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Wird sie seiner dunklen Anziehung verfallen? Scarlett steht vor einem ungewöhnlichen Dilemma: Um ihr eigenes Leben zu retten, muss sie dem düsteren Fae Ophir innerhalb eines Jahres ihr Erstgeborenes übergeben. Das Problem? Scarlett ist chronischer Single! Nach etlichen Dating-Fehlversuchen zieht Ophir bei ihr ein und fungiert als ihr Kuppler. Während Scarlett zu zahlreichen Verabredungen geht, spürt sie mehr und mehr eine fatale Anziehung zu ihrem Untermieter. Doch Ophir hütet ein gefährliches Geheimnis: Wenn er seinem Verlangen nachgibt, setzt er damit nicht nur den Pakt aufs Spiel, sondern auch Scarletts Leben.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Über das Buch
Vorwort
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Epilog
Über die Autorin
Impressum
Melissa Ratsch
Fae Contract
Dein Leben gehört mir
Romantic-Fantasy-Roman
Wird sie seiner dunklen Anziehung verfallen?
Scarlett steht vor einem ungewöhnlichen Dilemma: Um ihr eigenes Leben zu retten, muss sie dem düsteren Fae Ophir innerhalb eines Jahres ihr Erstgeborenes übergeben. Das Problem? Scarlett ist chronischer Single! Nach etlichen Fehlversuchen zieht Ophir bei ihr ein und fungiert als ihr Kuppler.
Während Scarlett auf zahlreiche Dates geht, spürt sie mehr und mehr eine fatale Anziehung zu ihrem Untermieter. Doch Ophir hütet ein gefährliches Geheimnis: Wenn er seinem Verlangen nachgibt, setzt er damit nicht nur den Pakt aufs Spiel, sondern auch Scarletts Leben.
»Fae Contract – Dein Leben gehört mir« ist ein Einzelroman für alle Fans von Romantasy, Spicy Romance und diesen Tropes:
Fairytale Retelling
Forced Proximity
Forbidden Love
Strangers to Lovers
Liebe Leserinnen und Leser,
herzlich willkommen in der Welt von »Fae Contract – Dein Leben gehört mir«! In dieser Geschichte begegnen dir Themen wie ungeschützter Geschlechtsverkehr und eine geplante Schwangerschaft durch einen One-Night-Stand.
Die Charaktere und ihre Entscheidungen sind Teil einer fiktiven Welt, die dazu dient, komplexe menschliche Emotionen und Beziehungen zu erforschen. Ich möchte mit dieser Geschichte keine realen Verhaltensweisen oder Entscheidungen glorifizieren, sondern vielmehr die Vielschichtigkeit und die Herausforderungen des menschlichen Daseins beleuchten.
Bitte genieße die Geschichte mit dem Bewusstsein, dass sie in einer fiktiven Welt spielt und die dargestellten Handlungen nicht als Vorbild für das reale Leben dienen sollen.
In diesem Sinne wünsche ich dir viel Vergnügen beim Lesen!
Liebe Grüße
eure Melissa
Januar
Mit großen, schwungvollen Bewegungen führte Scarlett den Pinsel über die Leinwand, begleitet vom hellen Klirren ihrer vielen Armreifen. Schweiß lief ihr den Rücken hinunter, ihre Schultermuskeln brannten von der Anstrengung und doch konnte sie nicht aufhören. Gefangen von dem Azurblau und Sonnengelb, die sich in einem wilden Strudel über die zuvor weiße Fläche ausbreiteten, malte Scarlett wie in Trance.
Erneut tauchte sie den breiten Pinsel in den Farbeimer, fügte eine weitere Schicht Blau hinzu, ehe sie mit bloßen Fingern silberne Sprenkel hinzufügte. Wie Tropfen aus flüssigem Metall schimmerten diese im grellen Licht des Ateliers. Der Duft der Farben verstärkte sich.
Ring
Scarlett trat einige Meter zurück, besah sich das Bild und wischte sich die Hände an ihrem Kleid ab. Der Stoff war schon ganz steif von der vielen Farbe, die sie dort bereits hinterlassen hatte. Vielleicht sollte sie … oh, ja! Mit großen Schritten ging Scarlett zu dem Regal neben dem Waschbecken, kramte in den dort gelagerten Sprühdosen und griff nach einer mit türkisfarbenem Deckel.
Ring, ring
Klackernd schüttelte Scarlett die Dose, trat wieder vor die Leinwand und sprühte die leuchtende Farbe auf mehrere Punkte. Fasziniert beobachtete sie, wie sich kleinere Spritzer um das Türkis verteilten und wie an einer Stelle die überschüssige Farbe nach unten lief.
Ring, ring, ring
»O ja!« Scarlett grinste und trat wieder von der Leinwand zurück. Das war genau die Art von Energie, von Bewegung und Lebendigkeit, die sie hatte einfangen wollen. In der Unperfektheit lag eine Schönheit, die ihr Herz anrührte und ein warmes Gefühl in ihrem Magen erzeugte.
Ring, ring, ring, ring!
Irritiert runzelte Scarlett die Stirn. Was in aller Welt machte denn hier so ein Geräusch? Sie sah sich in ihrem Atelier um und entdeckte ihr Handy, das wild blinkte und sich klingelnd und vibrierend immer weiter der Tischkante näherte. Sie nahm es auf und las den Eintrag auf dem Display: 15 Uhr, Termin mit Galerie Dunnham
Kälte sammelte sich in Scarletts Brust, denn es war bereits kurz vor zwei. Sie brauchte mindestens vierzig Minuten mit der Bahn in die Stadt und musste sich noch fertig machen.
»Verfluchte Scheiße!«
Scarlett ließ die Farbdose fallen, drehte sich um und rannte aus dem Atelier. Barfuß eilte sie über den mit Schnee bedeckten Trampelpfad durch den Garten zum Haus, riss die Tür auf und stürmte die Treppe nach oben. Dabei knarzte das Holz unter ihren Füßen so laut, als wollten die alten Balken endgültig nachgeben.
Noch bevor sie das Bad betreten hatte, schlüpfte sie aus dem Kleid und warf es auf den Boden. Darum konnte sie sich später kümmern. Jetzt musste sie sich duschen, die Farbe von ihrer Haut kratzen und sich in das Business-Outfit zwängen, das sie sich extra für diesen Termin gekauft hatte.
»Warum nur habe ich schon wieder den Wecker nicht gehört?!«, jammerte sie, während sie sich die Haare shampoonierte.
Fünf Minuten später zwängte sich Scarlett in einen schwarzen Hosenanzug, schlang ihr noch feuchtes Haar zu einem Knoten und befestigte ihn mit einer silbernen Spange. Beim Make-Up beschränkte sie sich auf Mascara und schwarzen Eyeliner. Selbst ohne Zeitdruck hätte sie nicht mehr zustande gebracht. War sie auf der Leinwand selbstsicher und mutig, konnte sie mit Lidschatten und Co. rein gar nichts anfangen. Ganz zu schweigen davon, dass kaum ein Concealer ihre Sommersprossen abdeckte.
Im Erdgeschoss schnappte sie sich ihre Handtasche, kramte ihre langweiligsten Schuhe aus dem Schrank hervor – schwarz, wie ihr Hosenanzug – schnappte sich ihren Mantel und stürmte aus dem Haus. Sie zerrte gerade ihr Fahrrad aus dem Schuppen, da hörte sie es hinter sich schnalzen.
»Na nu, Scarlett«, sagte ihr Nachbar von der Trockenmauer aus, die ihre beiden Grundstücke trennte. »Wie siehst du denn heute aus? Ohne deine bunten Kleider und mit den hochgesteckten Haaren hätte ich dich beinah nicht erkannt. Dachte schon, da bricht jemand bei dir ein.«
»Ich hab einen Termin in der Stadt«, keuchte Scarlett und schwang sich auf den Fahrradsattel. »Tut mir leid Mr. O’Bryne, aber ich muss mich beeilen!«
Sie hatte kaum den Mund geschlossen, da bog sie bereits auf die Hauptstraße ein und fuhr in Richtung Bahnhof. Zum ersten Mal war sie froh, dass sie nur ein uraltes, klappriges Fahrrad besaß, denn so konnte sie es ohne Angst vor Diebstahl einfach neben dem Bahnhofsgebäude stehen lassen. Für das Schloss wäre auch keine Zeit mehr gewesen, denn sie hatte kaum den Bahnsteig betreten, da fuhr der Zug nach Dublin schon ein.
Keuchend, mit dem Geschmack von Blut auf der Zunge und zittrigen Knien ließ sich Scarlett auf einen freien Sitz am Fenster fallen und knöpfte ihren Mantel auf. Es dauerte drei Stationen, bis sich ihre Atmung einigermaßen beruhigt hatte. Mit einer Mischung aus Erschöpfung und Erleichterung lehnte Scarlett den Kopf gegen die Nackenstütze.
Gott sei Dank habe ich es noch rechtzeitig geschafft, dachte sie und atmete tief ein und aus. Nicht auszudenken, wenn sie den Termin bei Ms. Dunnham verpasst hätte, nur weil sie wieder einmal in ihre eigene Welt abgetaucht war. Sie hatte zu lange auf eine solche Chance gewartet, zu viel dafür geopfert, nur um sich dann selbst Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Zwanzig Minuten Bahnfahrt und einige Gehminuten durch den diesigen Januarnachmittag später, betrat Scarlett die Galerie in der Dubliner Innenstadt. Ein hoher Raum, dessen Fenster mit dünnen, weißen Stoffbahnen abgedeckt waren. Statt Sonnenlicht erhellten mehrere Spots den Raum. Jedes Leuchtmittel war so ausgerichtet, dass es perfekt die Skulpturen oder die Gemälde beleuchtete, die an dünnen Drahtseilen von der Decke hingen. Der Geruch von Vanille lag in der Luft und der weiße Boden war so blankpoliert, dass Scarlett sich darin spiegelte.
Nur mit Mühe drängte Scarlett die Panik zurück, die sie bei diesem Tempel der Kunst überkam. Ihre Augen huschten durch die Galerie und blieben an einem Mann hinter einem Empfangstresen hängen. Er trug einen dunkelblauen Anzug mit weißem Hemd. Seine Krawatte und sogar die Brille hatten exakt denselben Farbton wie der Anzug. Scarlett würde auf Delftblau tippen.
Auf dem silbernen Namensschild stand Claude Miller. Er war der persönliche Assistent von Ms. Dunnham, das wusste Scarlett von ihren Recherchen.
Den Kopf erhoben, die Schultern nach hinten gedrückt, ging Scarlett direkt auf ihn zu und räusperte sich. »Guten Tag, ich habe einen Termin um 15 Uhr.«
Mr. Miller hob den Kopf und musterte Scarlett von oben bis unten – als wäre sie ein Apfel, den er auf schimmlige Stellen untersuchte. Scarletts Herz schlug ihr bis zum Hals.
»Und Ihr Name lautet?«
»Devoe«, sagte Scarlett schnell und zwang sich zu einem Lächeln. »Mein Name ist Scarlett Devoe. Ms. Dunnham erwartet mich.«
»Hm«, machte Mr. Miller, tippte auf seinem Tablet und nickte langsam. »Tatsächlich, da stehen Sie. Es geht um einen Platz im Herbstprogramm.«
»So ist es«, antwortete Scarlett möglichst professionell. Sie würde sicher nicht kreischen und im Kreis hüpfen, so wie sie es bei der Einladungs-Mail von Ms. Dunnham vor einer Woche getan hatte.
»Na schön. Welche Stilrichtung?«
Scarlett runzelte die Stirn. Warum wollte er das wissen? Diese Informationen lagen der Galerie alle vor. Dennoch antwortete sie freundlich: »Abstrakter Expressionismus.«
»Und wo waren Ihre Bilder bisher zu sehen?«
Scarlett leckte sich über die Lippen. »Nun, ich hatte letzten Winter eine kleine Ausstellung im Rathaus von Shankhill Castle.«
Mr. Miller hob eine Augenbraue, sah dann wieder auf sein Tablet. »Also noch nirgends.«
Arroganter Sack, dachte Scarlett. Sie brauchte Mr. Miller nicht, um zu wissen, wie wenig erfolgreich sie bisher mit ihren Bildern gewesen war. Obwohl es in ihr brodelte, behielt sie ihr freundliches Lächeln bei. Sie würde diesem Schnösel sogar die Füße küssen, wenn er sie endlich zu seiner Chefin brachte. Denn Petunia Dunnham hielt den Schlüssel zu Scarletts Herzenswunsch in Händen: Eine eigene Vernissage in einer großen Galerie
»Na schön«, unterbrach Mr. Miller Scarletts Gedanken und erhob sich von seinem Stuhl. »Folgen Sie mir, Ms. Dunnham sitzt in ihrem Büro.«
Scarlett nickte und folgte Mr. Miller durch die Galerie bis zu einer Milchglastür, die er nach kurzem Klopfen öffnete.
»Ms. Dunnham, Ihr Drei-Uhr-Termin ist hier.« Mr. Miller trat zur Seite, so dass Scarlett das Büro und vor allem dessen Besitzerin sehen konnte. Boden und Wände waren wie in der Galerie reinweiß und der Raum wurde von einem Schreibtisch aus dunklem Mahagoniholz dominiert. Dahinter saß Petunia Dunnham, das blonde Haar zu einem Dutt im Nacken geschlungen und gekleidet in maisgelbe Seide.
»Ms. Devoe.« Die ältere Frau erhob sich und kam auf Scarlett zu, um ihr die Hand zu reichen. »Schön, dass Sie es einrichten konnten.«
»Es ist mir eine Ehre«, beeilte sich Scarlett zu sagen. Ohne ihre Silberarmreifen fühlte sich ihre Hand so leicht an, mit der sie die von Ms. Dunnham ergriff. »Vielen Dank für diese Chance, Ms. Dunnham.«
Die Galeristin nickte, wandte sich an ihren Assistenten und nahm dessen Tablet entgegen. Mr. Miller verließ daraufhin das Büro und Ms. Dunnham deutete auf eine Sitzgruppe aus braunem Leder und Chrom. »Bitte, setzen Sie sich.«
»Danke.«
Erleichtert, ihren weichen Knien eine Auszeit zu gönnen, ließ Scarlett sich gegenüber von Ms. Dunnham nieder. Sie ballte unauffällig die Hände im Schoß zu Fäusten, um nicht an ihrem Haar zu zupfen. Im Vergleich zu der Frau gegenüber fühlte sich Scarlett, als hätte sie ein Vogelnest auf ihrem Kopf.
»Ihre Bewerbung war … recht ungewöhnlich«, setzte Ms. Dunnham an. Dabei wischte sie über das Tablet, wahrscheinlich durch Scarletts Bewerbungsmappe. »Aber Ihre Arbeiten haben mein Interesse geweckt. Sie strahlen eine Energie und Rohheit aus, die einem Teil meiner Kundschaft sicher gefallen wird.«
Rohheit?, echote es in Scarletts Kopf. Hielt Ms. Dunnham ihre Bilder also für unausgereift? Zu ungeschliffen?
Doch bevor sie wusste, wie sie diese Frage formulieren sollte, legte Ms. Dunnham das Tablet beiseite und schlug ein Bein über das andere.
»Erzählen Sie mir von sich«, bat sie. »Es ist immer hilfreich, wenn ich die Künstlerinnen und Künstler etwas besser kennenlerne, die ich gedenke auszustellen.«
»Was würden Sie denn gerne wissen?«
»Wo Sie herkommen und ob Sie einen Partner haben.«
»Einen Partner?«
»Oder Partnerin«, erwiderte Ms. Dunnham und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Die Kunstszene ist offen für alles, wie Sie sicher wissen.«
»Nun … es gibt weder das eine noch das andere momentan in meinem Leben.« Scarlett zwang sich zu einem kleinen Lächeln. Sie würde dieser Frau sicher nicht mit ihren unzähligen gescheiterten Beziehungsversuchen in den Ohren liegen und dass sie sich mit ihrem Singledasein abgefunden hatte.
Scarlett schluckte trocken und fuhr fort: »Ich bin geboren und aufgewachsen in Shankhill Castle. Dort lebe ich noch immer in einem Cottage mit eigenem Atelier.«
Was Scarlett verschwieg, war die Tatsache, dass es sich um das Cottage ihrer verstorbenen Eltern handelte und sie es bald verkaufen musste, wenn sie nicht endlich Erfolg mit ihren Bildern hatte. Nein, sie wollte in den Augen von Ms. Dunnham nicht noch bedürftiger erscheinen, als sie tatsächlich war.
Zum Glück schien Ms. Dunnham davon nichts zu ahnen, sondern nickte. »Ah, eine waschechte irische Künstlerin also. Das ist immer ein Pluspunkt.«
Scarlett nickte, ihr schwirrte der Kopf. Sie hatte immer gedacht, als Landei im Nachteil zu sein und dass weitgereiste und weltgewandte Künstler beliebter waren.
»Wunderbar.« Ms. Dunnham lehnte sich ein Stück nach vorn. »Ich habe noch einen freien Platz im Herbstprogramm. Sie könnten zehn oder fünfzehn Bilder hier ausstellen, das würde auf die Größe ankommen. Es ist immer gut, verschiedene Formate anzubieten. Wäre das für Sie in Ordnung?«
»Aber natürlich«, platzte es aus Scarlett heraus. Sie atmete mittlerweile flach und glaubte, jeden Moment vom Stuhl kippen zu müssen. Was Ms. Dunnham ihr da gerade anbot, war ein Ticket ins Paradies!
Die Galeristin erhob sich und Scarlett tat es ihr gleich. »Sehr schön. Holen Sie bei Claude den Vertrag ab. Lesen Sie ihn aufmerksam durch und wenn Sie einverstanden sind, dann schicken Sie ihn mir unterzeichnet zurück. Im September setze ich mich mit Ihnen in Verbindung, damit wir eine Auswahl aus Ihrem Portfolio für die Vernissage treffen können.«
»Danke, Ms. Dunnham«, sagte Scarlett rau. Sie blinzelte die Tränen fort und ergriff die Hand der Älteren. »Vielen Dank für diese Chance, ich werde Sie nicht enttäuschen.«
»Das freut mich zu hören.« Ms. Dunnham begleitete sie zur Tür und schloss diese, nachdem Scarlett hindurchgegangen war. Wie in Trance ging Scarlett zurück zum Empfangstresen, nahm von dem nach wie vor säuerlich dreinschauenden Mr. Miller einen Umschlag entgegen und verabschiedete sich.
Erst, als sie raus an die kühle Luft trat, drang das eben Geschehene zu ihr durch. Scarlett schaffte es, sich bis zur Bahnstation zusammenzureißen. Bis dorthin hielt sie die professionelle Fassade aufrecht, doch kaum stand sie am Gleis still, kramte sie ihr Handy heraus und öffnete den Chat mit ihrer besten Freundin.
»Meena, du hattest recht!«, jauchzte Scarlett. Ihre Finger zitterten so stark, dass sie es kaum schaffte, die Taste zur Aufnahme der Sprachnachricht gedrückt zu halten. »Ich komme gerade vom Termin in der Galerie und sie nehmen mich! Mich! O mein Gott … Ich glaube, ich muss mich gleich übergeben.«
Scarlett lachte leise vor sich hin und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Fahrkartenautomaten. Ihre Knie waren weich und jetzt, da das Adrenalin nachließ, wurde ihr ein wenig schwummerig. Aber das war egal. Sie schluckte und erzählte ihrer Freundin in allen Einzelheiten von den vergangenen Stunden: Von ihrer Beinah-Verspätung, dem arroganten Mr. Miller und dem anschließenden Gespräch mit Ms. Dunnham.
»Und sie gibt mir tatsächlich einen Platz im Herbstprogramm. Ich kann es noch immer nicht glauben … Danke, danke, danke, dass du so hartnäckig auf mich eingeredet hast, mich dort zu bewerben. Andernfalls …« Scarlett verstummte, schüttelte den Kopf und fuhr fort: »Ich hätte mich wahrscheinlich wieder nicht getraut. Heute Abend mache ich den Roséwein auf, den du mir zu Weihnachten geschenkt hast. Aus Frankreich war der, oder?«
Scarlett kaute kurz auf ihrer Unterlippe und zuckte dann mit den Schultern. »Egal – er wird sicher hervorragend schmecken. Natürlich würde ich lieber zusammen mit dir anstoßen, aber das holen wir einfach nach, wenn du wieder zuhause bist. Bitte ruf mich an, sobald du gelandet bist. Hab dich lieb.«
Sie schloss den Chat und steckte das Handy zurück in ihre Tasche. Die ganze Zeit, bis der Zug kam, grinste sie vor sich hin und es war ihr egal, wenn einige der Passanten sie mit seltsamem Blick ansahen. Endlich ging ihr Lebenstraum in Erfüllung, da war ihr die Meinung dieser Fremden herzlich egal.
Petunia Dunnham mochte ihre Arbeiten!
Beschwingt stieg Scarlett in den Zug, setzte sich in einen leeren Viererblock und löste die Spange aus ihrem Haar. Mittlerweile war es getrocknet und lockte sich noch mehr als sonst. In der Spiegelung der Fensterscheibe zupfte Scarlett die roten Strähnen zurecht.
Das bin schon eher ich, dachte sie und lehnte sich mit einem Seufzen zurück. Zuhause würde sie diesen grässlichen Hosenanzug zurück in den Schrank verbannen, wieder in eines ihrer Kleider schlüpfen und ihre Armreifen anlegen. Anschließend würde sie – mit einem oder zwei Gläsern Wein – die Bilder für die Ausstellung planen. Bis zur Vernissage im Oktober waren es noch neuneinhalb Monate. Zeit genug, aber gleichzeitig fühlte Scarlett schon jetzt den Druck.
Die gesamte Heimfahrt über grübelte sie über Konzepte und dachte darüber nach, wie sie die Anforderungen von Ms. Dunnham am besten umsetzen konnte. Vielleicht würde sie auch einige ihrer bereits fertigen Werke verwenden können? Sie musste unbedingt alle katalogisieren.
Um ein Haar hätte sie die Station Shankhill Castle verpasst, sprang gerade noch rechtzeitig auf und eilte durch die Tür. Leise lachte sie vor sich hin. Das wäre so typisch für sie gewesen, ihre Haltestelle zu verpassen und bis nach Südirland hinunter zu fahren.
Egal, dachte sie und ging zu ihrem Fahrrad. Die Straßenlampen brannten mittlerweile und leichter Schneefall hatte eingesetzt. Dieses Mal in gemächlichem Tempo fuhr Scarlett die Strecke vom Bahnhof zu ihrem Cottage, weiterhin tief in Gedanken versunken.
Motorheulen und Bremsenquietschen rissen Scarlett zwei Kreuzungen vor ihrem Ziel zurück ins Hier und Jetzt. Sie sah sich um und erkannte zwei grelle Lichtpunkte, die sich ihr mit großer Geschwindigkeit näherten. Vor Schreck riss sie den Lenker zu stark nach rechts, verlor das Gleichgewicht und kippte samt ihrem Fahrrad um. Hart schlug sie auf dem nassen Asphalt auf und Schmerz schoss durch ihre linke Schulter und ihre Hüfte.
Benebelt hob Scarlett den Kopf, sah sich nach dem Auto um …
… und wurde einen Herzschlag später von selbigem erfasst.
Metall kreischte, Knochen brachen und Scarlett wurde unter dem Ungetüm aus Stahl begraben. Heiße Flüssigkeit tropfte auf ihren Brustkorb, während ihr rechter Arm unter einem Reifen und ihr restlicher Körper unter dem Motorblock begraben lag.
Zuerst waren da keine Schmerzen, doch dann schien ihr Körper regelrecht in Flammen aufzugehen. Scarlett schrie auf und schwarze Flecken tanzten vor ihren Augen. Ihr Herz hämmerte in ihrem Brustkorb, ihr linker Arm war regelrecht zerfetzt und sie spürte, wie sie aus mehreren Wunden blutete.
»Nein«, krächzte sie und begann zu hyperventilieren. »Nein, ich will nicht sterben!«
Wie aus weiter Ferne hörte sie eine Stimme, dumpf und undeutlich. Blut erfüllte ihren Mund, rann in ihre Luftröhre und sie hustete. Noch immer standen ihre Nervenbahnen in Flammen, doch gleichzeitig breitete sich in ihrem Kopf eine wattige Leichtigkeit aus. Aber nein, das durfte nicht sein!
»Ich will nicht sterben«, wimmerte Scarlett, heiße Tränen liefen über ihr Gesicht. »Jetzt noch nicht … ich würde alles … alles tun … um …«
»Um weiterleben zu können?«
Plötzlich war die Stimme ganz klar, als wäre sie direkt in Scarletts Kopf. Durch den Gestank von Motoröl, Benzin und Blut wehte ein Hauch Jasmin zu ihr. Wo kam der her? Roch so der Tod? Müsste er nicht eher nach Graberde und Fäulnis stinken?
»Hey, antworte mir«, forderte die Stimme. Es war ein Mann, das Timbre seiner Worte weich wie Pelz. »Wirst du alles tun, um weiterleben zu können?«
Mit letzter Kraft öffnete Scarlett die Lider, sah sich um … doch alles, was sie erkannte, war ein verschwommenes Gesicht mit einem Paar smaragdgrüner Augen. Diese Augen schienen von innen heraus zu glühen und selbst, wenn Scarlett noch die Kraft gehabt hätte, sie hätte den Blickkontakt nicht lösen können.
»Wünschst du dir zu leben – ja oder nein?«, bohrte der Mann nach.
Scarlett hustete, spuckte Blut aus und mit ihrem letzten Atemzug antwortete sie: »Ja.«
Das leise Ploppen einer eintreffenden Nachricht holte Scarlett aus dem Schlaf.
Sie blinzelte, reckte sich unter der Decke und rieb sich über die Augen. Durch einen Spalt in den Gardinen fiel ein einzelner Lichtstreif ins Zimmer, in dem der Staub tanzte.
Wie spät war es, wenn draußen schon die Sonne schien?
Scarlett stützte sich auf einen Ellenbogen und griff nach ihrem Handy. Sie brauchte mehrere Anläufe, bis das Gerät ihr Gesicht erkannte – kein gutes Zeichen – ehe der Bildschirm sich entsperrte. Gähnend tippte Scarlett auf die Nachrichten-App: Meena hatte ihr drei Sprachnachrichten hinterlassen, die neuste vor einer Minute.
Irritiert zog Scarlett die Brauen zusammen, ihr Finger schwebte kurz über dem Display. Warum hatte sie ihrer Freundin denn am vergangenen Tag fünfzehn Minuten lang das Ohr abgekaut? Sonst beschränkte sie sich doch auf kürzere Nachrichten, schrieb meist nur Texte und …
Oh, ja natürlich! Der Besuch in der Galerie und der Vertrag, den sie von dort mitgenommen hatte! Doch ihre Freude wurde sofort im Keim erstickt, denn mit dieser Erinnerung kam auch die von dem Unfall zurück.
»Fuck!«, platzte es aus Scarlett heraus. Sie ließ das Handy fallen, warf die Bettdecke von sich und sah an ihrem Körper hinunter. Doch statt unzähliger Schürfwunden, Quetschungen und Blutergüssen war sie völlig unversehrt. Ihre Arme und Beine, die aus dem weißen Spitzenschlafanzug ragten, waren vollkommen unversehrt.
»Was zur Hölle … ?« Scarlett strich mit ihren Händen über ihre Arme und Beine, dabei schlug ihr das Herz bis zum Hals. Hatte sie sich etwa alles nur eingebildet? War sie doch nach Hause gegangen, hatte dort nur zu tief ins Weinglas geschaut und anschließend den Unfall und ihren … ihren Tod nur zu träumen?
Die Treppenstufen knarzten und Scarlett gefror innerlich.
Da war jemand in ihrem Haus!
Noch bevor sie sich entschied, was sie machen sollte – sich unter dem Bett verstecken oder aus dem Fenster springen – schob sich eine dunkle Gestalt in den Türrahmen zu ihrem Schlafzimmer. Es war ein Mann, sicher größer als eins neunzig, mit schwarzen Jeans und einem weißen Strickpullover. Er hatte die symmetrischsten Gesichtszüge, die Scarlett jemals gesehen hatte. Selbst mit Lineal und Zirkel würde sie es nicht perfekter zeichnen können. Die Augen des Fremden huschten über sie und rissen Scarlett damit aus ihrer ungesunden Faszination.
»Na endlich«, sagte der Mann mit tiefer Stimme. Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich mit einer Schulter an den Türrahmen. »Ich dachte schon, du willst ewig schlafen.«
»Wer zur Hölle sind Sie und was machen Sie in meinem Haus?!«
Er hob eine dunkle Augenbraue. »Sag bloß, du erinnerst dich nicht mehr.«
»Nein«, konterte Scarlett, doch dieses Mal fehlte ihrer Stimme die Schärfe. Himmel Herrgott, sie hatte diesen Typen doch nicht etwa aufgerissen?! Sie schluckte das hysterische Lachen herunter, das ihr bei diesem Gedanken entweichen wollte.
Der Fremde seufzte, stieß sich von der Tür ab und kam weiter in den Raum hinein, um sich auf das Fußende des Bettes zu setzen. Die Matratze gab deutlich nach und Scarlett rutschte instinktiv von ihm fort. Erst jetzt erkannte sie, dass er ungewöhnlich langes Haar hatte, das ihm zu einem Zopf geflochten bis zur Taille reichte. Außerdem hatten seine Augen die Farbe von Smaragden. Genauso eine hatte Scarlett in ihrer Ölfarbenpalette und …
Reiß dich zusammen!, schalt sich Scarlett und wandte ihren Blick ab. Sie … sie musste die Polizei rufen, aber wo zur Hölle war nur ihr Handy?
Der Mann räusperte sich und Scarletts Aufmerksamkeit schnappte zu ihm zurück. Sie presste ihren Rücken gegen das verschnörkelte Kopfteil. »Woher sollte ich Sie Ihrer Meinung nach kennen?«
»Ich habe dir gestern das Leben gerettet«, sagte der Fremde. »An den Autounfall wirst du dich ja wohl noch erinnern können, oder? Du wärst gestorben, wenn du den Pakt mit mir nicht geschlossen hättest.«
Sie musste eindeutig Halluzinationen haben, denn niemals im Leben würde ein entflohenes Armani-Model auf ihrem Bett sitzen! Und dann auch noch eines, das behauptete, sie vor dem Tod bewahrt zu haben und von irgendeinem Pakt faselte!
»Verdammt«, ächzte Scarlett und rieb sich über die Stirn. »Ich habe in der Vergangenheit eindeutig zu viel Lösungsmittel eingeatmet.«
»Das ist gut möglich, hat aber nichts mit der aktuellen Situation zu tun. Wenn ich mich vorstellen darf.« Er legte eine Hand auf seine Brust und neigte leicht den Kopf. Eine bizarr anmutende Geste, vor allem, weil er noch immer auf ihrem Bett saß und sie nur ihren Schlafanzug an hatte. »Mein Name ist Ophir Morrigan und ich bin ein Fae.«
Scarlett zog die Brauen zusammen. »Du bist ein was?«
»Ein Fae«, wiederholte er geduldig. »Du kennst doch hoffentlich die Legenden über sie? Wald- und Naturgeister, die den Menschen Wünsche erfüllen.«
»Ja, und sie ins Unheil treiben«, konterte Scarlett langsam. »Meine Grandma hat mir als Kind eingebläut, dass ich von Feen niemals etwas annehmen oder einen Wunsch erfüllen lassen darf.«
»Ich bin ein Fae«, knurrte der Mann namens Ophir. »Fee klingt so entwürdigend und wird meiner Sippe nicht im Geringsten gerecht.«
»War nicht so gemeint«, sagte Scarlett sofort. Es war ihr unheimlich, wie sich Ophirs Gesicht bei seinen Worten verfinstert hatte.
Aber noch viel gruseliger war, dass er eine Sekunde später wie ein Engel lächelte. »Schon gut. Außerdem haben wir schon einen Pakt geschlossen, du erinnerst dich? Ich habe also kein Interesse daran, dich hereinzulegen. Also los, wünsch dir etwas, damit ich dir beweisen kann, dass ich kein Lügner bin.«
»Das ist doch verrückt«, murmelte Scarlett. Was auch immer das hier werden sollte, es war entweder der kreativste Traum, den Scarlett je hatte, oder in ihrem Schlafzimmer saß ein besonders gestörter Einbrecher.
»Ich würde es eher als ungewöhnlich bezeichnen.« Ophir zuckte mit den Schultern, dann sah er Scarlett herausfordernd an. »Was ist nun mit einem Wunsch als Beweis?«
»Na schön.« Scarlett sah sich in ihrem Zimmer um und sagte aus einer Laune heraus: »Ich hätte gerne lindgrüne Wände hier im Schlafzimmer.«
Ophir grinste, schnippte mit den Fingern und von einer Sekunde auf die andere wechselte der Wandputz von Elfenbein zu Lindgrün. Vor Schreck schnappte Scarlett nach Luft, sprang auf und verlor das Gleichgewicht. Mit einem Poltern krachte sie neben dem Bett zu Boden und jaulte auf, weil sie auf ihrer Hüfte gelandet war.
»Na na«, sagte Ophir und beugte sich über den Rand des Bettes, um sie zu mustern. »Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, dich zu heilen, nur damit du das jetzt wieder zunichtemachst.«
Scarlett verkniff sich eine Antwort, stand auf und wich so weit von dem Mann auf ihrem Bett zurück, bis sie mit dem Rücken gegen ihren Kleiderschrank stieß. Dabei verschränkte sie die Arme vor der Brust und musterte diesen Mann.
Diesen Ophir, der sich selbst als Fae bezeichnete und es vielleicht – aber auch nur vielleicht! – tatsächlich war. Denn je länger Scarlett darüber nachdachte, desto mehr Details des vergangenen Tages fielen ihr ein. Besonders von dem Unfall und ja … Ophirs Stimme und die Farbe seiner Augen deckten sich mit denen aus ihrer Erinnerung.
»Was ist das für ein Pakt, den wir geschlossen haben?«, fragte Scarlett misstrauisch.
»Du hast mir im Tausch dafür, dass ich dein Leben rette, alles angeboten, was ich will.«
Fuck, dachte Scarlett. Sie schluckte, ihre Kehle fühlte sich wie ausgedörrt an. »Und was willst du?«
Langsam breitete sich ein Lächeln auf Ophirs Gesicht aus, bei dem sich Scarletts Magen verkrampfte. Das Gefühl wurde noch schlimmer, als die grünen Augen dieses vermeintlichen Fae über ihren Körper glitten und bei ihren Hüften anhielten.
Scheiße, wollte er ernsthaft mit Sex bezahlt werden?!
Doch in seiner Mimik war keine Leidenschaft, nicht einmal Gier, als er ihr wieder ins Gesicht sah. »Ich will dein Erstgeborenes.«
»Was?!«
»Dein Erstgeborenes«, wiederholte Ophir – und es klang beim zweiten Mal noch genauso unglaubwürdig in Scarletts Ohren wie beim ersten Mal.
»Ich … ich habe keine Kinder.«
»Das ist mir bewusst und stellt kein Problem dar. Ganz im Gegenteil, ich bevorzuge ohnehin einen Säugling.«
Kälte erfasste Scarlett. »Um was damit zu tun? Ihn oder sie zu essen?!«
»Zum Teufel, nein! Woher haben die Menschen nur immer diese Horrorgeschichten? Keiner von den Fae hat jemals ein Kind gegessen.«
Scarlett schwieg dazu – ihre Grandma hatte ihr da ganz andere Geschichten erzählt. Aber machte es diese verrückte Situation tatsächlich besser, dass dieser Mann … dieser Fae namens Ophir ihr Erstgeborenes nicht fressen wollte?
Unzufrieden und ein wenig beleidig schüttelte Ophir den Kopf. Also wirklich, Fae und Kinderfresser? Sie waren doch keine Trolle. Denen würde er so etwas zutrauen, so unkultiviert, wie sie waren. Wahrscheinlich gab es auch noch andere … Andere. Es kursierten Gerüchte über mächtige und blutrünstige Kreaturen, aber von denen hielten sich die Fae schon seit Jahrhunderten fern.
Abermals musterte Ophir die Frau, die sich flach mit dem Rücken gegen einen Schrank drückte. Ihr rotes Haar wellte sich unordentlich um ihre Schultern, ihre Sommersprossen zeichneten sich deutlich gegen ihre blasse Haut ab und sie starrte ihn nach wie vor an, als wäre er der Leibhaftige.
»Hör zu«, setzte Ophir an und versuchte, so beruhigend wie möglich zu klingen. »Es ist doch im Prinzip ganz einfach: Du wirst schwanger und nach der Entbindung überlässt du mir das Kind.«
Die Augen der Frau weiteten sich noch mehr. »Sie sagen das gerade so, als würde es um eine Sache gehen.«
»Glaub mir, dem Kind wird es bei mir an nichts fehlen. Ich schwöre, bei meinen Ahnen, dass ich ihr oder ihm kein Leid zufügen werden, sondern es aufziehe, als wäre es mein eigen Fleisch und Blut.«
»Und warum brauchen Sie mich dazu? Könnten Sie nicht …« Sie machte eine Handbewegung in seine Richtung und räusperte sich. »Selbst ein Kind zeugen?«
Ophir lachte leise vor sich hin. Scarlett Devoe war nicht auf den Mund gefallen. Ihr tödlicher Unfall war das Beste, was ihm seit Jahren widerfahren war.
»Es liegt nicht an meiner mangelnden Zeugungsfähigkeit, falls du das meinst«, erwiderte Ophir lasziv. »Aber für meine Zwecke brauche ich ein … nun, reinblütiges Kind.«
Scarlett verzog das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Ophir unterließ es ihr zu sagen, dass ihn diese Tatsache auch ankotzte. Er hatte die Regel jedoch nicht gemacht – denn wenn das so wäre, müsste er nun nicht hier sitzen und versuchen, Scarlett Devoe davon zu überzeugen, dass Fae kein Hirngespinst aus Märchen und Legenden waren.
In Scarletts Kehle arbeitete es, sie leckte sich über die Lippen und sagte rau: »Ich will das nicht.«
»Oh, habe ich mich missverständlich ausgedrückt?« Ophir erhob sich, ging auf Scarlett zu und ignorierte dabei, dass sie anfing zu zittern und sich noch enger gegen den Schrank presste. Langsam streckte er die Hand nach ihr aus, legte sie um ihr rechtes Handgelenk und zog an ihrem Arm. Erst hielt sie dagegen, doch dann ließ sie locker und er zog ihren Arm zwischen sie.
»Es ist egal, ob du das willst oder nicht. Der Pakt zwischen uns ist mit deinem Blut besiegelt worden. Nur seine Erfüllung oder dein Tod kann ihn aufheben.« Während Ophir das sagte, strich er mit dem Zeigefinger über die Innenseite von Scarletts Unterarm. Sofort wurden Runen sichtbar, die sich dunkelrot gegen ihre Haut abzeichneten.
Scarlett schnappte nach Luft, entzog sich seinem Griff und starrte auf die Symbole. Ihre Lippen bewegten sich, doch es war kein Ton zu hören. Ophir wartete schweigen und als Scarlett den Kopf hob, sah er die Erkenntnis und auch die Kapitulation in ihren Augen.
Na endlich.
»Wie lange habe ich Zeit?«, fragte sie. Dabei rieb ihr Daumen immer wieder und wieder über den Pakt, der langsam verblasste.
»Ein Jahr. Wenn du innerhalb der nächsten zwölf Monate nicht schwanger wirst, gilt der Vertrag als gebrochen und ich nehme meine Gegenleistung zurück.«
»Deine Gegen …« Scarletts Augen weiteten sich, ihre Pupillen verschlangen fast vollständig die grün-blaue Iris. »Du tötest mich, wenn ich nicht schwanger werde?«
Ophir zuckte mit den Schultern. »Genau genommen bist du schon gestorben. Gestern Nachmittag. Ich würde lediglich die natürliche Ordnung wiederherstellen.«
»O mein Gott.« Scarlett atmete zitternd aus.
»Aber du wirst es nicht so weit kommen lassen, oder?«, hakte Ophir nach. »Die Lösung ist doch ganz einfach: Such dir einen Mann, geh mit ihm ins Bett und schon in neun Monaten hast du dieses Damoklesschwert über deinem Kopf beseitigt.«
Von einer Sekunde auf die anderen verdüsterte sich Scarletts Miene und sie verschränkte die Arme unter ihren Brüsten. »Ich werde nicht mit dem nächstbesten Typen ins Bett gehen und mich schwängern lassen.«
»Ihr Ahnen steht mir bei«, brummte Ophir und massierte sich die Nasenwurzel. »Glaubst du wirklich, dass du dir erlauben kannst, wählerisch zu sein?«
»Ja«, schnaubte Scarlett, wobei sich ihre Wangen röteten. »Frag dich doch selbst, ob du ein Kind von einem Dorftrottel oder Versager großziehen willst.«
»Hm, da ist etwas dran.« Ophir dachte einen Moment nach, dann nickte er. »Na schön, du hast die Wahl. In einem Jahr solltest du ja wohl einen geeigneten Kandidaten finden können. Andernfalls …« Er ließ seinen Satz unvollendet, doch Scarlett verstand ihn sehr wohl.
Sie schlang die Arme fester um sich, nickte und sah sich in ihrem Schlafzimmer um. Es war, wie der Rest des Hauses, klein und verwinkelt, aber ordentlich – und jetzt mit grünen Wänden. Seine Schwester würde ihn auslachen dafür, dass er seine Magie für so etwas banales eingesetzt hatte.
Apropos, dachte Ophir und forderte: »Gibt mir deine Hand.«
»Warum?«
»Ich werde dir schon nichts tun«, sagte Ophir statt einer Antwort. »Schließlich brauche ich dich noch, schon vergessen?«
Skeptisch sah Scarlett ihn an, dann streckte sie ihm ihren Arm entgegen. Wie zuvor umfasste Ophir ihr Handgelenk, aber dieses Mal nutzte er seine Macht nicht, um den Blutpakt sichtbar zu machen. Stattdessen erzeugte er ein Band aus dünnen Silberfäden, das sich fest um ihren Unterarm schlang. Als letztes entstand ein kleiner Smaragd-Anhänger.
»Wenn du diesen Stein zwischen Daumen und Zeigefinger reibst und dabei meinen Namen sprichst, erscheine ich. Ich würde dir dringend raten, das nicht leichtfertig zu tun.«
Langsam nickte Scarlett, ihr Blick starr auf das Band gerichtet. Sie entzog ihm ihre Hand und drehte sie hin und her, so dass der Smaragd im Sonnenlicht schimmerte.
»Nun gut, dann wäre das ja geklärt«, sagte Ophir und schob die Hände in seine Hosentaschen, »wünschst du, dass ich gehe?«
»Ja«, platzte es aus Scarlett heraus.
Ophir lachte leise vor sich hin. Hätte er einen fragileren Charakter gehabt, hätte er sich von ihrer Reaktion beleidigt gefühlt. Doch er war in viel zu guter Stimmung, um sie sich von irgendwem vermiesen zu lassen.
»Wir sehen uns, Scarlett Devoe.« Ophir deutete eine Verbeugung an und versetzte sich mit reiner Willenskraft zurück in sein Loft in der Dubliner Innenstadt. Auch hier erfüllten Sonnenstrahlen das Zimmer, doch anders als in dem Cottage maß allein sein Wohnzimmer sechzig Quadratmeter.
Dennoch glaubte Ophir, noch immer den Duft von Flieder in der Nase zu haben. Den Duft der Frau, die ihm endlich den Schlüssel zur Erfüllung all seiner Wünsche liefern würde.
»Enttäusch mich nicht«, murmelte Ophir, ging zu seinem Schreibtisch und nahm sein Smartphone zur Hand. Mochte er auch zu einem alten, magischen Geschlecht gehören, moderne Kalender-Apps waren auch für ihn ein Segen. Also stellte sich Ophir eine Erinnerung, in einem Jahr sein Kind abzuholen.
»Und übermorgen hole ich mir der Königin ihr Kind. Ach wie gut, dass niemand weiß …«, sang er vor sich hin, lachte und fragte sich, wie lange Scarlett Devoe wohl brauchen würde, um ihren Teil der Abmachung zu erfüllen.
August ~ Sieben Monate später
Heiß schien die Sonne von einem wolkenlosen, azurblauen Himmel. Es roch nach heißem Asphalt und frischgemähtem Gras. Scarlett wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihr Top klebte an ihrem Rücken, wo ihr schwerer Rucksack lag. Noch nie war ihr der Weg von der Post nach Hause so weit erschienen.
Warum zur Hölle war der hiesige Paketbote nur so faul?
Immerhin ging sie nirgendwo hin, sie arbeitete den ganzen Tag im Atelier oder kümmerte sich um den Haushalt. Dennoch hatte sie immer, wenn sie dann doch einmal etwas online bestellte, eine Benachrichtigung im Briefkasten.
Also hatte sie – wieder einmal – zur Post laufen und ihre Sendung abholen müssen. Dabei hätte Scarlett nie gedacht, dass Acrylfarben und Pinsel so schwer sein konnten. Immerhin bezog sie ihre Leinwände von einem Großhändler mit eigener Spedition, denn mit denen würde sie den Fußmarsch sicherlich nicht überleben.
»Ich sollte mich doch nach einem neuen Fahrrad umsehen«, murmelte sie und zog die Riemen des Rucksacks nach.
Bei dem Gedanken daran, was mit ihrem alten geschehen war, wurde es Scarlett plötzlich kalt. Automatisch sah sie auf das Smaragdarmband, das sie nicht ausziehen konnte. Es war der einzige Beweis dafür – abgesehen von ihrem demolierten Rad – dass sie sich diesen Morgen im Januar nicht ausgedacht hatte. Wobei sie sich im Nachhinein nicht sicher war, ob sie nicht doch lieber einen Nervenzusammenbruch inklusive Wahnvorstellungen der bizarren Realität vorzog.
Immerhin war dieser Mann nicht noch einmal …
Das Rauschen von Autoreifen und Motorengeräusche erklangen hinter Scarlett. Instinktiv hechtete sie zur Seite und landete halb im Straßengraben. Nur mit Mühe verhinderte sie, dass sie umfiel. Dabei pochte ihr Herz hektisch in ihrer Brust und sie hatte den metallischen Geschmack von Blut auf der Zunge.
Als sie sich nach dem Auto umsah, entdeckte sie eine schwarze Limousine. Der Fahrer ließ die Scheibe herunter und Scarlett atmete die angehaltene Luft aus.
»Himmel Herrgott, Meena«, sagte sie und stakste aus dem Graben zurück auf die Straße. »Du hast mich beinah zu Tode erschreckt.«
Ihre beste Freundin schob ihre Pilotenbrille in ihr kurzes Haar und hob skeptisch eine Augenbraue. »Jetzt übertreib mal nicht. Ich bin ganz normal gefahren und habe rechtzeitig gebremst.«
»Trotzdem«, brummte Scarlett.
»Jetzt hab dich nicht so und spring rein.«
Missmutig ging Scarlett um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. Sofort schlug ihr die klimatisierte Luft entgegen und sie atmete erleichtert ein und aus. Sie schnallte sich an und als sie wieder aufsah, entdeckte sie Ms. Shepard auf der anderen Straßenseite, die ihr zuwinkte. Scarlett erwiderte den Gruß.
»Das war die Tulpenzüchterin, nicht wahr?«, fragte Meena, während sie anfuhr.
»Lilien«, korrigierte Scarlett, wandte sich zu ihrer Freundin und seufzte. »Du hättest ruhig anrufen oder mir eine Nachricht schreiben können, dass du vorbeikommen willst.«
»Du meinst so wie die anderen Nachrichten und Anrufe, die du in den letzten Monaten ignoriert hast?«, fragte Meena mit einer Mischung aus Amüsement und Vorwurf. »Ich schwöre, sogar ich bin einfacher zu erreichen und das selbst dann, wenn ich die ganze Woche Langstreckenflüge absolviere.«
»Ach, du hast ja recht.« Scarlett rieb sich über den verschwitzten Nacken und sagte reumütig: »Ich muss zugeben, dass ich in letzter Zeit noch viel vergesslicher bin als sonst. Aber die Vernissage rückt immer näher! Es sind nur noch zwei Monate und ich glaube, langsam bekomme ich Panik.«
Mittlerweile waren sie bei Scarletts Haus angekommen, Meena lenkte ihren Wagen in die Einfahrt und schaltete den Motor ab. Dabei drehte sie sich zu Scarlett und sah ihr fest in die Augen.
»Du sprichst mir jetzt nach«, forderte sie eindringlich. »Ich bin eine hervorragende Künstlerin.«
»Ich bin eine hervorragende Künstlerin«, wiederholte Scarlett. Selbst sie hörte, dass ihrer Stimme nicht dieselbe Vehemenz wie Meenas inne hatte.