Familie mit Herz 200 - Caroline Steffens - E-Book

Familie mit Herz 200 E-Book

Caroline Steffens

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Beschreibung

Die alleinerziehende Mutter Nadine versucht mit allen Mitteln, ihrem dreizehnjährigen Sohn Daniel Halt zu geben - einem Jungen, der in der Pubertät nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit der Welt kämpft. Als Daniel seinen neuen Klassenkameraden Ben kennenlernt, scheint sich endlich etwas zu ändern: Skateboards, Abenteuer und eine neue Freundschaft beleben seinen Alltag und lassen den sonst so verschlossenen Jungen aufblühen. Doch die Idylle hält nicht lange an. Ein folgenschwerer Unfall und der Verdacht, dass Daniel und Ben darin verwickelt sein könnten, erschüttern alles. Plötzlich steht nicht nur die Freundschaft, sondern auch der Zusammenhalt der Familie auf dem Spiel. Wie weit ist eine Mutter bereit zu gehen, um ihren Sohn nicht zu verlieren?

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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Der falsche Freund

Vorschau

Impressum

Der falsche Freund

Plötzlich musste Daniel mit einem schlimmen Geheimnis leben

Von Caroline Steffens

Die alleinerziehende Mutter Nadine versucht mit allen Mitteln, ihrem dreizehnjährigen Sohn Daniel Halt zu geben – einem Jungen, der in der Pubertät nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit der Welt kämpft. Als Daniel seinen neuen Klassenkameraden Ben kennenlernt, scheint sich endlich etwas zu ändern: Skateboards, Abenteuer und eine neue Freundschaft beleben seinen Alltag und lassen den sonst so verschlossenen Jungen aufblühen. Doch die Idylle hält nicht lange an. Ein folgenschwerer Unfall und der Verdacht, dass Daniel und Ben darin verwickelt sein könnten, erschüttern alles. Plötzlich steht nicht nur die Freundschaft, sondern auch der Zusammenhalt der Familie auf dem Spiel. Wie weit ist eine Mutter bereit zu gehen, um ihren Sohn nicht zu verlieren?

Nadine rührte in der Kartoffelsuppe, probierte einen Teelöffel und nahm den Topf von der heißen Herdplatte. Die Suppe schmeckte sehr gut. Auch die Würstchen, die im heißen Wasser zogen, würden jeden Moment fertig sein.

»Dani?«, rief sie.

»Ja!« Ihr Sohn sprang in die Küche, mit beiden Füßen gleichzeitig, als wäre er ein Kleinkind, das mit sich und seiner Welt im Reinen und glücklich war. Dabei war er mit seinen dreizehn Jahren schon ein Teenager. »Ist das Essen fertig?«, erkundigte er sich und eilte zu ihr an den Herd. »Boah«, machte er, ehe seine Mutter antworten konnte. »Das riecht voll gut.«

Nadine lächelte und strich ihm über den Rücken.

»Es schmeckt auch gut«, erwiderte sie. »Wenn ich mich mal selbst loben darf«, ergänzte sie und schmunzelte.

»Darfst du«, gestattete ihr Sohn und grinste.

»Danke, mein Kleiner. Setz dich. Wir sollten sofort essen, du weißt doch, dass ich heute Spätschicht habe«, erinnerte Nadine ihn an ihre Arbeitszeit im Klinikum, in dem sie als Krankenschwester angestellt war. Sie schöpfte Suppe in zwei Teller.

»Weiß ich«, erwiderte Daniel.

»Oma kommt zu dir«, ergänzte Nadine und legte in jeden Teller ein paar Wiener Würstchen.

Daniel verdrehte die Augen. »Ich komm voll gut allein klar«, protestierte er. »Ich bin kein Baby mehr.«

»Das weiß ich doch«, sagte Nadine und brachte die gut gefüllten Teller zum Tisch.

»Außerdem hab ich heute Nachmittag eh was vor«, erklärte ihr Sohn, und ein Hauch Farbe stieg in seine Wangen. Er vermied es, seine Mutter anzusehen.

»Was denn?«, fragte Nadine überrascht.

»Ich treff' mich mit Ben. Wir wollen Skateboard fahren«, antwortete Daniel und rührte in seiner Suppe.

»Du hast doch gar kein Skateboard«, sagte Nadine perplex. »Und wer ist Ben?«

Nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätte, dass ihr Sohn sich mit einem Freund traf, und sogar noch ein wenig sportlich unterwegs war ... Im Gegenteil, denn es lag ihr auf der Seele, dass Daniel im Grunde ständig nur zu Hause saß, auf seinem Computer zockte und schon lange nicht mehr von Freunden gesprochen hatte.

Sie musste zugeben, er war seit dem Übertritt in die Realschule zum Einzelgänger geworden. Und das war nicht gut für ihn. Doch ihre Versuche, ihn zu motivieren, sich mit anderen Kindern zu verabreden, waren vergeblich gewesen. Daniel zeigte schon seit geraumer Zeit kein Interesse mehr.

Bis er etwa zehn Jahre alt gewesen war, hatte er sich mindestens drei- oder auch viermal in der Woche mit Klassenkameraden oder den Nachbarskindern Paul und Luise zum Spielen verabredet. Doch das war vorbei.

Es belastete Nadine, dass er in der höheren Schule offenbar keinen Anschluss gefunden hatte. Dazu kam, dass Paul mit seinen Eltern weggezogen war und Luise jetzt ein Gymnasium besuchte, und sich seither Daniel gegenüber herablassend zeigte.

Dies war also seit Langem Daniels erste Verabredung.

»Ben geht in meine Klasse. Er hat zwei Skateboards und leiht mir eins«, erklärte Daniel.

»Das ist schön von ihm. Wo wollt ihr fahren?«, fragte Nadine.

»Es gibt so 'ne Anlage. Skatepark oder so heißt die. Ganz in der Nähe von da, wo Ben wohnt. Ich fahr mit dem Rad zu ihm und dann machen wir los«, verkündete Daniel und aß den ersten Löffel Suppe. »Voll gut«, versicherte er.

»Schön.« Nadine lächelte. Machen wir los – das war wohl die Sprache der Heranwachsenden. Sie beschloss, Daniel nicht zu korrigieren.

»Hat Ben denn auch eine Schutzausrüstung für dich?«, fragte sie und dachte, dass Skateboardfahren ja nicht ganz ungefährlich war.

»Bestimmt«, antwortete Daniel, was ihr sagte, dass die Jungen darüber gar nicht gesprochen hatten. Ihr lagen reichlich Ermahnungen auf der Zunge, keinesfalls ohne Helm und Schoner-Set zu fahren. Sie entschied, sich auf das Nötigste zu beschränken: »Eine Schutzausrüstung ist wirklich wichtig!«

Daniel nickte nur, ohne sie anzusehen, und Nadine hoffte, dass dieser Ben ein vernünftiger Junge war.

»Ist Ben neu in euerer Klasse? Du hast den Namen noch nie erwähnt.«

Ihr Sohn nickte wieder und schob sich ein besonders großes Stück seiner Würstchen in den Mund. »Kommt aus München. Sind umgezogen«, nuschelte er mit vollen Backen.

»Hab einen schönen Nachmittag, mein Kleiner«, sagte sie, und in ihrer Brust machte sich ein wenig Besorgnis breit.

»Mama.« Vorwurfsvoll sah er sie an. »Ich bin echt nicht mehr klein.«

»Schon klar.« Sie lächelte ihm zu.

»Kannst du nicht doch Oma sagen, dass sie nicht kommen braucht?«, bat er und tauchte wieder seinen Löffel in die Suppe.

»Nein, Dani. Ich muss in einer halben Stunde in die Klinik und bin vermutlich vor zehn Uhr abends nicht zurück«, antwortete sie.

Wenn ihr Sohn ein paar Stunden alleine war, war das kein Problem, er war ja wirklich schon recht groß. Doch zehn Stunden erschienen ihr zu lang. Und sagte sie ihrer Mutter erst einmal ab, zeigte sich diese vermutlich beleidigt und würde sich in Zukunft endlos bitten lassen, wenn sie sie brauchte.

»Das macht doch nix«, murrte Daniel.

»Wann triffst du dich denn mit Ben?«, fragte Nadine, ohne auf seinen Protest einzugehen.

»Um drei. Ich fahr zwanzig vor drei los. Muss bis in die Gontardstraße«, antwortete er maulig.

»Gut. Um achtzehn Uhr bist du wieder zu Hause«, entschied Nadine.

»Mama. Es ist Samstag. Warum soll ich so bald wieder zu Hause sein?«, hielt ihr Sohn in genervtem Ton dagegen.

»Gut, dann um neunzehn Uhr. Aber nicht später.«

»Als ob ich ein Baby wäre«, maulte er wieder.

Nadine war nicht bereit, weiter mit sich handeln zu lassen. »Erzähl mir morgen, wie dein Nachmittag war, ja?«, bat sie freundlich.

»Hm«, machte Daniel, hörbar unzufrieden.

Nadine beschloss, bei ihrer Mutter zu läuten, die ein Stockwerk unter ihnen wohnte, ehe sie in die Klinik fuhr, um sie über die Nachmittagsplanung von Daniel zu informieren.

♥♥♥

Nadine betrat leise ihre Wohnung, streifte die Schuhe ab und hängte ihre Jacke an die Garderobe. Es war beinahe elf Uhr in der Nacht, und sicher schlief Daniel schon. Durch die angelehnte Tür zur Küche drang ein Lichtstrahl. Auf Strümpfen ging sie durch den Flur, drückte sie auf und ging in die Küche. Ihre Mutter Ursula stand am Spülbecken und trocknete einen Topf ab.

»Hallo, Mama«, begrüßte sie sie mit gesenkter Stimme.

»Hallo, Nadine«, erwiderte ihre Mutter und wandte sich um. Ihre Stimme klang streng, ihre unbewegte Miene sagte Nadine sofort, dass wieder etwas vorgefallen war, was sie missbilligte. »Du kommst spät«, fuhr die Mutter auch gleich fort. Ihr Tonfall ließ nicht darauf schließen, ob es sich um eine Feststellung handelte, oder einen Vorwurf.

»Tut mir leid«, erwiderte Nadine und fragte sich gleich darauf, wofür sie sich eigentlich entschuldigte. Es war nicht ihr Verschulden, wenn sie nicht pünktlich aus der Klinik kam, und ihre Mutter musste nicht auf ihre Heimkehr warten. »Außerdem habe ich dir vorhin schon gesagt, dass du jederzeit in deine Wohnung gehen kannst, wenn Daniel schläft«, ergänzte sie.

Ursula stellte den Topf in den Schrank unter der Arbeitsfläche und hängte das Geschirrtuch sorgfältig geglättet über den Griff des Backofens.

»Ah ja«, entgegnete sie. »Und was ist, wenn er aufwacht und irgendeinen Blödsinn anstellt?«

»Ich wüsste nicht, welchen«, entgegnete Nadine.

Daniel war zwar träge, aber ein vernünftiger Junge, der keinen Unfug im Kopf hatte. Sie war froh, dass er heute mit dem neuen Klassenkameraden etwas unternommen hatte. Skateboardfahren war nicht das Schlechteste für einen Dreizehnjährigen. Wenn er seine Freude daran hatte, würde sie ihm zum nächsten Geburtstag in einem halben Jahr ein eigenes schenken.

Sie nahm sich einen Joghurt aus dem Kühlschrank und setzte sich an den Küchentisch.

»Was war denn los?«, fragte ihre Mutter mit pikiertem Unterton.

»Nichts Besonderes«, erwiderte Nadine. »Die Übergabe von der Spätschicht an die Nachtschicht hat sich ein wenig verzögert.«

Ihre Mutter setzte sich ihr gegenüber an den Tisch und musterte sie.

»Was ist denn?«, fragte Nadine, zog den Aludeckel vom Joghurtbecher ab, tauchte den Löffel in die rosa Creme und rührte sie um.

Ursula kniff mit ihren Fingerspitzen die Nasenflügel zusammen.

»Der neue Freund deines Sohnes gefällt mir überhaupt nicht«, ließ sie sie wissen.

»Hast du ihn kennengelernt?«, fragte Nadine verblüfft.

Augenblicklich verschloss sich etwas in ihr. Sie konnte sich nicht erinnern, dass ihre Mutter schon jemals Freunde oder Bekannte von ihr oder Daniel gutgeheißen hatte. Irgendetwas gab es immer, was ihr nicht passte.

»Allerdings. Ich habe ihn vom Küchenfenster aus gesehen, als er deinen Sohn abgeholt hat. Er hat geraucht!«

»Er hat ihn abgeholt?« Für einen Augenblick verdrängte Nadine die Information, dass dieser Ben geraucht hatte. »Ich dachte, Daniel wollte mit dem Rad zu ihm fahren.«

»Dieser Skaterpark oder wie das heißt wird gerade restauriert. Deswegen ist der junge Mann hergekommen. Sie sind hier irgendwo in der Gegend gefahren. Wo, das konnte oder wollte mir Daniel nicht sagen«, ließ sie sie wissen.

»Ach so, okay«, erwiderte Nadine langsam. Sie hatte auch keine Ahnung, wo man hier fahren konnte oder durfte ...

»Außerdem ist diese Bekanntschaft von Daniel wesentlich älter als er«, fuhr ihre Mutter streng fort. Sie beugte sich ein Stück nach vorne und sah Nadine eindringlich an. »Du musst diesen Kontakt unterbinden, Nadine. Je eher, umso besser.«

»Mama, bitte. Was soll denn das jetzt?« Verärgert steckte sie ihren Löffel in den Joghurtbecher und schob ihn von sich.

»Ich hätte es mir denken können«, erwiderte ihre Mutter und lehnte sich im Stuhl zurück. »Wie immer. Wenn ich etwas sage, hat es für dich keine Bedeutung.«

»Das stimmt so nicht«, hielt Nadine dagegen. Aber sie wusste, dass an dieser Aussage etwas dran war. Denn es nervte sie, dass Ursula ihr Urteil über Menschen und Situationen, das meist negativ ausfiel, immer sofort fällte.

»Natürlich stimmt das.« Ursula verschränkte die Arme vor der Brust. »Dein Sohn hat übrigens in Mathe eine Vier minus geschrieben«, wechselte ihre Mutter abrupt das Thema.

Dein Sohn. Wie ihr diese Ausdrucksweise auf die Nerven ging. Sie griff erneut nach dem Joghurt.

»Immerhin ist es keine Fünf«, erwiderte sie kühl, obwohl ihr die Noten von Daniel, die sich stets im unteren Grenzbereich bewegten, selbst Sorgen machten.

Noch hat ihr Sohn jedes Schuljahr die Versetzung geschafft, doch in den letzten beiden Jahren ist es sehr knapp gewesen.

»Wenn das so weitergeht, geht er den gleichen haltlosen Weg wie sein Vater.« Ursula rümpfte die Nase.

»Mama.« Ungehalten legte Nadine ihren Löffel neben den Joghurtbecher und sah ihre Mutter verärgert an. »Was soll das?«

»Du weißt, dass ich recht habe«, beharrte Ursula. »Dieser Ben ist jedenfalls kein Umgang für Daniel.«

»Weil er raucht?« Verärgert sah Nadine ihre Mutter an. »Das gefällt mir auch nicht. Ich rede darüber mit Daniel.«

»Wenn Reden bei ihm so viel bringt wie bei dir, kannst du es dir sparen. Wie ich schon sagte, er sollte den Jungen nicht mehr treffen.«

»Und wie soll ich das verhindern? Die beiden gehen in eine Klasse«, hielt Nadine dagegen.

»Du hast mich schon verstanden. Ich rede von privaten Treffen«, erläuterte Ursula verstimmt. »Er hat eine total negative Ausstrahlung«, ergänzte sie.

»Eine negative Ausstrahlung? Und das weißt du, obwohl du ihn nur kurz vom Fenster aus gesehen hast?«

»Von kurz habe ich nichts gesagt. Ich habe eine sehr gute Menschenkenntnis, im Gegensatz zu dir«, beharrte ihre Mutter.

»Du kennst den Jungen doch noch gar nicht, oder?«, hielt Nadine dagegen. »War er in der Wohnung? Habt ihr gesprochen? Ist dir noch etwas negativ aufgefallen, außer dass er geraucht hat?«, forschte sie, zunehmend gestresst.

»Was ich gesehen und mitbekommen habe genügt mir.« Ursula presste die Lippen aufeinander. »Dass er viel älter als dein Sohn ist, gefällt mir auch nicht. Warum sucht er sich nicht Freunde unter Gleichaltrigen?«

»Im Alter kannst du dich irren«, hielt Nadine dagegen.

Die Diskussion erschöpfte sie. Der Tag in der Klinik, in der sie als Krankenschwester auf der Kinderstation arbeitete, war lange und anstrengend gewesen, zumal eine Kollegin krank geworden war, und sie einen Teil ihrer Aufgaben hatte übernehmen müssen.

Sie war ihrer Mutter dankbar, dass sie sich um Daniel kümmerte, wenn sie arbeiten musste. Doch ihre ständige Kritik an ihrem Enkel und nach wie vor auch an dessen Vater, der seine Familie schon vor über zehn Jahren verlassen hatte, zermürbten Nadine.

Ursula kniff die Lippen zusammen.

»Du hast ja schon immer alles besser gewusst«, entgegnete sie schließlich.

»Gut, wie du meinst. Trotzdem danke, dass du mich informiert hast, Mama«, sagte Nadine und griff wieder nach ihrem Joghurt.

Sie wollte morgen mit Daniel über seinen neuen Freund sprechen und seine Sicht der Dinge erfahren.

»Und was gedenkst du zu tun?«, erkundigte sich ihre Mutter.

»Ich rede mit Daniel«, erwiderte sie.

»Reden? Das genügt doch nicht! Du musst...«

»Mama, bitte. Ich bin müde und habe einen langen Tag hinter mir«, wehrte Nadine ab.

»Ach ja? Ich wohl nicht? Es ist schon halb zwölf durch. Ich würde auch gerne endlich in meinem Bett liegen«, ließ ihre Mutter sie verärgert wissen. »Stattdessen habe ich wieder einmal auf dich gewartet.«

»Ich habe dir schon mehrfach gesagt, dass das nicht notwendig ist«, hielt Nadine nun ungehalten dagegen. »Daniel ist mit seinen dreizehn Jahren alt genug, spätestens dann alleine zu bleiben, wenn er schläft. Außerdem wohnst du ja nur ein Stockwerk tiefer und bist erreichbar, wenn etwas sein sollte!«

»Ich finde es besser, den Jungen nicht sich selbst zu überlassen. Wer weiß, was ihm einfällt. Erst recht jetzt, mit dieser neuen Bekanntschaft«, regte Ursula sich auf. »Aber bei dir habe ich ja auch früher schon gegen Windmühlen geredet. Gute Nacht!«

Ehe Nadine antworten konnte, verließ ihre Mutter hocherhobenen Hauptes die Küche. Niedergeschlagen schob Nadine ihren Joghurt von sich. Ihr war endgültig der Appetit vergangen.

♥♥♥

Nadine stellte Butter, Marmelade, frisch aufgebackene Brötchen und Croissants auf den Frühstückstisch. Der Duft von Kaffee durchzog die kleine Küche, und die Morgensonne schien durchs Fenster.

Daniel kam im Schlafanzug in die Küche getrottet. Seine ungekämmten braunen Haare standen ihm vom Kopf ab. Er wirkte noch völlig verschlafen.

»Guten Morgen, mein Schatz«, begrüßte Nadine ihren Sohn.

»Morgen«, nuschelte er und ließ sich auf seinen Stuhl am Küchentisch fallen.

»Magst du einen Kakao?«, fragte sie ihn.

»Joa«, machte Daniel, rieb sich mit flachen Händen übers Gesicht, gähnte und streckte sich.

Nadine nahm die Lieblingstasse ihres Sohnes aus dem Schrank. Sie war dunkelblau und trug einen Aufdruck mit weißer Schrift ›Moms best Boy‹. Sie füllte sie mit Milch und stellte sie in die Mikrowelle. Nach einer Minute nahm sie den Becher mit dem dampfenden Inhalt wieder heraus, gab zwei Löffel Kakaopulver hinein und brachte das Getränk ihrem Sohn, der darauf verzichtete, sich zu bedanken.

Sie schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und setzte sich zu Daniel.

»Oma hat mir erzählt, ihr habt Mathe zurückbekommen«, begann sie ein Gespräch.

»Jo«, erwiderte er, ohne sie anzusehen.

»Wie war es denn mit Ben?«, wechselte Nadine das Thema.

»Cool. Er ist doch zu mir gekommen, weil der Skaterpark gerade umgebaut wird.«

Daniel flegelte mit breiten Beinen und hängenden Schultern auf seinem Stuhl. Die Haltung war neu. Nadine ging der Gedanke durch den Kopf, ob er sie sich von Ben abgesehen haben mochte.

»Und wo seid ihr dann gefahren?«, fragte sie.

Daniel griff nach seinem Becher, stützte die Ellbogen auf der Tischplatte ab und trank von seinem Kakao. Auf seiner Oberlippe saß ein brauner Rand, als er sie wieder abstellte.

»Hier, ums Eck«, antwortete er schließlich und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund.

»Auf der Straße?« Nadine gab sich Mühe, lediglich interessiert zu erscheinen und sich ihre Besorgnis nicht anmerken zu lassen.

»Klar. Der Gehweg taugt nix. Da haben wir es zuerst versucht, aber dann hätte es Ben bald hingelegt, weil eine Platte hochstand«, ließ Daniel sie wissen.

Nadine nahm ein Brötchen aus dem Korb und schnitt es in zwei Hälften.

Sie wusste nicht, ob Skateboardfahren auf der Straße überhaupt erlaubt war.

»Heute machen wir wieder was«, fuhr ihr Sohn fort.

»Schön.« Sie lächelte ihm zu, doch Daniels Blick war auf den Brotkorb gerichtet. »Was denn?«

»Ich geh heute zu ihm. Ben hat ein cooles Computerspiel. Es heißt ›Friedhof der Finsternis‹. Das wollen wir zusammenspielen.« Er nahm sich ein Croissant.

Das klang ja fürchterlich, fand Nadine. Sie strich Butter auf ihre Brötchenhälften.

»Werde ich eigentlich noch gefragt, ob mir das recht ist?«, erkundigte sie sich und versuchte, ihrer Stimme einen amüsierten Klang zu geben.

Im Stillen sagte sie sich, dass Daniel schon ein Teenager war. Es war wohl normal, dass er versuchte, eigenständige Entscheidungen zu treffen und auch durchzusetzen. Dennoch kam die Entwicklung für sie überraschend.

»Klar.« Er grinste sie an, und Nadine wurde leichter. »Darf ich, Mama?«, fragte er, betont höflich.