Filmrecht für Dokumentarfilm, Doku-Drama, Reportage und andere Non-Fiction-Formate - Heidrun Huber - E-Book

Filmrecht für Dokumentarfilm, Doku-Drama, Reportage und andere Non-Fiction-Formate E-Book

Heidrun Huber

4,9

Beschreibung

Film- und Fernsehproduktionen wie 'Der Baader Meinhof Komplex', 'Contergan' oder auch Stefan Raab‘s 'TV total' rückten in den letzten Jahren nicht nur aufgrund ihrer filmischen Inhalte in den Fokus der öffentlichen Diskussion, sondern auch anlässlich rechtlicher AuseinanderSetzungen: Immer häufiger fühlen sich Personen von dokumentarischen oder halbdokumentarischen Produktionen in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt und ziehen vor Gericht. Dokumentarfilmer oder Schöpfer anderer nicht-fiktionaler Formate werden aber auch mit anderen Rechtsfragen konfrontiert: Ist das Konzept geschützt? Bestehen Rechte an tatsächlichen Ereignissen oder historischen Geschehnissen? Darf ich Inhalte aus Biografien übernehmen? Haben auch Unternehmen Persönlichkeitsrechte? An wen muss ich mich wenden, wenn ich Musikrechte erwerben möchte? Welche Förderungen kann ich beantragen? Welche Fallstricke lauern bei den Verhandlungen der Verträge mit den Sendern oder anderen Partnern? Knapp und verständlich beantwortet Heidrun Huber die wichtigsten Fragen, die sich bei einer non-fiktionalen Film- oder Fernsehproduktion stellen, und veranschaulicht diese durch zahlreiche Beispiele aus der Praxis. Schritt für Schritt erläutert sie die Rechte am Thema, führt über die Persönlichkeitsrechte und die Einblendung von Werken Dritter hin zu Rechtsfragen bezüglich Finanzierung und Produktion bis zur Auswertung. Dabei werden neben dem Dokumentarfilm als Einzelstück auch jegliche Formen von dokumentarischen und halbdokumentarischen Film- und Fernsehformaten wie Magazinsendungen, Reportagen oder auch Shows berücksichtigt.

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Heidrun Huber

Filmrecht für Dokumentarfilm, Doku-Drama, Reportage und andere Non-Fiction-Formate

UVK Verlagsgesellschaft mbH

[4]Praxis Film

Band 62

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISSN 1617-951X

ISBN 978-38-6496-040-6

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Dieses eBook ist zitierfähig. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass die Seitenangaben der Druckausgabe des Titels in den Text integriert wurden. Sie finden diese in eckigen Klammern dort, wo die jeweilige Druckseite beginnt. Die Position kann in Einzelfällen inmitten eines Wortes liegen, wenn der Seitenumbruch in der gedruckten Ausgabe ebenfalls genau an dieser Stelle liegt. Es handelt sich dabei nicht um einen Fehler.

Disclaimer

Der Inhalt dieses Buches wurde mit Sorgfalt erstellt. Dennoch können Unrichtigkeiten nicht ausgeschlossen werden. Verlag und Autorin übernehmen keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Ausführungen. Wenn Sie Unrichtigkeiten entdecken oder Verbesserungsvorschläge haben, wenden Sie sich gern unter [email protected] an die Autorin.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz 2011

Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz

Einbandfoto: © Istockphoto Inc.

Lektorat: Maria Grohme-Eschweiler, Gräfelfing

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz

Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98

www.uvk.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

[5]Inhalt

Vorwort und Danksagung

Rechte am Thema

1.   Sind tatsächliche Geschehnisse urheberrechtlich geschützt?

2.   Sind die Inhalte historischer oder religiöser Ereignisse geschützt?

3.   Gibt es ein Urheberrecht an der tatsächlichen Lebensgeschichte von Personen?

4.   Weitere freie Werke und Leistungen

5.   Ist das von mir geschaffene Konzept vor Nachahmern geschützt?

Persönlichkeitsrechte

A.   Das Recht am eigenen Bild

1.   Die Aufnahme

2.   Die Veröffentlichung von Aufnahmen

3.   Grundsatz: Einwilligung erforderlich

4.   Gestattungsvertrag

5.   Schutz Verstorbener

6.   Ausnahmen.

Absolute Personen der Zeitgeschichte

Relative Personen der Zeitgeschichte

7.   Beiwerk

8.   Versammlungen

9.   Höheres Interesse der Kunst

10.   Die Regelung des § 201a StGB zur Bildberichterstattung

11.   Unschuldsvermutung und Opferschutz

B.   Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

1.   Die wichtigsten Schutzbereiche

2.   Persönlichkeitsrechte kontra Meinungs- und Kunstfreiheit

3.   Lösung durch Güterabwägung

4.   Aufnahmen während gerichtlicher Verhandlungen

5.   Einzelfragen

Darf ich Namen nennen?

Dürfen Adressen, Telefonnummern, Kfz-Kennzeichen genannt werden?

Das Recht an der eigenen Stimme

Postmortaler Schutz

Das Persönlichkeitsrecht von Unternehmen und politischen Parteien

6.   Wie weit darf ich gehen?

Dokumentarfilm

Doku-Drama

Satire

7.   Die Folgen bei Rechtsverletzungen

[6]Außendreh, Dreh am Motiv, Dreh bei Veranstaltungen

1.   Wann sind Drehgenehmigungen erforderlich?

2.   Panoramafreiheit

3.   Das Hausrecht

4.   Der Motivnutzungsvertrag

5.   Filmen von Autos oder Tieren

6.   Drehen bei Veranstaltungen

7.   Berichterstattung über Tagesereignisse

8.   Recht der Kurzberichterstattung

Titelrecherche/Titelschutz

1.   Worum geht es beim Titelschutz?

2.   Voraussetzungen für den Titelschutz

3.   Schutz ausländischer Filmtitel und Internet-Domains

Verwendung von Ausschnitten

1.   Unterscheidung zwischen Filmwerk und Laufbild

2.   Verträge mit den Archiven

3.   Historische Tages- und Wochenschauberichte

4.   Programm bei im Hintergrund laufenden Fernsehers oder Radios

Nutzung von Fotos und Gemälden im Film

1.   Grundsatz: Rechteerwerb erforderlich

2.   Ausnahmen

Zitate

1.   Zulässigkeit des Filmzitats

2.   Quellenangabe

Freie Benutzung

Musik im Film

1.   Kurze Einführung in das Filmmusikrecht

2.   Was ist geschützt?

3.   Welche Rechte benötige ich zur Musiknutzung im Film

Sie möchten die Filmmusik komponieren lassen

Sie möchten bereits komponierte Musik einspielen lassen

Sie möchten Musik von einem bestehenden Tonträger übernehmen

4.   Nutzung von Musik ohne Einwilligung

5.   Sounddesign

Kurze Einführung in das Vertragsrecht

1.   Wie kommen Verträge zustande?

2.   Was bedeutet Letter of Intent, Deal-Memo und Vorvertrag?

[7]3.   Der Optionsvertrag

4.   Was sind Allgemeine Geschäftsbedingungen?

5.   Wie werden Rechte übertragen?

6.   Keine Übertragung des Urheberrechts

7.   Übertragung von Nutzungsrechten

8.   Besonderheiten der Rechteübertragung im Filmbereich

9.   Ausschließliche und einfache Nutzungsrechte

10.   Bestseller-Paragraph gestärkt

11.   Anspruch auf angemessene Vergütung

Finanzierung/Förderung

1.   Finanzierungskomponenten

2.   Filmförderung

Die Produktion

1.   Auftragsproduktion für einen Fernsehsenders

Der Auftragsproduktionsvertrag

2.   Koproduktion

Der Koproduktionsvertrag

3.   Verträge mit dem Autor und dem Regisseur

Der Autorenvertrag

Der Regievertrag

Versicherungen

Product-Placement

1.   Bei Kinoproduktionen

2.   Bei Fernsehproduktionen

Die Rechte am hergestellten Film

1.   Die Urheberrechte am Film

2.   Die Leistungsschutzrechte am Film

Die Auswertung

1.   Der Verleih

Der Verleihvertrag

2.   Der Weltvertrieb

Der Weltvertriebsvertrag

3.   Die DVD-Lizenz

Der DVD-Lizenzvertrag

Der Video-on-Demand-Vertrag

4.   Die Sendelizenz

Der Sendelizenzvertrag

5.   Weitere Auswertungsmöglichkeiten

[8]Die Verwertungsgesellschaften

1.   Welche Aufgaben haben Verwertungsgesellschaften?

2.   Übersicht über die wichtigsten Verwertungsgesellschaften

Die Urheberrechtsreform

1.   Das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (sogenannter »Korb I«)

2.   »Korb II« – Die Urheberrechtsnovelle vom 1.1.2008

3.   Ausblick auf »Korb III«

Anhang 1: Rechteanlage

Anhang 2: Schlussbestimmungen

Literaturverzeichnis

Sachregister

[9]Vorwort und Danksagung

Das vorliegende Buch gibt Filmschaffenden im dokumentarischen Bereich Antworten auf die wichtigsten Rechtsfragen. Ich habe die Inhalte einfach und übersichtlich formuliert, so dass es ohne Vorkenntnisse verstanden werden kann.

Nehmen Sie dieses Buch als praktisches Hilfsmittel. Ziehen Sie es bei Bedarf zu Rate und lesen Sie an den Stellen nach, die Sie gerade interessieren.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Manfred Heid und Herrn Professor Heiner Stadler, die mir wertvolle Tipps gegeben haben. Besonders danken möchte ich auch Markus Breimaier, der mir aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im Bereich der Herstellung von Dokumentarfilmen zahlreiche Hinweise zur tagtäglichen Praxis geben konnte. Dank auch an meine Lektorin Sonja Rothländer und an Susanne Fuellhaas für die Gestaltung des Covers, an Gunter Hanfgarn, Walter Brun und German Kral für ihre hilfreichen Hinweise und an alle Freunde, Bekannte und Kollegen, die mir mit Rat und Tat bei der Erstellung dieses Buches zur Seite standen.

München im März 2011                          Dr. Heidrun Huber

Rechte am Thema[10][11]

1.  Sind tatsächliche Geschehnisse urheberrechtlich geschützt?

Ein halbes Jahr haben Sie auf diesen Anruf gewartet. In dieser Zeit haben Sie Ihr Thema recherchiert – allerdings nur in der Theorie. Nun ist die Hagelabwehr am Telefon und bietet Ihnen an, einen Hagelabwehrflug in der Praxis mitzuerleben. Bei einem solchen Flug werden bestimmte Stoffe in die Wolken versprüht, um so der Bildung großer gefährlicher Hagelkörner entgegen zu wirken. In Ihrem Dokumentarfilm über die Hagelabwehrflieger soll der Flug einen großen Raum einnehmen.

Mit diesem spannenden Thema wecken Sie das Interesse eines Redakteurs, erhalten einen Auftragsproduktionsvertrag für eine 43-minütige Dokumentation und beginnen mit den Vorbereitungen. Während der Dreharbeiten dann der Schock: Ein Mitarbeiter der Hagelfliegerabwehr informiert Sie darüber, dass ein Fernsehteam eines anderen Senders vor Ort bei den Hagelfliegern gefilmt und Interviews geführt hat.

Sofort rufen Sie Ihren Redakteur an und beraten mit diesem, wie Sie verhindern können, dass die andere Filmproduktion die Reportage vor Ausstrahlung Ihres Filmes sendet. Aber können Sie die Herstellung und Ausstrahlung der anderen Produktion wirklich unterbinden?

Urheberechtlicher Schutz setzt eine geistig-schöpferische Leistung eines Menschen im Bereich Literatur, Wissenschaft oder Kunst voraus. Tatsächliche Ereignisse werden jedoch von niemandem geschaffen, sie beruhen nicht auf geistigschöpferischer Tätigkeit eines Menschen. Somit erwerben Sie niemals ein Urheberrecht an den tatsächlichen Ereignissen, auf die Sie Ihre Geschichte aufbauen oder von denen Sie sich inspirieren lassen. Die Wiedergabe von Fakten ist urheberrechtlich nicht geschützt. Jeder kann einen Film über Hagelabwehrflieger machen.

Bei dem nachfolgend geschilderten Fall ging es um reales Geschehen, das ein Straftäter zwei Autoren geschildert hatte. Diese erstellten Protokolle und Rainer Werner Fassbinder verfilmte Teile daraus unter dem Titel »Ich will doch nur, dass Ihr mich liebt«.

Der betreffende Straftäter war zu lebenslänglicher Haft wegen Tötung eines Ehepaars verurteilt worden. Die Autoren, die die Interviews geführt hatten, erstellten daraus eine in Ich-Form gestaltete chronologische Erzählung, in der die Interview-Angaben [12]des Täters gekürzt, sprachlich geglättet und teilweise neu formuliert worden waren. Die Erzählung wurde als Protokoll Nr. 2 in dem Buch mit dem Titel »Peter Jörnschmidt, Lebenslänglich Protokolle aus der Haft« veröffentlicht. Im Jahre 1975 erwarb ein Produzent von den beiden Autoren die Rechte, einen Fernsehfilm herzustellen und zu verbreiten. Zeitlich war dieser Vertrag auf acht Jahre beschränkt. Rainer Werner Fassbinder verfilmte die Geschichte 1976. Da der auf acht Jahre beschränkte Vertrag nicht verlängert wurde, lief er 1983 aus. Obwohl die Vertragszeit abgelaufen war, wurde der Film im Fernsehen und im Kino weiterhin gezeigt. Die Inhaberin der Autorenrechte wollte die Ausstrahlung des Films verbieten lassen. Sie erhob Klage. Erfolg hatte sie damit nicht. Der Inhalt des Protokolls Nr. 2 basiere auf den Angaben des Täters, so die Richter des Oberlandesgerichts München (Fundstelle: ZUM 1995, Seite 427 ff.). Mit diesen Angaben habe Peter Jörnschmidt das tatsächlich Geschehene mitgeteilt. Der Inhalt tatsächlicher Geschehnisse genieße jedoch keinen Urheberrechtsschutz. Das Protokoll Nr. 2 könne daher nicht als schutzfähige Fabel bewertet werden, denn es beschränke sich auf die Wiedergabe von Fakten. Diese Wiedergabe der Fakten sei keine eigenschöpferische Leistung der Autoren. Für die Autoren sei die Geschichte als historischer Ablauf vorgegeben gewesen, sie hätten frei benutzbares Gemeingut nacherzählt, das nicht auf ihrer persönlichen geistigen Schöpfung beruhe. Der Umstand, dass die Stoffsammlung als solche mit großer Mühe und erheblichem Zeitaufwand verbunden war, reiche nicht aus, die urheberrechtliche Schutzfähigkeit zu begründen.

Schutz würde aber die konkrete Form und Art der Sammlung, Einteilung, Anordnung und sprachliche Wiedergabe des vorgesehenen Stoffes genießen. Auf die konkrete Form der Sammlung habe Fassbinder jedoch nicht zurückgegriffen. Vielmehr habe er in seinem Film vom Protokoll nur insoweit Gebrauch gemacht, als es die Lebensgeschichte vom Täter Jörnschmidt betreffe und damit gemeinfrei sei.

Gegebenenfalls sind in solchen Fällen Persönlichkeitsrechte zu beachten. Mehr dazu im Kapitel »Persönlichkeitsrechte«.

2.  Sind die Inhalte historischer oder religiöser Ereignisse geschützt?

Sie können über jeden historischen Vorgang oder auch über religiöse Ereignisse einen Film drehen. Niemand kann für sich ein Monopol auf einen geschichtlichen oder religiösen Inhalt beanspruchen.

In nachfolgender Entscheidung des Landgerichts Hamburg (Fundstelle: ZUM 2003, Seite 403 ff. – Die Päpstin) hatten die Richter die Aufgabe, ein Drehbuch über die »Päpstin Johanna« zu untersuchen. Dieses Drehbuch war ohne Einwilligung [13]von Donna Woolfolk Cross, der Autorin des Bestsellers »Die Päpstin«, verfasst worden. Die Drehbuchautorin berief sich darauf, ihr Drehbuch nur auf Grundlage freier historischer Fakten und Überlieferungen verfasst zu haben.

Der Roman »Die Päpstin« hielt sich 189 Wochen in den deutschen Bestsellerlisten. Dies veranlasste die UFA, den Stoff für das Kino zu verfilmen. Sie holte das Einverständnis der Autorin Donna Woolfolk Cross ein und begann mit der Entwicklung des Drehbuchs. Damit jedoch war sie nicht allein. Eine andere deutsche Filmproduktionsfirma T. plante eine Fernsehserie über die »Päpstin Johanna«, allerdings ohne Einwilligung der Romanautorin. Das wollte sich Donna Woolfolk Cross nicht bieten lassen. Sie erhob Klage auf Unterlassung beim Landgericht Hamburg.

In dem Roman wird das Leben der Johanna von Ingelheim geschildert, einer Frau, die im Jahre 814 geboren und als Mann verkleidet in Fulda und Athen studiert haben soll. Als »Mönch« sei sie schließlich von Fulda aus nach Rom gezogen. Aufgrund ihrer großen Gelehrsamkeit sei sie nach dem Tode Leos des IV. im Jahre 855 zum Papst gewählt worden. Sie regierte als »Johannes Angelikus« und ließ fast alle Menschen glauben, dass sie ein Mann sei. Aber eben nur fast. Zumindest ein Mann muss ihr Geheimnis gekannt haben, denn sie wurde schwanger. Während einer Prozession soll die Geburt stattgefunden haben. Diese überlebte sie nicht. Über die Ursache ihres Ablebens kursieren zwei Varianten: Einige Quellen lassen vermuten, sie sei von der aufgebrachten Menge, die den Teufel entweichen sah, getötet worden, andere gehen davon aus, dass sie ohne fremde Einwirkung an den Folgen der Geburt gestorben sei.

Ob Johanna von Ingelheim tatsächlich gelebt hat oder ob es sich um eine Legende handelt, konnte die Wissenschaft bis heute nicht klären. Fest steht jedoch, dass diese Geschichte seit vielen hundert Jahren erzählt wird. Eine der ältesten Darstellungen stammt aus dem Jahre 1558. Seither ist die Figur Gegenstand zahlreicher literarischer und wissenschaftlicher Darstellungen. Auch zwei Filme, eine Kinoproduktion aus dem Jahre 1972 und ein Feature der BBC aus dem Jahre 2000, beschäftigten sich mit dem Thema.

Die Rechte für eine Adaption ihres Romans »Die Päpstin« hat Donna Woolfolk Cross an die UFA verkauft. In der Folgezeit musste sie feststellen, dass die Produktionsfirma T. in Koproduktion mit einer amerikanischen Produktionsfirma ebenfalls eine Verfilmung des Lebens der Johanna von Ingelheim plant, und zwar als TV-Serie. Dieser Serie soll ein Drehbuch mit dem Titel »Johanna the Pope« einer amerikanischen Autorin zugrunde liegen. Im deutschen Fernsehen sollte die Serie unter dem Titel »Die Päpstin Johanna« gesendet werden. Finanzgeber für die Serienproduktion war neben anderen die Degeto Film GmbH, Frankfurt. In der Verfilmung dieses Drehbuches sah Donna Woolfolk Cross eine Verletzung ihrer Rechte am Roman »Die [14]Päpstin«. Sie ging vor das Landgericht Hamburg und verlangte unter anderem Unterlassung der Verfilmung des Drehbuchs.

Die beklagte Produktionsfirma T. war sich allerdings keiner Schuld bewusst. Die Päpstin Johanna, so argumentierte sie, sei eine durch viele Quellen historisch belegte Figur. Historische Fakten und Überlieferungen seien aber frei, jeder dürfe sie verfilmen. Die Klägerin könne die Legende daher nicht für sich monopolisieren. Auch habe die amerikanische Drehbuchautorin den Roman der Klägerin nicht plagiiert. Vielmehr habe sie verschiedenste Quellen recherchiert und darauf aufbauend ihr Drehbuch nach einem eigenen Konzept verfasst.

Dagegen hielt die Klägerin mit folgenden Argumenten: Sie habe die Figur der Johanna erstmals als eine Persönlichkeit mit realem Charakter und individuellen Persönlichkeitsmerkmalen und Motivationen dargestellt, nämlich als eine »Pionierin der Frauenbewegung«. Ihre Johanna sei eine Frau mit dem Bewusstsein unserer Tage. Trotz der zahlreichen historischen Quellen habe sie, die Romanautorin, aus einer Vielfalt möglicher Charaktere und Szenen ausgewählt und zahlreiche Details erfunden. Dies seien eigenschöpferische und damit schutzfähige Leistungen. Nichts Neues, so die Beklagte. Bereits im BBC-Feature aus dem Jahr 2000 finde sich die Bewertung der Johanna von Ingelheim als »Pionierin der Frauenbewegung«.

Die Richter stellten zunächst klar, dass historisch vorgegebene Einzelheiten, die allgemein bekannt oder recherchierbar sind, keinen Schutz genießen können. Alle tatsächlichen historischen Ereignisse bzw. Legenden seien damit frei. Die »Päpstin Johanna« sei eine durch viele Quellen belegte historische Figur. Über diese historische Figur einen Film zu drehen stehe jedermann frei.

Die Richter machten sich nun daran, die Romanvorlage mit dem Drehbuch zu vergleichen und kamen dabei zu dem Schluss, dass die überwiegende Anzahl von Elementen des Drehbuches frei benutzbares Material über die historische Figur sei.

So seien beispielsweise folgende Schlüsselszenen überliefert: Obgleich Bildung für die meisten Menschen im neunten Jahrhundert unzugänglich war, im besonderen auch für Mädchen und Frauen, aber auch für Männer, habe Johanna lesen und schreiben gelernt. Erst eine hohe Bildung habe ihren Aufstieg ermöglicht. Auch sei überliefert, dass Johanna während einer Prozession ein Kind geboren habe. Diese Überlieferungen seien frei und für jeden nutzbar.

Im Ergebnis half das der Beklagten aber wenig, denn bezüglich zweier maßgeblicher Darstellungen war das Gericht anderer Meinung. Im Roman – von der Autorin frei erfunden – hat Johanna einen Bruder mit Namen Johannes und sie verliebt sich in ihrer Jugend in Deutschland in einen Mann, den sie später in Rom wiedertrifft und der dort als Chef der päpstlichen Garde ihr Liebhaber wird. Dies, sowie drei weitere erfundene Abschnitte des Romans hatte die Drehbuchautorin übernommen. Damit [15]seien die Urheberrechte der Romanautorin verletzt, wenn auch nur in geringfügigem Umfange, so das Landgericht Hamburg. Aus diesem Grund untersagte das Gericht der Produktionsfirma T., einen Film auf Grundlage des amerikanischen Drehbuchs herzustellen.

Die UFA dagegen realisierte in Koproduktion mit der Constantin Film 2008 unter der Regie von Sönke Wortmann die aufwändige Kinoproduktion »Die Päpstin« nach der Romanvorlage von Woolfolk Cross.

Fazit: Auch wenn – wie hier – nur wenige erfundene Teile aus einem anderen Werk übernommen werden, kann dies das ganze Projekt kippen.

3.  Gibt es ein Urheberrecht an der tatsächlichen Lebensgeschichte von Personen?

Seit Jahren beschäftigt sich eine Professorin für bayerische und schwäbische Landesgeschichte mit dem Leben der Ärztin Hope Bridges Adams Lehmann (1855 – 1916). Diese schloss als erste Frau in Deutschland das Medizinstudium ab. Die Professorin ist Autorin mehrerer Veröffentlichungen, darunter einer Biografie über die emanzipierte Ärztin »Dr. Hope«. Die Geschichte genau dieser Frau wurde von einer Münchner Produktionsfirma für das ZDF als Doku-Drama realisiert. Zunächst war die Wissenschaftlerin von der Produktionsfirma als Beraterin vorgesehen. Man konnte sich jedoch nicht über die Konditionen des Beratervertrags einigen. Das Projekt wurde ohne ihre Mitarbeit realisiert. In der Folgezeit warf die Professorin den Drehbuchautoren vor, sich an ihrer Biografie über die Ärztin unzulässigerweise bedient zu haben. Der Fall landete vor dem Landgericht München I (AZ: 7 O 3422/10).

Die Richter des Landgerichts München I rieten der Filmproduktion sowie der Historikerin einen Vergleich an. Ein Gerichtsverfahren könne langwierig und teuer werden. Wissenschaft diene dazu, so das Gericht, Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen. Diese Informationen könne dann jeder weiterverwenden. Geschützt sei nur die Art der Darstellung. Die Produktionsfirma stellte sich auf den Standpunkt, dass keine schützbaren Elemente aus den Werken der Wissenschaftlerin übernommen worden seien. Die Professorin sah dies jedoch anders. Ihrer Meinung nach habe die Filmfirma sehr wohl geschützte Elemente aus ihren Werken übernommen. Dennoch ließen sich die Historikerin und die Filmproduktionsfirma zu einem Vergleich bewegen, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden. Die Historikerin erhielt von der Filmproduktionsfirma [16]15.000 Euro »als Abgeltung der wissenschaftlich publizistischen Leistung, die in Auffndung und Darstellung des verfilmten Stoffes liegt«.

Fazit: Auch dann, wenn ein Autor in mühevoller Recherchearbeit eine Biografie erstellt hat, ist er nicht davor geschützt, dass eine Filmproduktionsfirma die recherchierten Inhalte übernimmt. Denn diese Inhalte sind urheberrechtlich nicht geschützt. Solange sich die Filmproduktionsfirma nicht auch der konkreten Form und Art der Darstellung bedient, hat der Autor vor Gericht wenig Chancen.

Aber Vorsicht: Gesondert davon sind in solchen Fällen oft auch Persönlichkeitsrechte zu beachten. Hierzu mehr im Kapitel »Persönlichkeitsrechte«.

4.  Weitere freie Werke und Leistungen

Ohne Rechteerwerb dürfen auch folgende Werke und Leistungen verwendet werden:

•   Werke, deren Schutzfrist abgelaufen ist, also etwa ein Roman, dessen Autor vor mehr als siebzig Jahren gestorben ist. (Beachten Sie dabei: Manchmal haben Bearbeiter einen Stoff maßgeblich verändert und dadurch ein eigenes Urheberrecht erworben.)

•   Leistungen, die von vornherein nicht schutzfähig sind. Das sind:

–   Ideen,

–   naturgegebene Vorgänge,

–   Methoden, Stilrichtungen (etwa »Dogma«, »Expressionismus«, »Dadaismus«),

–   Althergebrachtes (etwa Märchen, Volkslieder etc.),

–   Werke, die aus dem Schutz des Urheberrechtsgesetzes herausgenommen sind (etwa Gerichtsentscheidungen).

5.  Ist das von mir geschaffene Konzept vor Nachahmern geschützt?

Tatsächliches Geschehen ist urheberrechtlich nicht geschützt. Dennoch kann auch ein Konzept für einen Dokumentarfilm schutzfähig sein. Um Schutzfähigkeit zu erlangen, sollten Sie in Ihrem Konzept

•   eine eingehende Konkretisierung des Themas (was soll auf welche Art gezeigt werden) vornehmen,

•   ins Einzelne gehende Angaben über den Aufbau des Films machen,

•   einzelne Aufnahmeobjekte und ihre technische Erfassung aufzeigen.

Es kommt dabei nicht auf die Länge des Textes an. Wichtig sind die Inhalte. Auch ein Exposee von einer Seite kann Urheberrechtsschutz genießen. Das zeigt folgende Gerichtsentscheidung:[17]

Geplant war ein Lehrfilm und der Kläger hatte dafür eine Handlungsskizze von einer Seite Länge verfasst. Die genügte dem Bundesgerichtshof (Fundstelle: UFITA 38, Seite 340 – Straßen – gestern und morgen). Das Exposee genieße Urheberrechtsschutz, so die Richter. Sie begründeten dies unter anderem so: »Das Exposee des Klägers umfasst zwar nur eine Schreibmaschinenseite. In ihm findet aber der Gedanke, durch einen Lehrfilm den Autofahrer für die Probleme der Straße zu interessieren, bereits eine eingehende Konkretisierung. Dabei sind nicht nur ins Einzelne gehende Angaben über den Aufbau des Filmes, sondern auch über die einzelnen Aufnahmeobjekte und ihre technische Erfassung (z.B. durch Trickaufnahmen) gemacht worden.« Das Exposee enthalte daher genügend formbildende Elemente für die spätere Ausgestaltung des Films, um urheberrechtlich geschützt zu sein.

Trotzdem gilt: Schreiben Sie detailliert, mehr ist hier besser als weniger. Und: Je origineller die Idee, desto leichter wird die Schwelle zum Urheberrechtsschutz überschritten. Je weniger originell, umso detaillierter müssen die Ausarbeitungen sein.

[18][19]Persönlichkeitsrechte

A.  Das Recht am eigenen Bild

Am 11. 10. 1987 klopft der »Stern«-Reporter Sebastian Knauer an die Tür des Zimmers 317 des Genfer Hotels Beau Rivage. Knauer ist beauftragt, mit Barschel ein Interview über dessen angebliche Unschulds-Beweise zu führen. Als sich auf sein Klopfen hin nichts rührt, dringt er in das nicht abgeschlossene Zimmer ein. Im Badezimmer macht er einen entsetzlichen Fund. Uwe Barschel liegt mit Anzughose, weißem Hemd und Krawatte in der gefüllten Badewanne, sein Kopf ist schräg zu Seite geneigt und auf der angewinkelten Hand abgestützt. Barschel ist tot. Knauer drückt sofort auf den Auslöser seiner Kamera und macht das wohl berühmteste Foto seiner Karriere.

Die Veröffentlichung des Bildes löste eine heftige Debatte über journalistische Ethik aus. Der Deutsche Presserat hielt eine einmalige Publikation allerdings für gerechtfertigt. Das Kontrollgremium verwies auf den hohen Informationswert des Fotos, da es sich bei Barschel um eine Person der Zeitgeschichte handelte. Als der »Stern« das Bild aber eine Woche später erneut abdruckte, erteilte der Presserat der Zeitschrift eine Rüge. Begründet wurde diese Rüge damit, dass die zweite Veröffentlichung desselben Motivs keine neuen Informationen mehr geliefert hätte.

Neu ist das Problem nicht. Auch der tote Bismarck wurde von zwei Journalisten fotografiert, die sich Zugang zu seinem Sterbezimmer verschafft hatten:

Nachdem Otto von Bismarck 1898 gestorben und aufgebahrt worden war, drangen zwei Hamburger Journalisten heimlich in das Sterbezimmer ein und fotografierten den Leichnam. Zwar hatte ein Reitknecht Totenwache gehalten, diesen hatten die beiden Männer aber bestochen. Die Kinder von Bismarck erfuhren von dem Vorfall und reichten Klage gegen die Journalisten ein, mit dem Ziel, diese zur Vernichtung der Negative, Platten und Plattenabzüge zu zwingen. Beim zuständigen Gericht in Friedrichsruh im preußischen Kreis Herzogtum Lauenburg galt allerdings noch der Sachsenspiegel und dieser sah einen Schutz am eigenen Bild nicht vor. Die Richter sprachen dennoch ein Verbot der Veröffentlichung des Bildes aus und forderten die Vernichtung der Negative. Mangels anderer Rechtsvorschriften stützten sie ihre Entscheidung auf Hausfriedensbruch.

Dieser Vorfall war Auslöser für die Schaffung der Regelungen zum Bildnisschutz. Verankert wurde der Bildnisschutz im sogenannten Kunsturheberrechtsgesetz [20]vom 9. 1. 1907 und dort in den Paragrafen 22 bis 24. Danach werden abgebildete Personen gegen unbefugte Verwertung ihres Bildnisses geschützt. Zwar wurde das Kunsturheberrechtsgesetz im Jahre 1965 aufgehoben, aber nur soweit es nicht den Bildnisschutz betraf. Die Paragrafen 22 bis 24 sind nach wie vor geltendes Recht.

Der erste Satz des § 22 lautet: »Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.«

Jeder kann somit frei entscheiden, ob ein Foto, eine Filmaufnahme oder eine andere Abbildung von ihm veröffentlicht werden darf. Ohne Einwilligung des Betroffenen darf eine Abbildung (im Gesetz »Bildnis« genannt) grundsätzlich nicht veröffentlicht werden.

Unter »Bildnis« ist hauptsächlich die äußere Erscheinung zu verstehen. Um ein Bildnis handelt es sich aber auch dann, wenn die äußere Erscheinung nicht übereinstimmt, aber erkennbar ist, um wen es sich handeln soll. Es kommt also nicht darauf an, ob es sich um eine Nachahmung in einem Film, eine Fotografie, ein gemaltes Bild oder gar eine Comic-Darstellung handelt. Entscheidend ist allein, ob die betreffende Person für die Menschen, die sie kennen, erkennbar ist. Wird etwa eine Person im Film durch einen Schauspieler oder als Zeichentrickfigur dargestellt, ist aber jedem klar, um wen es sich handeln soll, liegt auch in diesem Fall ein »Bildnis« vor. Der Begriff umfasst also auch das Lebens- und Charakterbild einer Person. Erkennbarkeit ist auch gegeben, wenn das Gesicht einer Person in einem Film gepixelt wurde, die Person für Bekannte oder Verwandte aber dennoch an seiner Figur, seinen Bewegungen, seiner Kleidung oder ähnlichen Merkmalen zu identifizieren ist.

1.  Die Aufnahme

Vorsicht: Schon die Herstellung von Aufnahmen einer Person kann eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen.

Dies war dem Kameramann von Sat.1, der auf einer öffentlichen Straße Aufnahmen von einem erfolgreichen deutschen Schauspieler machte, offenbar nicht bekannt:

Wenige Tage, nachdem die Bild-Zeitung ein Exklusiv-Interview mit dem Darsteller und seiner Ehefrau veröffentlicht hatte, in der sie das Scheitern ihrer Ehe bekannt gaben, wurde der Schauspieler Opfer einer höchst unangenehmen Paparazzi-Aktion. [21]Zwei Fotografen und ein Kameramann von Sat.1 lauerten dem Schauspieler auf, als dieser vier Tage nach Bekanntgabe der Trennung sein Haus mit einem seiner Kinder verließ. Er brachte das Mädchen zu einem etwa 300 Meter entfernten Reiterhof. Als er diesen Hof allein verließ, wurde er von dem Kameramann gefilmt und von den beiden Fotografen fotografiert. Der Schauspieler sprach die Paparazzi an und verbat sich die Aufnahmen. Der Kameramann und die Fotografen ließen sich von ihrem Tun dadurch allerdings nicht abbringen. Der Darsteller versuchte die drei daher mit Gewalt von weiteren Aufnahmen abzuhalten. Der Kameramann von Sat.1 stellte das Filmen daraufhin ein. Nicht so die beiden Fotografen: Diese knipsten jeweils wechselseitig die Bemühungen des Schauspielers, die Fotos zu verhindern.

Wiederum drei Tage später strahlte Sat.1 in der Sendung »Blitz« Film- und Fotomaterial von dieser Auseinandersetzung aus. Dabei war zu sehen, wie der Schauspieler verbal, aber auch handgreiflich versuchte, die Aufnahmen zu verhindern. So wurde etwa gezeigt, wie er auf die Kamera zuläuft mit den Worten: »Hört mal Jungs, habt ihr nichts anderes zu tun oder was? …macht die Kamera weg, Jungs!« Der Film wackelt und bricht ab.

Keine freiwillige Unterlassungserklärung durch Sat.1

Um eine weitere Verbreitung dieser Aufnahmen zu verhindern, forderte der Schauspieler den Sender auf, sich zu verpflichten, diese Bilder nicht mehr zu senden. Sat.1 lehnte dies jedoch ab. Daher erhob der Schauspieler gegen den Kameramann sowie gegen Sat.1 Klage vor dem Landgericht Berlin (AZ: 27 O 419/06).

Vor Gericht erklärte der Darsteller, er habe versucht, die Fotografen und den Kameramann auf der Fahrt zum Ponyhof abzuschütteln. Er sei nicht erst nach dem Verlassen des Hofes, sondern zusammen mit seiner Tochter schon vorher gefilmt und fotografiert worden. Seine Handlungen hätten auch dem Zweck gedient, Bilder von seiner Tochter zu verhindern. Ganz anders allerdings beschrieb dies der Kameramann. Sein Interesse habe ausschließlich dem Darsteller gegolten, weshalb die Kamera gar nicht eingeschaltet gewesen sei, als dieser mit seinem Kind das Haus verlassen habe.

Muss der Schauspieler solche Aufnahmen dulden?

Sat.1 und der Kameramann trugen weiterhin vor, dass der Betroffene, als der bekannteste und erfolgreichste deutsche Schauspieler eine absolute Person der Zeitgeschichte sei. Er müsse solche Aufnahmen dulden. Hinzu komme Folgendes: Der Darsteller habe die Journalisten körperlich attackiert. Dies sei dokumentiert worden. Wenn der bekannteste deutsche Schauspieler eine solche vorsätzliche Körperverletzung [22]und Nötigung begehe, sei dies ein zeitgeschichtliches Ereignis und die Bildberichterstattung darüber zulässig.

Absolute Person der Zeitgeschichte?

Die Richter diskutierten zunächst die Frage, ob der Darsteller eine absolute Person der Zeitgeschichte sei. Sie kamen zu dem Schluss, dass es kein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit gebe, über ihn generell, unabhängig von seiner schauspielerischen Tätigkeit, unterrichtet zu werden. Er sei keine absolute Person der Zeitgeschichte. Allerdings habe er seine Privatsphäre punktuell, jedenfalls in Bezug auf die Trennung von seiner Ehefrau, aus freien Stücken geöffnet und könne daher nicht denselben Schutz vor Einblicken in seine Privatsphäre beanspruchen, wie es der Fall wäre, wenn er solche Einblicke nicht geduldet hätte. Auch das mache den Schauspieler aber nicht zu einer Person, die jederzeit auf öffentlichen Straßen fotografiert werden dürfe. Insbesondere gebe es keinen Grund, dass die Öffentlichkeit darüber informiert werden müsse, wie der Schauspieler einen Ponyhof verlässt, zu dem er gerade seine Tochter gebracht habe.

Das Handgemenge ein »zeitgeschichtliches Ereignis«?

Irritiert war das Gericht vom Vortrag von Sat.1 und dem Kameramann, dass es ein zeitgeschichtliches Ereignis gewesen sei, dass sich der Darsteller gegen unzulässige Aufnahmen zur Wehr gesetzt habe. Der Schauspieler – so das Gericht – habe sich gegen die Anfertigung von unzulässigen Bildern gewehrt. Genau dabei sollte er dann im Fernsehen »vorgeführt« werden. Eine Berufung auf ein zeitgeschichtliches Ereignis komme in einem solchen Fall überhaupt nicht infrage.

Handelte der Schauspieler in Notwehr?

Die Richter stellten weiterhin fest, dass die Verteidigung des Darstellers erforderlich gewesen sei, um einen gegenwärtigen Angriff, also die Aufnahmen, zu verhindern. Dies sahen der Kameramann und Sat.1 ganz anders: Ein »gegenwärtiger« Angriff sei gar nicht gegeben, da die Kamera aufgrund des Angriffs des Schauspielers ja gerade ausgemacht werden musste. Dieses Vorbringen »mutet seltsam an«, so der Originalton der Richter zu dieser Behauptung und sie wiesen sie zurück. Für das Gericht stand fest: Der Schauspieler handelte in Notwehr und damit waren seine Angriffe gerechtfertigt.

Das Landgericht Berlin gab dem Schauspieler daher in allen Klagepunkten Recht. Der Kameramann erkannte den Anspruch daraufhin an. Nicht so Sat.1. Gegen den Sender erging ein Urteil: Sat.1 wurde verpflichtet, die Veröffentlichung der Bilder in [23]Zukunft zu unterlassen und die für den Darsteller angefallenen Anwaltskosten zu bezahlen.

Die Verantwortlichen des Senders hielten dieses Urteil für falsch und legten Berufung beim Kammergericht Berlin ein (AZ: 9 U 212/06). Ohne Erfolg. Das Kammergericht bestätigte das Urteil der ersten Instanz.

2.  Die Veröffentlichung von Aufnahmen

Nach dem eindeutigen Wortlaut des Kunsturheberrechtsgesetzes dürfen Bildnisse, also auch Filmaufnahmen von Personen, nur mit deren Einwilligung verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden.

3.  Grundsatz: Einwilligung erforderlich

Wenn eine entsprechende Einwilligung des Abgebildeten vorliegt, dürfen die Filmaufnahmen veröffentlicht werden. Eine solche Einwilligung kann mündlich oder schriftlich abgegeben werden. Aber: Sorgen Sie immer für eine schriftliche Einwilligung, geben Sie sich nicht mit einer mündlichen Einwilligung zufrieden. Sollte es später zu Meinungsverschiedenheiten kommen, erinnern sich Beteiligte häufig nicht mehr an das nur mündlich Vereinbarte. In der Praxis gibt es diesbezüglich – vor allem bei den Magazinsendungen der Fernsehsender – häufig Probleme. Hierzu folgender Fall:

Polizeikontrolle mit den ZDF-Reportern

Er wolle auf keinen Fall ins Fernsehen, habe er dem Polizeiobermeister H. gesagt; Dies führte ein Mann aus, der während einer Polizeikontrolle von den »ZDF.reportern« gefilmt worden war. Später aber hat eben dieser Mann der Reporterin ein Fernsehinterview gegeben und freundlich in die Kamera gewunken. Nachdem der Beitrag im ZDF ausgestrahlt worden war, verlangte er eine finanzielle Entschädigung, da er in die Ausstrahlung nicht eingewilligt habe. Die Sache landete vor Gericht und wurde in zweiter Instanz vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Entscheidung vom 4. Juni 2009 – AZ: 16 U 206/08) entschieden.

Der Autofahrer war unter anderem aufgrund überhöhter Geschwindigkeit von der Polizei angehalten worden. Schnell stellte sich heraus, dass nicht nur die Polizei, sondern auch ein Team der Produktion »ZDF.reporter« vor Ort war. Eine Reporterin hat sich ihm vorgestellt. Später hat er dieser Reporterin ein Interview gegeben. Die Sendung, in der es unter anderem um Geschwindigkeitsüberschreitungen [24]und Abstandsfehler ging, wurde in der Folgezeit zweimal ausgestrahlt. Als Folge der Ausstrahlung sei er von Kollegen an der Arbeitsstelle gefragt worden, wie er ohne Führerschein zur Arbeit kommen wolle. Als Privatdozent sei er zum beliebten Gesprächsthema seiner Studenten geworden. Auch hätten ihn Bekannte auf die Berichterstattung angesprochen. Hierin sah er eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung und das Landgericht Frankfurt am Main, die erste Instanz also, gab ihm Recht.

Urteil der 1. Instanz