Feuer kann einen Drachen nicht töten - James Hibberd - E-Book

Feuer kann einen Drachen nicht töten E-Book

James Hibberd

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Beschreibung

Exklusiv und einmalig: alle Hintergründe zur Blockbuster-Serie, mit brandneuen Interviews, unveröffentlichten Bildern, autorisiert von HBO.

Sie war die unmöglichste Roman-Adaption der Geschichte: die Verfilmung von »Game of Thrones«. Sogar Autor George R.R. Martin war überzeugt, dass seine Fantasysaga zu komplex für den Bildschirm sei. Und doch machte HBO das Unmögliche möglich: Die ab 2011 ausgestrahlte Show wurde zum größten Serien-Phänomen aller Zeiten, gekrönt mit unzähligen Preisen (darunter 59 Emmys und damit mehr als jede andere Show der Geschichte) und zuletzt 44 Millionen Zuschauern pro Folge – und das allein in den USA.

Alles an der Serie unterlag höchster Geheimhaltung – doch einer hatte Zugang zu den hermetisch abgeriegelten Sets und interviewte exklusiv all jene Menschen, die zum überragenden Erfolg von »Game of Thrones« beitrugen: der Journalist James Hibberd. In diesem Prachtband, gespickt mit bislang unveröffentlichten Bildern, erzählt er ihre Geschichten und lässt Stars, Showrunner und den Autor erzählen, über was sie vor Serienende mit niemanden sprechen durften: was hinter den Kulissen von »Game of Thrones« wirklich passierte.

Mit mehr als fünfzig neuen Interviews (unter anderem mit George R.R. Martin, Peter Dinklage, Emilia Clarke uvm.) und noch nie veröffentlichten Bildern!

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Buch

Sie war die unmöglichste Roman-Adaption der Geschichte: die Verfilmung von »Game of Thrones«. Sogar Autor George R.R. Martin war überzeugt, dass seine Fantasysaga zu komplex für den Bildschirm sei. Und doch machte HBO das Unmögliche möglich: Die ab 2011 ausgestrahlte Show wurde zum größten Serienphänomen aller Zeiten, gekrönt mit unzähligen Preisen (darunter 59 Emmys und damit mehr als jede andere Show der Geschichte) und zuletzt 44 Millionen Zuschauern pro Folge – und das allein in den USA. Alles an der Serie unterlag höchster Geheimhaltung – doch einer hatte Zugang zu den hermetisch abgeriegelten Sets und interviewte exklusiv all jene Menschen, die zum überragenden Erfolg von »Game of Thrones« beitrugen: der Journalist James Hibberd. In diesem Prachtband, gespickt mit bislang unveröffentlichten Bildern, erzählt er ihre Geschichten und lässt Stars, Showrunner und den Autor erzählen, über was sie vor Serienende mit niemandem sprechen durften: Was hinter den Kulissen von »Game of Thrones« wirklich passierte.

Autor

James Hibberd ist ein preisgekrönter Journalist, der seit fast zwanzig Jahren am Puls von Hollywood recherchiert und Tausende Geschichten zu Papier gebracht hat. Aktuell ist er Editor at Large bei Entertainment Weekly, zuvor arbeitete er als TV-Redakteur bei The Hollywood Reporter. Seine Storys erschienen außerdem bei The New York Times, Salon, Cosmopolitan, Details und vielen mehr. Um hautnah und exklusiv über die Erfolgsserie »Game of Thrones« zu berichten, reiste er über Jahre für mehrere Wochen an die internationalen, hermetisch abgeriegelten Sets und verbrachte dort mehr Zeit als jeder andere Journalist. Er lebt in Austin, Texas.

JAMES HIBBERD

FEUERKANN EINENDRACHENNICHT TÖTEN

und die offizielle, noch unbekannte Geschichte der epischen Serie

Deutsch von Andreas Helweg

Die Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel »FIRE CANNOT KILL A DRAGON: Game of Thrones and the Official Untold Story of the Epic Series« bei Dutton, New York.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe © 2020 by Lake Travis Productions LLC

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

This edition published by arrangement with Dutton, an imprint ofPenguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2020 by Penhaligonin der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Catherine Beck

Umschlaggestaltung: www.buerosued.de nach einer Originalvorlagevon Dutton, Penguin Random House US

GAME OF THRONES and all related characters and elements© & TM Home Box Office, Inc.

BL · Herstellung: MR

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-26837-4V001www.penhaligon.de

Für meine Mom,die die Geschichten gelesen hat

Inhaltsverzeichnis

Vorwort: Auf der Suche nach Westeros

1 Ein Traum von Drachen

2 Casting-Storys

3 »Ihr habt da ein Riesenproblem.«

4 »Mein Buch, zum Leben erwacht«

5 Drachen ins Spiel bringen

6 Sterben lernen

7 Frisches Blut

8 Der Kampf um die Schlacht am Schwarzwasser

9 Feuer und Eis

10 »Das wird richtig gut.«

11 Die Rote Hochzeit

12 Mimenspielchen

13 »Laut schreien«

14 Die Purpurne Hochzeit

15 Irrungen und Wirrungen

16 Die größte Serie der Welt

17 Weggabelungen

18 Umweg nach Dorne

19 Wer glaubt, wird selig

20 »Schande … Schande … Schande …«

21 Der Tod der Romantik

22 Tot spielen

23 Das Rudel überlebt

24 Die Stunde der »Bastarde«

25 Alle Serien müssen sterben

26 In See stechen

27 Eine Art Heimkehr

28 Spaziergänge und Gespräche

29 Die längste Nacht

30 Uns vernichtet, was wir lieben

31 Abschiede, Abschiede

32 Und jetzt ist die Wache zu Ende

Danksagung

Bildteil

Register

Vorwort: Auf der Suche nach Westeros

Männer schreien zu Hunderten.

Krieger in Rüstung stürmen mit wütendem Geheul vorwärts, Schwerter und Schilde schlagen aufeinander, Stiefel suchen Halt in morastigem Schlamm. Quälend langsam werden einige der Männer zurückgedrängt zu einem hohen Turm aus Leichen. Der Berg der Toten wird mit jedem vernichteten Krieger größer und ist eine schauerliche Mischung aus gefallenen Kämpfern und niedergemetzelten Pferden, blutig verschlungen in einer grotesken Skulptur der Hölle. In der Ferne brennen gehäutete Männer an Kreuzen.

»Sterben sollt ihr!«, schreit ein Regieassistent. »Das ist das Wichtigste: Verreckt!«

Oktober 2014. Das Feld in Nordirland sieht ganz passend aus wie ein Militärlager. 600 Crew-Angehörige, 500 Schauspieler, die Soldaten darstellen, 70 Pferde und vier Kamerateams sind angetreten, um »Die Schlacht der Bastarde« zu drehen.

Die Kameras sind auf Kit Harington gerichtet, der Jon Schnee spielt, Held wider Willen. Sein mächtiges Breitschwert geht auf einen Angreifer nach dem anderen nieder, der wilde Kampf ist das Ergebnis eines Dutzends ausgefeilt choreographierter Hiebe, die der Schauspieler seinem Muskelgedächtnis perfekt eingebläut hat.

Fast perfekt. Plötzlich wird Harington in den Schlamm gestoßen. Zumindest sieht es durch die Kamera aus wie Schlamm. Nach zwei Wochen Dreharbeiten ist das sumpfige Feld tatsächlich von einer gefährlichen Mischung aus Dreck, Pferdemist, Urin, falschem Schnee, Schweiß, Speichel und Insekten bedeckt.

Der Star erhebt sich müde und schlendert an den Produzenten vorbei. »›Werde doch Schauspieler‹, hat man mir gesagt«, knurrt Harington. »›Dann kannst du dich in deinem Ruhm sonnen‹, hat man mir gesagt …«

Während ich dieses Schlachtenspektakel vom Rand aus beobachte, verschlägt mir der monumentale Wahnsinn der Verfilmung von Game of Thrones wieder einmal den Atem.

Meine Reise mit der HBO-Serie hatte schon Jahre zuvor bei einem scheinbar belanglosen Termin begonnen. In den Romanen von George R. R. Martin können kleinste Entscheidungen im Leben einer Figur zu weitreichenden Konsequenzen führen. Damals, am 11. November 2008, hatte ich noch nie davon gehört.

Ich war beim Hollywood Reporter und interviewte zwei Showrunner, David Benioff und Dan Weiss, Neulinge im Fach. HBO hatte gerade grünes Licht dafür gegeben, dass die beiden einen Piloten nach den Büchern von Martin drehen konnten, und die Serie sollte so etwas werden wie ein … Fantasydrama für Erwachsene? Was denn, ein neues Herr der Ringe?

Nein, kein neues Herr der Ringe, erklärten Benioff und Weiss. Keine Zauberer, keine Elfen, keine Zwerge – also gut, ein Zwerg.

»In dieser Geschichte stürmen nicht eine Million Orks über eine Ebene«, betonte Weiss, und Benioff fügte hinzu: »Echte High Fantasy ist noch nie im Fernsehen gelaufen, und wenn es irgendwer zustande bringt, dann HBO. Die haben sich schon andere ausgelaugte Genres vorgenommen und neu erfunden – Gangstergeschichten mit den Sopranos und den Western mit Deadwood …«

Meine Story war reine Routine. Die Überschrift »HBO zaubert Fantasyserie« erwähnte »Game of Thrones« nicht einmal. Dass der renommierteste Premium-Kabelsender mit seinen Emmy-Gewinnen so verrückt war und in eine teure Fantasyverfilmung für Erwachsene investieren wollte, war die eigentliche Nachricht.

Und damit wäre meine Thrones-Reise eigentlich auch schon zu Ende gewesen. Aber Benioff und Weiss hatten Martins Geschichte dermaßen begeistert geschildert, dass ich sie nicht mehr aus dem Kopf bekam. Ich kaufte mir den ersten Band von Das Lied von Eis und Feuer. Wie zahllose andere war ich augenblicklich dem Zauber dieser einzigartigen Welt verfallen. Schon nach ein paar Wochen war ich mit Band drei fertig. Dieses spannende und gleichermaßen erschreckende Buch mit seinen Haken und Wendungen konnte ich kaum aus der Hand legen.

Von nun an berichtete ich wie besessen über den Fortschritt des HBO-Piloten. Kollegen fragten mich, warum ich so viel über diese Serie schrieb. Ich antwortete: Wenn die eine echte Adaption der Bücher auf die Beine stellen – und eigentlich war das undenkbar –, revolutioniert es das Fernsehen.

Als die erste Staffel von Game of Thrones 2011 an den Start ging, war ich zu Entertainment Weekly gewechselt und besuchte jedes Jahr den Set. Ich war in der Wüste dabei, als Daenerys vor den Toren von Qarth stand; ich war Zeuge von Sansa Starks und Tyrion Lennisters peinlicher Hochzeit; ich beobachtete Joffreys wohlverdienten Abgang; ich stand bei Cerseis Gang der Schande in der Menschenmenge; ich begleitete Jon Schnee auf seiner Expedition jenseits der Mauer über einen zugefrorenen See; und ich stand während der Langen Nacht auf den Mauern von Winterfell. Das unglaubliche Engagement von Cast und Crew, die bestmögliche Serie zu produzieren, und die Einsatzbereitschaft, die mit vielen Strapazen einherging, waren bewundernswert. Man stellt sich das Leben an Kino- und Fernsehsets lässig vor: Stars lassen es sich zwischen den Takes in schicken Wohnmobilen gutgehen, Regisseure fahren in Golfwagen auf dem sonnigen Studiogelände herum, Helden drehen vor grünen Wänden für Computer-Künstler, die später schroffe Landschaften und Todesgefahren hinzufügen.

Diese glamouröse und bequeme Vision des Unterhaltungsbusiness existiert bei großen Produktionen in den Major-Studios in Hollywood tatsächlich. Bei Thrones gab es nichts davon. Die Serie unterschied sich von allen Produktionen, ob Film oder Fernsehen, die ich je besucht habe. Bei der Arbeit an Thrones fror man in nasser Kleidung elf Stunden lang, Nacht um Nacht, Woche um Woche, und lernte zu akzeptieren, dass man sich oft richtig mies fühlen muss, bevor man eine Szene perfekt in den Kasten bekommt. Bei Thrones musste sich der Zwei-Meter-Mann Rory McCann, der durch das schwere Kostüm und die Stiefel noch größer wirkte, zwischen den anstrengenden Actionszenen auf dem Boden eines zugigen (entweder zu kalten oder überheizten) Wohnwagens ausstrecken, das halbe Gesicht dick mit Latex verklebt. Und obwohl sich die Produktion manchmal auf Greenscreens verließ, arbeiteten die Schauspieler*innen häufiger an höchst eindrucksvollen echten Sets wo man das Gefühl hatte, wirklich in eine andere Welt versetzt zu sein.

Als die Serie 2019 endete, hatte ich Hunderte von Artikel darüber geschrieben. Doch so ausführlich meine Geschichten waren, vieles blieb ungesagt. Wie lief das schicksalhafte erste Treffen von Benioff und Weiss mit Martin ab? Was passierte beim Dreh des niemals gesendeten Original-Piloten der Serie? Wie wurde die erste große Schlacht für die zweite Staffel Thrones gefilmt? Was geschah mit dem dornischen Handlungsstrang? Warum haben die Showrunner entschieden, die Serie nach der achten Staffel zu beenden? Wie waren diese fünfundfünfzig anstrengenden Nächte, in denen die »Lange Nacht« gedreht wurde? Und hey, warum ist Lady Steinherz nie aufgetaucht?

Es blieben offene Fragen und der Wunsch, die Geschichte eines Jahrzehnts Berichterstattung über die Serie in eine einheitliche Form zu gießen – darum habe ich dieses Buch geschrieben. Feuer kann einen Drachen nicht töten umfasst dabei über fünfzig neue Exklusivinterviews mit Produzenten, Verantwortlichen, Schauspieler*innen und Crew, die nach dem Serienfinale 2019 geführt wurden. Außerdem wurden Zitate aus Hunderten von Gesprächen ausgewählt, die bereits in Entertainment Weekly (EW) veröffentlicht wurden, dazu fließen Zitate aus anderen Quellen ein (die zu gegebener Zeit genannt werden).

Natürlich kann man in einem einzigen Buch die Entstehung einer derart umfangreichen und komplexen Serie wie Thrones nicht allumfassend schildern. Aber ich hoffe, dass die Leser*innen hier einiges über ihre Lieblingsfiguren und -szenen entdecken, und was sich hinter den Kulissen abspielte. Thrones wurde, das sollte man erwähnen, kontrovers aufgenommen – und zwar von der ersten bis zur letzten Folge –, und auch darüber sprechen hier Produzenten, Regisseure und Schauspieler*innen zum ersten Mal (vielleicht stellt es nicht alle zufrieden, aber zumindest werden Sie erfahren, aus welchen Gründenbestimmte Entscheidungen getroffen wurden).

Vor allem aber möchte dieses Buch die außergewöhnliche Arbeit dokumentieren, die in der Produktion dieser außergewöhnlichen Serie steckt. Selten wird in der Kultur ein Alternativ-Kosmos erschaffen, der so populär, komplex und fesselnd ist, dass er beinahe als real aufgefasst wird, und das rund um den Globus. J.R.R. Tolkien gelang dies mit dem Herrn der Ringe, George Lucas mit Star Wars, J.K. Rowling mit Harry Potter und Marvel mit seinem Filmuniversum. Auch Game of Thrones hat eine lebendige Welt erschaffen, und zwar durch die leidenschaftliche, unermüdliche Arbeit Tausender Beteiligter.

Doch zunächst sollte man sich daran erinnern, dass am Anfang ein einzelner Mensch stand …

1 Ein Traum von Drachen

Ehe die Starks und die Lennisters, die Dothraki und Schattenwölfe das Licht der Welt erblickten, der Kontinent Westeros entstanden und der erste Drache geboren war, gab es einen Jungen mit überbordender Fantasie.

George Raymond Richard Martin wuchs in den 50er Jahren in einem Siedlungsprojekt in New Jersey auf. Sein Vater war Hafenarbeiter, seine Mutter Betriebsleiterin. Er durfte keine Haustiere halten, nur kleine Schildkröten, die er in einer Spielzeugburg wohnen ließ. Seine erste Fantasygeschichte – die erste jedenfalls, an die er sich erinnert – trug den Titel Turtle Castle (Schildkrötenburg). Er stellte sich vor, wie die kleinen Reptilien um einen kleinen Plastikthron und die Macht kämpften.

Eines Tages traf Martin eine erschreckende Erkenntnis: Seine Schildkröten starben. Obwohl er alles daransetzte, seine Lieblinge zu retten, verendeten seine Helden. Diese Wendung der Ereignisse hatte er nicht vorausgesehen. Also baute Martin ihr Schicksal in seine Fantasie ein. Vielleicht waren die Schildkröten durch Mordkomplotte zu Tode gekommen?

Im Laufe der Jahre brachte Martin seine Fantasien zu Papier. Er schrieb Geschichten über Monster und verkaufte sie für zehn Cent an andere Kinder. Außerdem entdeckte er seine Liebe zu Comics. Später veräußerte er seine Kurzgeschichten an Pulp-Magazine und schrieb SF- und Horror-Romane.

1984 zog Martin nach Hollywood und stieg bei der CBS-Wiederaufnahme von Twilight Zone ein. Wie es der Zufall wollte, war Martins erste gesendete Folge eine Fantasygeschichte über mittelalterliche Ritter und Magie. »Der letzte Verteidiger von Camelot« war die Adaption einer Kurzgeschichte von Roger Zelazny über Sir Lanzelot, der in die Gegenwart versetzt ist. Den Höhepunkt bildet Lanzelots Kampf gegen eine verzauberte Ritterrüstung – ein schweigender Berg von Krieger namens der Hohle Ritter –, der in einem andersweltlichen Stonehenge spielt.

In Martins Skript kämpfen Lanzelot und der Ritter auf Pferden in Harnischen, doch die Idee wurde vom Herstellungsleiter abgeschmettert. Martin erinnert sich: »›Entweder bekommst du Stonehenge oder Pferde‹, hat er mir gesagt. ›Aber du bekommst nicht Stonehenge und Pferde.‹ Ich rief meinen Freund Roger Zelazny an und stellte ihn vor die Wahl. Er paffte ein paar Mal an seiner Pfeife und entschied: ›Stonehenge‹, und dabei blieb es. Sie kämpften zu Fuß.«

Martin ließ sich nicht abschrecken und zog weiter zur nächsten Fantasyserie von CBS, nämlich der 1987er Staffel von Die Schöne und das Biest, wo seine Drehbücher ständig an die kreativen Grenzen des Senders stießen. »Die schrieben einem vor, wie oft man ›Verdammt‹ oder ›Teufel‹ sagte, erklärten uns, das Make-up einer Leiche sei zu ›schrecklich‹, strichen einen Fernsehbericht im Hintergrund, weil er vielleicht ›zu kontrovers‹ wäre«, erzählt Martin. »Dümmste Änderungen, reine Feigheit, Angst vor allem, was zu derb war, besonders vor dem, an dem manche Leute ›Anstoß nehmen könnten‹ – genau jene Leute, die ich hasste und über die ich mich lustig machte.«

Martin war frustriert und desillusioniert. Von 1991 an schrieb er wieder in Vollzeit Romane und hatte zwei Jahre später eine Idee für eine ausufernde Fantasystory – »eine Trotzreaktion«,hat er es einmal genannt, auf seine Jahre als Drehbuchautor. Es war ein weitläufiges Epos wie J.R.R. Tolkiens Herr der Ringe, ein Werk, das Martin bewunderte, nur war seine eigene Saga von realen historischen Ereignissen in Europa inspiriert und spiegelte die wahre Brutalität des finsteren Mittelalters wider. Das erste Buch, A Game of Thrones, (Die Herren von Winterfell und Das Erbe von Winterfell) erschien 1996. Die Verkäufe waren, so schrieb Martin später in seinem Blog, »wenig spektakulär«.

In rascher Folge schob Martin zwei weitere Bände der Saga hinterher. Die Popularität wuchs durch Mundpropaganda; die Bücher begeisterten eine wachsende Fangemeinschaft mit ihrer komplexen Story, die lange gültige Regeln des Genres sprengte. Geliebte Helden starben auf schauderhafte Weise, mieseste Schurken errangen wundersam unsere Zuneigung, die Weisen und Klugen wurden beim kleinsten Fehler gestürzt, und die Macht der Magie erwies sich bestenfalls als unzuverlässig.

Und Martin baute so viele Pferde und Burgen und so viel Sex und Gewalt ein, wie er wollte. Es war keine Geschichte über ein Fantasykönigreich, sondern über sieben! Jedes Reich hatte eine eigene Historie, seine eigene Führung und eine eigene Kultur (und jenseits der Meerenge gab es einen weiteren Kontinent mit weiteren Stadtstaaten). So kamen über zweitausend Figuren zusammen, doppelt so viele wie bei Tolkien. Gewaltige Schlachten wurden geschlagen – eine davon mit vier Heeren, Zehntausenden Kämpfern und Hunderten Schiffen. Sogar die Bankette waren extravagant, wie etwa jenes mit siebenundsiebzig Gängen, von denen viele erschöpfend beschrieben wurden (»Elchplatte mit blauem Käse, gegrillte Schlange mit scharfem Senf, Flusshecht in Mandelmilch pochiert …«). Die nicht jugendfreien Stellen wurden ebenfalls ausführlich geschildert: schockierende Folter, Vergewaltigung und Inzucht. Einzelne Absätze hätten als Fernsehproduktion leicht das Budget einer ganzen Staffel verbraucht oder für die Absetzung einer Serie gesorgt – manchmal beides gleichzeitig. Seine Fans waren begeistert.

Er nannte dieses Epos »Das Lied von Eis und Feuer«.

Hollywood entging das nicht. Um 2001 feierten Peter Jacksons Herr-der-Ringe-Filme im Kino Riesenerfolge, derweil Martins drei Eis-und-Feuer-Bücher Kultstatus entwickelten. Seine Romane machten die Runde unter Agenten und Produzenten. Sein Telefon klingelte immer wieder, und es wurden Angebote übermittelt, die leicht verdientes Geld und Leinwandruhm versprachen.

Martin war 58 Jahre alt, genoss sein ruhiges Leben in Santa Fe und war auf der Hut …

GEORGE R. R. MARTIN (AUTOR, Co-EXECUTIVE PRODUCER): Die Jackson-Filme waren ein Erfolg. Alle suchten nach einem Stoff für eine Fantasy-Spielfilmserie. Auf alles wurden Optionen gezahlt. Ich dachte, »Das Lied von Eis und Feuer« könnte nicht verfilmt werden. Also sagte ich: »Wie wollen Sie daraus einen Spielfilm von zweieinhalb Stunden Länge machen? Da bekommt man nicht alles hinein.« Jackson hatte drei Filme für die Tolkien-Bücher gebraucht, aber die waren zusammen nur so lang wie eins von meinen. Wie sollte man das umsetzen?

Die Antworten, die ich bekam, entsprachen nicht dem, was ich hören wollte. Ein Fan vom Stark-Bastard sagte: »Jon Schnee ist die zentrale Figur, wir konzentrieren uns auf ihn und schneiden den Rest weg.« Oder sie feilschten: »Wir lassen nichts weg, wir behalten alles drin, aber wir machen zuerst einen Film und dann weitere, wenn der erste einschlägt.« Und wenn nicht? Sie sagten, es wird so groß wie der Herr der Ringe, aber wenn es eher ein Philip Pullman würde (dessen Adaption von Der goldene Kompass 2008 in die Hose ging)? Sie machen einen Film, der floppt, und dann haben sie eine abgebrochene Serie. Nein. An so etwas hatte ich kein Interesse.

2005 schickte sein Literaturagent die Eis-und-Feuer-Romane an David Benioff, einen sechsunddreißigjährigen Roman- und Drehbuchautor, und bat ihn, sich Gedanken über eine Spielfilm-Adaption zu machen. Benioff galt in der Branche als Senkrechtstarter, er hatte 2002 den gefeierten Krimi 25 Stunden veröffentlicht, dazu die Drehbücher für Troja und Drachenläufer geschrieben.

Im achten Kapitel von A Game of Thrones las Benioff gebannt, wie der siebenjährige Bran Stark – der gerade den Inzest zwischen der Königin von Westeros und ihrem Bruder mit angesehen hat – gnadenlos aus dem Fenster eines Turms gestoßen wird. Einige hundert Seiten später lässt Martin die Hauptfigur sterben, den ehrenwerten, heldenhaften Ned Stark. Benioff rief seinen Freund und Schreibpartner Dan Weiss an.

Weiss, 35, hatte Benioff zehn Jahre zuvor im Trinity College Dublin kennengelernt, wo beide Literatur studiert hatten. Die Vorliebe für irische Literatur sowie die Suche nach einem anständigen Sportstudio schweißten sie 1995 in Dublin zusammen, wie Weiss es Joanna Robinson von Vanity Fair schilderte. Weiss war ebenfalls Autor und hatte seinen Debütroman Lucky Wander Boy 2003 veröffentlicht. Benioff bat Weiss, Martins Bücher zu lesen, »weil er mir sagen sollte, dass ich nicht spinne«.

»Seit der Kindheit hatten wir Fantasy gelesen und waren noch nie auf etwas so Gutes gestoßen, wie es George geschrieben hatte«, sagte Benioff.

Benioff und Weiss träumten wie viele andere von einer Verfilmung des Lieds von Eis und Feuer. Doch schon bald nahmen sie Abstand von einem Spielfilm und kamen zu dem Schluss, der Umfang von Martins Erzählung sei nur mit einer Fernsehserie umzusetzen. Zumindest hofften sie das – keiner der beiden hatte zuvor an einer Fernsehserie gearbeitet.

Martin stimmte einem Lunch im Restaurant Palm in Los Angeles zu, um sich ihr Pitch anzuhören. Das Treffen dauerte vier Stunden, war die Geburtsstunde des größten globalen Popkulturphänomens des 21. Jahrhunderts und würde das Fernsehen für immer verändern, und doch wäre es beinahe an einer einzigen unerwarteten Frage gescheitert.

DAN WEISS (SHOWRUNNER): Wir waren nervös. Wenn man in Hollywood anfängt, ist jedes Treffen nervenaufreibend, denn man hat das Gefühl, wenn man nicht wirklich alles richtig macht, ist es das letzte Meeting. Den Punkt hatte ich längst hinter mir. Man gewöhnt sich an Meetings, und aus den meisten ergibt sich nichts. Dieses Mal fühlte ich mich wie bei meinem allerersten, weil wir wussten, diese Chance war einmalig. Wenn wir hier scheiterten, gab es keine zweite Chance, denn so ein Stoff existierte nur einmal. Es gab nur einen, der den Schlüssel in Händen hielt, und das war George. Wenn George nicht ja sagte, konnten wir unsere Träume beerdigen. Wir standen also unter dem Druck, alles hundertprozentig richtig zu machen.

DAVID BENIOFF (SHOWRUNNER): Zuerst sprachen wir lange darüber, wo George herkam und welche Science-Fiction-Autoren er kannte. Danach redeten wir über seine Bücher und unsere Leidenschaft dafür, denn er sollte merken, dass wir sie wirklich gelesen hatten. George hatte schon in Hollywood gearbeitet und kannte Leute, die [Zusammenfassungen von Büchern] lesen und Dinge von sich geben wie: »Oh, das könnte als Herr-der-Ringe-Kopie funktionieren.« Ich glaube, dass wir die Bücher gut kannten und versiert darüber reden konnten, war ihm wichtig.

DAN WEISS: Wenn man zum Judentum konvertiert, ist es nicht die Aufgabe des Rabbis, dich vom Übertritt zu überzeugen, sondern ihn dir auszureden. So ähnlich war es, als George uns erklärte, dass er beim Fernsehen ausgestiegen war, weil er Bücher schreiben wollte, die man nicht verfilmen konnte. Er erzählte uns von den Pferden und Stonehenge und sagte: »Meine Fantasie ist größer als ›die Pferde und Stonehenge‹, ich will Stonehenge und die Pferde und dazu noch zwanzig Stonehenges und eine Million Pferde.« In seinen Büchern ließ er seiner Fantasie die größtmögliche Freiheit und schrieb sie fast mit Absicht nicht verfilmbar.

DAVID BENIOFF: George erschuf eine Welt, die man an einem Punkt betritt, an dem praktisch schon 95 Prozent der Geschichte gelaufen sind. So vieles ist in der Vergangenheit passiert – die Targaryen-Invasion von Westeros –, und das alles muss man verstanden haben, ehe die eigentliche Geschichte Sinn ergibt. In einem Buch kann man die Vorgeschichte elegant einbringen. Im Fernsehen gibt es entweder eine Rückblende oder eine langweilige Erklärung. Daher lautete eine von Georges Fragen: »Wie sollen dem Zuschauer all diese grundlegenden Fakten vermittelt werden?« Ich weiß nicht mehr, was wir geantwortet haben. Vermutlich irgendeinen Bullshit.

DAN WEISS: Wenn man eine solche Serie macht, entwickelt man eine Herangehensweise an diese Dinge. Aber im Rückblick ähnelt die Historie, die er erschaffen hat, selbst wenn man neunzig Prozent abzieht, dem Gerüst an einem Gebäude. Wenn man das Gerüst abgebaut hat, ist es zwar verschwunden, aber das Gebäude sieht nur deshalb gut aus, weil das Gerüst einmal da war. Diese neunzig Prozent der Historie spürt man hinter den zehn Prozent, die über den Bildschirm laufen. Diese allumfassende Vorgeschichte stellt die logische Verbindung her, warum die Figuren so agieren, wie sie es tun. Es geht nicht darum, dass ein paar Leute Schwerter schwingen, weil es so dramatisch ist.

GEORGE R. R. MARTIN: Sie waren wirklich überzeugend. Sie liebten die Bücher und wollten sie in ein anderes Medium transportieren, nicht verändern und nicht für sich vereinnahmen. Das hasse ich an Hollywood. Wenn ich mich mit den Autoren treffe und die nur sagen: »Hier ist meine Version davon.« Ich will nicht deren Version! Niemand soll es sich neu ausdenken, niemand sollte es für sich vereinnahmen, sie sollen es lediglich bearbeiten.

Deshalb sagte ich: »Ich möchte eine originalgetreue Adaption. Auf keinen Fall will ich eine dieser Geschichten, wo man den Titel nimmt und eine komplett neue Story schreibt. Und ich will daran mitarbeiten, als Produzent und Autor. Außerdem eignet es sich nicht für einen prüden Sender. Sex und Gewalt werden nicht gestrichen. Eine Staffel für jedes Buch.« In dieser Hinsicht waren wir uns einig.

Das Meeting lief gut. Die Lunchgäste waren längst gegangen, und die Kellner bereiteten das Abendessen vor. Da stellte Martin Benioff und Weiss eine Frage, die leicht das Ende der jungen Partnerschaft hätte bedeuten können. Eines der größten Rätsel in Martins Romanen ist das Geheimnis um Jon Schnees Herkunft. Der Stark-Bastard wird als Produkt einer Beziehung zwischen Ned Stark und einer unbekannten Dame beschrieben, die sich während Robert Baratheons Rebellion gegen den »Irren König« Aerys II. Targaryen zugetragen hat. Martin hatte überall richtige und falsche Andeutungen über Jon Schnees wahre Identität verteilt, und unter den Fans kursierten unterschiedliche Theorien.

GEORGE R. R. MARTIN: Bekanntlich stellte ich ihnen die Frage: »Wer ist die Mutter von Jon Schnee?« Sie hatten behauptet, die Bücher gelesen zu haben. Ich wollte wissen, ob sie die Bücher richtig gelesen und aufgepasst hatten.

DAVID BENIOFF: Auf diese Frage waren wir vorbereitet. Wir hatten sie tags zuvor diskutiert und unsere eigene Theorie entwickelt, die zufällig stimmte.

GEORGE R. R. MARTIN: Sie kannten die Antwort, und das war gut.

DAVID BENIOFF: Nachdem wir die Frage nach Jon Schnees Mutter richtig beantwortet hatten, stand er hinter uns und unserem Versuch, die Geschichte zu verkaufen.

GEORGE R. R. MARTIN: Es war eine seltsame Situation. Heute kann man es sich kaum noch vorstellen, aber als wir dort saßen, verfügte ich über beträchtlich mehr Fernseh-Erfahrung als David und Dan zusammen. Ich habe zehn Jahre fürs Fernsehen gearbeitet. Ich hatte mich vom kleinen Autor zum Supervising Producer hochgearbeitet. Es hätte nicht viel gefehlt, und ich würde heute möglicherweise selbst als Showrunner arbeiten. Und diese beiden Burschen hatten großes Talent, aber keine Erfahrung mit Fernsehen. Am liebsten hätte ich es tatsächlich selbst gemacht, aber ich hatte die Reihe noch nicht zu Ende geschrieben. Ich habe die Reihe immer noch nicht zu Ende geschrieben. Das hatte ich nicht vorausgesehen.

Game of Thrones ans Fernsehen zu verkaufen war die erste von vielen Herkulestaten, die die Produzenten vollbringen mussten, bis die Serie an den Start ging. Die Herr-der-Ringe-Filme waren ein Riesenerfolg, deshalb war man von anderer Seite an Martin herangetreten, um einen Spielfilm zu machen, doch Fantasy im Fernsehen wurde mit Low-Budget-Produktionen ohne Altersbeschränkung assoziiert, z. B. Xena: Die Kriegerprinzessin und Hercules. Martins Bücher dagegen waren nicht jugendfrei, und der Markt für Erwachsenenfantasy war noch nicht erkundet. »Sobald man Drachen erwähnte, wurde man belächelt«, wie Harry Lloyd, der Viserys Targaryen spielte, es ausdrückt. Und selbst eine abgespeckte Version des Lieds von Eis und Feuer würde unglaublich teuer werden. Zu diesem Zeitpunkt gab es nur wenige Networks, die Inhalte für Erwachsene im Programm hatten und sich die Serie leisten konnten.

Benioff und Weiss entwarfen einen zuversichtlich klingenden Pitch mit Zeilen wie: »Die Leute sind verrückt nach Game of Thrones. … Sie werden sie ansehen, sie werden dranbleiben, sie werden sie allen, die sie kennen, empfehlen, und sie werden ständig drüber reden, beim Essen, bei der Arbeit, zuhause.« In ihrem Pitch versprach das Duo, dass die Serie nichts von dem beinhalten würde, was Fantasy sonst altmodisch, abgedroschen oder albern wirken lässt.

Sie versuchten, ihre Adaption an drei Stellen zu verkaufen. Ein potenzieller Käufer war DirecTV, die Original-Inhalte finanzierten, allerdings auch als wenig aufregende Option mit limitierter Plattform galt. Außerdem pitchten Benioff und Weiss bei Showtime, wo man zwar Interesse zeigte, doch das Kabel-Network im Besitz von CBS war für mäßige Investitionen bekannt. Dazu meint Benioff: »Intuitiv wussten wir, dass selbst die teuerste Showtime-Serie nicht in die Nähe dessen kam, was wir brauchten.«

Blieb also HBO, die ideale Heimat, worin sich Martin, Benioff und Weiss einig waren. Zu der Zeit musste man bei HBO vor allem eine Person beeindrucken: Carolyn Strauss, damals Programming President und seit neunzehn Jahren für HBO tätig. Aufgrund ihrer Macht im Sender, ihres undurchschaubaren Auftretens und ihrer Neigung, sich ganz in Schwarz zu kleiden, eilte ihr der Ruf voraus, wie Benioff es ausdrückte, »die unheimlichste Person Hollywoods zu sein«.

DAVID BENIOFF: Man teilte uns mit: »Sie wird nicht lächeln, egal, was Sie sagen, sie wird auch nicht lachen, seien Sie darauf gefasst.«

CAROLYN STRAUSS (EHEMALS PROGRAMMING PRESIDENT BEI HBO; EXECUTIVE PRODUCER): Ich war nicht unbedingt Feuer und Flamme für die Idee. Aber bei der Geschäftsführung geht es eben nicht unbedingt um das, was ich mag.

Benioff und Weiss machten einen Termin mit Strauss und anderen Verantwortlichen.

GINA BALIAN (EHEMALS VICEPRESIDENT OF DRAMA BEI HBO): Die Stimmung im Raum war ruhig. Wir hörten aufmerksam zu. Das Pitch ähnelte stark der Geschichte des Piloten. Sie führten uns durch die erste Stunde und endeten mit dem Cliffhanger. Mir stand der Mund offen. Das Kind wird aus dem Fenster gestoßen?

DAVID BENIOFF: Dann sprachen wir darüber, dass Fantasy das beliebteste Genre ist. Im Grunde ist Star Wars Fantasy, Harry Potter ist Fantasy, und sogar [Superhelden-Filme] sind gewissermaßen Fantasy.

CAROLYN STRAUSS: Es gab jede Menge Gründe, es abzulehnen. Eine Fantasyserie kann auf vielerlei Weise floppen. Jede Serie, die sich auf eine Mythologie verlässt, die nicht bis ins kleinste Detail durchdacht ist, kann leicht den Bach runtergehen. Sie taugt vielleicht für eine Staffel oder zwei, danach stößt man an die Grenzen. Zusätzlich würde dieses Projekt sehr teuer werden.

DAVID BENIOFF: Wir erklärten, die meisten Serien hätten am Anfang Stoff für eine Staffel. Hier war jedoch klar, wohin diese Geschichte viele Staffeln lang führen würde. Schon damals wussten wir – obwohl Georges Bücher noch nicht dort angekommen waren –, dass die [verbannte Daenerys Targaryen] nach Westeros zurückkehren und um den Thron kämpfen würde. Wir konnten bei der Serie fünf Jahre in die Zukunft sehen, und das ist im Fernsehen ein seltenes Privileg.

CAROLYN STRAUSS: Als sie die Story in diesem Meeting vorstellten, klang sie verwickelter, komplexer und stärker von den Figuren bestimmt, als ich es von der Fantasy bisher kannte. Es ging nicht um Gut gegen Böse, sondern um Figuren mit beiden Charakterzügen.

DAVID BENIOFF: Irgendwann lachte Carolyn, und wir dachten: »O mein Gott, wir sind drin! Wir haben Carolyn Strauss zum Lachen gebracht.« Am Ende des Meetings glaubten wir, dass HBO Interesse hatte.

GINA BALIAN: Das war keine typische HBO-Serie. Nach dem Pitch lief ich zu Carolyn ins Büro: »Wir kaufen das, oder?«

HBO stimmte zu, den nächsten Schritt zu machen: mit Martin über die Rechte zu verhandeln. Das allein dauerte wegen juristischer Querelen fast ein Jahr.

GEORGE R. R. MARTIN: Der Knackpunkt war das Merchandising. Am Anfang wussten wir nicht, wie schwierig dieses Thema war, aber die Anwälte von HBO wollten keinen Präzedenzfall schaffen, indem sie etwas abtraten, das sie nie zuvor abgetreten hatten. Ich sagte: »Ich kann Ihnen nicht alles geben. Ich habe bereits ein Videospiel und ein Rollenspiel in Arbeit. Außerdem habe ich bereits jemandem das Recht eingeräumt, Münzen zu produzieren.« Wer hätte ahnen können, dass Game-of-Thrones-Münzen mal so wichtig sein würden? Also verteilten wir in endlosen Verhandlungen einzelne Artikel: »Sie bekommen die Wackelkopffiguren, ich die Schlüsselanhänger.«

Dann tauchte ein neues Hindernis auf. Strauss hatte sich zur Fürsprecherin entwickelt, verließ nun aber HBO und wurde durch Michael Lombardo als Programming President ersetzt. Strauss hatte als Executive Producer bei Thrones mitwirken wollen, und Führungswechsel bei einem Network können leicht das Aus für Titel bedeuten, die die Vorgängerin oder der Vorgänger entwickelt hat. Irgendwie mussten Benioff und Weiss die neue Führungsstruktur und Leitung, Co-President Richard Plepler und Programming President Michael Lombardo, überzeugen, mindestens zehn Millionen Dollar für einen Pilotfilm auszugeben, der sich von allem unterschied, was HBO – oder irgendein anderer Sender – je produziert hatte.

MICHAEL LOMBARDO (EHEMALS PROGRAMMING PRESIDENT HBO): HBO hatte gerade Die Sopranos,The Wire und Deadwood hinter sich. Ständig wurden wir gefragt: »Warum habt ihr nicht Mad Men gemacht? Warum habt ihr euch nicht Breaking Bad geschnappt?« Wir waren der Sender für Qualitätsserien gewesen und mussten unsere Position verteidigen. Aber Game of Thrones fiel eigentlich nicht in unsere Sparte. Das schrie nicht nach einem Emmy. Es war nicht gerade das Lieblingsgenre der Stimmen, auf die HBO traditionell hört, wenn es um Dramaserien geht. Vieles sprach dagegen.

Aber Carolyn sagte: »Das Skript ist wirklich gut, du solltest es lesen«, und es war tatsächlich spannend und auf den Punkt geschrieben. Als ich zu der Stelle kam, an der Jaime den kleinen Bran aus dem Fenster stößt, dachte ich: »Heilige Scheiße, so was habe ich noch nie gelesen.« Allerdings war der Herr der Ringe in der Welt und hervorragend produziert. Wie sollten wir da herankommen? Wie strukturiert man das glaubhaft aus Sicht der Produktion? Es musste gegen Projekte für die große Leinwand antreten, und das bei schmalerem Budget.

Erschwerend für Thrones kam das Schicksal einer anderen HBO-Serie hinzu: Rom. Ein ehrgeiziges Historiendrama in Co-Produktion mit der BBC, dessen erste Staffel atemberaubende hundert Millionen Dollar verschlungen hatte. HBO hatte Rom wegen niedriger Einschaltquoten noch vor der zweiten Staffel abgesetzt. Das Network wollte verständlicherweise nicht weitere Millionen mit einem Schwert-und-Schild-Kostümdrama versenken, nachdem ein anderes gerade nicht gut gelaufen war.

Benioff und Weiss versicherten den HBO-Verantwortlichen, dass Thrones deutlich weniger kosten würde als Rom, was natürlich nicht entfernt der Wahrheit entsprach.

DAN WEISS: Meines Wissens wurde im Filmgeschäft noch nie eine Geschichte von diesem Umfang erzählt. Heute ist es ökonomisch machbar, eine Fernsehserie dieser Größenordnung zu produzieren. Damals hatte es noch niemand gewagt. HBO hatte es mit Rom versucht, es war ein Schritt in diese Richtung. Aber ein Aspekt sprach für uns: »Es ist keine Symphonie, es ist Kammermusik.«

DAVID BENIOFF: Wir logen einfach, die Serie sei »überschaubar«, und diese Lüge betraf die Zahl der Figuren.

DAN WEISS: Wir wussten, die meisten Entscheidungsträger würden keine viertausend Seiten lesen und dorthin gelangen, wo die Drachen heranwachsen und die großen Schlachten stattfinden. Die Serie war genau das Gegenteil von dem, was wir ihnen weismachten. Wir setzten darauf, dass sie es nicht herausfanden, ehe es zu spät war.

MICHAEL LOMBARDO: Ich weiß nicht, ob ich das tatsächlich geglaubt habe. Natürlich war es ein Risiko. Wir planten, kratzten uns am Kopf und überlegten, ob wir weitermachen und grünes Licht geben sollten. Zunächst wollten wir die Herausforderungen bei der Produktion erkunden.

Noch etwas sprach gegen Thrones. Benioff und Weiss hatten noch nie an einer Fernsehserie gearbeitet (zumindest nicht über diesen Piloten hinaus). Für gewöhnlich würde ein Sender einem erfahrenen Autor die Leitung des Projekts übertragen. Doch laut Insidern beeindruckten Benioff und Weiss die Verantwortlichen bei HBO mit ihren Entscheidungen und Erkenntnissen während des Entwicklungsprozesses.

CAROLYN STRAUSS: Ich habe mit Serienproduzenten gearbeitet, bei denen wir gezwungen waren, andere Autoren ins Boot zu holen. Aber Dan und David waren zuversichtlich, das hinzubekommen, und sie waren bereit, alles zu lernen, was sie noch nicht beherrschten. Und tatsächlich lernten sie unglaublich schnell. Wir schleppten Produzenten und Abteilungsleiter an, die erfahrener waren, und immer wieder bewiesen Dan und David, dass sie mit ihrem Instinkt richtiglagen. Stück für Stück verdienten sie sich unser Vertrauen.

Als im Herbst 2008 die Entscheidung anstand, ob der Pilot bestellt werden sollte, ging Lombardo in sein Fitnessstudio, das Equinox in West Hollywood. Zufällig besuchte Weiss dasselbe Studio.

MICHAEL LOMBARDO: Da sehe ich Dan auf einem Fitness-Bike, und er liest das zerknitterte erste Buch und hat überall etwas unterstrichen oder gelb markiert. Mich hat er gar nicht bemerkt. Ich dachte: »Wir probieren das. Diese Jungs leben nur für diese Serie, und so etwas findet man selten.« In diesem Moment sah ich, was Dan in seiner Freizeit treibt. Das bestätigte mir, was ich sowieso über die beiden vermutet hatte, und ich war entschlossen, die Sache anzugehen.

RICHARD PLEPLER (EHEMALS Co-PRESIDENT UND CEO BEI HBO):Man sah, die beiden lebten nur für dieses Projekt. Wenn große Künstler über ihre Leidenschaft sprechen und sich in ein Thema stürzen, spürt man das. Das gleiche Gefühl hatte ich bei David Simon [Schöpfer von The Wire], bei Armando Iannucci (Veep) und Mike Judge (Silicon Valley). Es passte einfach.

Im November 2008 bekamen Benioff und Weiss die Nachricht, auf die sie drei Jahre lang gewartet hatten. HBO gab grünes Licht für einen Piloten. Die zwei waren erleichtert und freuten sich. Doch bevor es ans Feiern ging, wollten sie noch eins klarstellen.

GINA BALIAN: David und Dan erklärten mir: »Ihr könnt nicht später kommen und von uns verlangen, die Hauptfigur nicht zu killen, weil ihr den Kerl plötzlich so gernhabt.« Als wir das Okay für den Piloten bekamen, lief ich zu Mike und platzte bei ihm rein: »Überleg es dir genau, und dann überleg es dir noch mal: Wir killen die Hauptfigur, und außerdem spielen Drachen mit.«

2 Casting-Storys

Bei der Produktion von Game of Thrones war nichts einfach. Wenn man mit relativ begrenztem Budget eine Fantasygeschichte drehen muss, ergeben sich praktisch ständig neue Probleme – angefangen beim Casting.

Zuerst war da die schiere Zahl der Rollen. Die erste Staffel umfasste Dutzende Sprechrollen und einen Kern von zwanzig Schauspieler*innen, den »Serienstamm«. Schlimmer noch, viele Rollen waren für Kinder geschrieben. Einen hervorragenden Kinderschauspieler oder eine Kinderschauspielerin zu finden ist schon schwierig. Thrones brauchte sechs Stark-Kinder, die aussehen und spielen sollten wie eine Familie, außerdem mit Erwachsenenstoff zurechtkommen und sich jahrelang für die Serie verpflichten mussten.

Zwar stellte HBO ein großzügiges Budget zur Verfügung – knapp zwanzig Millionen Dollar für den Piloten und noch einmal 54 Millionen für den Rest der Staffel –, doch das Geld wurde für den Bau von Martins Fantasyuniversum gebraucht. Wenn man Kulissen für ein Historiendrama baut, ob Mittelalter, altes Ägypten oder Rom, kann man Kulissen nach historischen Vorbildern entwerfen. Hier musste jeder Set, jedes Kostüm und jede Requisite einzigartig sein, von der Rüstung über die Waffen bis zu den Stühlen – Martin beschreibt den Sitz der Macht, den Eisernen Thron, als hohes Monstrum aus Spitzen und Klingen und verbogenem Metall, das aus tausend Schwertern geschmiedet ist; ein Sitz der Macht, der so unbequem und voller Kanten ist, dass er buchstäblich töten kann (und auch getötet hat). Wie soll man diese Beschreibung realistisch bei einem Stuhl umsetzen, der sich in seine Umgebung einfügt und auf dem ein Schauspieler oder eine Schauspielerin stundenlang sitzen kann?

Dann gab es die computergenerierten Spezialeffekte (CGI) – weitaus weniger als bei späteren Staffeln, aber auf jeden Fall mehr als bei jeder anderen Serie zu dieser Zeit.

Es blieb also nicht viel übrig für große Stars. Die Produzenten wollten stattdessen für Thrones auf die harte Tour casten – indem sie Tausende Audition-Tapes von unbekannten oder wenig bekannten Schauspieler*innen durchforsteten.

»Auf dem Papier ist Game of Thrones die dümmste Investition des Planeten«, meinte Liam Cunningham, der als Davos Seewert ab der zweiten Staffel dabei war. »Denn die Produktion hängt in Folge eins von neunjährigen Kindern ab, und die musst du elf Jahre lang durchziehen.«

Zumindest die Besetzung einer Rolle schien einfach (weil der perfekte Mann dafür auf der Hand lag), war aber gleichzeitig nervenaufreibend (weil dieser Mann kein Interesse zeigte). Tyrion Lennister, das clevere und sarkastische schwarze Schaf der mächtigen Lennister-Familie, ist in den Büchern der Liebling der Fans. Peter Dinklage galt wegen seiner Arbeit in Station Agent und seiner großartigen Szenen in Buddy – der Weihnachtself und Living in Oblivion als Idealbesetzung.

Dinklage hatte 2008 eine andere Fantasyrolle in der wenig erfolgreichen Narnia-Fortsetzung Prinz Kaspian von Narnia gespielt und suchte eine neue Herausforderung. Allerdings störte ihn der stereotype Umgang mit kleinen Menschen im Genre. Das berüchtigte Zwergwerfen im Herrn der Ringe machte ihn wütend, und als er später seinen ersten Golden Globe entgegennahm, sprach er in seiner Rede über das reale Opfer eines Zwergwerfens.

GEORGE R. R. MARTIN (AUTOR, Co-EXECUTIVE PRODUCER): Wir haben uns von Anfang an gedacht, dass diese Rolle am schwierigsten zu besetzen sein wird. Alle waren sich einig: Wir wollten einen echten Zwerg für Tyrion und nicht wie in Herr der Ringe einen John Rhys-Davies nehmen und ihn zu Gimli schrumpfen. Wenn Peter ablehnen würde, hätten wir ein echtes Problem.

PETER DINKLAGE (TYRION LENNISTER): Damit wollte ich nichts zu tun haben – mit Fantasy. Als ich von Thrones hörte, dachte ich: »Nein.« In der Fantasy redet man im Ungefähren. Es gibt keine Innigkeit, nur Drachen und große Reden, aber nichts, woran man sich festhalten kann. Und für jemanden meiner Größe ist das der Tod, das Gegenteil des [Engagements], für das ich stehe.

Aber Dinklage kannte und respektierte auch David Benioffs Arbeit, und es schadete nicht, dass er mit Benioffs Frau Amanda Peet befreundet war. Als Dinklage das Skript des Piloten las, änderte er seine Meinung.

PETER DINKLAGE: David and Dan beherrschen keine [Fantasysprache]: Sie sind zu gut dafür. Ich habe ihnen gesagt, dass ich gern die Erwartungen der Menschen unterlaufe. Stereotype überwindet man, wenn es der andere am wenigsten erwartet. Und zwar ganz leise. Man brüllt es nicht durchs Megafon. Und mir schien, das hatten sie mit Tyrion vor. Eine andere Serie hätte nur die Leute auf dem Thron im Fokus gehabt, die auf mich herabschauen.

Aber Dinklage hatte dennoch eine Regel: keinen Bart. Und deshalb ist Tyrion in den ersten Staffeln glatt rasiert, obwohl die Figur in den Büchern Bart trägt. Später gab er nach und ließ sich einen bescheidenen Bart wachsen, nachdem klar war, dass die Rolle nichts mit den fantasytypischen Zwergenklischees zu tun hatte. »Ich wollte einfach nicht aussehen wie ein Herr-der-Ringe-Zwerg mit langem Bart.«

Dinklage drängte seine langjährige Freundin Lena Headey (Terminator: The Sarah Connor Chronicles), für die Rolle von Tyrions ehrgeiziger und durchtriebener Schwester Cersei vorzusprechen. »Wir haben uns viele andere angesehen, aber sie war die Beste und Interessanteste«, sagte Nina Gold, die zusammen mit ihrem Partner Robert Sterne das Casting leitete.

Und obwohl die Produzenten alle Ähnlichkeiten mit Herr der Ringe mieden, entschieden sie sich für Sean Bean als Stark-Patriarchen Eddard (Ned). Bean hatte mit Boromir in Die Gefährten bereits einen anderen unseligen Fantasykrieger gespielt. »Sean war von Anfang an im Gespräch, er war einfach der Prototyp dieser Figur«, sagte Gold.

In der ersten Staffel war Dinklage der einzige amerikanische Schauspieler. Die übrigen Rollen besetzten Gold und Sterne in London. Westeros spielt auf die Geschichte des heutigen Englands an, und es gibt eine lange Tradition, für historische Dramen Schauspieler*innen mit britischem Akzent zu wählen. Benioff, Weiss und Martin waren an der Auswahl beteiligt, und auch der Regisseur des Original-Piloten Tom McCarthy, der einstieg, weil er in Station Agent mit Dinklage und mit Benioffs Frau Amanda Peet in dem Film 2012 gearbeitet hatte.

GEORGE R. R. MARTIN: Bei den ersten Staffeln war das Casting sehr aufwändig. Jedenfalls schickten sie mir einen Link mit etwa 23 unterschiedlichen Leuten, die vorgesprochen hatten. Ich sah mir alle an. Dann schickte ich David und Dan ausführliche sechsseitige Einschätzungen.

Auch Martins Leser nahmen Einfluss auf das Casting – inoffiziell. Die Fans sprachen sich im Internet für bestimmte Schauspieler*innen aus, die sie in Hauptrollen sahen – manchmal mit Erfolg. Auch zögerten die Fans nicht mit Ablehnung, wenn die Wahl ihre Erwartungen enttäuschte – zum Beispiel bei dem dänischen Filmstar Nikolaj Coster-Waldau, der die Rolle von Cerseis gut aussehenden und arroganten Bruder Jaime bekam.

NIKOLAJ COSTER-WALDAU (JAIME LENNISTER): Dan und David und Carolyn Strauss erzählten mir die Story. Ich war begeistert. Nach einer halben Stunde sagten sie: »Übrigens, er hat eine besondere Beziehung zu seiner Schwester – eine Liebesbeziehung.« Das fand ich interessant. Schließlich gab es [bei den Fans] eine Diskussion über meine Nase – sie passte nicht.

DAVID BENIOFF (SHOWRUNNER): Wir casteten nach Eignung für die Rolle, nicht nach Ähnlichkeiten mit den Büchern. Deshalb gab es viele Beschwerden aus der Fangemeinde. Peters und Nikolajs Nase seien zu groß. [Alfie Allen als Theon Graufreud] ähnelte der Beschreibung im Buch nicht, aber beim Vorsprechen schlug er alle anderen aus dem Feld.

Ursprünglich hielt sich Allen nicht für einen guten Theon. Der Engländer wollte eigentlich Jon Schnee spielen, als ihn die Produzenten fragten, ob er nicht die Rolle des verräterischen Stark-Mündels übernehmen wollte (das war nicht ungewöhnlich, denn etliche Thrones-Darsteller*innen probierten verschiedene Rollen aus).

Bei Jason Momoa trafen die Fans ins Schwarze, als sie den amerikanischen Schauspieler aus Stargate Atlantis für den furchterregenden Dothraki Khal Drogo vorschlugen.

Momoa erschien zu seiner Audition in schwarzem Hemd mit offener Brust und folkloristischen Ketten. Da es für Drogo wenig Dialog gab, bat Momoa die Produzenten, ob er einen Haka-Tanz der Maori-Krieger aufführen dürfte, um seine körperliche Bedrohlichkeit zu demonstrieren, ehe er seine Zeilen vortrug. So stampfte er mit den Füßen, sang und schlug sich auf die Brust, während er den bedrohlichen Drogo-Blick aufsetzte.

JASON MOMOA (KHAL DROGO): Ich war für diese Rolle wie geschaffen. Als ich vom Casting für Khal Drogo erfuhr, konnte ich es nicht fassen. Ich musste diese Rolle haben. Noch nie habe ich so was gedacht wie: »Das lasse ich mir von keinem wegnehmen.« Ich war hartnäckig, ich habe alles gegeben und dann cool abgewartet. »Und viel Glück noch bei der Suche nach einem Khal Drogo.«

Der nordirische Fernseh- und Theaterveteran Conleth Hill bemühte sich um die Rolle des kahlköpfigen königlichen Beraters Varys, obwohl er eigentlich Vorbehalte gegen die Rolle hatte.

CONLETH HILL (VARYS): Ich lehnte ab. Meinem Agenten sagte ich: kein Interesse. Ich dachte, das Ganze liefe auf Dungeons & Dragons hinaus. Aber Belfast war nur eine Stunde entfernt, und ich mag Tom McCarthys Filme, deshalb wollte ich ihn kennenlernen. Ich sprach für König Robert vor, aber als ich fertig war, sah ich Mark Addy. Er war perfekt, also war das für mich gestorben.

Die Produzenten sagten: »Wir melden uns.« Ich hielt das für eine Floskel – nette, aber leere Worte. Dann holten sie mich wieder rein und ließen mich Varys’ große Rede halten, in der er über seine Vergangenheit spricht. Ich dachte: »Was hat diese Figur hinter sich?« Sie fragten mich: »Würden Sie sich den Kopf rasieren lassen?« Ich hatte ihn noch nie geschoren und war ziemlich baff.

Für den Schotten Rory McCann ging es bei der Rolle von Prinz Joffrey Baratheons furchterregender Leibwache Sandor Clegane, dem Bluthund, nicht nur um das nächste Engagement, sondern regelrecht ums Überleben. Wie er 2019 dem Independent erzählte, war er zu der Zeit obdachlos, schlief in einem Zelt und musste sich Essen stehlen.

DAVID BENIOFF: Wir fanden keinen Bluthund. Die Rolle ist schwierig. Man muss richtig einschüchternd wirken, aber gleichzeitig glaubhaft Herz zeigen. Nina und ihr Team stellten alle Videos online, für den Bluthund waren es Hunderte. Dann bekamen wir eine E-Mail von George. »Habt ihr euch Rory McCann angesehen?« Wir klickten ihn an. Es ist die Szene, in der er Sansa anschreit: »Sieh mich an!« – Er fauchte in die Kamera, und wir zuckten beide zurück. Rory ist echt süß und sanft, aber in ihm lodert dieser Zorn.

Der Nordire Kristian Nairn bekam die Rolle des riesigen und doch niedlichen Dieners der Starks, Hodor, der nur ein Wort beherrscht.

KRISTIAN NAIRN (HODOR): Mitten am Tag rief mich jemand an, der mal mein Agent war. »Wir haben eine Audition für dich. Dafür müssen wir ein Kind suchen.« Ich hatte keins bei der Hand. Aber er erzählte mir von einer Geburtstagsparty, wo eins sein würde.

GEORGE R. R. MARTIN: Dann bekamen wir ein Tape von Kristian Nairn, wo er durch einen Garten stapft, ein Kind auf dem Rücken, und »Hodor!« schreit.

Die deutsche Schauspielerin Sibel Kekilli zahlte den Flug nach London aus eigener Tasche, um persönlich als Tyrions abgefeimte Hure Shae vorzusprechen. Nach dem Termin änderte sie ihre Meinung. Die Skript-Seiten, die sie während der Szene gelesen hatte, waren noch nah an der Shae aus dem Buch, einer herzlosen Opportunistin, und sie hatte ein unbehagliches Gefühl dabei, eine solche Figur an der Seite von Dinklage zu spielen.

SIBEL KEKILLI (SHAE): Als ich die Rolle bekam, wollte ich sie zuerst nicht annehmen. »Nein, danke!« Peter Dinklage ist ein großer Schauspieler, aber [nach dem Text beim Vorsprechen] dachte ich, ich sollte mich über kleine Leute lustig machen – mich über ihre Lage lustig machen. David und Dan schickten mir einen wundervollen Brief. »Bitte, bitte, bitte, Sie sind unsere Shae. Sie haben eine großartige Audition hingelegt, und wir ändern Shae ein bisschen. Wir machen sie anders als in den Büchern.« Damit überzeugten sie mich.

Der Schotte Iain Glen hatte bereits Hollywood-Erfahrung im Genre, dank Hauptrollen in Filmen wie Resident Evil: Apocalypse und Lara Croft: Tomb Raider, als er sich an Ser Jorah Mormont versuchte, dem verbannten Ritter aus Westeros.

IAIN GLEN (JORAH MORMONT): Niemand wusste Genaueres, nur dass HBO und viele [britische Schauspieler*innen] beteiligt waren. Ich absolvierte meinen Termin, hatte ein gutes Gefühl, und dann herrschte Schweigen. Zu meiner Frau sagte ich etwas, das ich sonst nie sage: »Diese Rolle hätte ich echt gern.« Sie fragte, warum. »Keine Ahnung. Ich weiß gar nichts darüber. Ist nur so ein Gefühl …«

Für die zentrale Rolle der verbannten Prinzessin Daenerys Targaryen hatten die Produzenten ursprünglich die Engländerin Tamzin Merchant im Auge, die bei den Tudors, einem Geschichtsdrama von Showtime, mitgewirkt hatte. Daenerys war eine der jüngeren Figuren, die leicht überarbeitet werden musste, um zur Schauspielerin zu passen.

GEORGE R. R. MARTIN: Die Bücher lehnen sich an das Mittelalter an, in dem Mädchen mit dreizehn verheiratet wurden. Das Konzept »Jugend« existierte nicht, man war entweder Kind oder Erwachsener. Zu Beginn der Bücher ist Dany dreizehn. Aber es verstieß gegen britisches Recht, jemanden für Sexszenen zu casten, der noch keine siebzehn ist. Man darf nicht einmal eine Siebzehnjährige einsetzen, um eine Dreizehnjährige in einer Sexszene zu spielen. Also nahmen wir eine Dreiundzwanzigjährige, die eine Siebzehnjährige spielte, und mussten die Chronik anpassen.

Für den ätzenden Prinzen Joffrey sprachen viele junge Männer vor und spielten den Text wie »Des Teufels Saat« oder wie der kindliche Schurke in Omen.

DAVID BENIOFF: Wir suchten einen Joffrey und fanden einen Jungen, den wir für perfekt hielten, also dachten wir, die Sache sei erledigt. Dann kamen wir nach Dublin und casteten für andere Figuren, aber da war ein Junge, der auch für Joffrey einen Termin hatte, und dem wollten wir nicht absagen. Aus reiner Höflichkeit sahen wir uns Jack Gleeson an. Er begann zu sprechen und veränderte unser Konzept der Figur. Wie hatten nicht damit gerechnet, viel Zeit auf Joffrey zu verwenden, bis wir Jack sahen. Er brachte das Ekel so unglaublich glaubhaft herüber, nicht übernatürlich, nicht als Diener der Dunkelheit, sondern einfach wie ein Fiesling.

Der siebzehnjährige Jack Gleeson konnte vor allem eine kleine Rolle in Batman Begins vorweisen, und der junge Ire suchte bei anderen großen Leinwandschurken nach Inspiration.

JACK GLEESON (JOFFREY BARATHEON): Meine Darstellung beruhte auf den wenigen Seiten, die ich bekam, und auf einer Sammlung von Bösewichten, die ich im Laufe der Jahre gesehen hatte. Joaquin Phoenix’ Commodus in Gladiator hatte großen Einfluss – sein Blick. Dazu kam das Monster Hexxus aus FernGully. Das waren die beiden größten Einflüsse. Er ist ein Produkt des Settings und des Kontextes. In irgendeiner Gestalt ist jeder schon mal einem Joffrey begegnet.

Am schwierigsten gestaltete sich die Suche nach einer Arya Stark, dieser klugen und willensstarken jungen Heldin, die sich Geschlechterstereotypen entzieht und im Laufe der Serie harte Schicksalsschläge verarbeiten muss.

GEORGE R. R. MARTIN: Ich war verzweifelt, denn wir fanden keine Arya. Wir hatten uns schon mehr Mädchen als für jede andere Rolle angesehen. In Sitcoms müssen die meisten Kinder nur niedlich sein und Einzeiler raushauen. Bei dieser Figur geht es um Gewalt, Trauer und Angst. Drei Viertel der Mädchen lasen den Text ab, ansonsten kam da nichts. Sicherlich ist es für eine Zehnjährige eine große Sache, diesen Text zu lesen, aber es ist kein Schauspielern. Die anderen hatten offensichtlich Schauspielunterricht gehabt, und irgendein Coach hatte sie darauf getrimmt, dramatisch zu sprechen – und dramatisch waren sie. Sie schnitten Grimassen und rollten mit den Augen. »Das war’s dann«, dachte ich.

Die zwölfjährige Engländerin Maisie Williams nahm während der Mittagspause an ihrer Schule ein Video auf und spielte Arya.

GEORGE R. R. MARTIN: Teufel auch. Ihr Gesicht ähnelte meiner Beschreibung überhaupt nicht, aber sie war perfekt. Sie war Arya! Arya lebte!

Für Aryas prüde und spießige Schwester Sansa Stark ließ sich die dreizehnjährige Sophie Turner von ihrem Schauspiellehrer zu einer Bewerbung drängen. Später sagte sie, die Aufnahme sei eher ein Scherz gewesen; sie erzählte auch ihren Eltern erst davon, als sie unter die letzten sieben gekommen war.

NINA GOLD (CASTING DIRECTOR): Sophie erzählt gern, wir hätten sie auf einem Feld bei Warwickshire aufgetrieben, was nicht ganz stimmt, aber fast.

ROBERT STERNE (CASTING DIRECTOR): Wir besuchten sie in ihrer Schule. Von Anfang an stellte sich bei ihr eine Verbindung zum Material her.

Williams und Turner trafen sich zum ersten Mal beim Vorsprechen und wurden auf ihr Zusammenspiel getestet.

MAISIE WILLIAMS (ARYA STARK): Als ich rauskam, dachte ich: »Selbst wenn ich die Arya nicht bekomme, wünsche ich Sophie die Rolle von Sansa.«

DAVID BENIOFF: Maisie und Sophie mochten sich auf Anhieb. Zwischen ihnen stimmte die Chemie, obwohl sich die Figuren an diesem Punkt gar nicht mögen sollten. Von da an kicherten und lachten sie die ganze Zeit, bis man sagte: »Action!«, und dann gingen sie sich gegenseitig auf unglaublichste Weise an die Kehle. Freundschaft macht es leichter, Feindschaft zu spielen. Bei Peter und Lena war es genauso.

NINA GOLD: Von der ersten Leseprobe an waren sie unzertrennlich.

Williams und Turner ließen sich später das gleiche Tattoo stechen: 07.08.09, das Datum ihres Castings.

SOPHIE TURNER (SANSA STARK): Das Datum bedeutete uns viel, und deshalb fassten wir den Entschluss. [In der siebten Staffel] hatten wir bei einer Woche Dreh so viel Spaß gehabt, also sagten wir: »Los, jetzt machen wir es.«

Der Engländer Isaac Hempstead Wright hatte kein Interesse an der Schauspielerei gehabt, bis er in den Theaterclub an seiner Schule eintrat. Mit zehn wurde er für die Rolle von Bran Stark ausgewählt, der Junge, den Jaime zu töten versucht und der danach behindert ist, den aber ein mystisches Schicksal erwartet.

ISAAC HEMPSTEAD WRIGHT: Ich hatte drei Auditions und die Sache danach über den Sommer vergessen, habe Fußball gespielt oder was auch immer. Dann kam ich eines Tages aus der Schule, stieg bei meiner Mutter in den Wagen, und sie sagte: »Glückwunsch, Bran Stark.« Oh, cool!

Der Schotte Richard Madden war zweiundzwanzig, als die Wahl für den ältesten Stark-Sohn Robb auf ihn fiel. (Er veränderte seinen Akzent, damit er Beans Yorkshire-Dialekt ähnelte). Wie Joffrey ist Robb eine Figur, der die Showrunner im Vergleich zu den Büchern mehr Raum gaben, weil der Schauspieler sie so hervorragend darstellte. »Zuerst mochten wir Richard, weil er der klare Favorit für den Preis Bestgekleideter Mann Schottlands 2009 war«, sagt Weiss in Game of Thrones: Hinter den Kulissen. »Tatsächlich gewann er, und zusätzlich zu seiner modischen Erscheinung bekamen wir ein fantastisches Talent.« Madden erzählte später bei Jimmy Kimmel Live, dass er beim Casting völlig pleite war und die Rolle ihn davor rettete, zu seinen Eltern zurückziehen zu müssen. (Vielleicht hatte er zu viel Geld für Kleidung ausgegeben?)

Der Engländer Kit Harington war erst dreiundzwanzig und konnte keine Credits vorweisen, als er für die Rolle von Starks Bastard Jon Schnee vorsprach. Aber er hatte in der Londoner Schauspielszene schon viel Zuspruch für eine Hauptrolle in einer West-End-Inszenierung von Gefährten bekommen.

KIT HARINGTON (JON SCHNEE): Jeder junge Schauspieler in GB sprach für diese Rolle vor. Ich putschte mich richtig auf. Zum Beispiel redete ich mir ein, genau der Richtige dafür zu sein. Schauspieler*innen sind für gewöhnlich empfänglich für die Energie in einem Raum. David und Dan hatten den ganzen Tag nach jemandem gesucht, der ihnen gefiel, und man spürte, wie sie sich [vorbeugten]. Nach der zweiten Audition dachte ich, dass ich in der engeren Wahl war und es mich hart treffen würde, die Rolle nicht zu bekommen.

Bei der Durchsicht der Auditiontapes bedienten sich die Produzenten der Hilfe des an der Julliard ausgebildeten Schauspielers und Drehbuchautors Bryan Cogman, dessen Frau für Benioff und seine Frau Amanda Peet babysittete. Cogman verschlang Martins Romane und wurde Experte für die Mythologie des Lieds von Eis und Feuer. Ursprünglich als Assistent für Benioff angestellt, übernahm er ständig weitere Aufgaben. Er schrieb Folgen, führte Aufsicht am Set und wurde Co-Executive Producer. »Mir wurde am Anfang viel zu viel Verantwortung übertragen, denn ich hatte gar keine Erfahrung«, sagte Cogman. »Aber wissen Sie was? Weiss und Benioff auch nicht! Vermutlich wussten sie es zu schätzen, dass ich ausgebildeter Schauspieler war.«

BRYAN COGMAN (Co-EXECUTIVE PRODUCER): Es war peinlich. Wir casteten Frauen für die Figur Ros. An diesem Punkt wussten wir nur »rothaarige Hure«. Eines Tages hatten David, Dan und Tom keine Zeit, und ich wurde mit den Auditions für diese Rolle betraut. Diese nordirische Schauspielerin kam rein. Mir graute es: Es ging um eine Sexszene, und was wusste ich schon? Der Text war eindeutig zweideutig, und die junge Frau machte es nicht schlecht, sah mich jedoch seltsam an. Ich hatte keine Ahnung, weshalb.

Ich sagte: »Okay, noch mal«, weil ich dachte, wir sollten es mehrmals machen. Sie las den Text erneut, und ich sagte: »Okay, wunderbar!« Sie stand kurz da und sagte schließlich: »Gut, dann gehe ich wohl mal …« Am nächsten Tag rief Nina Gold an. »Du hast sie nicht gefragt, ob sie sich bis auf die Unterwäsche auszieht!« Sie hatte darauf gewartet, die Kleidung abzulegen. Das ist wahrscheinlich beim Casting für solche Rollen normal. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Später sprach Esmé Bianco vor und bekam die Rolle.

NINA GOLD: Wir haben die Schauspieler*innen bei der Audition nicht gebeten, sich auszuziehen. Manche haben es aber von sich aus getan.

ESMÉ BIANCO (ROS): Die Figur hieß »die rothaarige Hure« und sollte ursprünglich nur im Pilot vorkommen. Ich sprach in Unterwäsche vor. Das machen sie, weil manche Schauspieler*innen bei der Audition sagen, sie haben nichts gegen Nacktaufnahmen, beim Dreh aber einen Rückzieher machen. Damals war ich Burlesque-Tänzerin und Dessous-Model, für mich war es also Routine. Als die Serie grünes Licht bekam, fragten die Produzenten: »Hätten Sie Interesse an weiteren Szenen?« Schließlich mischte sich George R. R. Martin ein: »Vielleicht sollte sie einen Namen bekommen, statt für die ganze Staffel die rothaarige Hure zu sein.«

Der Engländer Joe Dempsie kam von der vieldiskutierten britischen Erfolgsserie Skins – Hautnah, als er für die Rolle von Robert Baratheons Bastardsohn Gendry gecastet wurde.

JOE DEMPSIE (GENDRY): Ich sprach für zwei oder drei Rollen vor, ehe ich Gendry bekam. Eigentlich war ich enttäuscht, nicht die gewünschte Rolle zu bekommen. Rückblickend haben sie Leute herausgepickt, mit denen sie arbeiten wollen, und danach ausklamüsert, welches Teil im Puzzle die werden sollen. Daher ist es kein Zufall, dass wir alle so gut miteinander klarkommen, eine gute Arbeitsmoral haben und über Professionalität verfügen. David und Dan haben genau diese Atmosphäre gewollt. Niemand ist größer als die Serie. Daher gab es wenige große Egos.

DAVID BENIOFF: Wir haben viele Freunde, die [fürs Fernsehen schreiben], und im Vergleich zu anderen Serien hatten wir kaum Probleme mit Fehlverhalten der Schauspieler*innen. Ich weiß nicht, ob das typisch britisch ist, aber wir hatten Glück, denn der Cast ist wirklich groß. Wir hatten nur ein oder zwei Idioten in Nebenrollen.

NINA GOLD: Eine Schauspielerin – die ihre Rolle bekam, aber hier nicht genannt werden soll – sprach bei Robert [Sterne] vor, und zu aller Überraschung saß sie plötzlich rittlings auf seinem Schoß und zerrte an seinem Hemd. Robert war hart im Nehmen, er sagte nicht: »Aufhören, was soll das?«, sondern ließ es geschehen. Ihm standen die Haare zu Berge, während er darüber nachdachte, wie er da wieder rauskommen sollte. Und hat sie nicht sogar versucht, dich zu küssen?

ROBERT STERNE: Ja, es geht darum, Einsatz zu zeigen, und manchmal brauchen sie bei dieser Art Szenen jemanden, an dem sie sich festhalten können.

Aber die beste Audition-Story lieferte der Brite John Bradley, der gerade die Schauspielschule absolviert hatte und Gelegenheit bekam für die Rolle von Samwell Tarly vorzusprechen, dem liebenswerten, aber tollpatschigen Rekruten der Nachtwache.

JOHN BRADLEY (SAMWELL TARLY): Ich dachte nicht, dass es einer der wichtigsten Tage meines Lebens werden würde. Erst in Nachhinein wurde mir das klar. Ich musste von Manchester, wo ich wohne, nach London. Also plante ich vier Stunden für zwei Stunden Fahrt ein, aber die Direktverbindung nach London fiel aus. Deshalb musste ich einen riesigen Umweg machen.

DAN WEISS: An dem Wochenende hatten wir uns an vier Tagen ungefähr sieben oder acht Samwells persönlich angesehen. Wir hatten jemanden entdeckt, der großartig war – und zwar nicht John Bradley. Nina fragte: »Da kommt noch jemand, dessen Zug verspätet ist, würdet ihr warten?« Wir dachten: »Es ist heiß, und wir haben Hunger. Aber er kommt mit dem Zug aus Manchester, da sind wir es ihm wohl schuldig.«

JOHN BRADLEY: Ich habe schon immer zu viel geplant und zu viel gegrübelt. Vermutlich hätte ich auch diesmal so viel nachgedacht, bis ich völlig durch den Wind gewesen wäre, wenn ich im Zug genug Zeit gehabt hätte. Aber wegen der ganzen Hetzerei hatte ich keine Gelegenheit dazu.

DAN WEISS: Er kam vom Bahnhof angerannt. Dann war auch noch der Fahrstuhl außer Betrieb.

JOHN BRADLEY: Ich lief drei Treppen hoch und platzte ins Büro. Dort war ich dankbar, weil sie noch nicht Feierabend gemacht hatten. Ich musste außer Atem antreten, ich war so nervös und innerlich aufgepeitscht, und das floss in meine Interpretation von Sam ein.

DAN WEISS: