Flammender Sturm - Raywen White - E-Book

Flammender Sturm E-Book

Raywen White

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Beschreibung

Der dritte Teil der packenden Romantasy-Saga! Nach einer Rettungsaktion gerät Kandarah in die Gefangenschaft ihrer Feinde. Sie ist überzeugt, dass nun ihre letzte Stunde geschlagen hat. Doch der Dämonenfürst Talon verhält sich ihr gegenüber zuvorkommend. Kandarah wittert eine Falle und versucht zu fliehen. Doch ihre Bemühungen scheinen zwecklos. Nicht einmal ihre besonderen Fähigkeiten helfen ihr. Doch was will er von ihr und was ist es, das sie so an ihm fasziniert? Als die beiden sich näherzukommen scheinen, überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Auf einmal schwebt Talon in großer Gefahr, und Kandarah steht vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens … Von Raywen White sind bei Forever by Ullstein erschienen: Entfachte Glut (Der Fluch der Unsterblichen 1) Vergessene Leidenschaft (Der Fluch der Unsterblichen 2) Flammender Sturm (Der Fluch der Unsterblichen 3) Gestohlene Gefühle (Der Fluch der Unsterblichen 4)

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Seitenzahl: 817

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Die AutorinRaywen White lebt gemeinsam mit ihrem Mann im Raum Frankfurt am Main. Schon als Kind wurde ihr nachgesagt, sie habe eine lebhafte Fantasie. Diese hat sie sich glücklicherweise bis heute bewahrt. Denn erst in den letzten Jahren entdeckte die Diplominformatikerin ihre Leidenschaft fürs Schreiben. Ganz besonders haben es ihr dabei die Genres Fantasy und Romance angetan, die sie gekonnt miteinander verbindet.

Das Buch

Der dritte Teil der packenden Romantasy-Saga!Nach einer Rettungsaktion gerät Kandarah in die Gefangenschaft ihrer Feinde. Sie ist überzeugt, dass nun ihre letzte Stunde geschlagen hat. Doch der Dämonenfürst Talon verhält sich ihr gegenüber zuvorkommend. Kandarah wittert eine Falle und versucht zu fliehen. Doch ihre Bemühungen scheinen zwecklos. Nicht einmal ihre besonderen Fähigkeiten helfen ihr. Doch was will er von ihr und was ist es, das sie so an ihm fasziniert? Als die beiden sich näherzukommen scheinen, überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Auf einmal schwebt Talon in großer Gefahr, und Kandarah steht vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens …

Von Raywen White sind bei Forever by Ullstein erschienen:Entfachte Glut (Der Fluch der Unsterblichen 1)Vergessene Leidenschaft (Der Fluch der Unsterblichen 2)Flammender Sturm (Der Fluch der Unsterblichen 3)

Raywen White

Flammender Sturm

Der Fluch der Unsterblichen

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Juni 2017 (1)  © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017 Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat ISBN 978-3-95818-116-8  Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

Albtraum

Zitternd versteckte sich das Mädchen unter dem Bett, während das Feuer laut knisterte und die Flammen lodernd den Dachstuhl verzehrten. Sein Körper war wie gelähmt. Seine kleine Schwester lag in seinen Armen und fing an zu wimmern. »Shhh«, flüsterte es beruhigend und presste das Kind dicht an seine Brust.

»Seid leise«, hatte seine Mutter gesagt, »gebt keinen Laut von euch, egal was geschieht!«

Das Mädchen hatte es ihr versprochen, doch es war schwer, nicht in die panischen Schreie voller Furcht und Grauen einzustimmen, die von überall aus der Stadt zu ihnen drangen und das laute Prasseln des Feuers verschluckten. Es hörte in der Nähe die Stimme seiner Mutter. Erst leise, nur ein unverständliches Murmeln, dann immer lauter und angsterfüllt. Ihr Flehen um Gnade übertönte am Ende das Knacken und Zischen des Feuers um sie herum. Ihre erstickten Laute ließen dem Mädchen das Herz stehen bleiben.

Noch immer gab es keinen Ton von sich. Keinen einzigen. Auch nicht, als seine Mutter zusammenbrach und ihr blutüberströmter Kopf mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden aufschlug.

Tränen liefen über die Wangen des Mädchens. Sein ganzes Inneres schien nur noch aus Schmerz zu bestehen, während es mitansehen musste, wie das Leben in den Augen seiner Mutter erlosch. Sich abwenden konnte es nicht. Es sah nur weiter in die dunkelbraunen Augen, die immer noch in seine Richtung starrten und doch nichts mehr sahen. Das soeben erlebte Grauen schien sich in das sonst so liebevolle Gesicht eingegraben zu haben. Hatte die Sanftheit vollkommen zerstört und nur eine hässliche Fratze aus Angst zurückgelassen, die seiner Mutter kaum noch ähnelte.

Das ist sie nicht!

Die Muskeln des Mädchens zitterten, so sehr verkrampfte sich sein schmächtiger Körper. Das Baby in seinen Armen gab einen quietschenden Laut von sich, und ängstlich drückte das Mädchen dessen Gesicht noch dichter an seine Brust, um es zum Schweigen zu bringen.

Zu spät!

Schwere Schritte erklangen auf den Holzdielen, kamen näher, und kurz darauf sah es Lederstiefel auf sich zukommen. Noch tiefer zog sich das Mädchen in den letzten Winkel seines Versteckes zurück. Doch es gab kein Entkommen. Der Besitzer des Schuhwerks beugte sich hinab und starrte es aus rotglühenden Augen an. Augen wie Blut, die das Feuer spiegelten, das sein Heim verschlang.

Das Mädchen bestand nur noch aus Angst. Sein Atem stockte. Sein Körper zitterte mittlerweile so sehr, dass seine Zähne aufeinander schlugen. Es wollte schreien, wollte fliehen. Dennoch wusste das Mädchen, dass es bedeutungslos sein würde, dass nun auch der Tod auf es wartete. Wie gerne würde es ihm in diesem Moment furchtlos entgegentreten. Aber es war noch so jung, nicht einmal siebzehn Sommer hatte es erlebt. Es hatte nichts von der Welt gesehen, noch nicht mal einen Jungen geküsst. Es war einfach noch nicht bereit zu sterben.

Der rotäugige Dämon richtete sich plötzlich auf und rief mit heiserer Stimme: »Nur eine Maus. Hier ist niemand.«

Ungläubig sah das Mädchen zu, wie sich seine Schritte entfernten. Andere folgten ihnen und es wurde still. Totenstill. Keine Schreie mehr, die sich zu einer grauenvollen Symphonie über der Stadt erhoben, nur das gefräßige Knistern des Feuers war zu hören. Trotz der Hitze hatte das Mädchen eine Gänsehaut. Es wiegte das Baby in seinen Armen und versuchte das Bild der toten Mutter aus seinen Gedanken zu verdrängen.

Erst als Flammen an seiner Haut leckten und erneut ein gequälter Schrei in der Ferne erklang, erwachte es aus seiner Starre. Das Feuer schien aus allen Richtungen zu kommen. Die Dielen unter seinen Fingern glühten. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und tropfte auf den Boden, so dass es zischte. Dennoch war ihm innerlich eiskalt.

Es hatte seiner Mutter versprochen hier zu bleiben, sich nicht zu rühren, doch die Hitze wurde unerträglich. Das Atmen fiel ihm immer schwerer. Der Rauch brannte in seinem Hals und ließ es husten. Ein Blick in das gerötete Gesicht seiner Schwester, das völlig mit Ruß verschmiert war, ließ es dann doch gegen den Befehl seiner Mutter handeln. Die Augen des Kindes waren geschlossen. Es schien kaum noch zu atmen.

Verzweifelt robbte das Mädchen unter dem Bett hervor. Es versuchte, nicht auf die blutüberströmte Leiche seiner Mutter hinabzuschauen, sich nicht wieder in ihren leeren Augen zu verlieren.

Sein Herz krampfte sich zusammen. Es war sich sicher, dass sein Vater bereits tot war. Er hatte mit den anderen Kriegern versucht, die Angreifer, die in ihre Heimatstadt eingefallen waren, zurückzuschlagen. Doch die Männer, die sich an den Toren versammelt hatten, waren längst gefallen, sonst würden die Dämonen nicht die Stadt überrennen.

Sein Blick richtete sich nach oben auf das Flammenmeer, das die Dachbalken wie auch die Wände überzog. Es gibt kein Entkommen. Schnell verdrängte es den Gedanken, verdrängte die Angst, die es lähmte, und lief los.

Die Türrahmen knackten verdächtig. Flammen schlugen ihm entgegen, als es aus dem Schlafraum in den Wohnbereich flüchtete. Chaos und Zerstörung erwarteten es. All seine Besitztümer waren zerstört und wurden nun von dem Feuer verschlungen. Es hatte nichts mehr außer seinem Leben und seiner Schwester. Hustend beugte es sich über den Säugling, um ihn vor dem Rauch zu schützen, der auch dem Mädchen die Luft zum Atmen nahm.

Alles in ihm schrie: Flieh! Es musste aus der Hitze, dennoch zögerte es, das ächzende Haus zu verlassen, die einzige Zuflucht, die es kannte. Es fürchtete die blutrünstigen Dämonen, die vor ihrem Heim vielleicht auf es warten könnten. Unruhig huschte sein Blick zu den Fenstern. Die Läden waren geschlossenen und standen in Flammen. Der einzige Weg hinaus führte durch die Tür und vielleicht geradewegs in die Arme eines dieser Monster.

Krachend fiel einer der Dachbalken hinter ihr auf den Boden. Funken stoben auf und brannten sich in die Haut des Mädchens. Eine Wahl hatte es nicht. Ich bin so gut wie tot. Es zögerte nur das Ende hinaus. Wieder löste sich ein Balken.

Ohne darüber nachzudenken, sprang das Mädchen auf die Tür zu, stieß sie mit dem Ellenbogen auf und huschte hinaus in die Nacht. Doch es konnte sich nicht in der Finsternis verstecken, denn alles war durch den rötlichen Schein des flammenden Infernos beleuchtet. Jedes Haus, das die Straße säumte, auf der es als Kind gespielt hatte, stand lichterloh in Flammen und tauchte das feuchte Kopfsteinpflaster in ein dunkles Rot. Rot wie Blut.

Es ist Blut, stellte es entsetzt fest. Blut, das aus vielen verstümmelten Leibern strömte und die Steine tränkte.

Dem Mädchen wurde übel und es würgte reine Galle. Sein Magen war bereits seit Stunden leer. Tränen rannen seine Wange hinab. Schmerzerfüllt wandte es sich von dem Bild des Schreckens ab. Es hatte keine Zeit zum Trauern, keine Zeit, sich zu verabschieden, von seinen Nachbarn, Freunden und Verwandten. Sie waren alle tot, und es würde bald neben ihnen liegen, wenn es jetzt nicht floh.

Es hatte keine Zeit, um Angst zu verspüren.

Obwohl die Hitze seinen Rücken versengte, hielt es sich dicht an den brennenden Gebäuden, um durch die Straßen von Zarn, seiner Heimatstadt, zu huschen. Es versuchte, nicht die breite Hauptstraße zu nehmen, sondern ungesehen durch die kleinen Seitengässchen zu hasten, in der Hoffnung, dass es so den Dämonen entfliehen konnte. Doch auch hier stieß es auf Blut, Feuer und Tod.

Seine Hoffnung, diesem Massaker lebend zu entkommen, schwand mit jedem Schritt, den es tat. Immer wieder geriet es in Sackgassen. Trümmer versperrten ihm den Weg. Das Baby wurde in seinen Armen immer schwerer. Sein leises Wimmern war nur ein schwaches Echo seines eigenen. Durst quälte das Mädchen, der Rauch brannte in seinem Hals und Asche legte sich auf seine Haut.

Seine Welt schien vollkommen vom Feuer verzehrt zu werden. Seine Sinne schwanden. Ohne Orientierung irrte es durch das Labyrinth der Zerstörung. Sah den Tod, doch kein Leben. Dunkelheit wechselte sich mit dem Licht des Feuers ab. Schien mit ihm seinen Schabernack zu treiben. Schatten tanzten um es herum und wollten es in die Dunkelheit ziehen. Es war am Ende seiner Kräfte …

»Ah, hier bist du«, erklang eine fauchende Stimme ganz nah. Hände fassten nach der verbrannten Haut des Mädchens, und es stöhnte auf vor Qualen. Es konnte niemanden sehen, konnte kaum seine Augen offen halten. Mittlerweile war es ihm egal, ob es lebte oder starb. Solang die Schmerzen ein Ende fanden, war ihm alles egal.

Das Mädchen brach vor dem Dämon auf dem Kopfsteinpflaster zusammen. Versuchte mit letzter Kraft, seine Schwester mit seinem Leib zu schützen. Dann spürte es Tritte, Schläge, und der Schmerz zog es immer weiter in die Dunkelheit. Seine Kehle war so verbrannt, dass es nicht einmal mehr einen Laut von sich geben konnte. Kein Schrei nach Gnade. Kein Betteln um das unschuldige Leben seiner Schwester.

Es hörte ein Krachen, dann wurde ihm schwarz vor Augen. Alle Geräusche schienen weit weg. Doch es spürte den Schmerz, der sein Inneres zu einem Häufchen Asche verzehrte. Es verbrannte, bei lebendigem Leib. Erst der laute Schrei seiner Schwester ließ das Mädchen den Kopf heben. Sofort drehte sich alles.

Rote Augen. Voller Zorn, voller Hass. Es hörte Stimmen. Laut. Brutal. Doch die Worte konnte es nicht verstehen. Heißes Metall drang in seine Haut und zerfetzte seine Hand. Stumm schrie das Mädchen auf und seine Welt versank in Qualen.

1.

Ein Schuss. Ein qualvoller Schrei. Kandarah Fey kämpfte verbissen weiter gegen die verbleibenden Dämonen, die versuchten, an ihr vorbeizukommen. Was genau passiert war, wusste sie nicht. Sie wusste nicht, ob jemand verletzt war und daher vielleicht nicht mehr an dieser Schlacht teilnahm, geschweige denn, wer. Es durfte sie in diesem Moment auch nicht kümmern, denn ein einziger Fehler konnte in dieser elenden Wüste ihren Tod bedeuten.

Die Sonne verschwand hinter dem Horizont und blendete ihre Gegner. Entschlossen stieß sie einen Kampfschrei aus und hieb mit aller Kraft auf einen der beiden Dämonen ein, die sie attackierten. Aus dem Augenwinkel konnte sie ihren Freund Gawain im schwindenden Licht erkennen. Der hochgewachsene Schotte schwang grinsend eine Axt und schlug dem doppelt so breiten Dämon, der gegen ihn kämpfte, eine tiefe Wunde in die Brust. Erleichtert registrierte sie, dass es dem Werwolf wieder besser ging, obwohl er vor ein paar Tagen eine schwere Beinverletzung erlitten hatte, die aus einem ähnlichen Kampf herrührte. Es war nur eine winzige Unachtsamkeit ihrerseits, doch schon hatte einer ihrer eigenen Gegner diese Schwäche ausgenutzt und brach durch ihre Verteidigung.

Sie sah, wie das Schwert sich von rechts ihrem Hals näherte, während ein weiterer Gegner ihr höhnisch ins Gesicht lachte. In seinen Augen spiegelte sich Siegesgewissheit, obwohl er im gleichen Moment von einem von ihr herbeigerufenen Windstoß erfasst und einige Meter weit durch die Luft geschleudert wurde. Er hatte sie abgelenkt, hatte seine eigene Verteidigung fallengelassen, damit sie blind in die Falle tappte.

Ärgerlich. Sie schrie und wirbelte herum, obwohl sie wusste, es war zu spät.

Metall schabte über Metall, kreischte dicht neben ihrem Ohr. Das eben noch auf ihren Hals gerichtete Breitschwert war nicht länger eine Bedrohung, streifte nur ihre Wange und hinterließ einen scharfen, kurzen Schmerz. Es war in letzter Sekunde abgelenkt worden von einem Sai. Die Hieb- und Stichwaffe passte perfekt zu ihrem Besitzer, einem Vampir-Assassinen, der ihre kleine Gruppe die letzten Tage begleitet hatte. In jeder seiner kontrollierten Bewegungen lag Kraft und tödliche Präzision, trotz der dicken Kleidung, die ihn vor der Sonne schützte. Er deutete eine leichte Verbeugung an, während er mit dem Sai in seiner anderen Hand einen weiteren Schwertstoß elegant abwehrte.

Toll, jetzt war sie diesem verdammten Vampir auch noch etwas schuldig, dabei konnte sie ihn überhaupt nicht leiden. Er war ein überheblicher, eiskalter Mistkerl, der … Erneut zischte eine Klinge nah an ihrem Gesicht vorbei und sie entkam dem Hieb nur knapp. Konzentrier dich! Sie nickte ihm kurz zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit auf den nächsten Gegner richtete.

Irgendwann gewann sie genügend Raum, um ihre magische Kraft zu sammeln und zu formen. Wind kam auf, zerrte an ihren Locken, während er an ihr vorbeirauschte, den auf sie zustürmenden Dämon erfasste und gegen einen Felsen schmetterte. Sie hörte seine Knochen brechen und lächelte. Er stand nicht mehr auf. Wenn es nach ihr ginge, sollte jeder einzelne dieser gehörnten Bastarde leiden und sterben, auch wenn sie mit dieser Meinung leider oft allein stand.

Ihre Augen schweiften über den Kampfplatz. Der Gegner des Vampirs suchte das Weite, wie auch alle anderen Dämonen, die noch laufen konnten. Sie nahmen ihre Verletzten mit, nur der Krieger, dessen Knochen sie gerade pulverisiert hatte, blieb bewusstlos liegen.

Enttäuscht, dass der Spaß bereits vorbei war, wandte sie sich nach ihren Freunden um und hielt überrascht inne. Alle standen sie in einem Kreis um einen Verletzten und redeten durcheinander. Sie erkannte Grump, den Golem, der sich über eine Gestalt am Boden beugte und sie untersuchte. Erst jetzt fiel ihr der Schuss ein, dem sie vorhin keine Beachtung hatte schenken können. Es hatte nach einer gewöhnlichen Feuerwaffe geklungen, nichts, was sie normalerweise ernst nahm. Denn die menschlichen Waffen waren nutzlos im Kampf mit Magie und gegen Wesen, die eine Schusswunde nur als Kitzeln empfanden. Daher war sie zunächst auch nicht beunruhigt, obwohl die anderen Grump mit steinernen Mienen bei seiner Arbeit als Arzt beobachteten und dabei aussahen, als wären sie auf einer Beerdigung.

»Was ist los?« Sie drängte sich zwischen den Vampir und Gawain, die ihr die Sicht versperrten. Blondes Haar bedeckte den kargen Boden und erinnerte Kandarah daran, dass sie eine Person dabei hatten, deren magisches Erbe erst erwacht war. Die noch schwachen Kräfte der jungen Frau reichten vielleicht nicht aus, um eine solche Verletzung zu überleben.

Besorgt beugte sich Kandarah weiter vor, um mehr zu sehen, denn offensichtlich hielt es niemand für nötig, ihr zu antworten. Erschrocken registrierte sie das viele Blut, Unmengen davon. Doch es kam nicht von der zierlichen Frau, die blass und wie tot dalag. Es trat aus dem Brustkorb eines Mannes, den sie zu ihren Freunden zählte, von denen es nicht viele gab.

Sie war zugleich erleichtert und entsetzt. Erleichtert, dass das Blut nicht von Tanja stammte, und entsetzt, dass die Kugel Kanes Herz getroffen hatte. Davon würde sich auch der Drache erst einmal erholen müssen. Wäre er schutzlos gewesen, hätten ihn die Dämonen mit Leichtigkeit töten können.

»Macht endlich Platz! Ich kann so nicht arbeiten«, grollte Grump wütend, und Kandarah sprang sofort zurück.

»Wir müssen hier weg, die Dämonen könnten mit Verstärkung zurückkehren«, vernahm Kandarah eine weibliche Stimme. Sie wandte sich neugierig zu der rothaarigen Frau um, die gesprochen hatte. Sie hatte sie erst vor wenigen Tagen kennengelernt. Wie jedes Mal, wenn sie sie betrachtete, wanderte ihr Blick misstrauisch über die beiden Hörner, die aus ihrer Stirn wuchsen. Sie ist dennoch keine Dämonin!

Aber sie sah aus wie eine, und allein deswegen konnte Kandarah ihr nicht vertrauen. Sie würde niemals jemandem vertrauen, der Hörner besaß!

»Die kommen so schnell nicht wieder«, winkte Kandarah ab. Ihr Blick wanderte zu dem Dämon, dem sie am Ende des Kampfes alle Knochen im Leib gebrochen hatte, doch er war bereits fort. Mist! Der Bastard hat sich viel zu schnell erholt.

Auf sie schien jedoch niemand zu hören, Grump war bereits aufgestanden und scheuchte Gawain und den Vampir durch die Gegend. Keine zehn Minuten später hatte sich die rothaarige Frau in einen riesigen roten Drachen verwandelt und Kandarah fiel die Kinnlade herunter. Nein, sie war auf jeden Fall kein Dämon.

»Geh aus dem Weg!«, herrschte Grump sie an, und Kandarah wurde bewusst, dass sie mit offenem Mund die riesige Gestalt angestarrt hatte. Sie schüttelte sich, verärgert über sich selbst, und trat dann schnell aus dem Weg, damit die Männer die Verletzten auf den Rücken der Drachendame legen konnten. Erneut galt ihre gesamte Aufmerksamkeit dem imposanten Wesen, das ihr aus riesigen Augen, die eine unheimliche und alterslose Weisheit ausstrahlten, einen durchdringenden Blick zuwarf. Es schauderte sie bei dem Gedanken, auf dem Rücken des Drachens durch die Luft zu fliegen.

»Einer muss hierbleiben, wir passen nicht alle auf Walvaries Rücken«, meinte Grump verbissen.

»Ich bleibe«, kam es sofort aus ihrem Mund. Froh, dem mächtigen Tier zu entkommen.

»Bist du verrückt!« Gawain sah sie wütend an. »Du kommst mit! Lass den Vampir hier.«

Sie sah ihn erbost an und reckte stur ihr Kinn vor. »Was bist du? Meine Mutter?«

»Candymaus, sei doch …«

»Nein, ich will hierbleiben. Ich hab mit diesen Bastarden noch eine Rechnung offen!«, unterbrach sie ihn wütend. Sie hasste es, wenn Männer sie bevormundeten. Außerdem konnte sie es nicht leiden, wenn der Werwolf sie bei diesem nervigen Spitznamen nannte, der sich anhörte, als wäre sie irgendeine billige Nutte. Wenn sie eins nicht war, dann billig!

»Dann bleibe ich auch!«, knurrte er.

»Nein, Gawain, ich brauche dich. Du hast eine medizinische Ausbildung«, warf Grump ein.

»Aye, sie aber genauso!«

»Du bist kräftiger als Candy. Du musst die Verletzten während des Fluges festhalten.« Die nüchternen Worte des Golems duldeten keinen weiteren Widerspruch. Gawain fluchte ungehalten.

»Ich könnte hierbleiben und die Sylphe unterstützen«, meldete sich der Vampir kalt.

Gawains Flüche wurden drastischer. Man hörte deutlich, dass ihm das Ganze überhaupt nicht in den Kram passte. Kandarah fand die Aussicht, mit dem Blutsauger zusammenzuarbeiten, auch nicht gerade verlockend, sagte aber nichts dazu, sondern presste nur ungehalten die Lippen aufeinander.

»Wir müssen jetzt los!«, drängte Grump.

Gawain wollte etwas erwidern, doch irgendetwas hielt ihn davon ab. Erst nach einer Weile nickte er mit angespannten Schultern und stieg ebenfalls auf den Rücken von Walvarie. Der Blick, den er ihr dabei zuwarf, war eine stumme Bitte, sich anders zu entscheiden. Doch sie schüttelte nur den Kopf, warf ihm eine Kusshand zu und winkte ihm lächelnd zum Abschied, während der Drache sich mit kräftigen Flügelschlägen in die Luft erhob. Der Wind trug Gawains erboste Worte an ihr Ohr. »Wenn ihr irgendetwas passiert, werde ich dir sämtliche Knochen brechen, Vampir!«

Kandarah gab einen unwilligen Ton von sich, den der Werwolf wahrscheinlich hören würde. Was dachte Gawain eigentlich von ihr? Dass sie hilflos war, dass sie nicht kämpfen konnte? Das war sie früher einmal gewesen, jetzt war sie stark und würde nie wieder schwach sein. Würde sich nie wieder vor Dämonen fürchten. Nie wieder!

Sie drehte sich in die Richtung, in der die Dämonen verschwunden waren, um ihnen zu folgen, doch die kalte Stimme des Vampirs hielt sie auf. »Wohin willst du?«

»Dem Feind hinterher.«

Veyd zog sich die Schweißerbrille ab und taxierte sie mit seinen eisigen Augen, die sie erschauern ließen. »Wir warten besser in der Nähe auf die anderen.« Seelenruhig löste er die Tücher, die um sein Gesicht gewickelt waren, und enthüllte so ein markantes Gesicht.

»Brauchst du eine Pause oder bist du nur ein Feigling?«, spöttelte sie.

Er würdigte sie keiner Antwort und ging.

Genervt folgte sie ihm. »Sie sind geschwächt. Es ist die ideale Zeit zuzuschlagen.«

Erneut sagte er nichts, sondern lief weiter, bis sie zu einer kleinen Höhle gelangten. »Ich halte die erste Wache, schlaf etwas, Sylphe.«

Frustriert legte sie sich auf den staubigen Boden und kehrte ihm den Rücken zu. An Schlaf war gar nicht zu denken, nicht in seiner Gegenwart. Es kam ihr so vor, als hätte sie nur kurz die Augen geschlossen, da tippte ihr etwas auf die Schulter und sie griff nach ihren Schwertern. Er legte einen Finger an den Mund und bedeutete ihr, ruhig zu sein.

Kurze Zeit später bemerkte sie den Grund dafür. Im schwachen Licht, das der Mond spendete, erkannte sie drei Gestalten, die sich zielstrebig ihrem Versteck näherten.

In Erwartung des bevorstehenden Kampfes lächelte sie. Die letzten Wochen hatte sie ständig in der Gegenwart dieser gehörnten Trottel verbracht, hatte sich zurückhalten müssen, um ihnen nicht an die Gurgel zu gehen. Doch jetzt, jetzt konnte sie mit ihnen abrechnen, konnte einmal mehr dem Schmerz, der seit ihrer Jugend in ihr hauste, Ausdruck verleihen. Sie konnte sich rächen, auch wenn sie wusste, es würde nicht reichen, um sich endgültig von der Vergangenheit zu lösen.

Es war nur ein kurzer Kampf, und zwei der überraschten Dämonen verloren schnell ihren Kopf. Der dritte floh. Sofort nahm sie die Verfolgung auf, doch der Mistkerl war verdammt schnell.

Ihre Füße flogen über den felsigen Untergrund, während sie in der Dunkelheit den Abhang hinunterhastete. Sie fühlte den Wind in ihren Haaren, fühlte sich frei und lebendig. Bis sie die kalte Gegenwart des Vampirs hinter sich wahrnahm. Lange Zeit folgte er ihr wie ein Schatten. Es war ein ungewohntes Gefühl. Kandarah kam sich beobachtet vor, doch am Horizont entdeckte sie bereits einen helleren Streifen, der den Morgen ankündigte und somit sein Verschwinden.

»Warte!«, rief er ihr hinterher.

»Da muss wohl bald jemand ins Bett«, stichelte sie, ohne ihr Tempo zu verlangsamen.

Er antwortete ihr nicht. Sie hörte ihn auch nicht mehr, hörte keine Schritte hinter sich, spürte seinen Blick nicht auf sich ruhen. Kurz riskierte sie, sich im Laufen umzudrehen und zurückzuschauen, doch in der Dunkelheit war nichts zuerkennen. Sie blieb stehen und sah sich suchend um.

Seine harte und kantige Stimme erklang direkt in ihrem Rücken. »Ich habe dem Wolf versprochen, auf dich achtzugeben.«

Genervt verdrehte Kandarah die Augen. Warum dachten Männer eigentlich immer, sie käme nicht allein zurecht? Sie ließen sie zwar an ihrer Seite kämpfen, aber immer hatte sie das Gefühl, dass sie versuchten, sie zu beschützen. Das war der Grund, warum sie am liebsten allein unterwegs war, zumal sie dann ganz andere Waffen einsetzen konnte. Wenn Gawain wüsste, wie sie bevorzugt ihre Aufträge erledigte, würde er sie wahrscheinlich irgendwo einsperren und den Schlüssel wegschmeißen.

Glücklicherweise hatten ihre Freunde keine Ahnung, genauso wenig wie der Vampir. Lächelnd drehte sie sich im Kreis. Es dauerte einige Sekunden, bis sie den Vampir fand, der auf einem kleinen Felsabsatz hockte. Seine Kapuze war tief ins Gesicht gezogen. Er schien nicht mal außer Atem zu sein, während ihr der Schweiß den Rücken hinabrann.

»Ich kann ganz gut auf mich allein achtgeben«, sagte sie ruhig, während sie ihre Hände in die Hüften stemmte.

Veyd sprang den Felsvorsprung hinab, direkt vor ihre Füße. Seine lautlosen Bewegungen verursachten nicht einen Windhauch, was sie stets aufs Neue irritierte. Als Sylphe war sie ein magisches Wesen, das ihre Kraft aus der Luft zog. Sie konnte den Wind befehligen. Wenn sie wütend war, sogar einen Sturm heraufbeschwören. Zumindest wenn sie sich in einem magischen Reich aufhielt.

»Du bist noch sehr jung, kleine Sylphe.« Er bückte sich und untersuchte den Boden.

»Auch wenn ich sehr jung bin, muss ich keine Spuren lesen, um zu wissen, dass der Dämon hier entlanggelaufen ist. Es ist der einzige Weg.«

Kalt lächelnd erhob er sich wieder in einer geschmeidigen Bewegung, und seine eisblauen Augen funkelten amüsiert. Er sah schon verdammt gut aus, musste Kandarah sich eingestehen.

»Es geht beim Spurenlesen nicht nur um den Weg. Es geht auch darum, den Gegner kennenzulernen«, belehrte sie Veyd.

Kandarah seufzte ergeben und stierte in den klaren Sternenhimmel, dann zuckte sie mit den Schultern und zog einen Schmollmund. »Ich möchte ehrlich gesagt gar keinen Dämonen kennenlernen.« Sie trat ganz dicht zu ihm hin und strich mit ihrer Fingerspitze über seine Brust nach unten. Sie beugte sich noch dichter zu ihm und flüsterte ihm heiser und verführerisch ins Ohr. »Bei einem stattlichen Vampir wie dir sieht das jedoch ganz anders aus.«

Seine Muskeln verhärteten sich merklich, während er erschauerte. Kandarah lächelte. Er war auch nur ein Mann. Leicht zu manipulieren. Sie zwinkerte ihm zu, während sie wieder auf Abstand zu ihm ging.

»Flirtest du mit mir?« Er zog seine linke Augenbraue hoch.

»Vielleicht«, meinte sie kokett und ging lächelnd an ihm vorbei, um weiter den Dämonen zu folgen. Natürlich flirtete sie mit ihm. Warum auch nicht? Er sah gut aus, und es machte ihr einfach Spaß zu flirten, auch wenn sie nicht vorhatte, in diesem Fall auch nur einen Schritt weiter zu gehen.

»Ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich kein Interesse an verheirateten Frauen habe«, hörte sie ihn emotionslos hinter sich sagen.

Sie erstarrte. Er kann es nicht wissen!

Sie wirbelte herum. »Ich bin nicht verheiratet!« Ihre Stimme hallte von den Felsen wider und vervielfachte sich, bis es schien, sie würde sich selbst verspotten.

Er stand da und sah sie mit diesem eindringlichen Blick an. Seine eisblauen Augen waren so kalt, dass es sie trotz der warmen Temperaturen fröstelte. Dann wandte er sich ohne ein Wort ab, und sein Blick streifte die kahlen Felsen, die sich zu beiden Seiten des Weges erhoben. »Das ist eine ideale Stelle für einen Hinterhalt. Sei vorsichtig.«

»Ich glaube nicht …« Sie verstummte, als ein aggressiver Schrei erklang und ein Dämon direkt vor ihren Füßen im Staub landete. Innerhalb von Sekunden waren sie von zehn dieser gehörnten Bastarde umzingelt. Verdammter Mist, warum hatte dieser Vampir auch noch recht!

Veyd zischte und bleckte seine Fangzähne. Es dauerte nur einen Wimpernschlag, dann lagen seine Sais in seinen Händen und er ging zum Angriff über. Kandarah reagierte genauso schnell und stellte sich mit dem Rücken zu ihm. Ihre Kurzschwerter hingen leicht erreichbar an einem Schwertgurt um ihre Hüften, und sie zog sie mit einem wilden Kampfschrei. Sie sah nur das Aufblitzen von Metall in den ersten Sonnenstrahlen und verteidigte sich instinktiv. Ihre überkreuzten Klingen hielten wirksam das Breitschwert auf, das auf ihren Kopf gezielt hatte. Das Grinsen seines Besitzers kam ihr bekannt vor, und sie erkannte den Mistkerl, dem sie noch vor kurzem alle Knochen gebrochen hatte. Erbost rief sie den Wind zur Hilfe, um den Bastard erneut durch die Luft zu schleudern, doch sie kämpften auf sehr begrenztem Raum. Die Felsen befanden sich direkt in seinem Rücken, und er wurde nur sanft dagegen geschubst. Das war zwar ein Nachteil für sie, aber auch ein Vorteil, denn die Dämonen konnten nicht alle gleichzeitig angreifen.

Schwungvoll wirbelte sie um ihre eigene Achse und attackierte ihn erneut. Kleine Windrosen bildeten sich um ihre Füße. Ihre langen schwarzen Locken peitschten ihr ins Gesicht. Der Dämon hatte mehr Kraft als sie, seine Schläge spürte sie bis ins Mark, doch sie parierte jeden einzelnen. Er mochte stärker sein, doch sie war geschickter und schneller. Innerhalb von Sekunden zierten etliche Schwertstreiche seinen Oberkörper und Blut tropfte von seinen Armen. Das Grinsen verging ihm, als er bemerkte, welche Taktik sie verfolgte. Ungläubig sah er sie an, als er geschwächt von den zahllosen kleinen Wunden zusammenbrach und sie ihm endgültig den Todesstoß versetzen konnte, indem sie ihm den Kopf vom Körper trennte.

Tja, wer zuletzt lacht.

Als sie ein weiterer Dämon von der Seite bedrängte, rammte sie ihr Knie mit voller Wucht in seine Weichteile. Sein Schmerzensschrei hatte etwas Befriedigendes. Sie kämpfte mit einem Lächeln auf den Lippen gegen einen dritten Angreifer, der versuchte, sie von Veyd abzudrängen.

Die kalte Präsenz des Vampirs in ihrem Rücken hatte in diesem Moment etwas Beruhigendes an sich. Leider würde er jedoch nicht mehr lange an ihrer Seite kämpfen können. Noch lag alles im Schatten, doch die ersten Lichtstrahlen krochen bereits über die rote Steinwüste und enthüllten faszinierende Steinformationen, die einen kleinen Canyon bildeten, in dem sie in der Falle saßen.

Auch wenn Kandarah verbissen kämpfte und alle hinterlistigen Tricks anwendete, die sie kannte, so verloren Veyd und sie immer mehr an Boden. Und sie verlor nicht gerne. Vor allem nicht gegen Dämonen. Die Zeit arbeitete gegen sie, und die gehörnten Mistkerle waren immer noch in der Überzahl, drängten sie immer weiter mit dem Rücken zur Wand.

Das Licht der aufgehenden Sonne blendete sie. Neben ihr zischte es, und ein schmerzhaftes Fauchen erklang. Über dem starken Geruch von Blut konnte sie verbranntes Fleisch riechen. Verdammt! Die Angriffe der Dämonen verstärkten sich. Deutlich war in ihren Gesichtern die Gewissheit ihres Sieges zu sehen.

Veyd und sie würden sterben. Mit Schwung wirbelte sie herum, während sie zugleich in die Hocke ging und mit einem kräftigen Tritt einen der Dämonen von den Füßen holte. Mittlerweile versuchte sie, den Schlägen auszuweichen. Jeder Schwerthieb zehrte an ihrer Kraft.

»Kandarah!«

Sie hörte Veyds Warnschrei. Doch es war zu spät. Die Axt schnitt durch ihre Körpermitte und hinterließ eine brennende Spur. Sie spürte, wie die Klinge tief in ihren Leib eindrang. Der Schock nahm ihr den Atem, nahm ihr jede Kraft. Entsetzt sah sie dem Dämon ins Gesicht, der ihr dies angetan hatte. Sein höhnisches Lächeln verfolgte sie, während sie auf die Knie sank. Ihre Hand tastete über ihren glitschigen Bauch. Ihr Blick wanderte ungläubig zu ihren Fingern, die blutrot glänzten. Das ist also das Ende. Sie spürte gar keinen Schmerz, fühlte nur Kälte in der Hitze der Wüste. Dann verschwamm alles vor ihren Augen, mischte sich mit den Erinnerungen an das Feuer, das sie als junges Mädchen verzehrt hatte. Blut und Feuer.

2.

Gedanklich weilte Talon Hasadeur immer noch bei dem Treffen der Legionsführer und dem, was Lord Xerxes ihnen allen vorgeschlagen hatte. Wenn es nach seinen Plänen ging, würden sie alle in Blut baden. Er wollte die Macht über alle Legionen und Reiche erringen und sie mit Krieg und Tod überziehen.

»Wenn wir zurück sind, will ich, dass du sofort die Wachen an unseren Grenzen verdoppeln lässt«, knurrte Talon.

Amuns Pferd begann nervös zu tänzeln, als er es über den rissigen Boden näher zu Talon hinlenkte. Der Sarona, ein Eisdämon, fühlte sich sichtlich unwohl in dem heißen Klima, das in Ignate herrschte, wo Xerxes seine Legion stationiert hatte. Doch Amun hatte darauf bestanden, ihn zu begleiten, immerhin war der kräftige Sarona für die Sicherheit in seiner Legion zuständig. Talon selbst fühlte sich sehr wohl in dem Reich des Feuers, seiner Heimat.

»Ist das nicht etwas übertrieben? Du hast nur gesagt, dass du nicht bereit bist, deine Männer zu opfern, was dein gutes Recht ist. Du bist der Lord unserer Legion – nicht er.«

Talon drehte sich zu dem Eisdämon um, der einer der wenigen Männer in seinem Heer war, die es mit ihm an Kraft aufnehmen konnten. »Andere sind meinem Beispiel gefolgt und das durchkreuzt seine Pläne. Er wird es nicht zulassen. In dieser Sache ist noch nicht das letzte Wort gesprochen.« Er wusste, dass er einen Fehler begangen hatte, indem er dem Mann die Stirn bot. Die anderen Anführer der dämonischen Legionen hatten sich entweder auf seine Seite oder auf die von Xerxes gestellt. Nun war er dem Lord der Legion Blutstrom im Weg und zur Konkurrenz geworden.

Doch statt weiter darüber zu diskutieren, hatte Xerxes ihr Treffen für beendet erklärt und war kurz darauf verschwunden. Talons Männer, die zu seinem Schutz mitgekommen waren, hatten nur in Erfahrung bringen können, dass eine von Xerxes’ Gefangenen geflohen war. Den Gerüchten zufolge war es nur ein Mensch gewesen, weswegen sich die meisten Lords darüber echauffierten, dass Xerxes ihr Treffen wegen so einer Lappalie unterbrach.

Xerxes hatte sich durch sein Verhalten mehr geschadet, als Talon es durch seine Weigerung, bei seinen Plänen mitzuspielen, jemals gekonnt hätte. Dennoch wollte Talon kein Risiko eingehen. Der Schutz seiner Leute hatte für ihn oberste Priorität.

Ein Schrei durchschnitt plötzlich die Finsternis, dann erklang das metallene Geräusch von Schwertern, die gegeneinanderschlugen. Einer der Männer, die ihn begleiteten, löste sich sofort von der Gruppe, um den Ursprung der Kampfgeräusche ausfindig zu machen. Auch Talon lenkte sein Tier in die Richtung. Noch bevor er den Rand des Canyons, in dem das Gefecht stattzufinden schien, erreichte, kam sein Mann zurück und verbeugte sich knapp vor ihm. »Mylord, es sind ein Dutzend von Xerxes’ Leuten, die einen Vampir und ein Feenwesen eingekesselt haben.«

»Das ist nicht unsere Sache, lasst uns weiterziehen«, befahl Talon. Doch statt seinen eigenen Befehl zu befolgen und die beiden Wesen ihrem Schicksal zu überlassen, stieg er von seinem Pferd ab. Irgendetwas zog ihn zu dem Kampf, und er gehorchte seinem Instinkt.

Vorsichtig, damit die Kämpfenden ihn nicht bemerkten, ließ er sich auf den steinigen Boden sinken und robbte bis zum Rand des Plateaus, um einen Blick in die Schlucht darunter zu werfen. Seine Sehkraft war bei Nacht genauso gut wie bei Tage, und er erkannte deutlich die beiden magischen Wesen, die gegen eine Übermacht um ihr Leben kämpften. Sie waren beide hervorragende Kämpfer, die es meisterhaft verstanden, ihre Waffen zu führen.

Sein Blick weilte auf dem Feenwesen. Ihr Gesicht war schmutzig und ihre Kleidung mitgenommen. Stellenweise bedeckten nur noch Blut und Kleidungsfetzen ihren Leib, und dennoch erkannte man sofort, welche Schönheit sich darunter verbarg. Er war fasziniert von ihr, von der Art, wie sie kämpfte: voller Anmut.

Ihre langen schwarzen Locken wirbelten um sie herum. In ihren beiden Händen hielt sie je ein leichtes Kurzschwert und pflügte wie ein Tornado durch die Reihen ihrer Angreifer. Ein zufriedenes Lächeln lag auf ihren vollen, dunkelroten Lippen, während ihre Augen wie schwarze Obsidiane glänzten. Ihre Bewegungen waren geschmeidig, wirkten wie schwungvolle Tanzschritte zu einem dröhnenden Beat, während sie immer wieder den Angriffen der Männer auswich.

In diesem Moment wollte er sie. Mehr als alles andere. Nur für eine Nacht. Nur für eine Nacht sollte sie ihm gehören.

Als sie mit einer zarten Handbewegung den Dämon vor sich gegen die Felswand schleuderte und er zugleich den Wind rauschen hörte, begann sein Herz schneller zu schlagen. Kleine Windrosen bildeten sich zu ihren Füßen, und nun wusste er, welche Art Feenwesen sie war. Eine Sylphe. Sein Magen wurde zu einem harten Klumpen, und seine Klauen gruben sich in den Fels unter ihm, während er beobachtete, wie sie sich unter dem Schwert eines Angreifers wegduckte und ihm im selben Moment die Beine mit einer schnellen Drehung wegschlug. Ohne auf ihr Opfer zu achten, hatte sie dessen Kopf abgeschlagen, während sie schon den Schlag ihres nächsten Gegners abwehrte.

Steine kullerten den Hang hinab, als er sich weiter anspannte und näher an den Rand rutschte, doch der Kampf war in vollem Gange und keiner bemerkte es. Er wusste, dass er Xerxes’ Zorn nochmals auf sich ziehen würde, wenn er sie rettete, und dennoch war der Wunsch, dies zu tun, übermächtig in ihm.

Jeder Schlag, den sie kassierte, ließ ihn zusammenzucken, als wäre er selbst getroffen worden. Die Anspannung in ihm wurde immer größer, bis er es nicht mehr aushielt und aufsprang, um ihr zur Hilfe zu eilen. Doch eine kräftige Hand hielt ihn auf. »Wenn du dort jetzt hineinstürmst, um sie zu retten, wird er dir das nie verzeihen«, brüllte sein Freund ihn an. Er wusste, dass Amun recht hatte, und zögerte.

Sein Blick wanderte zu ihr, und sofort verspürte er erneut dieses sehnsüchtige Gefühl. Er hörte den warnenden Schrei des Vampirs. Hörte ihren Namen. Kandarah. Dann sah er, wie die Axt des Angreifers durch ihren Bauch pflügte, sah den Schrecken in ihren Augen, der zu der Gewissheit wurde, dass sie sterben würde.

»Nein!« Er riss sich von Amun los und sprang mit einem Satz in die Tiefe.

Roter Staub stieg um ihn auf, als er auf dem Boden aufkam. Mit einem Schritt war er bei dem Mann, der es gewagt hatte, sie zu verletzen, und der erneut die Axt auf ihre Gestalt sausen ließ, um ihr Leben endgültig zu beenden. Falls sie noch lebte. Durch Talons Blut rauschte das Feuer, das normalerweise tief in ihm schlummerte. Er handelte instinktiv, war erfasst von Zorn, als er den Dämon mit bloßen Händen zerriss. Sein lautes Brüllen veranlasste die Männer, sich von dem Vampir ab- und ihm zuzuwenden. Furcht trat in ihre Augen, als sie ihn erkannten. Manche versuchten zu fliehen, bettelten um ihr Leben, doch er kannte kein Erbarmen.

***

Beunruhigt und mit verschränkten Armen sah Gawain dabei zu, wie Tanja, die immer noch bewusstlos war, auf eine Trage geschnallt und in die Maschine verfrachtet wurde, die sie zurück nach New York bringen würde. Für ihn war die Sache damit erledigt. Kane war bereits wieder bei Bewusstsein und wich Tanja nicht von der Seite. Sein Freund würde sich darum kümmern, dass es seiner Gefährtin an nichts fehlen würde.

Sein Blick streifte den fremden Mann, der sie durch das Portal zurück in die Welt der Menschen begleitet hatte. Ein ehemaliger Gefangener, wie Tanja und sein Freund Kane. Seine Bewegungen waren schwerfällig, als er in das Flugzeug stieg. Noch vor wenigen Stunden hatte er bewusstlos auf Walvaries Rücken gelegen und Candy hatte deswegen zurückbleiben müssen.

Gawain wandte ungehalten seinen Blick ab. Ihn interessierte der Fremde nicht, um ihn würden sich James Montgomerys Leute kümmern, sobald sie in New York landeten. Doch Candy war so gut wie auf sich allein gestellt. Es war nicht seine Art, jemanden zurückzulassen.

»Wir müssen zurück und Candy holen. Sofort!«, knurrte er missmutig, als Walvarie sich anschickte, die Gangway, die in den Privatjet führte, zu betreten. Sie wirkte müde und erschöpft, doch das war ihm egal. Er machte sich Sorgen um Candy und hatte ein ungutes Gefühl dabei, sie zurückgelassen zu haben.

Walvarie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. »Ihr Schicksal besteht nicht darin, dort zu sterben.«

»Mir ist es ehrlich gesagt scheißegal, worin ihr Schicksal besteht. Mir ist auch scheißegal, was du glaubst. Mein Instinkt sagt mir, dass etwas geschehen ist. Etwas Schreckliches.« Und auf seinen Instinkt konnte er sich immer verlassen.

»Natürlich hat der Instinkt eines Werwolfes mehr Bedeutung als mein Wissen«, spöttelte sie.

»Aye«, sagte er mit einem unmissverständlichen Unterton.

Lange Zeit sah sie ihn stumm an, und er hielt ihrem stechenden Blick stand, bis sie seufzend die Augen schloss. »Dann komm.«

Walvaries Schwingen glitten sausend durch die Luft, und Gawain hielt sich krampfhaft an ihrem Zackenkamm fest, der sich von ihrem Nacken bis zu ihrem Schwanz zog. Nun, da sie die Verletzen nicht mehr tragen musste, flog sie um einiges schneller. Gawain war sich sicher, dass Wölfe eindeutig nicht zum Fliegen gemacht waren, und versuchte seinen Mageninhalt bei sich zu behalten. Dennoch waren mehr als achtundvierzig Stunden vergangen, seit sie Kandarah auf dem Plateau zurückgelassen hatten, auf dem Walvarie nun landete. Die Sterne verschmolzen langsam mit dem heller werdenden Blau des Himmels, das bereits einen weiteren Tag ankündigte. Eigentlich hatte er gehofft, dass Kandarah hier auf sie warten würde. Mit einem arroganten Lächeln im Gesicht, während sie ihn fragte, wo er so lange geblieben sei. Er hatte es gehofft, doch er hatte von vornherein gewusst, dass dieser Gedanke lächerlich war und es nicht so sein würde.

Gawain ließ sich vom Rücken des Drachen gleiten und stolperte, als seine Beine unter ihm nachgaben. Ein prustendes Geräusch erklang hinter ihm, und er drehte sich misstrauisch um, nur um zu erkennen, dass der Drache ihn auslachte. Knurrend wandte er sich von ihr ab. Er warf seine Ausrüstung zu Boden, zog sich aus und verwandelte sich in den anderen Teil seines Wesens. Seine Knochen knirschten, während sie sich neu ordneten und verformten. Es war schmerzhaft, doch zugleich auch befreiend. Witternd sog er die Luft durch seine Wolfsnase und nahm schnell den süßlichen Geruch von Candy wahr, der wie ein Versprechen in der Luft lag. Knurrend hastete er los, und seine Pfoten flogen durch die Luft, während er mit kräftigen Sätzen ihrer Spur folgte.

Die Morgensonne blendete ihn und ließ die Gesteinsformationen rot leuchten, als er neben dem Geruch des warmen Sandes und der trockenen Erde einen weiteren Geruch wahrnahm. Eisen. Blut. Er legte noch einen Zahn zu und preschte den leichten Abhang hinunter, zu dessen Seiten sich immer höhere Felswände erhoben. Immer deutlicher nahm er den Geruch des Blutes wahr. Ihres Blutes.

Der schmale Canyon machte einen Knick, und als er um die Kurve gebogen war, blieb er schockiert stehen. Die Sonne war so weit am Horizont hinaufgeklettert, dass ihr Licht den Canyon erhellte und somit auch das Grauen, das sich Gawain bot. Sein Magen revoltierte. Überall lagen verstümmelte Leichen. Die kargen Felswände waren mit Blut besprenkelt und erinnerten ihn an ein riesiges Gemälde von Jackson Pollock. Er hatte recht gehabt, hatte es von vornherein gewusst. Schwermütig erhob er seinen strubbeligen Kopf und heulte seine Frustration und seinen Schmerz hinaus.

***

Die Holzstruktur auf seinem Schreibtisch verschwamm vor Talons Augen, während er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Seine Finger malten die Schlacht, die sich in seinem Kopf abspielte, auf das glatte Holz. Die Linien bildeten unsichtbare Muster, standen für seine vorrückenden Krieger.

Ihnen gegenüber würde ein mächtiger Feind stehen. Zahlenmäßig überlegen und in strategisch besserer Position. Egal wie oft er den Kampf in seinem Kopf durchspielte und versuchte, einen Weg zu finden, diese Schlacht zu gewinnen. Es gab keinen.

Es wäre ein Massaker an seinen eigenen Männern. Er würde es nicht zulassen. Der Gedanke an die bevorstehende blutige Schlacht, an den Verlust von guten Kriegern und an den Mann, der dafür verantwortlich war, erinnerte ihn an die Frau. Lange schwarz-seidige Haare. Hohe Wangenknochen, auf denen ein schwarzer Wimpernkranz ruhte. Feine rote Lippen. Allein der Gedanke an sie erregte ihn. Sein Schwanz wurde sofort hart. Er schloss die Augen und stellte sie sich genau vor. Ihren Körper. Die samtige Haut, über die er in seinen Gedanken mit seinen Fingern strich wie über das Holz vor ihm. Ihre vollen Brüste hatten genau die richtige Größe, um in seine Hände zu passen. Er würde ihr Gewicht spüren, während er sie zu seinem Mund führte, um in die harten Nippel zu beißen. Talon stöhnte und lehnte sich zurück, während seine Hand den Reißverschluss seiner Hose öffnete. Er ergriff sein Glied, das heiß pochte.

Energisch wurde an seiner Tür geklopft und Talon zuckte ertappt zusammen. Schnell zwängte er seine Erektion wieder zurück und knurrte, wütend darüber, dass er sich nicht hatte beherrschen können.

Eine Weile verging, bevor sich sein Atem beruhigt hatte und er mit ruhiger und fester Stimme »Herein« rief. Amun betrat den Raum und verbeugte sich kurz, um ihm Respekt zu erweisen, auch wenn Talon sich jedes Mal unwohl fühlte, wenn sein Freund dies tat.

Neugierig musterte Talon ihn. Sah den Schmutz der Reise auf seiner Kleidung. Feucht klebten Amuns blaue Haare in seinem Gesicht, vom kräftigen Schneesturm, der aktuell über ihr Lager hinwegzog. »Wie ich sehe, bist du direkt zu mir geeilt. Hast du etwas Wichtiges in Erfahrung bringen können?«

Amun nickte, doch statt ihm zu erzählen, was er im Nexus über Kandarah erfahren hatte, stellte er eine Gegenfrage. »Wie geht es ihr?«

Talon atmete tief durch. »Unverändert.«

Amun schüttelte den Kopf. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie …«

»Muss ich dir jetzt alles aus der Nase ziehen?«, unterbrach er Amun ungehalten, doch dieser lachte nur.

»Seit wann bist du so ungeduldig?«

Talon verschränkte seine Arme vor der Brust und stieß ein genervtes Brummen aus. Er war normalerweise sehr geduldig, immerhin wartete er schon etliche Jahrzehnte auf diesen Moment. Er hatte lange Zeit eigentlich nichts anderes getan, als zu warten. Seine Gedanken wanderten erneut zu der schwarzhaarigen Schönheit, und er konnte es kaum erwarten, dass sie erwachte. Doch dies würde noch einige Tage dauern. Der Bericht seines Offiziers hatte Zeit.

»Es ist bereits spät, wir können morgen reden. Ruh dich erstmal aus«, sagte er gelassen, obwohl er innerlich auf Antworten drängte.

Amun lachte, wohl wissend um sein Ablenkungsmanöver. »Gut, wir reden morgen.«

3.

Man hätte meinen können, sie würde friedlich schlafen. Nie gab Kandarah einen Laut von sich, wenn sie aus den Albträumen ihrer Kindheit erwachte, die sie jede Nacht verfolgten. Keine Tränen, kein gehetzter Atem, nicht einmal ihr Herz schlug schneller. Denn die schrecklichen Bilder begleiteten sie bereits, seit sie neu geboren worden war – durch Feuer und Blut –, wie ein Phönix aus der Asche.

Kandarah wischte die schmerzlichen Erinnerungen an ihre Heimat fort, drängte sie in den hintersten Winkel ihres Geistes, wo diese nur noch ein heiseres Wispern waren. Sie schlug furchtlos ihre Augen auf, in der Gewissheit, dass ihr der Albtraum in der Realität nichts anhaben konnte und sich auflösen würde wie Rauch.

Doch sie erwachte in Dunkelheit. In absoluter Finsternis. Selbst jetzt schlug ihr Herz nicht schneller. Es war an Gräueltaten gewohnt. Außerdem konnte nichts, was sie in dem schwarzen Nichts erwartete, grauenhafter sein als die Schrecken ihrer Jugend.

Ruhig lauschte sie auf verdächtige Geräusche in ihrer Umgebung. Nichts.

Tief atmete sie ein, doch sogleich spürte sie ein schmerzhaftes Ziehen in ihrem Unterleib. Sie blinzelte kurz, als die Erinnerung an den tödlichen Hieb zurückkehrte. Sie spürte noch einmal, wie der Stahl durch ihre Haut gedrungen war und sie gedacht hatte, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen.

Zögerlich glitten ihre Finger unter das Nachthemd, das sie trug, und fuhren über rauen Mull. Sie betastete vorsichtig die Stelle, wo die Axt des Dämons in ihren Körper eingedrungen war. Die federleichte Berührung verursachte bereits Schmerzen. Auch jetzt noch konnte sie es kaum glauben, dass dieser Bastard sie beinahe in zwei Teile gespalten hätte. Beinahe!

Sie spürte den Verband um ihren Bauch, das zarte Gewicht der Daunendecke und die weiche Matratze unter ihrem Körper. Tot war sie jedenfalls nicht. Lächelnd strich Kandarah erneut über die Stelle, spürte den Schmerz, der ihr zeigte, dass sie noch lebte. Der Mistkerl hatte versagt.

Sie ärgerte sich jedoch darüber, dass sie ihn überhaupt so nah an sich hatte herankommen lassen. Nur einen Moment war sie unaufmerksam gewesen.

Doch was war passiert, nachdem der Dämon sie fast umgebracht hatte? Kandarah verging das Lächeln. Wo befand sie sich hier, und wo war der Vampir?

Misstrauisch starrte sie in das schwarze Nichts. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit, und nach und nach bildeten sich Umrisse und Schatten. Durch ein Fenster mit geschlossenen Rollläden drang ein schwacher Lichtschimmer, doch es reichte, um ein paar Schemen erkennen zu können.

Angst verspürte sie keine. Wenn sie hätte sterben sollen, wäre sie niemals aus ihren Albträumen erwacht. Langsam und vorsichtig richtete sie sich auf dem Bett auf. Die frische Narbe spannte bei der Bewegung, und sie stieß zischend die Luft aus. Sobald sie einen Schritt in die Dunkelheit tat, schien die Axt erneut durch ihre Körpermitte zu gleiten, und sie biss ihre Zähne aufeinander, um nicht laut aufzustöhnen. Langsam tapste sie durch das Zimmer. Sie spürte einen weichen Teppich unter ihren Füßen. Ihre Finger streiften auf der Suche nach dem Türrahmen über eine raue Tapete. Überraschend fanden sie das kühle Plastik eines Lichtschalters. Kurz blinzelte sie, als die Umgebung in hellem Licht erstrahlte und sie ein durchschnittlich großes Zimmer erblickte, das spartanisch mit ein paar modernen Möbeln eingerichtet war. Ein großer Kleiderschrank und ein breites Bett dominierten den Raum. In einem Regal dazwischen lagen ein paar Bücher. Ansonsten befand sich nur noch eine kleine blaue Kommode neben dem schmalen Bett. Zwei Türen führten aus dem Zimmer hinaus, das sie vom Grundriss her an ein Hotelzimmer erinnerte. Auch die Einrichtung wirkte entsprechend und ließ darauf schließen, dass sie sich wahrscheinlich wieder im Nexus, dem Reich der Menschen, befand und nicht mehr in Ignate, dem Reich des Feuers, wo sie zuletzt gewesen war.

Erleichterung durchströmte Kandarah, denn sie hasste diese karge Wüstenlandschaft, die von Dämonen bevölkert war. Noch immer verspürte sie das Bedürfnis, sich ständig umzusehen, ob einer dieser Bastarde direkt hinter ihr stand. Glücklicherweise war da niemand und auch kein roter Sand oder Fels, so weit das Auge reichte.

Neugierig fing Kandarah an, alles zu durchsuchen. Sie räumte den Kleiderschrank aus und stieß einen Pfiff aus, als sie die Klamotten darin sah. Dunkle Farben, Leder und durchsichtige Stoffe, extravagant und gewagt. Sie provozierte andere gerne mit ihrem Auftritt, liebte alles, was der Fantasie kaum Spielraum ließ und Männer in hechelnde Idioten verwandelte, die ihr zu Füßen lagen.

Das verspricht lustig zu werden.

Bewundernd hielt sie ein schwarzes Abendkleid hoch, das am Rücken so tief ausgeschnitten war, dass man den Ansatz ihres Pos sehen würde. Der Stoff schimmerte sanft im Licht und war von herausragender Qualität, wie sie sofort mit Kennermine feststellte. Sie hängte es zurück und stöberte weiter. Ihr Lächeln wurde breiter, als sie in den Schubladen der Kommode Spitzenunterwäsche fand, die ebenfalls ihren Geschmack traf. Teure Marken wie Victoria‘s Secret, Strumpet & Pink und La Perla. Sie zog ein besonders aufreizendes Stück heraus: ein Hauch von Nichts, der genau ihre Größe hatte, wie auch die Kleidung zuvor.

Doch nichts in diesem Zimmer gehörte ihr. Alles war brandneu und schien extra für sie gekauft worden zu sein. Ihr Lächeln erstarb. Irritiert starrte sie ins Nichts und zog nachdenklich die Stirn kraus. Offensichtlich hatte jemand sie gerettet und gepflegt. Jemand, dem eine Menge Geld zur Verfügung stand, denn die Klamotten waren eindeutig teuer gewesen. Da magische Wesen sehr viel länger lebten als Menschen, war es nicht unbedingt ungewöhnlich, dass diese Reichtum anhäuften. Jedoch hatten die wenigen ihrer Freunde, die sich um sie kümmern würden, weder Ahnung von Mode, noch würden sie jemals so viel Geld für sie ausgeben. Sie war allem Anschein nach also nicht von ihnen gerettet worden.

Nach einer Weile zuckte sie mit den Schultern. Von den Klamotten würde sie keine Antwort erhalten. Also durchsuchte sie weiter den Raum.

Im Nachttisch fand sie Verbandsmaterial, starke Schmerzmittel und Pflegecremes. Die Bücher im Regal stellten sich als ein buntes Sammelsurium aus aktuellen Bestsellern der unterschiedlichsten Genres heraus – allerdings nichts, was sie interessierte. Das wunderte sie jedoch nicht wirklich, da sie ein Faible für Liebesromane hatte. Nur ihre engsten Vertrauten wussten von dieser Schwäche, und das war eigentlich schon zu viel, denn vor allem Gawain, dieser Hund, zog sie ständig damit auf. Sie seufzte und verdrängte schnell den Gedanken an ihre Freunde. Sie würden sich nur Sorgen machen, die vollkommen unbegründet und lächerlich waren. Vielleicht irrte sie sich, und ihre Freunde warteten nur hinter einer der Türen, die aus dem Zimmer führten. Also untersuchte sie diese als nächstes.

Beide Türen ließen sich problemlos öffnen. Eine führte in einen langen düsteren Flur mit Holzverkleidung und Gemälden an den Wänden, die andere in ein Badezimmer. Auch wenn der Flur mit Granitboden und Läufer, Pflanzen und etlichen Türen ihre Neugierde weckte, verführerischer war eindeutig das Badezimmer mit dem Versprechen auf eine heiße Dusche. Ihre Haut juckte unter dem Verband und auch sonst kam sie sich vor, als würden immer noch das Blut und die Eingeweide der Dämonen, die sie getötet hatte, an ihr kleben. Der Kampf gegen diese Monster schien nur wenige Augenblicke her zu sein.

Eigentlich müsste ich tot sein.

Einen kurzen Moment erstarrte sie, dann zuckte sie abermals mit den Schultern. Sie war eine Soldatin und in dieser Sache pragmatisch. Sterben gehörte bei ihr zum Geschäft. Auch wenn sie es tunlichst vermied, denn sie hatte eine Aufgabe. Rache.

Sie suchte sich aufreizende Kleidung aus, eine bequeme schwarze Lederhose und einen engen Pullover aus Kaschmir – egal, wer ihr diesen gekauft hatte, er konnte für sein Geld ruhig etwas zu sehen bekommen –, und begab sich ins Bad. Der hellblau geflieste Raum war überraschend groß, beinahe so groß wie das Zimmer, aus dem sie eben gekommen war. Eine weitere Tür führte aus dem luxuriösen Raum, war jedoch verschlossen, und Kandarah beachtete sie nicht weiter. Stattdessen durchwühlte sie die Schubladen unter den Waschbecken. Handtücher, Pflegecremes … eine noch verpackte Zahnbürste ließ sie den Rest vergessen. Duschen, Zähneputzen … Egal, wer ihr Retter war, sie liebte ihn allein dafür.

Daher war es ihr auch egal, dass sie keinen Schlüssel fand, mit dem sie die Tür hätte abschließen können. Zumal ihr Retter – vielleicht war es auch eine Retterin – sie sowieso schon nackt gesehen haben musste. Also, was soll‘s? In ihrem Alter war sie schon lange nicht mehr prüde.

Ihre Euphorie bekam jedoch direkt einen Dämpfer, als sie in den hellbeleuchteten Spiegel sah. Ihr Haar war länger, als sie sich erinnerte, und völlig zerzaust. Dunkle Augenringe verwandelten ihr sonst ebenmäßiges Gesicht in ein Trauerspiel. Ihre normalerweise von der Sonne geküsste Haut wirkte fahl und grau, und das, obwohl sie zwei Wochen lang mit ihren Freunden gemeinsam durch die Wüste gereist war. Ungehalten presste sie die Lippen aufeinander. Seitdem schien sehr viel mehr Zeit vergangen zu sein, als sie bisher angenommen hatte.

Sie hob das Nachthemd an, um die Wunde auf ihrem Bauch zu untersuchen, die ihr der Dämon am Ende der Reise als Abschiedsgeschenk verpasst hatte. Ihr Blick fiel auf eine kleine rote Linie auf ihrer Haut. Atemlos erstarrte sie.

Nein! Das konnte nicht sein!

Wütend riss sie sich das Nachthemd vom Leib und sah fassungslos auf das Zeichen auf ihrer Brust. Keinen einzigen Blick schenkte sie dem Verband und der darunterliegenden Verletzung. Viel erschreckender war der hellrote Punkt, nicht größer als ihr Daumennagel. Von ihm breiteten sich dünne Linien aus, die sich am Ende immer feiner verästelten und wie kleine Blutgefäße aussahen. Sie rankten sich bis zu ihrem Schlüsselbein hinauf, überzogen die Schulter und liefen bis über ihren Ellenbogen.

Schemenhaft erkannte sie dahinter hellere Schattierungen von Rot bis Gelb, es wirkte, als würden Flammen auf ihrer Haut tanzen. Normalerweise hätte ihr das Bildnis gefallen, das wie ein ungewöhnliches Tattoo aussah. Es war wunderschön. Das perfekte Sinnbild für ihre Wiedergeburt aus Feuer und Blut.

Doch in Wahrheit war es das Symbol ihrer Versklavung. Grimmig presste sie die Lippen aufeinander. Es war ein Mahnmal an den Verlust, den sie damals erlitten hatte. Alles ballte sich in ihr zusammen. Wütend schloss sie ihre Finger zu einer Faust, während sie auf das Zeichen blickte. Es hätte nicht da sein dürfen. Sie nahm regelmäßig einen Hexentrank, um zu verhindern, dass jemand es zu Gesicht bekam. Nicht einmal ihre Freunde wussten von dem Symbol. Niemand wusste es. Niemand.

Na ja, fast niemand.

Die Hexe, die Kandarah das Mittel braute, wusste es. Und irgendwie schien der nervige Vampir etwas geahnt zu haben. Ihre Zähne knirschten. Jetzt schienen sogar noch mehr Leute von ihrem Schicksal erfahren zu haben.

Ihre Faust landete im Spiegel, über den sich daraufhin ein feines Spinnennetz von Rissen zog. Sie schlug nochmal zu. Nochmal und nochmal. So lange, bis die Haut auf ihren Fingerknöcheln aufplatzte und feine Splitter in ihr Fleisch drangen. Blut tropfte ins Waschbecken, malte Muster auf das weiße Porzellan.

Ihre Schulter schmerzte und ihre Muskeln protestierten gegen die ungewohnte Bewegung. Seit mindestens vier Wochen, wenn nicht sogar länger, waren sie nicht mehr bewegt worden. Alle drei Monate musste sie das Elixier nehmen, sonst würde das Zeichen sichtbar. Es hätte nicht sichtbar sein dürfen. Zuerst sah es nur aus wie ein paar blaue Flecke. Als hätte sie jemand gepackt und festgehalten. Danach vergingen noch drei Wochen, bis das Zeichen vollständig sichtbar wurde – so wie jetzt. Sie hatte noch über einen Monat Zeit gehabt, als sie auf diese Mission geschickt worden war. Die blauen Flecken waren noch nicht zu sehen gewesen, als sie in den Hinterhalt geraten war. Schon seit Jahrzehnten hatte sie es gar nicht erst so weit kommen lassen. Nicht seit sie wusste, dass es einen Trank gab, der ihr half und das verfluchte Mal einfach verschwinden ließ.

Mit beiden Händen stützte sie sich an dem Waschbecken ab und ließ den Kopf hängen. Was der Albtraum nicht geschafft hatte, schaffte nun der sichtbare Beweis des damals Erlebten. Der Beweis, dass sie dem Massaker nur entkommen konnte, weil sie mit einem Dämon verbunden war. Nun raste ihr Herz und ihr Atem ging schnell und flach. Genau wie damals, als sie erfahren hatte, was dieses Zeichen bedeutete. Kurz huschte ihr Blick zu einer der Scherben, und ihre Finger zuckten in dem Wunsch, die Linien von ihrer Haut zu schälen. Sie hatte sich die Haut an dieser Stelle schon oft weggeschnitten. Jedes Mal ohne Erfolg. Wenn sie es jetzt wieder tun würde, würde es sie nur erneut schwächen und verletzlicher machen, als sie es ohnehin schon war.

Sie hasste es, verletzlich zu sein.

Tief atmete sie ein und aus, versuchte sich zu beruhigen. Es gibt Schlimmeres … Das ist nichts, versuchte sie sich einzureden. Es gibt Wichtigeres! Verdammt nochmal!

»Du hast keine Ahnung, wie es deinen Freunden geht, wo du dich befindest oder wer sich in den letzten Wochen um dich gekümmert hat«, sagte sie zu ihrem verzerrten Bildnis, das sie aus den Spiegelscherben wütend ansah. Dennoch kehrten ihre Gedanken immer wieder zu dem Symbol zurück. Sie starrte wie hypnotisiert auf das verhasste Zeichen. Vor ihren Augen flackerten unscharfe Bilder von Blut und Feuer. Sie sah in rotglühende Augen, hörte die hasserfüllten Wortfetzen: »… gehörst du mir …«

In ihr brannte der Wunsch, den Dämon zu töten. Erst wenn dieser Hurensohn in der Hölle schmorte, wäre sie wieder frei und das Zeichen würde verblassen.

Wobei die Hölle noch zu gut für ihn war! Viel zu gut.

Ihre Zähne knirschten, so fest presste sie sie zusammen. Blutrote Augen. Innerlich zog sich alles zusammen. Reflexartig verdrängte sie die schmerzhaften Erinnerungen. Schob sie weit von sich. Mit geschlossenen Augen richtete sie sich auf und holte langsam Luft, atmete bewusst ein … und wieder aus.

Ein … und aus.

Ein … aus.

Sie musste einfach das Beste aus ihrer Situation machen und dieses Zeichen ignorieren, genauso wie sie es schon seit Jahren mit ihren Erinnerungen daran tat. Sie war gut darin, ihre Augen vor unliebsamen Dingen zu verschließen. Also reinigte sie die Wunden an ihren Händen, die sie sich selbst zugefügt hatte, und entfernte die Splitter. Dann wickelte sie den Verband um ihren Bauch ab und betastete die wulstige Narbe, die sich einmal quer über ihren Leib zog, ohne dem Zeichen auch nur einen Blick zu gönnen. Der Dämon hatte wirklich versucht sie zweizuteilen. Dass sie überlebt hatte, war ein Wunder. Bikinis würde sie jedenfalls eine Weile lang nicht mehr tragen können. Hoffentlich verrottet dieser Bastard irgendwo!

Kandarah zog sich vollständig aus, stieg in die Duschkabine und drehte das heiße Wasser auf. Immer noch hatte sie das Gefühl, ihre Organe würden innerlich zusammengepresst werden. Ihre Muskeln entspannten sich nur langsam unter dem prasselnden Nass, das auf ihren Nacken traf, als sie ihren Kopf senkte. Die beunruhigenden Gedanken ließ sie einfach an sich vorbeiziehen, während sie sich auf den Druck des Wasserstrahls konzentrierte.

Wie lange sie unter dem nassen Schauer regungslos verharrt hatte, konnte sie hinterher nicht sagen. Dampfschwaden stiegen auf und hüllten sie in einen dichten Nebel. Wohlig seufzte sie auf. Erst jetzt, wo sich nach und nach einzelne Muskelpartien entspannten, bemerkte sie, wie steif diese vorher gewesen waren. Es dauerte nicht lange und sie hatte sich wieder im Griff. Das Ganze war nur ein verdammter Aussetzer gewesen, weil sie das Zeichen so lange nicht mehr gesehen hatte. Mehr nicht! Und egal, wer sie gepflegt und dieses Zeichen zu Gesicht bekommen hatte, er würde nichts sagen. Sollte derjenige auch nur auf die Idee kommen, einem anderen ein Sterbenswörtchen zu erzählen, würde er sie von einer ganz anderen Seite kennenlernen und sich am Ende wünschen, er wäre genauso tot wie all die anderen, die es gewagt hatten.

Entschlossen schnappte sich Kandarah das Shampoo, das bereits in der Dusche stand, und schnupperte kurz daran. Mango. Nach den zurückliegenden Tagen, die sie in der Wüste verbracht hatte, ohne Wasser auf ihrer Haut zu spüren, dafür aber überall Sand, erschien ihr der Duft wie das Paradies. Sie wusch sich erst ausgiebig die Haare – dreimal – und schrubbte sich dann die Haut ab, bis sie rot leuchtete. Den Blick auf das Symbol vermied sie bewusst. Auch, als sie sich am ganzen Körper abrubbelte, bis ihre Haut angenehm kribbelte.