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Sechs Ausflüge zu besonders interessanten, außergewöhnlichen, schönen romanischen Kirchen zwischen Köln und Koblenz: - Die Abteikirche St. Nikolaus und St. Medardus in Brauweiler - Die Doppelkirche St. Maria und St. Clemens in Schwarzrheindorf bei Bonn - Die ehemalige Probsteikirche St. Pankratius in Oberpleis (Königswinter) - Das Pfarrhoftor an St. Peter und Paul in Remagen - Die Pfarrkirche St. Martin in Linz am Rhein - Die Pfarrkirche St. Cyriakus in Mendig-Niedermendig Ein Christuskind mit Bart, die Himmelfahrt Alexanders des Großen, ein Kreuzritter im Kampf gegen Ungläubige, das mittelalterliche Weltbild auf einem Fußboden, die hier zusammengestellten romanischen Kirchen bieten eine Fülle höchst interessanter und un-gewöhnlicher Kunstwerke. Sie werden kurz erklärt und in die historischen und kunstgeschicht-lichen Zusammenhänge eingeordnet. Dabei richtet sich der Blick auch auf Objekte aus jüngeren Epochen wie die Barockgruppe mit Scholaren im Pökelfass oder das Fenster mit dem Bild Adolf Hitlers als Personifikation des Bösen. Dieses höchst anschauliche und gut lesbare Buch ist reich illustriert. Majolie Lenerz-de Wilde war Professorin für Ur- und Frühge-schichte an der Universität Münster und ist Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten.
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Seitenzahl: 86
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Brauweiler: Abteikirche St. Nikolaus und St. Medardus
Schwarzrheindorf (Bonn): Doppelkirche St. Maria und St. Clemens
Oberpleis (Königswinter): St. Pankratius
Linz am Rhein: St. Martin
Remagen: Pfarrhoftor an St. Peter und Paul
Mendig (Ortsteil Niedermendig): St. Cyriakus
Abbildungsnachweise
Literaturverzeichnis
Bild 1
Im Westen von Köln liegt Brauweiler, seit 1975 ein Ortsteil der Kreisstadt Pulheim, am Rande des Höhenzugs Ville in der Kölner Bucht. Seit dem Mittelalter bestand Brauweiler aus kleineren Bauernhöfen, die sich um die Abtei gruppierten. Der Name „Brunivilare“, im Jahr 1052 erstmals belegt, setzt sich aus dem fränkischen Vornamen „Brun“ und dem vulgär-lateinischen „villare“ (= Gehöft) zusammen.
Die ebenfalls aus dem 11. Jhdt. stammende Gründungsakte des Klosters Brauweiler, der „Brunwilarensis monasterii fundatorum actus“ erzählt, dass zur Zeit des lothringischen Pfalzgrafen Hermann I. (Pusillus) die Überreste eines zerstörten Hofgutes und einer hölzernen, dem Hl. Medardus geweihten Kapelle gefunden worden seien. Hermann ließ den Kapellenbau in Stein wiedererrichten.
Im Jahr 991 heiratete Ezzo, der Sohn des Pfalzgrafen, Mathilde, eine Tochter Kaiser Ottos II. und seiner Frau Theophanu, auf dem Hofgut und schenkte dies seiner jungen Frau als Morgengabe. Ezzo und Mathilde gelobten in der Folgezeit die Gründung eines Klosters, mit dessen Bau 1024 begonnen wurde. Bereits 1028 wurde die Klosterkirche geweiht - den Heiligen Medardus und Nikolaus. Richeza, eine Tochter des Stifterpaares, verheiratet mit dem polnischen König Mieszo II., kehrte nach dem Tod ihres Mannes nach Brauweiler zurück und gelobte den Bau einer größeren und prächtigeren Kirche als Familiengrabstätte. Auch diese zweite Anlage (erbaut zwischen 1048 und 1061) wurde abgerissen. Die Gründe dafür sind nicht ganz klar. Möglicherweise hatte das Erdbeben von 1117 Schäden verursacht. Jedenfalls blieben von dieser Kirche lediglich Teile der Krypta erhalten. Der heutige Bau, dessen Grundriss sich an der Vorgängerkirche orientiert, wurde 1136 begonnen (Bild 1). An den mächtigen Westbau mit der Dreiturmgruppe schließt das dreischiffige Langhaus mit kurzem Querschiff, dreiteiligem Chor und halbrunder Apsis an. Die Obergeschosse der Chorflankentürme sowie des Vierungsturms wurden erst im 19. Jhdt. fertiggestellt.
Man betritt die Kirche durch einen 1780 errichteten barocken Vorbau. An dessen Ende befindet sich das romanische Westportal. Hier sind noch Teile aus dem 12. Jhdt. erhalten: Der Türsturz zeigt in der Mitte zwei ineinander verknotete Schlangen, die sich in die eigenen Schwänze beißen, - Symbol der Unendlichkeit (Bild 2).
Bild 2:Türsturz
Rechts und links bewachen zwei Löwen den Eingang. Aufgrund seiner Stärke und seines Mutes wird der Löwe in den Mythen zahlreicher Völker als Herrscher der Tierwelt geschildert. Sein Bild diente bereits an assyrischen Tempeln der Abschreckung von Dämonen und üblen Mächten.
Neben der Tür stehen in Nischenportalen zwei vom Zahn der Zeit deutlich angenagte Cherubim (Bild 3). Sie gelten in der Bibel als Engel von hohem Rang, die beispielsweise nach Adam und Evas Sündenfall die Pforten des Paradieses bewachten. Sie besitzen drei oder wie hier zwei Flügelpaare.
Bild 3:Cherubim im rechten Nischenportal.
Über den Heiligen Medardus (geb. 456 in Salency, Dép. Oise, gest. 545 in Noyon, Dép. Oise) ist so gut wie nichts bekannt. So kann auch nur darüber gerätselt werden, weshalb ihm die erste Kapelle am Ort geweiht wurde. Ganz anders verhält es sich mit dem Heiligen Nikolaus, dessen gotische Sitzfigur sich über dem Türsturz befindet (Bild 4).
Nikolaus, geboren zwischen 280 und 286 in Patara, einer Stadt in Lykien (heute Türkei) an der kleinasiatischen Südküste, wurde zu Beginn des 4. Jhdts. zum Bischof von Myra, heute Demre, Prov. Antalya, berufen. Wahrscheinlich nahm er 325 am Konzil zu Nicäa (heute Iznik) teil, in dem es um das Wesen Christi und die Trinität ging. Er verstarb zwischen 345 und 351 in Myra. Zahlreiche Wunder wurden ihm zugeschrieben, und nachdem Kaiser Justinian ihm um 550 eine große Kirche geweiht hatte, verbreitete sich seine Verehrung in der gesamten Ostkirche. Zu ihrer Hochzeit mit Otto II. brachte Prinzessin Theophanu, die aus Byzanz stammte, Ikonen und Reliquien des Heiligen mit ins Rheinland und sorgte auf diese Weise für die Ausbreitung der Nikolausverehrung in ihrer neuen Heimat. In Brauweiler entstand nun die erste Nikolauskirche Deutschlands.
Bild 4:Sitzfigur des Heiligen Nikolaus über dem Portal, links vorne Bottich mit drei Knaben.
Links von der Figur des Nikolaus über dem Türsturz ist ein Bottich mit drei Knaben darin zu erkennen. Es handelt sich nicht etwa um einen Waschzuber, sondern die Szene spielt an auf ein Wunder, das der Heilige in Myra bewirkt haben soll: drei Scholaren (mittelalterliche Studenten) waren von einem gierigen Wirt erschlagen, zerstückelt und in ein Pökelfass eingelegt worden. Nikolaus erweckte sie wieder zum Leben (vergl. S. →).
Hinter der Eingangstür sieht man rechts das barocke Stifterbild (Bild 5). Ganz unten stehen rechts und links von dem Ordensgründer Benedikt die zehn Kinder des Stifterpaares, darunter rechts Erzbischof Hermann von Köln und neben ihm Richeza, Königin von Polen, sowie zwei weitere Söhne. Alle sechs Schwestern Richezas (links) sind in den geistlichen Stand getreten. Darüber kniet das Stifterpaar Ezzo und Mathilde, auf deren Schultern der Kirchenbau ruht. Er wird flankiert von weltlichen und geistlichen Herrschern, die den Stiftern verbunden waren. Ganz oben sieht man Papst Benedikt VIII., den das Paar 1024 in Rom aufsuchte. Die Darstellung bekräftigt die Bedeutung der Klostergründung und damit gleichzeitig die der pfalzgräflichen Familie.
Bild 5:Stifterbild.
Im Inneren der Kirche sind gotische Pfeilermalereien zu erkennen, deren Erhaltungszustand allerdings nicht sehr gut ist, im Unterschied zur grünen Pflanzenornamentik des Gewölbes. Die Malereien stellen Erzengel, Apostel und weitere Heilige dar, die zu einem nicht mehr vollständigen Bildprogramm des 14. Jahrhunderts gehörten. Am Vierungspfeiler links sieht man eine weitere, diesmal romanische Sitzfigur des Hl. Nikolaus. Es ist die einzige Nikolausstatue des Rheinlandes aus dieser Zeit, die nicht nur vollständig erhalten ist, sondern auch an dem Ort verblieb, für den sie geschaffen wurde.
Auf der gegenüberliegenden Seite steht die gotische „Brauweiler Madonna“. Im südlichen (rechten) Querhaus findet sich ein außerordentlich interessanter Renaissance-Altar (Bild 6). Er ist dem in der Mitte dargestellten heiligen Eremiten Antonius geweiht, der im 4. Jhdt. in Ägypten wirkte und als „Vater des Mönchtums“ gilt. In der rechten Hand hält er sein Attribut, den Antoniusstab. Die tauförmige (nach dem griechischen Buchstaben) Bekrönung geht vielleicht auf die Ähnlichkeit mit einer Krücke zurück, eine Anspielung darauf, dass die Antoniterorden sich der Krankenpflege widmeten. In der Linken trägt Antonius ein Buch sowie die Handglocke, mit der wandernde Prediger ihr Kommen ankündigten. Das ihn begleitende Schwein (schwarz, neben seinem linken Fuß) verweist ebenfalls auf die Aktivitäten des Ordens: er durfte seine Schweine, mit denen Arme gespeist wurden, frei weiden lassen. Das „Antoniusschwein“ trägt deshalb ebenfalls ein Glöckchen.
Bild 6:Antoniusaltar.
In den kleinen Nischen stehen Statuetten von Maria Magdalena (mit Salbgefäß, oben links), der Hl. Katharina (mit ihrem Marterinstrument, dem Rad, darunter), der Hl. Barbara (neben dem Turm, in dem sie gefangen gehalten wurde, unten rechts) sowie der Hl. Einsiedlerin Maria Aegyptiaca (darüber). Sie ist nicht nur in das obligatorische Fellgewand gehüllt, sondern auch in einen goldenen Mantel. Unter dem Hl. Antonius in der zweiten Nische von links erkennt man übrigens wieder den Hl. Nikolaus, diesmal mit einem Buch und drei (goldenen) Kugeln darauf: der Legende nach hatte er sie einem Vater geschenkt, der seine Töchter, die sonst zur Prostitution gezwungen gewesen wären, damit aussteuern konnte (s. auch S. →).
Zu den ungewöhnlich vielen Ausstattungsstücken aus romanischer Zeit gehört weiterhin das Altarbild mit Maria und dem Kind im südlichen Nebenchor (Bild 7, vergl. S. 58, Bild 4).
Bild 7:Altarbild mit Maria und Jesuskind.
Umrahmung und Polychromie der Figuren sind neuzeitlich. Die auf einem Thron sitzende Muttergottes mit dem Jesusknaben auf dem Schoß ist ein in der byzantinischen Kunst im 6. Jhdt. entstandener Bildtypus, der in der Romanik außerordentlich beliebt wurde; Maria sitzt unter einem Baldachin und hält das Kind auf dem Schoß. Beide tragen ein Szepter. Rechts und links vom Thron stehen die Kirchenpatrone St. Medardus und St. Nikolaus, dessen Bischofsstab ein Schiff schmückt, da er auch als Beschützer der Seefahrer gilt. Die beiden äußeren Figuren sind vielleicht Propheten, sie halten Spruchbänder in den Händen mit dem (übersetzten) Text: „Alle Herrscher werden Gott anbeten und alle Völker ihm dienen“(links), sowie: “Du bist der Herr, der Macht hat über Leben und Tod“ (rechts).
In der Wandnische des Südchores befindet sich das Grabmal der beiden Stifter Ezzo und Mathilde, deren Figuren einander über den Türen zur Sakristei (links) bzw. zum Klausurgebäude (rechts) gegenübersitzen. Das Gesicht der Mathilde ist eher herb, weshalb die Figur in der älteren Literatur als Prophet missdeutet wurde.
Am Übergang von der Apsis zur dahinterliegenden Kapelle befindet sich an prägnanter Stelle eine Marmorsäule mit interessantem figürlichem Schmuck: dem Paradiesbrunnen-Kapitell (Bild 8). Auf allen vier Seiten des Kapitells erkennt man inmitten von Rankenwerk je eine männliche Figur, die aus einem runden Krug Wasser ausgießt.
Im Unterschied zu zahlreichen anderen romanischen Kapitellplastiken lassen sich diese Darstellungen klar deuten. Die Männer personifizieren die in der Genesis (2, 10-14) genannten Flüsse, die das Paradies bewässerten, darunter Euphrat und Tigris (vergl. S. 59, Bild 5).
Bild 8:Paradiesbrunnenkapitell am Übergang der Apsis zur dahinterliegenden Kapelle.
Im Langhaus befinden sich ebenfalls Figurenkapitelle, die auch in der Höhe noch recht gut erkennbar sind. Am interessantesten ist die Darstellung am mittleren Pfeiler der Südwand (vom Altar aus gesehen links) von sogenannten Atlanten. In er griechischen Mythologie wurde Atlas, der Sohn eines Titanen, von Zeus dazu verurteilt, das Himmelsgewölbe zu tragen. Auf unserem Kapitell stützen fünf Männer einander und das Gewölbe darüber. Die beiden unteren sind durch einen Heiligenschein in Muschelform gekennzeichnet. Es wird sich um die Kirchenpatrone St. Nikolaus und St. Medardus handeln, die so symbolisch ihre Kirche tragen (Bild 9). Zwei weitere Kapitelle gegenüber und an der Nordwestecke zeigen einen bzw. zwei Atlanten.
Bild 9:Mittleres Kapitell an der Südwand des Langhauses. Fünf Atlanten stützen das Himmelsgewölbe.
Als Pendant zu dem Antoniusaltar befindet sich im nördlichen Seitenschiff der ebenfalls im 16. Jhdt. geschaffene Michaelsaltar, der den Erzengel im Kampf mit höllischen Ungeheuern zeigt (Bild 10, vergl. S. 88, Bild 2