Flammenlied - Alexandra Ivy - E-Book

Flammenlied E-Book

Alexandra Ivy

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Beschreibung

Das Leben als Halbblut ist für die meisten Drachen die Hölle - nicht jedoch für Char. Sein Herr respektiert ihn für seine Kampfkünste, und die Frauen liegen dem attraktiven Drachenkrieger reihenweise zu Füßen. Sein Herz konnte jedoch keine berühren. Das ändert sich ziemlich schnell, als Char den Auftrag erhält, die schöne Blayze zu beschützen. Vom ersten Augenblick an ist er fasziniert von ihr und will sie zu der Seinen machen. Doch auf Blayze lastet ein dunkler Fluch und um den zu brechen, müssen die beiden Liebenden eine gefährliche Reise in die Vergangenheit unternehmen ...

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ALEXANDRA IVY

FLAMMEN

LIED

ROMAN

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Das Buch

Das Leben als Halbblut ist für die meisten Drachen die Hölle – nicht jedoch für Char. Sein Herr respektiert ihn für seine Kampfkünste, und die Frauen liegen dem attraktiven Drachenkrieger reihenweise zu Füßen. Sein Herz konnte jedoch keine berühren. Das ändert sich ziemlich schnell, als Char den Auftrag erhält, die schöne Blayze zu beschützen. Vom ersten Augenblick an ist er fasziniert von ihr und will sie zu der Seinen machen. Doch auf Blayze lastet ein dunkler Fluch und um den zu brechen, müssen die beiden Liebenden eine gefährliche Reise in die Vergangenheit unternehmen …

Alexandra Ivys Dragons of Eternity-Reihe bei Heyne:

Erster Roman: Flammenküsse

Zweiter Roman: Flammenliebe

Dritter Roman: Flammenlied

Die Autorin

Unter dem Pseudonym Alexandra Ivy veröffentlicht die bekannte Regency-Liebesroman-Autorin Deborah Raleigh ihre Paranormal-Romance-Romane. Mit ihrer international erfolgreichen Guardians of Eternity-Reihe stand sie regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Alexandra Ivy lebt mit ihrer Familie in Missouri.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Titel der amerikanischen Originalausgabe

CHARRED BY DARKNESS

Deutsche Übersetzung von Beate Brammertz

Deutsche Erstausgabe 02/2019

Redaktion: Diana Mantel

Copyright © 2017 by Debbie Raleigh

Copyright © 2019 der deutschsprachigen Ausgabe

und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München

Satz: Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN: 978-3-641-23235-1V002

www.heyne.de

1

Mit theatralischem Flügelgeflatter tauchte Levet am Eingang der Drachenhöhle auf. Er war ein Gargoyle, der den großen Auftritt liebte. Na und, warum auch nicht?

Nun ja, es gab ein paar dümmliche Dämonen, die gesagt hatten, er sei nur ein armseliger Witz von einem Gargoyle. Und er war einstimmig aus der Gargoylegilde hinausgeworfen worden, nur weil er nicht die nötige Größe von einem Meter aufwies und seine Magie nicht der traditionellen, langweiligen Gargoylemagie entsprach.

Doch was auch immer ihm an Körpergröße oder Zauberkraft fehlte, glich er mehr als genug mit seiner überwältigenden Einzigartigkeit aus.

Seine Gesichtszüge waren herrlich grotesk, und er besaß die traditionell dicke graue Haut aller Gargoyles. Seine Augen erinnerten an die von Reptilien, seine Hörner waren verkümmert. Er hatte sogar einen langen Schwanz, den er fortwährend polierte, bis er schimmernd glänzte.

Noch beeindruckender waren seine Flügel, die zart wie Spinnfäden in den leuchtendsten Farben schimmerten. Seine Widersacher mochten anmerken, dass sie eher zu einer Elfe oder Fee als einem tödlichen Geschöpf der Dunkelheit passten. Doch soweit es Levet anging, trugen sie nur zu der geheimnisvoll sinnlichen Aura bei, die ihn umgab.

Während Levet darauf wartete, dass ihm endlich die Tür geöffnet wurde, schnaubte er missbilligend.

Wirklich, es war eine Schande, was Tayla getan hatte. Er hatte gerade eine wunderbar vergnügliche Zeit mit einer Feuerelfe verbracht, als seine Freundin ihm mental eine verzweifelte Nachricht geschickt hatte, dass er sie in Synges Drachennest treffen sollte.

Profi.

Nein, Augenblick mal. Das war nicht das richtige Wort.

Pronto. Er schnalzte mit den Fingern. Oui, das war es.

Das Mindeste, was sie tun könnte, wäre, hier draußen auf ihn zu warten und seiner Ankunft mit angehaltenem Atem entgegenzufiebern.

Das musste der Einfluss von Taylas neuem Gefährten Baine sein, entschied Levet, die Schnauze abschätzig gerümpft. Als er die hübsche Tayla zum ersten Mal getroffen hatte, hatte sie sich noch vor diesem mächtigen Drachen versteckt. Der Gargoyle und sie hatten zusammen in ihrem hübschen Teehaus gewohnt, wo die Elfe ihm täglich köstliche Leckereien zubereitet hatte.

Levet seufzte schwer – er vermisste diese schönen Tage.

Nun hatte Tayla nur noch Augen für ihren Gefährten und keine Zeit mehr, Levet mit heißen Scones und seinem Lieblingsnektar zu verwöhnen. Eine echte Tragödie!

Vielleicht sollte er zum Vulkan zurückkehren, wo seine Feuerelfe sehnsüchtig auf ihn wartete. Die Art, wie sie ihn mit ihren Flammen …

Levets schmutzige Gedanken wurden unsanft gestört, als die dicke Steinmauer nach innen glitt. Er zögerte kurz, bevor er auf das Tor zuwatschelte. Es hatte keinen Sinn, das Unausweichliche aufzuschieben. Je schneller er herausfand, was Tayla von ihm wollte, desto rascher könnte er zu seiner zauberhaften Elfe zurückkehren.

Er nahm noch den frischen Geruch von Zitrusfrüchten wahr, da erschien bereits eine Frau aus der Dunkelheit.

Tayla.

Sie war entzückend. Keine große Überraschung – alle Feen waren mit betörender Schönheit gesegnet.

Heute trug sie eine weit geschnittene, weiße Tunika aus schimmernder Seide, die bis zum Boden reichte. Ihre dunkelgoldenen Haare, in denen feuerrote Strähnen aufblitzten, ergossen sich über ihre Schultern und an ihrem Rücken hinab. Ihr Gesicht war ein blasses Oval mit einer schmalen Nase und üppigen pfirsichfarbenen Lippen. Ihre hellgrünen Augen waren mit jadefarbenen Flecken gesprenkelt und von dicken Wimpern umrahmt.

Als sie ihn sah, streckte sie ihm die Hände entgegen. »Oh, Levet. Der Göttin sei Dank!«

Levet nahm ihre Finger in seine. »Ich glaube kaum, dass du der Göttin danken musst«, versicherte er ihr. »Es war mein sanftmütiges und großzügiges Herz, das mich hergebracht hat.«

Es war seine Maxime, sein Licht niemals unter den Scheffel zu stellen. Wie sonst sollten andere Wesen seine vielen Talente gebührend zu schätzen wissen?

Taylas Lippen zuckten, als sie seine Klauen losließ und ihn in die höhlenartige Halle hereinwinkte.

»Ja, natürlich. Ich sollte dich allerdings warnen, dass die Dinge heute etwas …« Sie hielt inne, bevor sie sich räusperte und dann fortfuhr: »Angespannt sind.«

Levet trat vor und klappte erschrocken die Flügel ein, als sich die Wand hinter ihm schloss.

Hitze und Rauch und ein Hauch von Schwefel kräuselten sich um sie. Es war stickig.

»Das ist eine Drachenhöhle. Wann sind die Dinge dort denn nicht angespannt?«, erwiderte Levet.

»Das stimmt.« Tayla zog ihre hübsche Nase kraus. »Dann lass uns einfach sagen, dass die Dinge noch angespannter sind als sonst.«

Levet blickte finster drein. »Was zum Teufel ist nur los mit diesen Drachen? Nicht nur, dass Baine dich einfach gestohlen hat, jetzt hat sein Vater auch noch seine Gefährtin samt Tochter wieder zurück. Die alte Eidechse sollte doch einfach glücklich sein«, grummelte Levet, immer noch verärgert, dass sein gemütliches Heim auf den Kopf gestellt worden war, als Baine die hübsche Elfe als Gegenleistung für die Schulden ihres Vaters für sich eingefordert hatte.

Tayla erblasste. »Psst. Wenn Synge dich hört …« Ihre Stimme verhallte. Fast, als hätte sie entschieden, dass sie sich die Worte sparen konnte. Kopfschüttelnd drehte sie sich um, bevor sie Levet tiefer in die Drachenhöhle führte. »Wie dem auch sei. Folge mir!«

Levet beeilte sich, mit seiner Freundin Schritt zu halten, wobei seine Krallen laut über den Steinboden kratzten. Im Gegensatz zu Baines prunkvollem Zuhause zog Synge einen rustikaleren Stil vor. Nackter Stein. Schwere Holzbalken an der Decke. Fackeln entlang der Wände. Schreie aus den Folterkammern.

Höchst mittelalterlich.

Natürlich besaß der ältere Drache auch ein paar Räume, die renoviert worden waren. Sein Thronsaal. Und der Harem. Und, wie Levet vermutete, die Gemächer seiner Familie.

Der Rest dagegen war sehr dunkel und trostlos.

Genau wie Synge.

Sie marschierten rasch einen langen Korridor hinab, in dem mehrere Dienstboten ihren Pflichten nachkamen. Einige waren Halbblutdrachen, andere Elfen oder Vampire. Ausnahmslos alle trugen grün-goldene Uniformen, mit dem Symbol eines Blitzstrahls auf der Brust. Und alle wirkten nervös. Als fürchteten sie, jeden Moment von Drachenfeuer verkohlt zu werden.

Nachdem Levet und Tayla in einen Gang gebogen waren, von dem der Gargoyle annahm, dass er zu den Privatgemächern führte, trottete er hastig an Taylas Seite.

»Und was ist dem alten Synge nun über die Leber gelaufen?«, fragte er.

Tayla blickte sich verstohlen um, bevor sie ihm eine Antwort gab. »Blayze ist verschwunden.«

Levet kratzte sich über das verkümmerte Horn. Wie lang war es her, seit sie den weiblichen Drachen gefunden hatten? Einen Tag? Zwei Tage?

»Jetzt schon?«, fragte er überrascht. »Versteh mich nicht falsch … Ich hatte natürlich angenommen, dass sie sich aus dem Staub machen würde, nur nicht so schnell.«

Tayla zischte lautstark und funkelte ihren Begleiter finster an. »Willst du unbedingt umgebracht werden?«

Levet grübelte über ihre Worte nach. Warum stellten ihm die Leute immer solche lächerlichen Fragen?

»Non.« Entschieden schüttelte er den Kopf. »Nicht unbedingt.«

Tayla schloss kurz die Augen, ihr Zitrusduft erfüllte die Luft. Dann, mit scheinbarer Kraftanstrengung, öffnete sie die Lider und eilte den Korridor weiter hinab.

»Wir glauben nicht, dass Blayze die Drachenhöhle aus freien Stücken verlassen hat«, sagte sie.

Levet blinzelte. Dann noch einmal. Obwohl er nur Augen für seine Feuerelfe gehabt hatte, als Blayze in dieses Drachennest zurückgebracht worden war, war ihm doch zu Ohren gekommen, dass Blayzes Familie sie sicher versteckt und mit unzähligen Schichten Magie umwoben hatte. Abgesehen von dem Umstand, dass niemand unbemerkt in eine Drachenhöhle hinein- oder wieder hinauskam.

»Sie ist entführt worden?«

Tayla biss sich auf die Unterlippe. »Das wissen wir nicht.«

Levet kratzte sich erneut am Horn. »Ich fürchte, ich bin etwas verwirrt, ma belle«, sagte er. »Vielleicht wäre es das Beste, wenn du ganz am Anfang von allem beginnst.«

Sie nickte langsam, und ihre grünen Augen schimmerten im Licht der Fackel vor Sorge, als sie in einen neuen Korridor bogen. In diesem gab es ein verblasstes Fresko an der Wand, ein Kampf zwischen Drachen und einer Legion Trolle.

Die Drachen waren am Gewinnen.

Keine große Überraschung!

»Du weißt, dass Blayze wenige Stunden nach ihrer Geburt mit einem Fluch belegt worden ist?«, fragte Tayla.

»Oui. Eine höchst feige Tat.« Levets Schwanz zuckte. Er hasste Dämonen, die nur die Schwächsten drangsalierten. »Was für ein verabscheuungswürdiges Monster würde sich an einem Säugling vergreifen?«

Taylas Hände ballten sich krampfhaft zu Fäusten. »Dämonen sind nicht gerade für ihre warmherzige und weichmütige Art bekannt.«

»Hey, ich bin warmherzig«, protestierte Levet und blickte an seiner ledrigen grauen Haut hinab. »Wenn auch vielleicht nicht sonderlich weich.«

»Levet«, tadelte Tayla ihn scharf. »Du musst dich konzentrieren!«

Levets Flügel flatterten, und seine Unterlippe zog einen beeindruckenden Flunsch. Dann, als er erkannte, dass Tayla ernsthaft besorgt war, stieß er ein leises Seufzen aus.

Später würde er sie daran erinnern, dass er ein Ritter in schimmernder Rüstung war, der unterwürfigsten Respekt verdiente. Vorläufig würde er seinen Stolz hinunterschlucken und großmütig seine Hilfe anbieten.

Denn genau das war, was ein Ritter in schimmernder Rüstung tat.

»Entschuldige, ma belle«, sagte er. »Ich bin ganz Ohr.«

Sie verzog das Gesicht, als würde sie ihren scharfen Tonfall bereits bereuen, und fuhr mit ihrer Geschichte fort: »Ravel ist mit Blayze geflohen, nachdem der Rat der Drachen die Kleine zum Tode verurteilt hatte.«

Levet verdrehte angewidert die Augen. »Drachen.«

Tayla seufzte. »Ja. Sie sind gnadenlos.«

Levet schnaubte. »Gnadenlos beschreibt ihr Wesen nur äußerst unzulänglich.« Sein Blick glitt wieder zu dem Fresko an der Wand. Sie hatten den Teil des Gemäldes erreicht, bei dem die Trolle von den Drachen, die über ihren Köpfen kreisten, in einen Haufen glühender Asche verwandelt worden waren. »Sie sind grausame, geistesgestörte, blutrünstige Bestien.«

Taylas Lippen teilten sich, um ihm zu widersprechen. Dann seufzte sie erneut. Nicht einmal eine Frau, die blind vor Liebe für ihren Gefährten war, konnte so tun, als wären Drachen keine brutalen Killer.

»Ein paar von ihnen«, stimmte sie Levet mit einer wegwerfenden Handbewegung zu. »Wie dem auch sei, als Ravel mit Blayze hier in die Drachenhöhle zurückgekehrt ist, haben sie Char gerufen, damit er mit seiner Magie die Zeit verlangsamt. Sie wollten einen Weg finden, um den Fluch vorerst in Schach zu halten, bis ihnen eine bessere Idee kommt, um Blayze dauerhaft zu retten.«

Der Halbblutdrache Char war Baine streng genommen von seinem Vater geschenkt worden. Wie ein schuppiges, feuerspeiendes Geburtstagspräsent. Doch Levet hatte genug Zeit in Baines Haushalt verbracht, um zu wissen, dass Char eher ein Bruder als ein Diener war.

Die beiden Drachen waren seit Jahrhunderten BBFs.

Jetzt blinzelte Levet erschrocken.

»Char kann die Zeit verlangsamen?«, fragte er überrascht.

»Seine Mutter war eine Dalia-Dämonin«, erklärte Tayla.

Ah. Levet nickte verständnisvoll. Dalia waren eine Elfenart, die sich gewöhnlich in der zugefrorenen Tundra Sibiriens versteckte. Sie konnten die Zeit verlangsamen, indem sie ein Netz der Macht auswarfen.

»Eine höchst seltene Gabe«, hauchte er, mehr als nur ein wenig verärgert. Er hatte noch nie mit eigenen Augen gesehen, wie Char die Zeit veränderte.

Was ausgesprochen unfair war.

»Ja«, sagte Tayla.

Nachdem Levet seine Verärgerung hinuntergeschluckt hatte, konzentrierte er sich auf wichtigere Dinge.

»Hat Char Blayze entführt?«, fragte er.

Tayla zuckte zusammen. »Das wird ihm zumindest zur Last gelegt.«

»Aber du glaubst nicht, dass er der Schuldige ist?«

»Char ist seit fünf Jahrhunderten ein treuer Diener meines Gefährten.« Ihre Gesichtszüge wurden hart, und ihre Schritte verlangsamten sich, als sie sich dem Ende des Korridors näherten. »Baine zumindest ist felsenfest davon überzeugt, dass Char nichts mit der Angelegenheit zu tun hat.«

Levet neigte den Kopf zur Seite. »Und du?«

»Ich bin derselben Meinung wie er.«

»Weil du seine gehorsame Gefährtin bist?«

Sie bedachte ihn mit einem entschlossenen Blick. »Weil ich Char kenne. Er ist charmant, arrogant und maßlos, aber für ihn gibt es nichts Wichtigeres als Loyalität.«

Levet durchstöberte sämtliche Erinnerungen an den Halbblutdrachen. Tayla hatte recht. Char war arrogant. Seine Intelligenz hingegen stand auf einem anderen Blatt, da er sich hartnäckig weigerte, Levets erstaunliche Fähigkeiten anzuerkennen.

Doch das eine, was Levet nicht leugnen konnte, war die Tatsache, dass der jüngere Drache seinem Meister geradezu übertrieben treu ergeben war. Es gab nichts, was er nicht getan hätte – einschließlich sein eigenes Leben zu geben –, um Baine zu beschützen.

Der Gedanke, dass er Baines Schwester entführt hatte und sich Synge zum Feind machte, war unvorstellbar.

Sie traten nun durch die bogenförmige Tür am Ende des Korridors in eine kleine Empfangshalle. Die Wände dort waren glatt und auf Hochglanz poliert, sodass sich der Kronleuchter mit seinen hundert Kerzen in ihnen spiegelte. Zwei lange Bänke standen mitten im Raum, als wäre dies eine Art Wartesaal.

Levets Blick huschte zu den schweren Holztüren, die in die Wände eingelassen waren. Er vermutete, dass jede zu einem separaten Bereich der Privatgemächer führte.

Der Geruch nach uraltem Weihrauch hing schwer in der Luft, zusammen mit dem maskulinen Moschusduft eines reinblütigen Drachen, der in ihre Richtung kam.

Levets Schwanz zuckte. Es lag nicht daran, dass er sich vor einer überdimensional großen Eidechse fürchtete. Natürlich nicht! Er war ein berühmt-berüchtigter Held, der vor nichts und niemandem Angst hatte.

Dennoch verbrachte er seine Zeit lieber mit hübschen Feuerelfen, die seinen Körper mit zärtlichen Liebkosungen statt mit heiß glühenden Höllenqualen bedachten.

Nach einem leisen Räuspern betrachtete er neugierig seine Begleiterin.

»Obwohl mich deine Einladung natürlich sehr schmeichelt, fürchte ich, dass ich nicht genau weiß, was ich hier soll.«

Tayla stand in der Mitte des Zimmers, das Gesicht blass, während sie die Hände besorgt aneinanderrieb.

»Ich mache mir Sorgen um Char und Blayze«, erklärte sie. »Wir müssen sie finden.«

Levet trat vor, spürte er doch, dass mehr dahintersteckte als nur die Sorge um die zwei verschwundenen Drachen.

»Warum ich?«

Tayla rieb sich weiter die Hände, während sie ihre Worte mit Bedacht wählte. Levet spürte einen plötzlichen Stich in seiner Brust. Er mochte es Baine übel genommen haben, einfach in Taylas Teehaus gestürmt zu sein und sie fortgerissen zu haben, doch er hatte keine Sekunde bezweifelt, dass der Drache sie mit jeder Faser seines Reptilienkörpers liebte. Außerdem – und das war noch viel wichtiger – hatte er beobachtet, wie Tayla durch Baine von einer schüchternen, verängstigten Elfe zu einer zufriedenen Frau erblüht war, die der Welt mit Selbstbewusstsein begegnete.

Sie nun wieder nervös und gereizt zu sehen beunruhigte Levet.

»Baine und sein Vater haben gerade erst angefangen, wieder eine Beziehung zueinander aufzubauen«, sagte sie zu dem Gargoyle. »Jetzt sprechen sie schon wieder kaum miteinander. Synge ist überzeugt, dass Char hinter Blayzes Verschwinden steckt, und er ist wütend, weil Baine sich weigert, ihm zuzustimmen.« Sie holte tief Atem. »Je eher wir beweisen können, dass Char keine Schuld trifft, desto besser.«

Levet verzog das Gesicht. Er konnte nachvollziehen, weshalb sie so aufgebracht war. Die Dynamik von Drachenfamilien glich schon unter normalen Umständen einem Pulverfass. Jetzt musste sie kurz davorstehen, beim kleinsten Funken zu explodieren.

Ein sehr guter Grund für einen klugen Gargoyle, sich nicht einzumischen.

»Gewiss suchen Synges Diener bereits nach ihnen?«, mutmaßte er.

»Natürlich, aber sie konzentrieren sich darauf, wie Char unbemerkt aus dem Drachennest fliehen konnte.« Sie warf Levet einen flehentlichen Blick zu. »Ich will herausfinden, ob jemand hereinkommen und sie entführt haben könnte.«

»Das ist höchst unwahrscheinlich.«

»Nicht unwahrscheinlicher, als dass Char Baine hintergangen hat.«

Levet konnte ihrer Logik nichts entgegensetzen. »Du willst, dass ich das Drachennest nach einem Eindringling absuche?«, fragte er.

Sie machte eine matte Handbewegung. »Ich möchte, dass du die Wahrheit herausfindest.«

»Selbst, wenn Char hinter der Sache steckt?«

Sie nickte, ohne zu zögern. »Ja.«

Levet stieß ein tiefes Seufzen aus. Nur ein Narr mischte sich in Drachenangelegenheiten ein, doch er war Taylas großen grünen Augen nicht gewachsen, die ihn schweigend um Hilfe anflehten.

»Très bien.« Schicksalsergeben hob er die Hände. »Ich muss zu der Stelle, an der sie zuletzt gesehen wurden.«

Sie lächelte ihn erleichtert an, bevor sie sich umdrehte und den Raum durchquerte.

»Hier entlang«, sagte sie und schob eine Tür auf.

Vor ihnen lag ein riesiges Zimmer, das in Form eines Achtecks aus dem Gestein gehauen worden war. Über ihren Köpfen war die kuppelförmige Decke mit goldenen Fliesen ausgelegt. Es gab einen hauchzarten, wunderschön bemalten Paravent, der den Hauptraum von einem kleinen Garten am anderen Ende abtrennte, in dem ein Springbrunnen im zarten Schein unzähliger Kerzen schimmerte.

Levet trat vor und blieb dann unvermittelt stehen. Er zitterte, als ein düsteres Gefühl von Unheil sich um ihn legte.

»Es kommt mir vor, als würde ein Troll auf meinem Kopf sitzen«, keuchte er.

Tayla schlang sich die Arme um die Taille. »Du kannst Blayzes Fluch also immer noch spüren. Er macht die Atmosphäre ein wenig angespannt.«

Levet versuchte, die Finsternis zu ignorieren, doch sie hämmerte regelrecht auf ihn ein.

»Das ist dasselbe, als würde man sagen, ein Bär geht spazieren, wenn man ihm im Wald begegnet.«

Taylas Augenbrauen zogen sich zusammen. »Das verstehe ich nicht.«

Levet rümpfte die Schnauze. »Ich auch nicht. Aber ich habe es im Viper Pit gehört«, sagte er und spielte auf die Vampirbar an, wo er früher einmal ein gern gesehener Gast gewesen war.

Okay, vielleicht war gern gesehen nicht das richtige Wort.

Einige dort hielten sich zähneknirschend gerade noch damit zurück, ihn aufzufressen, wenn er durch die Tür kam, traf die Sachlage vielleicht besser.

Levet wurde aus seinen albernen Gedanken gerissen, als die Dunkelheit des Zimmers von einer donnernden Gewalt überschattet wurde, die den Boden zum Beben und die Luft vor Hitze zum Zischen brachte.

Der Gargoyle bohrte die Klauen in den Marmorfußboden. Ein Drache.

Und noch dazu einer mit so viel Macht, dass sich eine Gänsehaut auf Levets Arme und Beine legte.

Ein Schatten fiel über die Türschwelle, während die Luft sich noch weiter erhitzte und Levets Flügel vor Unbehagen flatterten. Also wirklich, Drachen konnten höchst rücksichtslose Kreaturen sein, dachte der Gargoyle. Wenn es ihm ein Bedürfnis war, bei lebendigem Leib geröstet zu werden, würde er lieber zum Vulkan zurückkehren.

Levet konnte sich gerade noch zurückhalten, den Mund aufzureißen und sich zu beschweren, als ein Mann durch die Tür trat und sich in die Mitte des Raums stellte.

Baine.

Der Drache hatte seine menschliche Gestalt gewählt. Ein schmales Gesicht mit asiatischen Zügen und mandelförmigen Augen, in denen ein bernsteinfarbenes Feuer brannte. Seine glatten schwarzen Haare fielen in geschmeidig glänzender Perfektion bis knapp über seine Schultern. Er trug nichts weiter als eine locker geschnittene Dojo-Hose, sodass seine Tätowierungen zu sehen waren, die in einem eigentümlichen metallischen Schimmer über seine blasse Haut krochen. Jemand, dem diese Zeichen nicht vertraut waren, könnte leicht von ihrer Schönheit hypnotisiert werden, da sie schwach pulsierten und ihre Farbe veränderten.

Die Symbole stellten das Wissen dar, das sich Baine im Laufe seines langen Lebens angeeignet hatte. Wie eine sich bewegende Bibliothek.

Auf Steroiden.

Bei dem eindringlichen Geruch von Macht, Räucherwerk und Magie zuckte Levets Schnauze.

Die Arme vor der Brust verschränkt, beäugte Baine seine Gefährtin, bevor er seine Aufmerksamkeit auf den Gargoyle richtete. »Jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt für einen Besuch«, knurrte er.

Tayla trat vor und legte beschwichtigend eine Hand auf den Arm ihres Gefährten. »Ich habe ihn hergebeten.«

Der Drache hob erstaunt eine Augenbraue, den Blick weiterhin auf die plumpen Gesichtszüge des Gargoyles gerichtet, als würde er nach Schimmel suchen. Levet schnaubte. Er hatte schon eine Ewigkeit keinen Schimmel mehr im Gesicht gehabt, nicht seitdem er einmal auf einer Kirche in Amsterdam eingenickt war und dort ein paar Jahrzehnte geschlafen hatte.

»Warum?« Das kam von Baine. Ein Drache weniger Worte.

Doch andererseits musste man natürlich auch nicht viel sagen, wenn man Feuer speien konnte.

Levet schnaubte erneut. »Seit wann muss Tayla um Erlaubnis fragen, um von einem ihrer Lieblingsdämonen besucht zu werden?«

Die Augenbraue hob sich noch ein Stück. »Dein Schädel ist sogar noch dicker, als ich vermutet habe, wenn du glaubst, du wärst einer ihrer Lieblingsdämonen.«

Levet blickte finster drein, doch bevor er ihm eine Erwiderung entgegenschleudern konnte, begann Tayla zu reden.

»Levet besitzt das Talent, Illusionen zu durchschauen.«

Baines Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf seine Gefährtin. »Genau wie Ravel«, rief er ihr Blayzes Mutter in Erinnerung.

Tayla schüttelte den Kopf. »Nein, sie hat die Fähigkeit, Illusionen zu erschaffen.«

Baine zögerte und überdachte ihre Worte, bevor er entschieden nickte.

»Du hast recht«, gab er zu. »Aber ich verstehe immer noch nicht, warum du den Gargoyle herbestellt hast.«

Besorgnis verdunkelte Taylas Augen, als diese über die verbissenen Gesichtszüge ihres Gefährten wanderten.

»Wir müssen etwas tun, Baine«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Zum ersten Mal seit vielen Jahrhunderten hast du eine Beziehung zu deinem Vater aufgebaut. Ich ertrage es nicht, dass diese wegen eines Missverständnisses zerstört wird.«

Die Luft zischte mit einem Aufbrausen von Hitze. »Es ist kein Missverständnis«, keuchte Baine. »Char würde Blayze niemals entführen!«

Tayla stellte sich neben ihren Gefährten und legte ihm die Hand mitten auf die Brust. Die Tätowierungen wirbelten mit schwindelerregender Geschwindigkeit über seine Haut.

»Das glaube ich dir. Von ganzem Herzen«, sagte sie. »Aber für Synge brauchen wir einen unumstößlichen Beweis.«

Das schmale Gesicht des Drachen wurde weicher, seine Finger berührten zärtlich Taylas Wange. »Und du glaubst, dieses Geschöpf könnte helfen?«

»Hey …« Levet wollte schon protestieren, da presste er hastig die Lippen aufeinander, als der brennende bernsteinfarbene Blick ihn durchbohrte. Er war furchtlos, nicht dumm. Baine war ganz offensichtlich gereizt, was die Luft mit seiner Macht zum Brutzeln, Knacken und Zischen brachte. »Ich bin ein Dämon mit vielen Talenten«, grummelte Levet.

Tayla tätschelte leicht seinen Flügel, bevor sie die Hand senkte. »Wenn Char Blayze nicht entführt hat, muss ein anderer in die Drachenhöhle eingedrungen sein und die beiden gekidnappt haben.«

Baines Augenbrauen zogen sich jäh zusammen. »Unmöglich. Niemand kann unbemerkt eine Drachenhöhle betreten.«

Tayla bedachte ihren Gefährten mit einem spröden Blick. »Ich schon.«

»Das liegt daran, dass du etwas ganz Besonderes bist.«

Freudige Röte schoss in die Wangen der Elfe, obwohl sie gleichzeitig den Kopf schüttelte.

»Ich freue mich, dass du mich für etwas Besonderes hältst, aber wir beide wissen, dass meine Begabung nicht einzigartig ist.«

Baine versteifte sich. »Glaubst du, eine andere Fee mit königlichem Blut könnte eingedrungen sein?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Oder es ist ein Dämon, von dem wir nicht einmal wissen, dass er dieselbe Macht wie ich besitzt.«

Baine schwieg eine Weile, während ein hauchzarter Rauchfaden sich aus seinem Nasenloch kringelte.

»Was kann der Gargoyle tun?«, wollte er wissen. »Hätte es einen Eindringling gegeben, hätte ich seine Fährte gerochen.«

»Nicht wenn er die Fähigkeit besitzt, seine Gegenwart mit einer Illusion zu verschleiern.«

Eine weitere Pause. Dann nickte der Drache widerstrebend. »Na schön. Er darf helfen.«

Levets Augen verengten sich zu Schlitzen. Aufgeblasener Dummschädel!

Nein, Moment mal. Dummkopf. Oui. Das klang schon viel besser.

Doch noch während er nach den richtigen Worten suchte, um den uralten Dämon darüber aufzuklären, dass er Besseres zu tun hatte, als sich in einer stinkenden Drachenhöhle umzusehen, erhaschte er Taylas flehentlichen Blick.

»Bien.« Levet straffte die Schultern. Er konnte Drachen einfach nicht ausstehen. Zwar hasste er sie fast so sehr wie Vampire, doch er würde alles in seiner Macht Stehende tun, um Taylas Sorgen zu verscheuchen. »Lasst mich in Ruhe meine Arbeit machen.«

Levet schloss die Augen – ihm war aufgefallen, dass der Effekt dann viel dramatischer war –, streckte die Hand aus und schlich langsam durchs Zimmer. Hinter sich konnte Levet hören, wie Baine leise in sich hineinmurmelte.

Er schnappte die Wortfetzen lächerlich und Plagegeist auf. Typisch Drache! Eifersüchtig auf jeden anderen Mann, der ganz offensichtlich mit einem größeren Talent gesegnet war.

»Er ist wirklich der Beste, um Illusionen aufzuspüren«, versicherte Tayla ihrem Gefährten.

Fest entschlossen, Taylas Glauben an sein Können nicht zu enttäuschen, konzentrierte Levet sich mit aller Gewalt auf seine Umgebung.

Keine einfache Aufgabe. Drachenhöhlen waren mit einer Vielzahl an Dämonen gefüllt, was bedeutete, dass es hundert unterschiedliche Arten von Magie gab, die sich in der Luft verwoben. Abgesehen von Baines gewaltiger Macht, die wie ein Presslufthammer auf ihn eintrommelte.

Er schlich zum Bett in der hintersten Ecke, die Schnauze gerümpft. Der Fluch umhüllte diesen Bereich wie ein widerlicher Wirbel. Die arme Blayze! Ihr Leben musste der reinste Horror sein. Und nun war sie auch noch entführt worden und zwar von einem …

Levet erstarrte und bückte sich langsam, um die Brandflecken zu berühren, die den Boden neben dem Bett verunstalteten.

»Hier«, sagte er.

Tayla eilte neben ihn, ihre Kleidung raschelte dabei laut. »Was ist los?«

Seine Stirn kräuselte sich, als er zuließ, dass die nachhallende Magie sich in ihm ausbreitete.

»Es ist nicht wirklich ein Portal, aber irgendeine Art Öffnung ist geschaffen worden.«

Tayla ging neben ihm in die Hocke. »Elfen?«

Levet schüttelte den Kopf. »Drachen.«

Es folgte eine entsetzte Stille, bevor Tayla einen scharfen Seufzer ausstieß.

»Verdammt. Ich war so sicher, dass Char unschuldig ist.« Tayla richtete sich wieder auf.

Levet hörte ihre leisen Worte kaum. Seine Aufmerksamkeit galt allein dem gedämpften Summen der Macht, das ihm fast entgangen wäre.

»Da ist noch etwas«, sagte er mit abwesender Stimme, während er von sonderbaren Vibrationen durch den Raum gezerrt wurde.

Tayla folgte ihm. »Was ist dort?«

Hmm. Eine faszinierende Frage.

Es war keine Illusion, überlegte er, als er zur gegenüberliegenden Wand eilte. Oder ein Zauber. Eher das Echo von Magie.

»Es ist uralt«, entschied er schließlich und hob die Hand, um den Wandteppich zu berühren, der die Steinwand vom Boden bis zur Decke schmückte.

Der Wandteppich unterschied sich von denen im Korridor. Dieser hier war freundlicher, eine Reihe von Bildern mit Kindern, die in einem sonnendurchfluteten Garten spielten. Er würde sein liebstes Backstreet-Boys-Poster verwetten, dass dieses Kunstwerk von Ravel ausgesucht worden war, nicht von Synge.

Tayla strich mit den Fingern über seinen Flügel. »Levet?«

»Waren dies hier Blayzes ursprüngliche Gemächer?«, fragte er mit gerümpfter Nase, als ein Prickeln von Macht durch seinen Arm schoss.

Der Wandteppich war nicht verantwortlich für die Magie, die er spürte.

»Ja«, erklärte Tayla. »Warum?«

Levet packte den uralten Stoff und riss ihn mit einem einzigen heftigen Ruck zu Boden. Tayla stieß einen erstickten Schrei aus. Vielleicht war sie wegen der Staubwolke besorgt, die sich auf ihre hübsche Tunika legte. Wahrscheinlicher war allerdings, dass sie wegen des feurig-heißen Todes erschreckt war, zu dem Synge jeden verurteilen würde, der es wagte, das Zimmer seiner geliebten Tochter zu entweihen.

Levet hingegen bereitete die auf Hochglanz polierte Steinwand mehr Sorge. »Hier ist etwas«, verkündete er, und sein Schwanz schnalzte gegen den Boden, als er einen Schritt nach vorne ging.

Baine stellte sich direkt hinter Levet, und seine Hitze versenkte dem Gargoyle fast die Flügel. Das nächste Mal, wenn er eine Drachenhöhle besuchte, würde er eine Tüte Marshmallows mitbringen, um sie zu grillen. Die lästigen Geschöpfe waren arrogant und selbstsüchtig, und ihnen fehlte auch nur das Minimum an guten Manieren.

Das Mindeste, was sie tun könnten, war, ihm einen leckeren Snack anzubieten.

»Ich sehe nichts«, sagte Baine.

»Ich zeige es dir.« Levet nahm einen tiefen Atemzug und sammelte seine Kräfte.

»Nein«, fauchte Baine. »Deine Magie ist …«

»Außergewöhnlich«, unterbrach ihn Levet und tippte mit der Klaue gegen die Wand. Gleichzeitig entfesselte er die Magie, die tief in ihm brodelte.

Ein Aufbäumen von gespannter Erwartung durchzuckte ihn, und dann, ohne jede Vorwarnung, platzte seine Magie mit schwindelerregender Stärke aus ihm heraus.

Das war natürlich nicht seine Schuld. Vielleicht ließ die Kontrolle über seine Kräfte gelegentlich ein wenig zu wünschen übrig. Doch er konnte wohl kaum für den Umstand verantwortlich gemacht werden, dass sie regelrecht explodierte, als sie auf den Zauber traf, der in der Wand steckte.

Es folgte eine Detonation, die Levets Ohren zum Klingeln brachte, während mehrere Steinbrocken von der Decke herabfielen. Gleichzeitig barst der Boden unter seinen Füßen, als würde die Drachenhöhle sich auftun und ihn in den Hades zerren.

Der Drache hinter ihm stieß ein tiefes Knurren aus. »Mist!«, keuchte Baine. »Mein Vater wird uns umbringen.«

Tayla versuchte, ihren wutentbrannten Gefährten zu beruhigen. »Nicht wenn wir Blayze finden.«

Levet ignorierte die beiden, sein Blick nur auf die schimmernden Hieroglyphen gerichtet, die unvermittelt auf der Wand aufgetaucht waren.

Ha! Er hatte doch gewusst, dass er etwas gespürt hatte.

Tayla und Baine bemerkten erst jetzt Levets beeindruckende Entdeckung und eilten an seine Seite.

»Was ist das?«, wollte Tayla wissen.

Levet fuhr mit der Spitze seiner Klaue eine der Hieroglyphen nach. All diese Zeichen sahen aus, als wären sie in die untere Hälfte der Wand gebrannt worden.

»Uralte Runenzeichen«, sagte Levet abwesend.

»Ein Teil des Fluchs?«, hakte Tayla nach.

Levet schauderte und riss abrupt die Klaue von der Mauer. In den Zeichen steckte pulsierende Dunkelheit.

»Oui«, hauchte er und rieb sich in dem Versuch, das widerliche Böse abzuschütteln, das von den Runen ausging, mit der Klaue übers Bein.

Baine stieß einen überraschten Laut aus. »Du hast den Fluch entdeckt?«

»Nur einen Nachhall davon«, korrigierte ihn Levet.

»Erklär das!«, befahl Baine.

Levet runzelte die Stirn. »Es ist der Rückstand des ursprünglichen Fluches.«

Die Tätowierungen unter Baines Haut wirbelten wild, während er Levet ungeduldig anstarrte. »Das ist keine Erklärung.«

Levet runzelte finster die Stirn und sah zu Tayla. »Muss der wirklich hier sein? Ich kann mich schlecht konzentrieren mit einer überdimensional großen Eidechse, die mir ihren Atem in den Nacken haucht.«

Tayla stieß ein so tiefes Seufzen aus, als wäre es von einer armen Elfe schlicht zu viel verlangt, sich mit zwei Männern gleichzeitig herumzuschlagen. »Bitte, Levet, das hier ist wichtig.«

Levet presste die Lippen zusammen und zwang sich, sich zu dem kochenden Drachen zurückzudrehen.

»Als sie mit dem Zauber belegt worden ist, hat er sich in die Wand eingegraben«, erklärte er.

»Zauber?« Baines bernsteinfarbene Augen verengten sich. »Willst du etwa sagen, dass der Fluch von einer Hexe stammt?«