Fürsten-Roman 2683 - Caroline Steffens - E-Book

Fürsten-Roman 2683 E-Book

Caroline Steffens

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Beschreibung

Ist da jemand hinter ihr in der schmalen Gasse, in der sie ihr Auto geparkt hat? Hört Valentina Prinzessin von Reinsberg nicht gerade schnelle Schritte und ein unheimliches Atmen viel zu nah bei sich? Ein rascher Griff in die Handtasche, die Fernbedienungstaste des Zündschlüssels gedrückt, da vorne blinkt ihr Wagen schon auf. Erleichtert lässt sich die Prinzessin in den Sitz fallen und verriegelt rasch die Türen von innen. Draußen im Dämmerlicht ist allerdings niemand zu sehen. Und am nächsten Tag, als Valentina im hellen Sonnenschein ihr Auto an gleicher Stelle parkt, sind die Schrecken des letzten Abends schon fast vergessen. Bis sie ihr Büro betritt und auf ihrem Schreibtischstuhl einen Umschlag findet - mit Bildern, die ein Unbekannter heimlich von ihr gemacht und dort nach einem Einbruch deponiert hat. Als dann auch noch ihr Auto manipuliert wird und Valentina nur knapp einem Unfall entgeht, ist klar: Sie ist ins Visier eines Stalkers geraten. Doch der Versuch, vor dem unheimlichen Verfolger zu flüchten, bringt die Prinzessin nur in noch größere Gefahr ...


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Inhalt

Cover

Von der Liebe entführt

Vorschau

Impressum

Von der Liebe entführt

Prinzessin Valentina wird von einem Stalker verfolgt

Von Caroline Steffens

Ist da jemand hinter ihr in der schmalen Gasse, in der sie ihr Auto geparkt hat? Hört Valentina Prinzessin von Reinsberg nicht gerade schnelle Schritte und ein unheimliches Atmen viel zu nah bei sich? Ein rascher Griff in die Handtasche, die Fernbedienungstaste des Zündschlüssels gedrückt, da vorne blinkt ihr Wagen schon auf. Erleichtert lässt sich die Prinzessin in den Sitz fallen und verriegelt rasch die Türen von innen. Draußen im Dämmerlicht ist allerdings niemand zu sehen. Und am nächsten Tag, als Valentina im hellen Sonnenschein ihr Auto an gleicher Stelle parkt, sind die Schrecken des letzten Abends schon fast vergessen. Bis sie ihr Büro betritt und auf ihrem Schreibtischstuhl einen Umschlag findet – mit Bildern, die ein Unbekannter heimlich von ihr gemacht und dort nach einem Einbruch deponiert hat. Als dann auch noch ihr Auto manipuliert wird und Valentina nur knapp einem Unfall entgeht, ist klar: Sie ist ins Visier eines Stalkers geraten. Doch der Versuch, vor dem unheimlichen Verfolger zu flüchten, bringt die Prinzessin nur in noch größere Gefahr ...

Die Ladenglocke bimmelte wenige Minuten vor achtzehn Uhr. Valentina Prinzessin von Reinsberg, die eben einige exquisite T-Shirts in das hochwertige Regal aus dunklem Walnussholz sortieren wollte, wandte sich um. Sie lächelte dem Kunden zu, der gerade die Niederlassung der »Haute Couture Reinsberg Am Markt« betrat. Der Mann war geschätzt vielleicht Mitte dreißig, eine unauffällige Erscheinung mit braunen Haaren, leicht untersetzter Figur und einer Brille mit schmalem goldfarbenem Gestell, die ihn sehr ernst und auch ein bisschen weltfremd wirken ließ.

»Guten Abend. Entschuldigen Sie, dass ich so spät noch hereinplatze«, begrüßte er sie und lächelte ebenfalls.

»Gar kein Problem. Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte Valentina freundlich.

»Ich war letzte Woche schon einmal bei Ihnen«, erzählte der Mann. »Ich suche ein Geschenk für meine Freundin zu unserem dritten Jahrestag und habe derzeit mit einem Ihrer zauberhaften Dessous geliebäugelt.«

»Wie schön. Um welches Dessous ging es denn? Sie wurden vermutlich von einer meiner Kolleginnen bedient.«

Valentina jedenfalls konnte sich an den Kunden nicht erinnern.

»Ja, das stimmt. Es war die Dame mit den kurzen dunklen Haaren.«

Er sah sich suchend im Laden um.

»Das war Marisa. Sie hat aber schon Feierabend«, erklärte Valentina.

»Wie schade. Ich sehe leider auch das schöne Teil nicht mehr«, bedauerte der Kunde. »Ist denn Ihre andere Kollegin noch hier? Sie war bei der Beratung dabei und kann sich bestimmt erinnern.«

»Leider nicht«, gab Valentina Auskunft.

Ihre zweite Angestellte, Jutta Winzer, hatte heute frei.

Der Mann lachte leise.

»Dann halten Sie also alleine die Stellung. Es ist ja auch dreist von mir, wenige Minuten vor Ladenschluss zu kommen. Nun, jetzt habe ich wohl Pech gehabt. Eines meiner Probleme ist, dass ich stets zu lange zaudere. Besteht die Möglichkeit, dass Sie in Ihrem Lager noch Ware haben, die Sie mir zeigen können?«

»Leider nicht. Von den Dessous ist im Moment nichts mehr da«, antwortete Valentina bedauernd.

»Zu schade. Aber die Zeit drängt, unser Jahrestag ist heute. Dann nehme ich etwas anderes. Diese Bluse hier würde mir auch gefallen. Ich kann mir Sandra ganz fantastisch darin vorstellen.«

Er ging zu einer Schaufenster-Puppe, die auf einem runden Podest stand. Sie trug eine cremefarbene ärmellose Bluse zu einem schmal geschnittenen hellbraunen Wildleder-Rock.

»Das ist eine sehr gute Wahl«, bestätigte Valentina. »Sie ist aus Lotus-Seide und ein handgefertigtes Einzelstück«, fuhr sie fort.

Die meisten Waren ihrer Boutique war handgefertigt und aus edlen Materialien, womit sich die stattlichen Preise erklärten.

»Das sieht man«, behauptete der Kunde. Er ließ den Zeigefinger erst über den feinen Stoff der Bluse gleiten und schließlich über den Rock. »Beide Stücke sind wundervoll. Ich würde sie nehmen. Ich bin nur nicht sicher wegen der Größe.« Sein Blick ging zu Valentina. »Sandra hat ungefähr die gleiche Statur wie Sie, wenn ich das so sagen darf.« Er lächelte. »Darf ich fragen, ob die Ware Ihnen passen würde?«

»Ich denke schon«, erwiderte Valentina.

»Es wäre eine große Enttäuschung, wenn ich mich nun in der Größe fehlentscheiden würde«, fuhr er fort.

»Ein Umtausch gegen einen Gutschein oder ein anderes Kleidungsstück ist natürlich möglich«, sicherte Valentina ihm zu.

Doch der Kunde schüttelte den Kopf.

»Unnötige Umstände. Wäre es sehr vermessen von mir, wenn ich Sie bitten würde, die Bluse überzustreifen? Gerne auch über ihr T-Shirt, es liegt ja knapp an. Dann habe ich eine Vorstellung. Und der Rock, nun ja ...« Er lachte leise. »Vielleicht könnten Sie ihn zumindest einmal vor sich halten? Dann habe ich auch einen Eindruck.«

»Selbstverständlich.« Valentina nahm die Kleidung von der Puppe und tat ihm den Gefallen.

»Perfekt«, rief der Mann freudig aus. »Ich bin begeistert. Sandra wird wunderbar darin aussehen. Sie übrigens auch. Ich nehme beides.«

»Sehr gerne.«

Wenige Minuten später verließ der Kunde die Boutique. In der Hand trug er eine der weißen kartonierten Tragetaschen, auf denen in goldfarbenen Buchstaben »Haute Couture Reinsberg« gedruckt stand. Den stattlichen Preis in Höhe von knapp eintausendzweihundert Euro für beide Stücke hatte er mit unbewegter Miene mit Kreditkarte bezahlt.

Valentina sperrte die Ladentür von innen zu. Inzwischen war es halb sieben. Es stand noch etliche Büroarbeit an. Vor einundzwanzig Uhr würde sie kaum Feierabend machen können.

Hubert Fürst von Reinsberg nahm die Kristallflasche mit der honigfarbenen Flüssigkeit vom Servierwagen.

»Eleonora, Liebes, möchtest du auch einen Sherry?«, fragte er seine Gemahlin.

Die Fürstin saß in aufrechter Haltung in ihrem Ohrensessel, dem der Polsterer erst kürzlich einen neuen Bezug verliehen hatte. Auf altrosa Samt rankten sich goldene Blütenzweige – eine Arbeit, von der Eleonora fand, dass sie vortrefflich gelungen war. Ihr Lieblingssessel sah wieder aus wie neu. Bei der Frage ihres Mannes ließ sie ihre Lektüre, die Frankfurter Odendichtung von Hölderlin, sinken.

»Gerne«, stimmte sie zu und legte das Buch weg.

Es war sehr schwer zu lesen und gefiel ihr überhaupt nicht. Sie hatte es vor einigen Wochen vom Direktor einer neuen Kinderklinik, deren Bau sie unterstützt hatte, zur Einweihung überreicht bekommen. Da in einigen Tagen ein offizieller Pressetermin mit dem Direktor und ihr anstand, befürchtete sie, er würde sie auf ihre Meinung zu der Odendichtung ansprechen. Dass sie das Geschenk verschmähte, weil sie zeitgenössische gefühlvolle Liebesromane bevorzugte, konnte sie natürlich nicht zugeben, und nun sah sie sich gezwungen, sich mit dem Buch zu befassen.

Hubert reichte ihr ein Glas.

»Zum Wohl, Liebes.« Sacht stießen sie miteinander an.

Eleonora nippte an dem Getränk. Die Uhr über dem Kamin schlug viertel zehn.

»Wo nur Valentina heute wieder bleibt«, überlegte sie seufzend. »Das Mädchen arbeitet einfach zu viel, schon gleich, seit sie sich von Magnus getrennt hat.«

»Es macht ihr Freude«, erwiderte Hubert und setzte sich in seinen Lehnstuhl.

»Deswegen muss sie sich aber nicht überarbeiten«, mäkelte Eleonora. »Außerdem hätte ich sie gerne beim Abendessen dabeigehabt. Das Käse-Soufflé, das Ela zubereitet hat, war ein Gedicht.«

»Ich gebe dir recht. Dennoch müssen wir akzeptieren, dass Valentina erwachsen ist. Sie kann für sich selbst sorgen, auch hinsichtlich des Essens«, erwiderte Hubert mit leichtem Lächeln.

»Ja.« Eleonora seufzte. »Mit belegten Brötchen oder etwas vom Schnell-Imbiss. Wie dem auch sei, ich schreibe ihr jetzt eine Nachricht, wann sie gedenkt, nach Hause zu kommen.«

»Ich bin zwar der Ansicht, du solltest das nicht tun, aber ich werde dich wohl kaum abhalten können«, befand Hubert.

»Allerdings«, antwortete seine Frau.

Valentina zuckte zusammen, als ihr Handy den Eingang einer Nachricht meldete. Ein Blick auf das Display sagte ihr, dass diese von ihrer Mutter kam. Sie sah auf die Uhr. Schon Viertel nach neun. Sie hatte über der Monatsabrechnung völlig die Zeit vergessen. Ein Gähnen brach sich Bahn, während sie sie die Nachricht öffnete.

Ist alles in Ordnung, Vali? Arbeitest du noch? Gruß, Mama, war zu lesen.

Hallo, Mama. Ja, ich arbeite noch. Bin in etwa einer halben Stunde daheim, tippte sie rasch ein, schickte den Text weg und schob das Handy in die Handtasche.

Sie hatte viel zu lange gearbeitet. Valentina fuhr ihren Computer herunter, löschte die Lichter und verließ die Boutique.

Die Fußgängerzone von Ebermannstetten wurde vom trüben Licht einiger weniger Straßenlaternen erhellt. Auf einer Bank in etlichen Metern Entfernung hatte sich ein Bettler oder ein Betrunkener zusammengerollt und schlief. Ein Mann eilte mit gesenktem Blick an ihr vorüber. Er trug eine dunkle Jacke mit Kapuze, die er über den Kopf gezogen hatte.

Valentina machte sich auf den Weg. Nach wenigen Metern hatte sie plötzlich den Eindruck, es wäre jemand hinter ihr. Sie wandte sich um, doch die Fußgängerzone wirkte völlig verlassen. Kopfschüttelnd ging sie weiter, doch das Gefühl, beobachtet zu werden, ließ sie nicht los.

Das Ende der Fußgängerzone war schon in Sicht. Gleich danach musste sie nach rechts abbiegen in die Pfarrgasse. Dort gab es einige wenige kostenfreie Parkplätze. Wenn sie frühmorgens Glück hatte, konnte sie dort ihr Auto abstellen. War das nicht der Fall, musste sie in die etwa achthundert Meter entfernte Tiefgarage im Stadtzentrum fahren. Das war nicht nur teuer, sondern der Weg von der Boutique aus war auch mehr als doppelt so weit.

Valentina bog in die Gasse ein. Schon jetzt konnte sie ihren orangefarbenen sportlichen Kleinwagen sehen, dessen Metalliclack im Laternenlicht schimmerte. Plötzlich hörte sie hinter sich schnelles, schweres Atmen, und ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Im gleichen Moment stolperte sie über eine unebene Stelle des gepflasterten Gehwegs. Gerade noch gelang es ihr, sich abzufangen, in der festen Überzeugung, nun überfallen zu werden, doch nichts geschah.

Erneut wandte sie sich um und sah einen Schatten in einem Hauseingang verschwinden. Angespannt lauschte sie in der Erwartung, eine Haustür klappen zu hören. Doch es blieb still. Verbarg sich jemand in dem Zugang?

So schnell wie möglich lief die Prinzessin zu ihrem Wagen. Im Laufen suchte sie in ihrer Handtasche nach ihrem Schlüsselbund. Endlich spürte sie ihn zwischen den Fingern. Mit der Fernbedienung des Zündschlüssels öffnete sie ihr Auto, riss die Tür auf, stieg ein und verriegelte das Fahrzeug von innen.

Ihr Herz schlug bis in die Kehle. Narrte sie ihr Verstand? War tatsächlich jemand hinter ihr hergelaufen oder bildete sie sich etwas ein?

Valentina hatte sich noch nie verfolgt gefühlt, wenn sie spät abends alleine zu ihrem Wagen ging, um nach einem langen Arbeitstag nach Hause zu fahren. Aufgewühlt sah sie in den Rückspiegel. Die Pfarrgasse lag völlig verlassen in der abendlichen Dunkelheit. Allmählich wurde die Prinzessin ruhiger. Vielleicht war alles nur ein dummer Zufall gewesen.

Von der kleinen Stadt Ebermannstetten bis zur Burg Reinsberg, die auf einer Anhöhe inmitten der Natur lag, dauerte es mit dem Auto eine knappe halbe Stunde. Der längste Teil der Fahrtstrecke führte über Land.

Es war kurz vor zweiundzwanzig Uhr, als Valentina die Burgtür aufschloss. Im kleinen Salon, der von den Eltern als Wohnzimmer genutzt wurde, brannte noch Licht.

Valentina streifte ihre Schuhe ab und ging auf Strümpfen in den Salon. Ihre Mutter saß mit einem ihrer gern gelesenen Liebesromane in ihrem neu bezogenen Ohrensessel. Auf dem kleinen Tisch neben ihr stand ein Teller mit Apfelstücken, daneben lag Hölderlins Odendichtung. Mit dem Buch hatte ihr der Direktor der Kinderklinik so gar keine Freude gemacht.

»Hallo, Mama«, grüßte die Prinzessin.

»Hallo, Vali. Endlich.« Eleonoras Blick ging vorwurfsvoll über den Rand ihrer Lesebrille zu ihrer Tochter. »Papa lässt dir Gute Nacht wünschen. Er ist schon zu Bett gegangen.«

Valentina nickte. Sie nahm ein Apfelstück und biss hinein.

»Ich habe die Zeit über der Monatsabrechnung vergessen«, erklärte sie.

Eleonora Fürstin von Reinsberg nahm ihre Lesebrille ab.

»Seit der Trennung von Magnus arbeitest du zu viel. Fehlt er dir denn doch? Bereust du deinen Entschluss?«

Forschend betrachtete sie ihre Tochter.

»Absolut nicht«, widersprach Valentina und nahm ein weiteres Stück Apfel.

»Du siehst blass aus. Du bist völlig überarbeitet«, insistierte ihre Mutter. »Oder gibt es etwas anderes, was dir zu schaffen macht?«

»Ich wüsste nichts«, wich die Prinzessin aus.

Keinesfalls würde sie erzählen, dass sie sich auf dem abendlichen Weg zum Auto verfolgt gefühlt hatte.

»Du ernährst dich auch nicht richtig. Du hast bestimmt nichts zu Abend gegessen«, kritisierte die Mutter sie. »Ela ist schon nach Hause gefahren. Falls du noch etwas Vernünftiges zu dir nehmen möchtest, musst du dich jetzt leider selbst bedienen. Es gab ein wundervolles Käse-Soufflé und Schweinelende in Blätterteig, dazu ...«

»Danke, Mama. Ich bin nicht hungrig«, versicherte Valentina und ließ das letzte Stück Apfel liegen.

»Nun denn.« Die Fürstin seufzte. »Ich hoffe, wir frühstücken morgen gemeinsam?«

»Ich fürchte nicht. Ich muss die Abrechnung noch fertig machen«, erwiderte Valentina bedauernd.

»Wie schade.« Sichtlich betrübt griff Eleonora nach ihrem Buch. »Ich lese noch das Kapitel zu Ende, ehe ich zu Bett gehe«, erklärte sie.

»Sicher. Gute Nacht, Mama.«

Am nächsten Morgen rangierte Valentina ihren Wagen wieder in eine Parklücke in der Pfarrgasse. Nun, am hellen Tag und bei Sonnenschein, erschien ihr ihre Furcht vom Vorabend überzogen. Womöglich hatte ihre Mutter recht und sie arbeitete zu viel. Heute, das hatte sie sich fest vorgenommen, wollte sie zeitiger Feierabend machen.

Sie nahm ihre schwarze Lacklederhandtasche vom Beifahrersitz und stieg aus. Es war kurz vor acht Uhr, also noch eine gute Stunde Zeit, ehe sie die Boutique für die Kunden öffnen würde.

Valentina ging die Pfarrgasse entlang und warf einen Blick zu dem Hauseingang, in den gestern Abend jemand hineingeeilt war. Sicher nur jemand, der es eilig gehabt hatte, nach Hause zu kommen. Dann bog sie in die Fußgängerzone ein. Von hier aus konnte sie schon die Boutique sehen. Vorfreude auf den Tag und ihre Arbeit erfüllten sie.

Das exklusive Modegeschäft der Kette »Haute Couture Reinsberg« war die sechste Niederlassung, die ihr Vater Hubert Fürst von Reinsberg vor drei Jahren eröffnet hatte. Pünktlich zu Valentinas fünfundzwanzigstem Geburtstag war das Geschäft eingeweiht worden und ihr Vater hatte sie damit überrascht, dass sie die Leitung übernehmen durfte. Noch immer war sie stolz und glücklich, dass er ihr diese Aufgabe anvertraut hatte. Die Filiale »Am Markt« war die größte und schmuckste von allen. Die Beratung der Kunden und Kundinnen sowie die Auswahl und der Verkauf eleganter Kleidung und passender Accessoires machten Valentina viel Freude.

Heute sollte eine neue Lieferung handgefertigter Nachmittagskleider aus sehr hochwertiger Seide kommen, ebenso wie elegante T-Shirts aus Pima-Baumwolle. Die Prinzessin hatte vorab Bilder der Ware gesehen und Stoffmuster zur Prüfung bekommen und war begeistert. Tatsächlich liebäugelte sie selbst mit einem zartgelben Nachmittagskleid. Es würde sicher hervorragend zu ihren kupferfarbenen Haaren passen. Sie konnte es zum dreißigsten Geburtstag ihrer Freundin Christine Prinzessin von Augstein tragen. Christine hatte zu diesem Anlass schon vor Wochen eine Einladung zu einem Gartenfest geschickt, das auf dem Gut ihres Verlobten Mario Fürst von Marloff stattfinden sollte.

Valentina ging die Fußgängerzone entlang. Von den Dächern der Häuser zwitscherten die Vögel. Bis auf die Bäckerei Kornschmitt, die schräg gegenüber der Boutique lag, hatten sämtliche Geschäfte noch geschlossen.

Sie holte ihren Schlüsselbund aus der Handtasche. Ehe sie aufsperrte, betrachtete sie prüfend die gläserne Eingangstür der Boutique, auf der in großen geschwungenen Buchstaben in Goldschrift »Haute Couture Reinsberg Am Markt« stand, sowie das Schaufenster. Sämtliche Scheiben blitzten im Morgenlicht der Sonne, wie es sein sollte. Kein Stäubchen und kein getrockneter Regentropfen störten die Sicht. Auch die mahagonifarbenen Holzrahmen von Tür und Fenster schimmerten wie frisch lackiert.

Valentina schob den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Die Ladenglocke bimmelte leise, als die Prinzessin die Tür aufstieß. Ein Hauch Maiglöckchenduft empfing sie, den die Duftstäbchen, die neben der Kasse in einem kleinen bauchigen Gefäß standen, verbreiteten. Schwungvoll betrat die Prinzessin den Verkaufsraum.

Linker Hand wurden an Schaufensterpuppen und Kleiderstangen die elegantesten Garderoben präsentiert. Rechter Hand lagen T-Shirts und Pullover in handgeschreinerten Regalen aus dunklem Walnussholz.

Dazwischen luden kleine Sitzgruppen mit runden Tischchen und bequemen Sesseln im Biedermeierstil zum Ausruhen ein. Im hinteren Bereich der Boutique gab es drei Kabinen für die Anprobe. Vor den Blicken von Kunden und Personal schützten dunkelrote Samtvorhänge. Rechts von den Kabinen führte eine geschwungene Treppe in den ersten Stock, wo sich Aufenthaltsräume für die Angestellten sowie eine kleine Küche und Toiletten befanden. Links von den Kabinen ging eine Treppe in den Keller. Dort lagerten unter anderem die Waren, die im Verkaufsraum noch keinen Platz gefunden hatten. Meist handelte es sich dabei um Accessoires wie Gürtel, Tücher oder Schuhe in unterschiedlichen Größen.

Valentina eilte am Kassenbereich vorbei zu einer Tür, hinter der ihr Büro lag. Sie betrat den kleinen Raum, stellte ihre Handtasche auf den Schreibtisch und zog den Drehstuhl von der Tischplatte weg, um sich zu setzen. Auf der Polsterung lag ein weißes Kuvert ohne Anschrift.

Verwundert griff die Prinzessin danach. Es war nicht zugeklebt, nur die Lasche war eingeschlagen. Sie öffnete den Umschlag, während sie sich setzte, und zog drei Fotos heraus. Eiskalt überlief es sie, als sie die Ablichtungen betrachtete. Die Ladenglocke bimmelte erneut. Valentina zuckte zusammen. Wie paralysiert sah sie zu ihrer Bürotür, die halb offen stand.

»Guten Morgen«, hörte sie Marisa Gerlach rufen.

Valentina steckte eilig die drei Bilder zurück in das Kuvert und legte es in die oberste Schreibtischschublade. Jetzt ertönte auch die Stimme von Jutta Winzer, die mit einem Mann sprach. Valentinas Herz pochte bis in die Kehle.