Verschenkte Potenziale? - Jutta Allmendinger - E-Book

Verschenkte Potenziale? E-Book

Jutta Allmendinger

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Beschreibung

Die Erwerbsquote von Frauen liegt in Deutschland weiterhin deutlich unter der von Männern. Jutta Allmendinger untersucht, welche Lebensumstände dazu führen, dass Frauen sich vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Sie zeigt, dass neben Familienstand und Kindern der zuletzt ausgeübte Beruf wesentlich die Dauer der Nichterwerbstätigkeit beeinflusst. Was aber tun die Frauen während dieser Zeit neben unbezahlter Haus- und Pflegetätigkeit? Welche Rolle spielen Ehrenämter, Umschulungen und Weiterbildung? Welche Frauen treten schließlich wieder in den Arbeitsmarkt ein? Das Buch veranschaulicht die Vielfalt an Lebenswegen, persönlichen Wünschen und Schwierigkeiten, die zur Nichterwerbstätigkeit führen. In persönlichen Porträts geben nichterwerbstätige Frauen zusätzlich Auskunft. Ein abschließender Blick auf die Rahmenbedingungen in anderen europäischen Ländern macht deutlich: Der Staat täte gut daran, typische Hindernisse auf dem Weg zurück ins Berufsleben zu beseitigen und den Frauen aktive Hilfe für den Wiedereinstieg anzubieten. Denn sie werden als qualifizierte Arbeitskräfte gebraucht.

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Information zum Buch

Die Erwerbsquote von Frauen liegt in Deutschland weiterhin deutlich unter der von Männern. Jutta Allmendinger untersucht, welche Lebensumstände dazu führen, dass Frauen sich vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Sie zeigt, dass neben Familienstand und Kindern der zuletzt ausgeübte Beruf wesentlich die Dauer der Nichterwerbstätigkeit beeinflusst. Was aber tun die Frauen während dieser Zeit neben unbezahlter Haus- und Pflegetätigkeit? Welche Rolle spielen Ehrenämter, Umschulungen und Weiterbildung? Welche Frauen treten schließlich wieder in den Arbeitsmarkt ein? Das Buch veranschaulicht die Vielfalt an Lebenswegen, persönlichen Wünschen und Schwierigkeiten, die zur Nichterwerbstätigkeit führen. In persönlichen Porträts geben nichterwerbstätige Frauen zusätzlich Auskunft. Ein abschließender Blick auf die Rahmenbedingungen in anderen europäischen Ländern macht deutlich: Der Staat täte gut daran, typische Hindernisse auf dem Weg zurück ins Berufsleben zu beseitigen und den Frauen aktive Hilfe für den Wiedereinstieg anzubieten. Denn sie werden als qualifizierte Arbeitskräfte gebraucht.

Informationen zur Autorin

Jutta Allmendinger, geboren 1956, ist Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung und Professorin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Bildungssoziologie, Soziologie des Arbeitsmarktes, soziale Ungleichheit und deren Auswirkungen auf die Lebensverläufe von Frauen. Sie ist Autorin und Herausgeberin zahlreicher Bücher. Zuletzt erschien von ihr »Frauen auf dem Sprung. Wie junge Frauen heute leben wollen« (2009).

Jutta Allmendinger

Verschenkte Potenziale?

Lebensverläufe nicht erwerbstätiger Frauen

Unter Mitarbeit von Mareike Ebach, Marina Hennig und Stefan Stuth

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2010. Campus Verlag GmbH

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ISBN der Printausgabe: 978-3-593-39266-0

E-Book ISBN: 978-3-593-40956-6

|7|Zur Entstehung des Buches

Dieses Buch entstand auf Anregung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Im Jahr 2008 wurde dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) zunächst das Projekt »Wiedereinsteigerinnen: Die Potenziale nicht erwerbstätiger Frauen für den Arbeitsmarkt« übertragen und 2010 das Projekt »Nichterwerbstätigkeit von Frauen: Pfade, Probleme, Potenziale«. Unsere Ansprechpartnerin seitens des Bundesministeriums war die Abteilung Gleichstellung, Chancengleichheit unter der Leitung von Eva Maria Welskop-Deffaa. Neben ihr unterstützten Martina Gräfin von Bassewitz und Irene Bangert unsere Untersuchung.

Am WZB leiteten Jutta Allmendinger und Marina Hennig die beiden Projekte. Zum Team gehörten Stefan Stuth und Mareike Ebach, studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren Julia Schorlemmer, Anna Erika Hägglund und Eric Scholz.

Die meisten Kapitel dieses Buches sind im Gesamtzusammenhang der Projekte entstanden. Sie wurden für dieses Buch zusammengestellt und ergänzt. Die Verantwortung für den Text liegt allein bei der Autorin.

Berlin, im Juli 2010

|22|»Rückenwind für den Wiedereinstieg!« Pressemitteilung zum Start des Aktionsprogramms »Perspektive Wiedereinstieg«14

Bundesfamilienministerium und Bundesagentur für Arbeit geben zum Internationalen Frauentag 2008 Startschuss für Aktionsprogramm »Perspektive Wiedereinstieg«.

Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ursula von der Leyen, und der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-J. Weise, geben zum Weltfrauentag 2008 gemeinsam den Startschuss für eine breit angelegte Initiative zur Unterstützung von Frauen, die familienbedingt mehrere Jahre aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und jetzt wieder in eine Erwerbstätigkeit einsteigen wollen. Das Programm des Bundesfamilienministeriums fußt auf drei Säulen. Neben einem gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit entwickelten Internetportal speziell für Wiedereinsteigerinnen wird es ein mit 14 Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds ausgestattetes Budget für Projekte mit der Wirtschaft geben, die neue Wege für eine bessere Integration von Berufsrückkehrerinnen erproben. Um rasch in der Breite Wirkung zu erzielen, sind zudem auf lokaler Ebene bewährte und bereits in der Fläche verankerte Strukturen wie die Lokalen Bündnisse für Familie, die Mehrgenerationenhäuser oder das Bundesprogramm Lokales Kapital für Soziale Zwecke (LOS) in das Aktionsprogramm einbezogen. Sie sollen künftig im Rahmen ihrer jeweiligen Angebotspalette gezielte Schwerpunkte für die Zielgruppe der Wiedereinsteigerinnen setzen.

»Mit Elterngeld und Elternzeit haben wir im letzten Jahr viel für junge Mütter und Väter in der Phase der Familiengründung getan. Wir ergänzen diese Politik nun um ein Maßnahmenpaket für Frauen, die nach sechs, sieben oder mehr Jahren wieder in den Beruf einsteigen. Sie dürfen nicht in einer beruflichen Sackgasse enden!«, sagt Ursula von der Leyen. »Längere Familienzeiten sind völlig in Ordnung. Doch 80 Prozent der Frauen streben – spätestens wenn die Kinder größer sind – zurück in den Beruf. Dafür benötigen sie als erstes Anknüpfungspunkte und Kontakte. Aber die sind insbesondere nach vielen Jahren Auszeit häufig verloren gegangen. Vor allem für Frauen ab 40 gerät das Projekt Wiedereinstieg deshalb zur großen Herausforderung. Für sie soll unser Aktionsprogramm |23|mit seinen Orientierungshilfen und konkreten Unterstützungsangeboten zur Startbahn in ein neues Berufsleben werden«, so von der Leyen.

»Die Bundesagentur für Arbeit wird im Jahr 2008 noch mehr als bisher für Berufsrückkehrerinnen tun«, so der Vorstandsvorsitzende der BA, Frank-J. Weise. »Für die Unternehmen können die Wiedereinsteigerinnen als gute Fachkräfte eine wichtige Rolle spielen. Darum investieren wir in die Weiterqualifizierung der Frauen und stellen dafür in diesem Jahr zusätzlich bis zu 175 Millionen Euro zur Verfügung. Wir wollen aber auch Vorbehalte bei Arbeitgebern abbauen und beraten die Betriebe durch unsere Arbeitgeberteams in den Agenturen für Arbeit, wenn sie eine Frau nach der Babypause einstellen möchten.«

Im Jahresdurchschnitt 2007 waren bei den Arbeitsagenturen rund 60.000 Berufsrückkehrerinnen arbeitslos gemeldet (und 600 Männer). Das waren knapp 9 Prozent aller arbeitslos gemeldeten Frauen im Rechtskreis SGB III. Sie sind meist hoch motiviert und haben gute Chancen auf eine Integration in den Arbeitsmarkt. Gerade Berufsrückkehrerinnen sind für den Arbeitsmarkt eine sehr interessante Gruppe. Nach einer in 2006 durch die Bundesagentur für Arbeit durchgeführten Befragung von Berufsrückkehrerinnen sind 80 Prozent unter 40 Jahre und 25 Prozent unter 30 Jahre alt. 87 Prozent der Befragten haben eine abgeschlossene formale Ausbildung, und etwa die Hälfte der Frauen hat die Berufstätigkeit für maximal drei Jahre unterbrochen. Ein Drittel der Rückkehrerinnen hat während der Elternzeit zusätzliche Kenntnisse erworben – etwa durch einen Minijob, durch Volkshochschulkurse, Mithilfe im Betrieb oder sogar das Schreiben einer Doktorarbeit.

»Gelingt einer Mutter um das 40. Lebensjahr der Wiedereinstieg, gibt es auf allen Seiten nur Gewinner. Die Berufsrückkehrerin hat die große Chance, die rund 27 verbleibenden Erwerbsjahre bis zum Erreichen der Altersgrenze intensiv zu nutzen. Und zwar nicht nur für den eigenen Berufsweg, sondern – heute mindestens so wichtig – für eine solidere und unabhängige finanzielle Absicherung im Alter. Auch für die Unternehmen rechnet sich die Beschäftigung von Frauen nach der Familienzeit. Wiedereinsteigerinnen sind in der Regel hoch motiviert, zuverlässig und reich an Lebenserfahrung und Kompetenz. Diese Erkenntnis muss in Zeiten eines nahenden Fachkräftemangels jeden pfiffigen Personaler aufhorchen lassen«, so von der Leyen.

|24|Das Bundesfrauenministerium hat einige Untersuchungen in Auftrag gegeben, um mehr über die Situation der Wiedereinsteigerinnen zu erfahren.

Die heute präsentierte SINUS-Studie zum Thema hat unter anderem drei wesentliche Befunde erbracht:

 Die Berufsrückkehr ist kein punktuelles Ereignis, sondern ein Prozess, der sich von den ersten Überlegungen der Frau bis zur erfolgreichen Bewältigung des Berufseintritts in der Regel über mehrere Jahre hinzieht und dessen Erfolg von verschiedenen Faktoren abhängt.

Nicht die Frau allein, sondern die gesamte Familie ist vom Wiedereinstieg betroffen und beim Wiedereinstieg gefordert. Weit über 80 Prozent der potenziellen Wiedereinsteigerinnen sind verheiratet. Gegen den Partner und ohne seine Unterstützung ist für diese Frauen der Wiedereinstieg kaum zu schaffen. Allerdings geht ein hoher Anteil der von Sinus befragten Männer davon aus, dass der Wiedereinstieg der Frau mit ihnen »nichts zu tun« habe.

Erwartungen der Frauen und der Arbeitgeber an den Wiedereinstieg passen nicht automatisch zueinander. Das beginnt bei der Arbeitszeit, geht über die Frage der richtigen und notwendigen Weiter-Qualifikation bis zu den Fragen der »passenden« Aufgabenprofile für die neue Kollegin. Zahlreiche Unternehmen haben das Potenzial der Wiedereinsteigerinnen noch nicht richtig für sich erkannt.

Das Aktionsprogramm »Perspektive Wiedereinstieg« steht auf drei Säulen:

Gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit wird ein Internetportal mit Lotsenfunktion erstellt. Es unterstützt Frauen, die wieder erwerbstätig sein wollen, aber zumeist nicht arbeitslos gemeldet sind, bei der Suche nach einer bestimmten Beratungsstelle oder einer bestimmten Unterstützungsmaßnahme vor Ort. Das Portal geht noch in diesem Jahr online.

Ein beschäftigungspolitisch ausgerichtetes ESF-Programm soll von 2008 bis 2010 die Entwicklung von Maßnahmen unterstützen, die unter der Berücksichtigung der Situation der Wiedereinsteigerinnen und in Kooperation mit der Wirtschaft Wege für eine erfolgreiche Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt aufzeigen. Hierfür stehen ESF-Mittel in |25|Höhe von rund 14 Millionen Euro zur Verfügung. Das Programm wird derzeit unter Einbeziehung von Wirtschaftsverbänden, Frauenverbänden und Beratungseinrichtungen entwickelt und soll im Herbst dieses Jahres ausgeschrieben werden.

Auf der lokalen Ebene werden die Lokalen Bündnisse für Familie und die Mehrgenerationenhäuser in das Aktionsprogramm einbezogen. Ferner soll in der neuen Förderperiode des Bundesprogramms Lokales Kapital für Soziale Zwecke ein Schwerpunkt für die Zielgruppe der Wiedereinsteigerinnen gesetzt werden. Bei den »Infobörsen für Frauen«, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend seit 2007 fördert und die in zahlreichen Städten und Gemeinden stattfinden, werden rund 40 spezielle Infobörsen jährlich nur zum Thema Wiedereinstieg gefördert.

»Ich setze bei dem Aktionsprogramm ›Perspektive Wiedereinstieg‹ auf einen langfristigen politischen Prozess, der viele Akteure einbinden wird: neben der Bundesagentur für Arbeit die Länder, die Unternehmerverbände, die Gewerkschaften, die Industrie- und Handelskammern, die Weiterbildungs- und Beratungseinrichtungen, die Frauenverbände und die Kommunalen Frauenbeauftragten«, so Ursula von der Leyen.

|27|Kapitel 2

Jenseits des Tellerrands: Ein europäischer Vergleich

Jaana ist Ärztin und arbeitete gern im Krankenhaus in Helsinki. Drei Jahre nach der Geburt ihres Sohnes kehrte sie auf eine Vollzeitstelle zurück. Mika, ihr Mann, unterstützte sie dabei, beide wussten ihr Kind gut in der Ganztagseinrichtung betreut. Deren Öffnungszeiten waren flexibel. In Notsituationen konnte Jaana sich auch abends um ihre Patienten kümmern, selbst wenn Mika wieder beruflich unterwegs war. Da erhielt Mika das Angebot, an einem zweijährigen Projekt in einem Münchener Architekturbüro mitzuarbeiten. Gemeinsam entschieden sie, das Angebot anzunehmen, zumal auch Jaana eine Stelle in München gefunden hatte. Doch wer sollte sich um den kleinen Sohn kümmern? Kurz nach dem Umzug erfuhren Jaana und Mika, wie schwer es in Deutschland ist, Erwerbsleben und Familie miteinander zu verbinden. Mika konnte seine Arbeitszeit nicht reduzieren. »Man arbeitet hier Vollzeit – nein, mehr als Vollzeit«, hieß es lapidar. Und Jaana? Gleich beim Einzug in die neue Wohnung sah sie das Stirnrunzeln, spürte das Unverständnis für die junge Mutter eines kleinen Sohnes, die unbedingt wieder in Vollzeit erwerbstätig sein möchte. Insbesondere scheiterte die finnische Familie daran, einen Platz im Ganztagskindergarten zu finden. »Zu kurzfristig«, »Vorher anmelden«, »Lange Wartelisten«, hörte sie immer wieder. So ging Jaana halbtags arbeiten, in einem Job unter ihrer eigentlichen Qualifikation und natürlich wesentlich schlechter bezahlt. Am Nachmittag blieb sie bei ihrem Sohn zu Hause. Seitdem ist gut ein Jahr vergangen, nichts hat sich an der Situation geändert. Jaana freut sich auf die baldige Rückkehr nach Helsinki und in ihren Beruf.

Mette ist Ingenieurin in Kopenhagen. Sie hat ein lukratives Stellenangebot in Deutschland abgelehnt. Als sie von ihrer einjährigen Tochter sprach, wurde ihr sofort mitgeteilt, dass eine Vollzeitbetreuung utopisch sei. Nur 20 Prozent aller Kinder unter drei Jahren werden in Deutschland ganztags betreut, in Dänemark sind es 64 Prozent.

|28|

Abbildung 2.1: Das Erwerbsarrangement von Paaren im Alter von 25 bis 49 Jahren, in Haushalten mit und ohne Kinder in Finnland, Großbritannien und Deutschland. In Prozent, 2006

Quelle: European Commission (2009): Reconciliation between work, private and family life in the European Union. Luxembourg: Office for Official Publications of the European Communities. S. 31

Die Mobilität innerhalb Europas nimmt zu. Deutsche arbeiten in Großbritannien, Schweden in Deutschland. Die Europäische Union verabschiedet Programme, die Arbeiten und Studieren im Ausland erleichtern sollen, die Länder scheinen zusammenzurücken. Doch schaut man genauer hin, entdeckt man völlig andere Lebens- und Erwerbsverläufe, unterschiedliche Strategien der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik. Nehmen wir drei Beispiele, drei Paare im Alter zwischen 25 und 49 Jahren. Jaana und Mika sind ein typisches finnisches Paar: In Finnland ist es gang und gäbe, dass Mütter nach einer vergleichsweise kurzen Unterbrechung wieder Vollzeit erwerbstätig sind – wie auch ihre Partner. Kinder machen also kaum einen Unterschied beim Ausmaß der Erwerbstätigkeit. So ist Abbildung 2.1 zu entnehmen, dass in 66 Prozent der finnischen Paarhaushalte ohne Kinder beide Partner Vollzeit arbeiten gehen, bei Paaren mit Kindern sind es 61 Prozent. Dieses skandinavische Land wurde vom dänischen Soziologen Gøsta Esping-Andersen der Gruppe »sozialdemokratischer Wohlfahrtsstaaten« zugeordnet.1 Anders sieht es in Großbritannien aus. Emily und Harry würden – solange sie keine Kinder haben – wie 71 Prozent der vergleichbaren Paare beide Vollzeit arbeiten. Doch dieser Anteil geht in dem als »liberal« bezeichneten Wohlfahrtsstaat nach der Familienbildung auf 25 Prozent zurück. Typischerweise würde Emily nun ihre Erwerbstätigkeit einige Jahre unterbrechen und anschließend |29|lediglich auf eine Teilzeitstelle zurückkehren. Julia und Michael leben in Deutschland, einem »konservativen Wohlfahrtsstaat« in Esping-Andersens Einteilung. Hier sind nur 56 Prozent aller kinderlosen Paare beide Vollzeit erwerbstätig. Bei Paaren mit Kindern liegt der Anteil bei nur 19 Prozent. Würde Julia nach der Geburt ihres Kindes wieder Vollzeit erwerbstätig sein, gehörte sie zu einer Minderheit. Für Jaana dagegen wäre das völlig normal, sie zählt in Finnland zu einer deutlichen Mehrheit.