noch vor den somatischen Diagnosen Multiple Sklerose und Morbus Parkinson (Wittchen et al., 2011).

Darüber hinaus sind Panikstörungen mit erheblichen Kosten im Gesundheitssystem verbunden. Panikpatienten gehören zu den Patientengruppen mit der höchsten Inanspruchnahmerate ärztlicher Leistungen (z. B. Katon, 1996; Rees, Richards & Smiths, 1998) und haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung signifikant mehr Fehltage auf der Arbeit. Auch durch die häufig sekundär auftretenden komorbiden Störungen, wie Substanzmissbrauch und depressive Störungen, gehören Panikstörungen zu den kostenintensivsten psychischen Störungen.

Es gibt immer wieder Versuche, Subtypen der Panikstörung zu identifizieren, um einerseits die teilweise widersprüchlichen Ätiologiemodelle der Panikstörung zu integrieren, andererseits auch um Behandlungsoptionen weiter zu optimieren (vgl. Andor, Glöckner-Rist, Gerlach & Rist, 2008). Clusteranalysen zur Identifikation verschiedener Symptomprofile ergaben Hinweise auf folgende Subtypen:

Respiratorischer Subtyp: Der respiratorische Subtyp, bei dem Symptome wie Kurzatmigkeit, Atemnot oder Druck auf der Brust im Vordergrund stehen, konnte in den meisten Studien übereinstimmend nachgewiesen werden. Er wird ätiologisch mit der Hyperventilationstheorie bzw. der „False-suffocation alarm“-Theorie in Verbindung gebracht (vgl. Kapitel 2). Patienten mit respiratorischem Subtyp werden in der Literatur durch einen späteren Erkrankungsbeginn, längere Krankheitsdauer und stärkere Ausprägungen komorbider Agoraphobie charakterisiert (Biber & Alkin, 1999; Nardi et al., 2004). Diese Patienten berichten darüber hinaus häufiger über Panikattacken und sind stärker eingeschränkt (Briggs, Strech & Brandon, 1993).

Vestibulärer Subtyp: Einzelne Studien fanden Hinweise auf einen vestibulären Subtypen, bei dem Schwindel und Derealisation oder Depersonalisation im Vordergrund stehen (z. B. Andor et al., 2008; Segui, Salvador-Carulla, Canet, Ortiz & Farré, 1998). Es gibt einzelne Hinweise, dass Patienten mit Schwindelsymptomatik schlechter auf KVT ansprechen als Patienten mit anderen Symptomprofilen (Heinrichs, Hahlweg, Moschner, Wessel & Fiegenbaum, 2003).

Gastrointestinaler Subtyp: Für einen Subtypen mit vorwiegend abdominalen Beschwerden sprechen nur einzelne Befunde. Einige Autoren vermuten, dass dieser Subtyp eher spezifisch für Agoraphobiepatienten sein könnte und entsprechend in Studien bei Panikpatienten ohne Agoraphobie nicht nachgewiesen werden kann (Andor et al., 2008). Für diese Annahme liegt jedoch noch keine empirische Evidenz vor.

Kognitiver Subtyp: Beim kognitiven Subtypen stehen kognitive Symptome, wie Angst vor Kontrollverlust oder Todesangst, im Vordergrund. Die empirische Evidenz für diesen Subtypen ist jedoch begrenzt und wird besonders kontrovers diskutiert (Schmid, Forsyth, Santiago & Trakowski, 2002).

Insgesamt ist die Befundlage hinsichtlich der Existenz differenzierbarer Subgruppen begrenzt. Auf Basis von Einzelbefunden und klinischer Erfahrung werden mögliche Implikationen spezifischer Symptomprofile für die Behandlung im zweiten Teil des Manuals (vgl. Kapitel 5.5) diskutiert.

Fallbeispiel: Panikstörung

Herr B. (49) stellt sich aufgrund wiederholter, für ihn unerwartet auftretender Angstattacken zur Behandlung vor. Nach einer Phase erhöhten beruflichen Stresses habe er vor etwa fünf Monaten einen ersten Panikanfall erlebt; dabei seien innerhalb kurzer Zeit starkes Herzrasen, Beklemmungsgefühle in der Brust, Atemnot und Schweißausbrüche aufgetreten; Herr B. habe befürchtet, einen Herzinfarkt zu erleiden. Ein Kollege habe den Notarzt gerufen. Nach einer Nacht im Krankenhaus und einer Reihe Untersuchungen habe kein körperlicher Befund festgestellt werden können und Herr B. sei entlassen wurden. Kurz darauf seien jedoch in verschiedenen Situationen weitere Attacken aufgetreten; Herr B. habe sich wiederholt in ärztliche Untersuchungen begeben und sei zunehmend verunsichert über seinen Zustand gewesen. Zu den Panikattacken sei eine hohe Grundanspannung gekommen, die zu Schlafstörungen und Gereiztheit geführt habe. |19|Aufgrund der Angst habe er sich vor kurzem in einer stationären Einrichtung behandeln lassen; dort seien die Symptome weitgehend zurückgegangen, nach der Entlassung jedoch in voller Ausprägung zurückgekommen.

Aktuell ist Herr B. krankgeschrieben und zu Hause; er fühle sich dennoch dauerhaft unter Anspannung, habe Schwierigkeiten, sich auf einfachste Tätigkeiten zu konzentrieren. Er habe aufgehört, zu rauchen und trinke auch keinen Kaffee und keinen Alkohol mehr, um seine Unruhe und Nervosität nicht noch weiter zu steigern. Er gibt an, keinerlei Situationen aktiv zu vermeiden; das Gefühl eines drohenden Unheils begleite ihn über den ganzen Tag und werde nur besser, wenn seine Frau nach Hause komme, da er dann die Gewissheit habe, im Falle einer Krise Hilfe zu erhalten.

1.2 Agoraphobie: Störungsbild und diagnostische Kriterien

Der Begriff „Agoraphobie“ geht auf den deutschen Psychiater Carl Westphal (Westphal, 1872) zurück, dessen Definition des Syndroms bis heute Kern der diagnostischen Kriterien ist. Agoraphobie bezeichnet die Angst vor oder die Vermeidung von Situationen, in denen Panikattacken oder starke körperliche Symptome aufgetreten sind oder antizipiert werden. Häufig können die entsprechenden Situationen nicht mehr oder nur noch in Begleitung aufgesucht werden. Sowohl ICD-10 als auch DSM-5 fordern für die Diagnose, dass mindestens zwei typische Situationen, wie Menschenmengen oder das Nutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln, vermieden werden müssen (vgl. Tab. 2).

Wie aus Tabelle 2 ersichtlich, definiert das DSM-5 neben den typisch agoraphobischen Situationen auch die Kognitionen, die Patienten mit Agoraphobie aufweisen: Relevant sind dabei unrealistische Befürchtungen im Falle von körperlichen Symptomen die Situation nicht oder nur unter einer angenommenen Blamage verlassen zu können. Im Hinblick auf differenzialdiagnostische Entscheidungen ist dies ein relevantes Kriterium, da eine situative Vermeidung auch bei einer Reihe anderer Störungen beobachtet werden kann. Zum Beispiel vermeiden Patienten mit Sozialer Angststörung oder Posttraumatischer Belastungsstörung ebenfalls Situationen, wie Menschenmengen oder öffentliche Plätze, der Inhalt der Befürchtungen liegt dabei jedoch nicht auf dem Auftreten körperlicher Symptome, sondern beispielsweise auf der negativen Bewertung oder einer möglichen Bedrohung durch andere.

Auch wenn die situative Vermeidung das Leitsymptom der Agoraphobie darstellt, lassen sich ähnlich wie bei der Panikstörung typische Verhaltensänderungen beobachten, die eingesetzt werden, wenn Situationen nicht vermieden werden können. Zu den typischen Sicherheitsverhaltensweisen gehören dabei auch die die sogenannten „Sicherheitssignale“, deren Anwesenheit den Betroffenen Sicherheit suggerieren. Das typischste Sicherheitssignal bei Agoraphobie ist die Begleitung durch vertraute Personen in den gefürchteten Situationen; andere Sicherheitssignale sind Gehstöcke (bei Angst umzufallen), Notfallmedikamente (z. B. Asthmaspray, Tavor) oder der Aufenthalt in der Nähe eines Ausgangs.

Sicherheitssignale bei Agoraphobie

Noch bevor Salkovskis das Konzept des Sicherheitsverhaltens beschrieb, beschäftigte sich Stanley Rachman mit Fragen der Ätiologie und Aufrechterhaltung agoraphobischer Vermeidung (Rachman, 1984). Er postulierte, dass Agoraphobie als eine Art exzessive Suche nach Sicherheit verstanden werden kann, die nach verunsichernden Ereignissen wie dem Auftreten körperlicher Symptome oder aber auch nach dem Verlust nahe stehender Personen entsteht. In Reaktion auf die erlebte Unsicherheit vermeiden die Betroffenen subjektiv bedrohliche Situationen oder sie versuchen, die wahrgenommene Sicherheit zu erhöhen. Dies kann einerseits durch bestimmte Coping-Verhaltensweisen, wie Entspannungsverfahren oder Selbstberuhigung geschehen, andererseits wird die gefühlte Sicherheit durch die Anwesenheit bestimmter Sicherheitssignale erhöht.

Zu typischen Sicherheitssignalen bei Agoraphobie zählen:

Begleitung durch vertraute Personen,

Mobiltelefone,

Notfallmedikamente, wie Benzodiazepine, Notfallsprays und ähnliches,

Wasserflaschen, Energie- oder Müsliriegel oder Traubenzucker,

Glücksbringer oder Talismane,

Telefonnummern oder Adressen von Ärzten oder Notdiensten,