Frauen auf dem Sprung - Jutta Allmendinger - E-Book

Frauen auf dem Sprung E-Book

Jutta Allmendinger

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Beschreibung

„Wir können und wollen alles“ – Lebensentwürfe einer neuen Generation von Frauen

Wie leben junge Frauen heute? Welche Ziele haben sie und wie wollen sie diese erreichen? Im Rahmen der großen BRIGITTE-Studie hat Jutta Allmendinger die neue Generation von Frauen zwischen 20 und 30 zu ihrer Lebensplanung und ihren Gesellschaftsvorstellungen befragt. Entstanden ist daraus ein Buch für alle, die wissen wollen, wie Frauen in Deutschland leben und was ihnen wichtig ist – im Beruf, in der Familie und nicht zuletzt in der Partnerschaft.

Die jungen, heute 20- bis 30-jährigen Frauen sind gut ausgebildet, sie haben viel erreicht und noch viel größere Pläne. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für sie ein selbstverständliches Anliegen, sie wollen Kinder und eine Karriere haben. Im Rahmen der BRIGITTE-Studie hat sich Jutta Allmendinger nun auf wissenschaftlicher Basis dieser neuen Generation von Frauen genähert. Sie vergleicht die Wünsche und Lebensplanungen der jungen Frauen aus Ost und West mit denen ihrer männlichen Altersgenossen und ordnet die gewonnen Erkenntnisse in den Kontext der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland ein.

Jutta Allmendinger präsentiert kompakt und eindrücklich die wegweisenden Ergebnisse dieser Untersuchung: Die jungen Frauen sind auf dem Sprung. Sie werden einen erfolgreichen, selbstbestimmten Weg gehen und unsere Gesellschaft nachhaltig verändern. Die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft sollten diesen selbstbewussten Frauen gut zuhören, denn sie bestimmen die Diskussion über das gesellschaftliche Modell von morgen.



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Seitenzahl: 125

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Jutta Allmendinger

Frauen auf dem Sprung

Wie junge Frauen heute leben wollen

DIE BRIGITTE-STUDIE

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Copyright © 2009 by Pantheon Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Covergestaltung: Büro Jorge schmidt, München

Lektorat: Jana Schrewe Forschungsassistenz: Christine Puschmann Karte und Grafiken: Peter Palm, Berlin

ISBN 978-3-641-04495-4 V002

 

www.pantheon-verlag.de

Vorwort
Dieses Buch erzählt von den Lebensentwürfen und Lebensverläufen junger Frauen in Deutschland, die wir 2007 und dann wieder 2009 befragt haben. In vielen persönlichen Gesprächen und über 3000 Interviews haben wir erkundet, wie sich die jungen Frauen ihr Leben vorstellen und was sie von ihrer Erwerbsarbeit, ihren Partnerschaften, von der Gesellschaft erwarten. Spannend ist der Vergleich über die Jahre. Werden Frauen mit dem Alter traditioneller? Kehren sie zurück zu Heim und Herd? Nimmt ihnen die Wirtschaftskrise den Schwung?
Beide BRIGITTE-Studien sind das Gemeinschaftswerk eines tollen Teams. Frauen und Männer, Schüler und Erwerbstätige, Menschen mit und ohne Kinder, aus West- und Ostdeutschland, mit ganz unterschiedlichen Berufen, aus ganz unterschiedlichen Disziplinen, in ganz unterschiedlichem Alter haben zusammengearbeitet. Aus der Forschung wissen wir: Heterogene Teams sind kreativ, auch wenn sie oft besonders anstrengend sind.
Angestrengt haben sich alle, auch die Befragten. Wir haben in der ersten Phase mit mehr jungen Frauen persönlich gesprochen, als zunächst vorgesehen. Es faszinierten uns die Lebensentwürfe der jungen Frauen, ihr Selbstbewusstsein, ihre Redegewandtheit. Uns überraschten Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschen, die wir so nicht mehr erwartet hätten. Die langen Gespräche mit den Frauen machten uns auch neugierig auf die jungen Männer. Lauschten wir hier Erzählungen einer insgesamt neuen Generation oder lediglich den Lebensvorstellungen einer neuen Frauengeneration? Mit jedem Gespräch, das wir mit den jungen Frauen führten, gewann die Frage mehr an Gewicht: Geschlecht oder Generation? Schließlich haben wir uns entschlossen, eine zweite, exakt parallel angelegte Befragung junger Männer durchzuführen. Diese Dokumentation der BRIGITTE-Studien 2007 und 2009 enthält daher systematische Vergleiche mit den Ergebnissen der parallel am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) erarbeiteten Erhebungen »Männer unter Druck«.
Nach den offenen Vorgesprächen mit jungen Frauen und Männern in vielen großen und kleinen Erhebungen im Osten, Süden, Norden und Westen Deutschlands glühten uns förmlich die Köpfe: Wie nur sollten wir jetzt eine standardisierte Befragung auf die Beine stellen, in der all die interessanten Ansätze unserer Gesprächspartnerinnen und -partner nicht verloren gehen? Wir sahen nur einen Weg: Wir wollten die Befragten so wenig wie möglich in vorgegebene Antwortkategorien einzwängen, ihnen maximale Freiheit lassen. Also baten wir sie, Bilder zu kleben, die ihre Lebensentwürfe darstellen, und Kärtchen auszuwählen, auf denen bestimmte Gesellschaftsentwürfe zu sehen sind, um schließlich den eigenen Platz in dieser Gesellschaft zu markieren. Wir zeigten Fotos und fragten, mit welcher der abgebildeten Person sie sich identifizieren, wer die Zukunft unserer Gesellschaft prägen solle, wer sie tatsächlich prägen würde. Das alles war Neuland, das wir betreten haben.
Wer hätte uns auf diesem Weg besser begleiten können als die Vorgeneration, Jugendliche also, die noch jünger als unsere Befragten sind, vielleicht noch freier, spontaner im Denken, noch weniger eingesperrt in gesellschaftliche Lebensgrenzen. Philipp und Max, Rosa und Sina waren unsere vier Jungen, mit denen wir viel ausheckt haben: Auf Pyramiden, Zwiebeln, Rechtecke, Handballspieler und Fischschwärme haben sie uns gebracht. Sie haben gestaltet, getestet, verworfen, neu entworfen, frisch gedeutet. Ihre Nachfragen haben unsere Fragen modifiziert. Für ein kleines Stück Sozialforschung haben sie uns ihr bisschen freie Zeit und das kostbare Gut freier gemeinsamer Augenblicke gegeben. Wir danken ihnen dafür und widmen dieses Buch den vier Jungen.
Persönlich danke ich an erster Stelle Heinrich Baßler, dem Administrativen Geschäftsführer des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Die erste Studie im Jahr 2007 kam zur Unzeit, sie platzte in meinen Übergang vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zum WZB. Sie nahm mir Einarbeitungszeit und wälzte viele Vorgänge auf den Schreibtisch meiner institutionellen »besseren Hälfte« ab. Für die langen Abende am Reichpietschufer, die mir nie aufgerechnet oder angelastet wurden, danke ich.
Mein großer Dank geht auch an Andreas Lebert, BRIGITTE-Chefredakteur, einen wahrlich inspirierenden Gedankenschärfer und berufenen Frauenkenner. Ohne die Möglichkeit, über meine Eindrücke aus dem Feld ständig mit ihm zu diskutieren, wäre aus dem Ganzen viel weniger geworden. Dies gilt auch für Claudia Kirsch, Norbert Rejk, Christa Thelen und Barbara Voigt. Ihr Mitdenken, ihre vielen Nachfragen und ihre kritischen Kommentare haben mich vor dem Abheben bewahrt, zurück zu den Daten geführt, Fehler vermeiden lassen.
Meine Freude gilt Doris Hess, der Bereichsleiterin Sozialforschung am infas Institut für angewandte Sozialwissenschaften in Bonn, mit der ich nach zwanzigjähriger Unterbrechung wieder eng zusammenarbeiten durfte. Sie ist heute noch erfrischender, noch zupackender, noch wissender als zu unseren gemeinsamen Max-Planck-Zeiten. Ihr Schulterklopfen und ihre Süßigkeiten sind dagegen noch die gleichen, auch haben sie ihre Wirkung nicht verloren. Vielleicht haben auch deshalb all die Interviewerinnen und Interviewer von infas die Herausforderung, beide Studien in kurzer Zeit auf die Beine zu stellen, ebenso glanzvoll gemeistert wie die Kollegen in Bonn selbst.
Meine Hochachtung und Verbeugung gilt ganz besonders den Sprachklempnern und Gedankenschleifern Paul Stoop, Leiter des Referats Information und Kommunikation des WZB, und Stephan Leibfried, Mitabteilungsleiter im Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen und Sprecher des dortigen Sonderforschungsbereichs »Staatlichkeit im Wandel«. Sie haben die meisten Zeilen der ursprünglichen Berichtsbände gelesen und kommentiert. Mein großer Dank hierfür. Das Lektorat des Buches hat Jana Schrewe übernommen: sehr kompetent, sehr zuverlässig, sehr kritisch auch sie. Und mit einem großen Herz für meine vielen Auszeiten in Unzeiten.
Ohne mein tagtägliches Team aber wäre das Ganze nie zustande gekommen. Christine Puschmann hat glücklicherweise punktgenau ihr Studium an der LMU München beendet, um hier zusteigen zu können. Sie hat beide Studien von Beginn an begleitet, kennt jede Frage, auch jede Antwort. Sie hat exploriert, transkribiert, standardisiert, tabelliert, analysiert und interpretiert. Sie hat laufenden Kontakt zwischen Berlin, Bonn und Hamburg gehalten, ruhig, auch in stürmischen Zeiten. Die Studien haben ihr sehr viel zu verdanken. Dies gilt umso mehr, als sie mich, zusammen mit Miriam Godefroid und Jessica Haase, zeitgleich durch den großen Rest meines Erwerbslebens zu navigieren hatte. Nichts ist dabei schiefgegangen, vielen Dank für all das. Meine Anerkennung gilt auch Marcel Helbig, der die erste Erhebung begleitet hat. Als ostdeutscher Mann, selbst Mitglied der befragten Kohorte, brachte er mich in mindestens zweifacher Hinsicht weiter: Ich lernte, die ostdeutschen Frauen besser zu verstehen und Geschlechterstereotype besser zu fassen. Es sind diese beiden Kapitel, die er mit konzipiert und geschrieben hat. Chapeau. Die BRIGITTE-Studie 2009 wurde unterstützt von Anna auf dem Brinke, einer jungen Frau, die schon längst gesprungen ist und noch höher springen wird. Was die Daten zeigten, lebte sie uns tagtäglich vor. Beeindruckend und richtig gut.
KAPITEL 1
In welcher Gesellschaft leben die Frauen?
Die Zukunft ist weiblich, pfeift es von den Dächern – so laut, dass man zunehmend in die Defensive gerät, wenn man abwiegelt und darauf verweist, welch hoher Anteil bei Hausarbeit und Kindererziehung nach wie vor Frauen zukommt, wie deutlich die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern bei vergleichbarer Arbeit sind, wie riesig die Differenz im Nettoeinkommen ist, wie selten Frauen Führungspositionen einnehmen.1 Wird der Fortschritt nur herbeigeredet, ist er lediglich ein »Doping für das Selbstgefühl der Frauen«, und soll er »einer Schnecke Beine machen«? 2 Oder wird er gar weggeredet, werden wir nur eingelullt mit Geschichten prämierter Weiblichkeit und diskriminierter Männlichkeit? 3
Zunächst: Ja, wir sehen viele Zeichen für eine Geschlechterwende. Die demographische Entwicklung Deutschlands, Transformationsprozesse auf dem Arbeitsmarkt, ein mittelfristig eintretender Fachkräftemangel, die gute Bildung und Ausbildung von Frauen – all diese Faktoren sprechen deutlich dafür.
Die Bevölkerungszahl sinkt. Gleichzeitig altert die Gesellschaft. Das Zahlenverhältnis zwischen Alt und Jung wird sich rasch und stark verändern. Waren Ende 2005 noch 61 Prozent der Bevölkerung im Erwerbsalter zwischen 20 und 65 Jahren, so wird es im Jahr 2050 insgesamt nur noch die Hälfte sein. Heute sind 19 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt, bis 2050 wird dieser Anteil auf ein Drittel ansteigen. Und noch anschaulicher: Im Jahr 2050 werden 15 Prozent der Bevölkerung unter 20 und 15 Prozent über 80 Jahre alt sein. 2050, dieses Jahr scheint uns in weiter Ferne. Doch die jungen Frauen von heute sind dann noch nicht einmal 60 Jahre alt.
Erschwerend kommt hinzu, dass die deutsche Wirtschaft einen »doppelten Strukturwandel«4 durchläuft. Verglichen mit dem Dienstleistungssektor wächst die Produktion im industriellen Sektor kaum. Seit Anfang der 1990er Jahre werden immer weniger Menschen in diesem Bereich beschäftigt. Dagegen expandieren die wissens- und forschungsintensiven Wirtschaftszweige im industriellen wie im Dienstleistungssektor. Beide Entwicklungen führen dazu, dass Zuwächse in der Wertschöpfung und in der Beschäftigung in Deutschland nur noch auf die wissensintensiven Branchen zurückzuführen sind. Vor allem unternehmensbezogene Dienstleistungen, also Forschung und Entwicklung, Markt- und Meinungsforschung oder IT-Beratung, gewinnen stark an Bedeutung. Damit sinken für Geringqualifizierte die Chancen, Arbeit zu finden, und der Bedarf an höher qualifiziertem Personal steigt.5
Abb. 1: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen
Quelle: Statistisches Bundesamt (2007): Bevölkerung Deutschlands bis 2050. 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden, eigene Berechnungen.
Doch das Angebot wird knapp. Mit dem Bevölkerungsumbruch gehen hohe Verluste im durchschnittlichen Bildungsniveau einher. In den kommenden Jahren werden sehr viele gut ausgebildete Erwerbstätige in den Ruhestand treten, ohne dass entsprechend viele Menschen nachfolgten, die eine vergleichbar hohe Qualifikation aufweisen. Man stelle sich nur vor: Selbst wenn die nachwachsenden Generationen alle eine wesentlich bessere Bildung als die heute Aktiven hätten, würden dem Arbeitsmarkt absolut gesehen immer noch weniger gut Gebildete als heute zur Verfügung stehen.6
Auf diesen Dreiklang von demographischer Entwicklung, Strukturverschiebungen auf dem Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel verweisen jene, die von Frauen als den »Gewinnerinnen von morgen« sprechen. Arbeitgeber könnten nicht mehr wählen und wären auf Frauen als Arbeitskräfte mehr denn je angewiesen. Warum?
Die vier goldenen Jahrzehnte einer Bildungspolitik, die gute Bildung für möglichst viele ermöglichen wollte, sind vorbei. Damals, zwischen 1955 und 1995, waren die Gewinne hoch: Besuchten 1955 noch 75 Prozent eines Jahrgangs die Hauptschule, so verringerte sich dieser Anteil bis 1995 auf ein Viertel. Dagegen verdoppelte sich der Anteil der Abiturienten beinahe: Gingen 1955 noch 16 Prozent aufs Gymnasium, so waren es 1995 bereits 31 Prozent. Nach 1995 kam diese Entwicklung zum Stehen. So scheint es. Schaut man jedoch genauer auf die Daten, so erzählen sie zwei ganz unterschiedliche Geschichten. Und keine berichtet von Stagnation. Zunächst die Geschichte der Frauen: In den Jahren zwischen 1990 und 2008 stieg der Frauenanteil unter den Abiturienten auf 56 Prozent. Von einer allgemeinen Bildungsstagnation kann also nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Frauen führen die begonnene Bildungsexpansion fort. Die zweite Geschichte ist die der Männer. Auch sie erleben keine Stagnation, sie befinden sich in einer Phase der Bildungskontraktion.
Doch damit nicht genug. Auch bei den kognitiven Kompetenzen, einem weiteren Bildungsmaß, öffnet sich die Geschlechter-schere. Schauen wir auf die Daten des »Programme for International Student Assessment«, kurz PISA, welches seit dem Jahr 2000 die Kompetenzen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern aller Schulformen in Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften und anderen Bereichen international einheitlich ermittelt und vergleicht.7 Und betrachten wir dort zwei Gruppen genauer: zunächst die Kompetenzarmen – das sind Jugendliche, die unterhalb der PISA-Stufe II liegen. Diese Gruppe wird vom PISA-Konsortium als »Risikogruppe« beschrieben, zum Teil als »funktionale Analphabeten«. Unter den Kompetenzarmen finden wir weniger Mädchen. Lag im Jahr 2000 der Anteil kompetenzarmer Mädchen noch bei 18 Prozent, so sank er 2006 auf 14 Prozent. Bei den Jungen sind die Anteile hingegen konstant hoch und liegen zwischen 26 und 28 Prozent. Schauen wir jetzt auf die Kompetenzreichen, also die Gruppe von Jugendlichen, die über Kompetenzen auf der PISA-Stufe V verfügen. Von den Jungen sind seit der ersten PISA-Befragung konstant etwa 7 Prozent im Olymp der Kompetenzreichen. Bei den Mädchen stieg der Anteil über die drei bisherigen PISA-Erhebungen hinweg von 11 auf 13 Prozent.
Abb. 2: Anteil weiblicher Schulabgänger nach Art des Abschlusses 1967 bis 2008
Quelle: BMBF (2004): Grund- & Strukturdaten, Bonn; Statistisches Bundesamt (2009): Fachserie 11, Reihe 1, Bildung und Kultur, Wiesbaden.
Am Rande sei erwähnt, dass beide Messgrößen, Zertifikate wie kognitive Kompetenzen, so einfach nicht zusammenfallen.8 Es gibt Kinder mit hohen kognitiven Kompetenzen, die in der Hauptschule sind, und Kinder mit niedrigen kognitiven Kompetenzen, die das Gymnasium besuchen. Dies gilt wahrscheinlich auch für ein drittes Bildungsmaß: soziale Kompetenzen. Diese werden in einer wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft zunehmend wichtig. Doch bisher wissen wir über sie vergleichsweise wenig und sind auf die Ergebnisse des nationalen Bildungspanels9 gespannt.
Lassen wir all diese gesellschaftlichen Entwicklungen auf uns wirken, so kommen wir zu dem Schluss: Die jungen Frauen von heute werden bald heftig umworben. Wollen sie erwerbstätig sein, dann sind ihre Chancen heute und in Zukunft so gut wie noch nie. Die Gründe hierfür haben nichts mit all den Debatten um Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit und »gender mainstreaming« zu tun. Sie liegen auch nicht in einer höheren Frauen- oder Familienfreundlichkeit. Nein, die Gründe sind schlicht der Tatsache geschuldet, dass Männer Mangelware werden – gut gebildete Männer. Und die Wirtschaft muss bei fallendem Arbeitskräftepotential auf alle – wirklich alle – gut Gebildeten zurückgreifen, die sie bekommen kann.
Wenn man dies will, so bleibt viel zu tun.
Noch ist Deutschland weit entfernt von einer Chancengleichheit für Frauen und Männer. Die Frauenerwerbsquote liegt mit 66 Prozent auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Bei den Männern beträgt der Wert 77 Prozent.10 Die Differenz ist damit deutlich größer als in vielen europäischen Ländern mit einer weiblichen Erwerbsquote nahe 80 Prozent.11 Hinzu kommt, dass hinter der Erwerbsquote von Frauen ein relativ geringes Arbeitsvolumen steht. Früher waren weniger Frauen als heute erwerbstätig, das stimmt. Aber diese Frauen arbeiteten oft Vollzeit. Jetzt sind zwar weit mehr Frauen erwerbstätig, jedoch meistens in Teilzeit. Dies gilt insbesondere für Frauen mit Kindern. Ihre Erwerbsquoten sind niedriger als jene von Frauen ohne Kinder, sie arbeiten auch weniger Stunden. Ganz anders die Männer. Sind Männer Väter, so liegen ihre Erwerbsquoten und ihr Arbeitsvolumen deutlich über jenen von Männern ohne Kinder. Finanziellen Notwendigkeiten ist dies nicht geschuldet, denn gerade besser verdienende Väter arbeiten besonders lange.
Abb. 3a: Durchschnittliche Alters- und Witwenrenten von Frauen 1990 bis 2007(alte Bundesländer)
Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund (2008): Rentenversicherung in Zeitreihen.