Fee Norden in höchster Gefahr - Patricia Vandenberg - E-Book

Fee Norden in höchster Gefahr E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Deutlich über 200 Millionen Exemplare verkauft! Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Sie hat allein im Martin Kelter Verlag fast 1.300 Romane veröffentlicht, Hunderte Millionen Exemplare wurden bereits verkauft. In allen Romangenres ist sie zu Hause, ob es um Arzt, Adel, Familie oder auch Romantic Thriller geht. Ihre breitgefächerten, virtuosen Einfälle begeistern ihre Leser. Geniales Einfühlungsvermögen, der Blick in die Herzen der Menschen zeichnet Patricia Vandenberg aus. Sie kennt die Sorgen und Sehnsüchte ihrer Leser und beeindruckt immer wieder mit ihrer unnachahmlichen Erzählweise. Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist. Mit einem schweren Seufzer legte Fee Norden den Telefonhörer auf. Der kleine Danny sah sie sogleich betrübt an. »Papi nich kommt?«, fragte er weinerlich. »Papi muss noch Krankenbesuche machen, Danny«, sagte Fee tröstend. »Danny auch krank«, sagte der Kleine. Seit Tagen hatte er eine heftige Erkältung und konnte kaum aus den Augen schauen. Er durfte deshalb auch nicht zu seinem Brüderchen und vermisste den Papi doppelt, der jetzt noch weniger Zeit für seine Familie hatte als sonst, denn das ständig wechselnde Wetter machte viele Menschen krank. Jetzt trommelte schon wieder der Regen an die Fensterscheiben. »April, April, der weiß nicht, was er will«, murmelte Fee. »April, April, weiß nicht, was will«, echote Danny. »Danny is müde, Mami.« Es war ein Zeichen, dass es ihm wirklich noch nicht gut ging. Fee gab ihm seine Medizin und brachte ihn zu Bett. »Papi, Papi«, flüsterte er noch ein paarmal, dann fielen ihm die Äuglein zu.

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Dr. Norden Bestseller Classic – 27 –

Fee Norden in höchster Gefahr

Ein Banküberfall mit dramatischen Folgen

Patricia Vandenberg

Mit einem schweren Seufzer legte Fee Norden den Telefonhörer auf. Der kleine Danny sah sie sogleich betrübt an.

»Papi nich kommt?«, fragte er weinerlich.

»Papi muss noch Krankenbesuche machen, Danny«, sagte Fee tröstend.

»Danny auch krank«, sagte der Kleine.

Seit Tagen hatte er eine heftige Erkältung und konnte kaum aus den Augen schauen. Er durfte deshalb auch nicht zu seinem Brüderchen und vermisste den Papi doppelt, der jetzt noch weniger Zeit für seine Familie hatte als sonst, denn das ständig wechselnde Wetter machte viele Menschen krank.

Jetzt trommelte schon wieder der Regen an die Fensterscheiben. »April, April, der weiß nicht, was er will«, murmelte Fee.

»April, April, weiß nicht, was will«, echote Danny. »Danny is müde, Mami.«

Es war ein Zeichen, dass es ihm wirklich noch nicht gut ging. Fee gab ihm seine Medizin und brachte ihn zu Bett.

»Papi, Papi«, flüsterte er noch ein paarmal, dann fielen ihm die Äuglein zu.

Fee war nicht eifersüchtig, weil er so an seinem Papi hing. Es machte sie glücklich, denn für ihren Mann Daniel war es wundervoll, dass die Bindung so innig war, obgleich er sich so selten diesem aufgeweckten kleinen Buben widmen konnte.

Fee schaute nach ihrem Jüngsten, der in seiner Wiege schlummerte und war heilfroh, dass er von der Erkältung verschont geblieben war, denn Felix war noch ein Baby, das nicht sagen konnte, was ihm wehtat. Auch für eine Mutter, die Ärztin war, gab es Aufregung und Ängste, wenn die Kinder krank wurden.

Sie dachte nun aber an eine andere Mutter, die um das Leben eines Kindes bangen musste, und zu dieser war Daniel Norden jetzt gefahren.

Fee kannte Margot Heinrich noch aus der Zeit, als sie ihrem Mann in der Praxis geholfen hatte. Walter Heinrich war auch von Dr. Norden betreut worden, bis er vor drei Monaten nach sehr langer, qualvoller Krankheit gestorben war.

Tapfer hatte Margot Heinrich durchgehalten, selbst nicht gerade die Stärkste. Nun musste sie allein für ihre drei Kinder sorgen, denn die Rente war nicht so üppig, dass sie allen Verpflichtungen nachkommen konnte, die sie kurz vor der Erkrankung ihres Mannes mit dem Kauf eines Reihenhauses eingegangen war.

Das Haus wollte sie ihren Kindern erhalten. Sie arbeitete halbtags in der Bank, in der ihr Mann Zweigstellenleiter gewesen war. Dort traf Fee sie öfter. Und manchmal fand sie, dass diese Frau doch sehr überfordert war, wenn sie in das stille, blasse Gesicht blickte.

Nun war auch noch Ulrike, die Älteste, krank geworden. Schon früh am Morgen hatte Frau Heinrich Dr. Norden angerufen, und er war auch sofort hingefahren, um festzustellen, dass Ulrike eine schwere Grippe hatte, hohes Fieber und einen fürchterlichen Husten.

Frau Heinrich musste daheim bleiben, aber sie konnte wenigstens gewiss sein, dass man ihr das in der Bank nicht ankreiden würde. Jeder hatte größten Respekt vor ihr, weil sie so tapfer ihren »Mann« stand.

Jetzt zitterte sie nur um das Leben ihres Kindes, und die beiden anderen, Andreas und Heidi, waren ebenfalls ganz niedergeschlagen.

Dr. Norden hatte ihnen gleich Vorbeugungsmedizin gegeben, doch bei Ulrike musste man schon mit starken Mitteln gegen die Krankheit angehen, und das war nicht so einfach, da sie gegen Penicillin allergisch war.

Margot Heinrich sah Dr. Norden verzweifelt an. »Mittags war das Fieber etwas gefallen, aber nun ist es schon wieder so schlimm«, sagte sie mit bebender Stimme. »Bitte, helfen Sie ihr doch, Herr Doktor.«

Das wollte er ja so gern, aber Ulrike war ein sehr zartes Kind, immer schon anfällig für Erkältungskrankheiten gewesen, dazu überaus sensibel. Sie hatte unter dem Tod des Vaters mehr gelitten als die Jüngeren, sie hatte auch ständig Angst, dass ihre Mutti krank werden könnte, und es belastete sie, dass Margot Heinrich arbeiten musste.

Am Morgen hatte Daniel den Vorschlag gemacht, Ulrike in die Klinik zu bringen, aber das wollte Frau Heinrich nicht. Das würde alles nur noch schlimmer machen, meinte sie, da Ulli Krankenhäuser hasste, seit ihr Vater in einem gestorben war.

Dr. Daniel Norden wusste, dass Ulrike in Lebensgefahr schwebte, wenn er das auch nicht aussprach. Er machte eine Injektion fertig, aber deren Wirkung musste er kontrollieren, und so musste Fee an diesem Abend noch lange auf ihren Mann warten.

Die treue Lenni war auch ziemlich erkältet und hatte sich mit einer Wärmflasche ins Bett begeben, nachdem sie einen starken Grog getrunken hatte. So kurierte sie ihre Krankheit aus, und Fee meinte, dass dies keine üble Methode sei. Sie machte sich auch einen und setzte sich, um sich die Zeit zu vertreiben, vor den Fernsehapparat. Ein Krimi stand auf dem Programm, und wenn er was taugte, wollte sie sich den mal ansehen.

Meistens, wenn man in Betracht ziehen wollte, dass im Hause Norden nicht oft ferngesehen wurde, erlosch Fees Interesse bald, doch diesmal war sie gefesselt. Fs war ein sehr realistischer amerikanischer Film, in dem es um

einen Banküberfall ging, der ganz anders verlief, als die Gangster geplant hatten.

Es waren drei, und eine junge Bankangestellte machte mit ihnen gemeinsame Sache. Es war kein Reißer, sondern eher ein psychologisch durchdachtes Genrestück. Fee war so fasziniert, dass ihr die Zeit nicht lang wurde, bis Daniel kam, und da waren auf dem Bildschirm gerade die drei Gangster, seelisch zermürbt von einem kaltblütigen und sehr raffinierten Bankkunden, von den Polizisten abgeführt worden, während dieser Bankkunde mit einer Tasche voll Geld und dem Mädchen verschwand.

Das war ein Gag, mit dem Fee nicht gerechnet hatte, aber irgendwie war es amüsant.

Doch jetzt war Daniel da und der Krimi vergessen. Sie widmete sich ihrem völlig erschöpften, todmüden Mann.

»Jetzt geht es Ulli ein bisschen besser«, sagte Daniel. »Wenn sie bloß durchkommt. Noch mehr verkraftet Frau Heinrich nicht.«

Er sorgte sich nicht nur um seine Patientin, sondern auch um die Angehörigen und in diesem Fall ganz besonders, da er wusste, wie nötig die Kinder ihre Mutter brauchten.

»Wie geht es Danny?«, fragte Daniel.

»Besser, er hat dich natürlich sehr vermisst, Liebster.«

»Es wird ja auch mal besser werden«, sagte Daniel. »Ich werde Ulli auf die Insel der Hoffnung schicken, wenn sie einigermaßen beisammen ist.«

Die »Insel der Hoffnung«, das Sanatorium, das nach den Plänen von Daniels verstorbenem Vater entstanden war, hatte schon vielen Genesung gebracht.

»Ulli wird sich nicht von ihrer Mutter und den Geschwistern trennen wollen«, wandte Fee ein.

»Ich werde es ihr schon klarmachen, dass sie mehr Widerstandskräfte sammeln muss«, sagte Daniel. »Und sie wird es einsehen. Frau Heinrich klappt uns sonst auch noch eines Tages zusammen.«

»Denk jetzt nichts mehr, Daniel«, sagte Fee besorgt, »trink lieber auch noch einen Grog.«

Er erhob keinen Widerspruch und schlief dann auch gleich ein. Ein anstrengender Tag war zu Ende, einem neuen schlief er entgegen, und es sollten noch vierzehn Tage vergehen, bis die Krankheitswelle vorüber, die Sorgen um Ulrike Heinrich gebannt waren, und er sich auch mal wieder seiner Familie widmen konnte.

Danny war wieder quietschvergnügt und selig, dass sein Papi Zeit hatte, um mit ihm zu spielen. Zu Fees Beruhigung war Felix ohne Ansteckung davongekommen, und Lenni hatte keinen einzigen Tag im Bett bleiben müssen.

Daniel Norden hatte Ulrike überzeugen können, dass ihr ein Aufenthalt auf der Insel der Hoffnung guttun würde. Zuerst hatte es natürlich Einwendungen gegeben. Sie könne der Schule nicht so lange fernbleiben, hatte sie gemeint.

»Du kannst auch auf der Insel lernen«, hatte Daniel dagegen gesagt.

»Aber Mutti braucht doch auch ein bisschen Unterstützung«, sagte Ulrike dann.

»Dazu bist du noch viel zu schwach«, erklärte er ihr ernst. »Sie hat sich große Sorgen um dich gemacht, Ulli. Es nützt ihr gar nichts, wenn sie sich immer noch Sorgen machen muss.«

»Mutti braucht eine Kur noch viel nötiger als ich«, sagte Ulli dann.

Das wusste Dr. Norden auch, aber er wusste auch genau, dass er Margot Heinrich dazu nicht überreden konnte. Es würde ihr nicht so schwer fallen, sich für ein paar Wochen von Ulli zu trennen, als hier alles im Stich zu lassen. Es gab ja niemanden, der sich den beiden Jüngeren annehmen konnte. Und was würde ihr eine Kur schon nützen, wenn sie mit ihren Gedanken doch immer daheim war und an all die fälligen Zahlungen dachte, für die sie ja noch arbeiten musste.

Es beschäftigte Daniel sehr, wie sie sich mit all diesen Sorgen allein herumschlagen musste.

»Eigentlich ist es eine Schande, dass Frauen, die früh ihren Mann verlieren und allein für ihre Kinder sorgen müssen, doppelt bestraft werden«, sagte er, als Danny ihm doch mal ein paar Minuten Ruhe gönnte.

»Doppelt?«, fragte Fee.

»Ich betrachte es so. Frau Heinrich ist kein Einzelfall. Die Rente ist nicht hoch, weil der Mann noch verhältnismäßig jung war. Die ganze Last ruht nun auf ihren Schultern. Sie ist gezwungen zu arbeiten, aber prozentual wird die Rente ihrem Verdienst zugeschlagen.«

»Macht das viel aus?«, fragte Fee.

»Ich weiß es nicht genau, aber bei ihr zählt doch jeden Euro. Als sie das Haus kauften, haben sie beide nicht daran gedacht, dass Herr Heinrich so lange Zeit krank sein würde. Wer denkt denn schon daran, Fee, wenn man glücklich ist, nette Kinder hat, und für die Zukunft plant. Ganz plötzlich schlägt das Schicksal zu. Dann …«

»Daniel, Liebster, ich habe wirklich alles Verständnis für Frau Heinrich und alle anderen, die die gleichen Nöte haben, aber wir hatten die letzten Wochen so wenig Zeit füreinander, dass ich die paar Stunden mit dir richtig genießen möchte. Ist das sehr egoistisch?«

»Nein, mein Liebes«, erwiderte er zärtlich. Und dann war Danny schon wieder da und brachte ihm ein kaputtes Auto.

»Machst du wieder heil, Papi?«, fragte er.

Daniel, technisch eigentlich nicht sehr begabt, brachte es fertig und erntete damit höchstes Lob von seinem Sohn.

»Papi kann alles«, sagte Danny. Dann bekam Daniel einen feuchten Kuss aufgedrückt, und von Fee bekam er noch einen ganz zärtlichen. Seine Welt war in Ordnung.

*

Dr. Daniel Norden dachte nicht daran, dass seine Welt auch einmal aus den Fugen geraten könnte.

Wie Fee es schon gesagt hatte: wer dachte denn daran, wenn man glücklich war! Und bei ihnen stimmte doch alles. Fee war gesund, das wurde jedes halbe Jahr mit Kontrolluntersuchungen festgestellt. Daniel bestand darauf, auch wenn Fee dagegen protestierte, weil sie keinerlei Beschwerden hatte.

Er war auch gesund, auch das wurde regelmäßig festgestellt. Danny hatte seine erste Krankheit schnell überwunden und sich als sehr widerstandsfähig erwiesen, und der kleine Felix gedieh prächtig.

Lenni hatte ebenfalls keine Klagen, und von der Insel der Hoffnung hörte man auch keine.

Dr. Johannes Cornelius, Fees Vater, der der beste Freund von Daniels Vater gewesen war und diesem auch in der Erinnerung diese treue Freundschaft wahrte, und seine zweite Frau Anne, der alle herzlich zugetan waren, konnten nur Positives von dem Sanatorium berichten. Innige Bande verknüpften sie, und da Katja, Annes Tochter aus erster Ehe, auch genauso glücklich verheiratet war wie Fee, war der kleine Mario, Dr. Cornelius’ Adoptivsohn, fröhlicher und lebendiger Ersatz für das »alte« Ehepaar, das sich nach schweren Schicksalsschlägen zusammengefunden hatte und sich jetzt doch noch so jung fühlte, dass Daniel sich nicht entschließen konnte, seine Praxis aufzugeben, um mit Dr. Cornelius das Sanatorium zu leiten.

Außerdem gab es da ja auch noch den Dr. Jürgen Schoeller und seine Frau Isabel, geborene Guntram, ehemals eine sehr bekannte Journalistin und gute, im besten Sinne gute Freundin von Daniel.

Isabel hatte nach aufreibenden, unruhevollen Berufsjahren auf der Insel der Hoffnung an der Seite eines verständnisvollen Mannes eine Heimat gefunden, die sie nicht mehr missen wollte.

Isabel hatte keine Sehnsucht mehr nach der Großstadt. Sie mied das hektische Getriebe, das doch einmal ihr Lebensinhalt gewesen war.

Es war wirklich alles in bester Ordnung, wenn man auch noch die beiden Freunde Dr. Behnisch und Dr. Leitner einschließen wollte, die ebenfalls die passenden Ehepartnerinnen gefunden hatten.

Sie alle waren dankbar dafür, und vielleicht gerade deshalb konnten sie sich so intensiv ihren Patienten widmen, die oft mit so großen physischen und auch psychischen Belastungen leben mussten.

Keiner von ihnen ahnte, wie bald schon auch ihre Welt in Erschütterung geraten würde, dass wie ein Blitz aus heiterem Himmel das Unheil kommen konnte.

Fee und Daniel genossen ein geruhsames Wochenende. Margot Heinrich brachte ihre Tochter Ulrike zur Insel der Hoffnung. Natürlich waren auch Andreas und Heidi dabei, aber als Ulrike dann dieses Paradies kennenlernte, fiel ihr der Abschied von der Mutti und den Geschwistern gar nicht so arg schwer, wie sie gemeint hatte.

Andreas und Heidi versicherten, dass sie dort auch gern mal ein paar Wochen verbringen würden, und insgeheim dachte Margot Heinrich das auch. Aber ihr ging es jetzt vor allem darum, dass ihre Ulli wieder ganz gesund werden sollte, und später – ja, so ein bisschen dachte sie doch auch an die Zukunft, konnte sie sich womöglich auch mal ein paar Wochen Ausspannung gönnen. ln einem Jahr würden die ärgsten Belastungen von ihr genommen sein, wenn sie jetzt noch durchhielt und verdienen konnte. Dann war das Darlehen für den Hauskauf abbezahlt, und die Hypothek konnte sie auch mit der Rente abbezahlen.

Ein bisschen Hoffnung auf ein leichteres Leben hatte Margot Heinrich nun auch schon wieder. Sie war ja so dankbar, dass ihre Ulli die schwere Krankheit überstanden hatte. Dankbar war sie auch Dr. Norden. Wie oft hatte er ihr schon Mut zugesprochen, wenn sie der Verzweiflung nahe gewesen war. Nun durfte sie auch zuversichtlich sein, dass Ulli auf der Insel der Hoffnung genesen würde.

So begann Margot Heinrich die neue Arbeitswoche mit neuer Kraft und frohen Mutes. Ein Blumensträußchen stand auf ihrem Schreibtisch. Niemand sagte, wer es mitgebracht hatte, aber alle, außer Margot, ahnten es.

Der Zweigstellenleiter Friedrich Höller, der schon vor zwei Jahren der Nachfolger von Walter Heinrich geworden war, hatte die Blumen hingestellt. Als Erster war er am Morgen in der Bank gewesen. Gewissenhaft war er genau wie sein Vorgänger, und manch einer sah so einen richtigen eingefleischten Junggesellen in ihm. Aber auch er war ein vom Schicksal nicht gerade gnädig behandelter Mensch. Seine erste und bisher einzige Liebe war kurz vor der Hochzeit an einer Lebensmittelvergiftung gestorben. Dann hatte er ein paar Jahre später seine Mutter verloren, mit der er zusammenlebte und an der er mit großer Liebe hing.

Seine Verehrung für Margot Heinrich war aus der Bewunderung entstanden, mit welcher Tapferkeit sie das Leben meisterte, aber Margot war sich dessen gar nicht bewusst. Ihr kam der Gedanke nicht, dass Herr Höller ihr die Blumen hingestellt haben könnte, und niemand ließ ein Wort darüber verlauten.

Sie verstanden sich alle gut in dieser kleinen Zweigstelle, in der neben Herrn Höller und Margot Heinrich noch Christa Büttner, die gerade erst ihre Lehre beendigt hatte, arbeitete. Anton Färber war für die Devisenabteilung zuständig, Rosemarie Schweigert zeichnete als Kassiererin verantwortlich. Auch sie hatte hier einmal als Lehrling angefangen. Jetzt war sie bereits seit acht Jahren verheiratet, und nun würde sie bald ausscheiden, da sie ein Baby erwartete.

Das war ein Ereignis, an dem alle teilnahmen, an dem sich auch alle freuten, denn es war ein heiß ersehntes Kind. Gut, man würde sich nun daran gewöhnen müssen, dass ein neuer Mitarbeiter eingestellt wurde, aber Rosemarie Schweigert hatte nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie nur noch Hausfrau und Mutter sein wolle, wenn das Kind erst einmal da war.

Sie war auch eine Patientin von Dr. Norden. Er hatte sie dann allerdings an seinen Freund und Kollegen Dr. Leitner überwiesen, den Gynäkologen, der mit seiner Therapie Frau Schweigert zum Mutterglück verholfen hatte.

Sie hatte keine Beschwerden. Sie war frisch und munter und man sah ihr nicht an, dass sie bereits im siebenten Monat war. Ihre letzte Arbeitswoche war angebrochen. Wenn es nach ihrem Mann gegangen wäre, hätte sie bereits früher aufgehört, aber sie war der Meinung, dass die Zeit ihr dann noch viel langsamer vergehen würde.

Karlheinz Schweigert brachte seine Frau morgens zur Bank. Er war Geschäftsführer in einer Elektrofirma, die nur ein paar Minuten entfernt lag. Er holte seine Frau auch mittags zum Essen ab, das sie in einem gemütlichen, gutbürgerlichen Lokal einnahmen, wie auch die anderen Bankangestellten, mit Ausnahme von Frau Heinrich, die auf schnellstem Wege heimfuhr, um ihre Kinder zu versorgen.

»Fein, dass Sie wieder da sind, Frau Heinrich«, begrüßte Rosemarie Schweigert ihre Kollegin. »Ulli ist wieder wohlauf?«

»Ich habe sie am Samstag zur Insel der Hoffnung gebracht«, erwiderte Frau Heinrich. »Dr. Norden hat es uns freundlicherweise vermittelt.«

»Ja, wenn wir den guten Dr. Norden nicht hätten«, sagte Rosemarie Schweigert.

»Er ist ein schicker Mann«, warf Christa Büttner schwärmerisch ein.

»Gut versorgt mit einer schicken Frau«, sagte Rosemarie Schweigert nachsichtig.

Christa errötete. »So habe ich es nicht gemeint«, sagte sie.

»Wie denn, Christa?«, fragte Rosemarie neckend.

»Es gibt eben nicht viele solcher Männer«, sagte das junge Mädchen. »Ich finde Frau Dr. Norden ja auch bildschön. Sie sind einfach ein Traumpaar.«

»In erster Linie zwei sehr sympathische Menschen«, sagte Margot Heinrich.

Aber dann war keine Zeit mehr zu weiterer Unterhaltung. Der Betrieb begann. Über zu wenig Kunden hatten sie sich nicht zu beklagen. Langeweile konnte hier gar nicht aufkommen. Eigentlich hätte die Filiale längst vergrößert gehört, aber auch die Kunden liebten die persönliche Atmosphäre, die hier noch herrschte. An diesem Tag ging alles ruhig seinen Gang. So um den zwanzigsten des Monats herum war es immer ziemlich ruhig. Da konnte man dann zwischendurch auch mal einen kleinen Plausch einlegen, und mittags konnte Frau Heinrich auch eine Viertelstunde früher gehen, mit ausdrücklicher Genehmigung des Herrn Höller, der sich im Stillen freute, dass sie die Blumen mitnahm.

»Vielen Dank dafür«, sagte sie, aber diese Worte waren an alle gerichtet, die dann aber vieldeutige Blicke tauschten, weil Herr Höller gleich wieder in seinem Zimmer verschwand.