Frauen führen besser - Ute Clement - E-Book

Frauen führen besser E-Book

Ute Clement

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Beschreibung

Führen Frauen anders als Männer? Und, wenn ja: aus biologischen Gründen – Stichwort Testosteron – oder weil sie anders sozialisiert sind? Ute Clement nimmt auf der Suche nach Antworten verschiedene Blickrichtungen ein. Nach innen, wo sie unterschiedliche Wahrnehmungsmuster von Männern und Frauen aufzeigt und infrage stellt. Nach außen, wo es um gesellschaftliche Strukturen und Prozesse und deren langfristige Veränderung geht. Mehr denn je gilt, dass bei der Führung von Unternehmen und Menschen emotionale und soziale Intelligenz eine entscheidende Rolle spielen. Wer über die entsprechenden Qualitäten und Kompetenzen verfügt, ist klar im Vorteil und führt letzten Endes besser – wenn man ihn rsp. sie denn lässt.

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Die ReiheManagement/Organisationsberatung

Die heutige Gesellschaft ist eine organisierte Gesellschaft. Man muss schon lange suchen, um überhaupt noch Bereiche zu finden, die nicht von Organisationen geprägt sind. Unternehmen jedweder Größe und Eigentumsform, Verwaltungen, Schulen, Gerichte, Krankenhäuser, Universitäten, Kirchen, Verbände, Parteien, Vereine etc. – allesamt übernehmen sie gesellschaftliche Funktionen und bestimmen unser Leben. Die Fülle an Aufgaben, die unter den Bedingungen zunehmender Globalisierung und Digitalisierung gleichzeitig zu erfüllen sind, wie auch die Bandbreite an Organisationskonzepten und Führungsansätzen, mit denen der komplexe Alltag bewältigt werden soll, stecken das Feld ab, in dem Management und Beratung mehr oder weniger wirksam werden.

Die Zeiten, in denen es einfache Antworten auf die vielfältigen Fragen zur Überlebenssicherung einer Organisation und auch zur Steuerung tagtäglicher Entscheidungsprozesse gab, sind seit Langem vorüber. Der Komplexität, mit der heute alle konfrontiert sind, die in verantwortlichen Funktionen in und mit Organisationen arbeiten – Führungskräfte, Manager und Organisationsberater etc. –, wird man mit Rezeptwissen nicht mehr gerecht. Hier setzen die neuere Systemtheorie und mit ihr die Reihe Management/Organisationsberatung im Carl-Auer Verlag an. Beide liefern Konzepte und »Landkarten«, die auch im unübersichtlichen Terrain von Wirtschaft und Organisation Orientierung ermöglichen und Handlungsfähigkeit sicherstellen.

Das Ziel der Reihe ist es, empirisch gehaltvolle Forschungen über die Prozesse des Organisierens wie auch theoretisch angemessene Führungs- und Beratungsansätze zu präsentieren. Zugleich sollen bewährte Methoden einer system- und lösungsorientierten Praxis im Kontext von Organisationen überprüft und neue Ansätze entwickelt werden.

Torsten Groth

Herausgeber der Reihe

Management/Organisationsberatung

Ute Clement

Frauen führen besser

Wahrnehmungshilfen für Männer (und Frauen)

Mit einem Geleitwort von Fritz B. Simon

2022

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin ✝ (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe »Management und Organisationsberatung«

hrsg. von Torsten Groth

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: Heinrich Eiermann

Umschlagfoto: © Tom Levold

Redaktion: Uli Wetz

Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Erste Auflage, 2022

ISBN 978-3-8497-0142-5 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8375-4 (ePUB)

© 2022 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

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Inhalt

Geleitwort

Vorwort

1 Einen Unterschied machen

1.1 Lost in Translation

1.2 »Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt«

1.3 »Frauen sind zu …«

1.4 Wo kommen wir her, wo gehen wir hin?

1.5 Fazit

2 »Ich möchte lieber bei den Männern sitzen«

2.1 Die Helden- und die Heldinnenreise

2.2 Die Stationen der Heldinnenreise

Station 1: Die Trennung vom Weiblichen

Station 2: Identifikation mit dem Männlichen

Station 3: Der Weg der Prüfungen

Station 4: Der illusorische Lohn des Erfolges

Station 5: Starke Frauen können Nein sagen

Station 6: Initiation und Abstieg

Station 7: Das Verlangen nach einer Wiederverbindung mit dem Weiblichen

Station 8: Heilung der Spaltung zwischen Mutter und Tochter

Station 9: Den inneren Mann mit Herz finden

Station 10: Jenseits der Dualität

2.3 Zurück zur Fallgeschichte

2.4 Fazit

3 »Wir beurteilen hier nach Leistung«

3.1 Die Frauenquote

Quote: ja oder nein?

3.2 Die kurze Verweildauer von Frauen in Vorständen

3.3 Fazit

4 Frauen in männerdominierten Umwelten

4.1 Die Theorie über das »Bienenkönigin-Syndrom«

4.2 Unterschiedliche Erwartungen an Frauen und Männer

4.3 Der Umgang mit geschlechtsbasierter Diskriminierung am Arbeitsplatz

4.4 Fazit

5 »Was sagt denn Ihr Mann dazu?«

5.1 Selbstbewusst vs. unsympathisch

5.2 Fallgeschichte (Feedbackrunde und Consulting)

5.3 Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie

»Wie sieht denn Ihre Familienplanung aus?«

Das Verhältnis zwischen Staat und Erziehung

Die strikte Trennung zwischen Berufs- und Familienleben

5.4 »Doppelverdiener*innen«

5.5 Fazit

6 Frauen und Geld

6.1 Die unbereinigte Gender Pay Gap

6.2 Die bereinigte Gender Pay Gap

6.3 Die Gender Pay Gap: Ursachen, Statistik und Ländervergleiche

6.4 Das Steuerrecht

6.5 Wie viel bin ich wert?

6.6 Gender-Finanzierungs-Gap statt nur Gender Pay Gap?

6.7 Fazit

7 »Wenn zu viele Frauen zusammen in Teams sind, dann kippt die Stimmung«

7.1 Der Olympiaskandal 2021

7.2 Die soziale Dynamik in Gremien

7.3 Die Männer an der Seite mächtiger Frauen

7.4 Fazit

8 Mansplaining

8.1 Fazit

9 Das F-Wort

9.1 Die drei Wellen des Feminismus

9.2 Die vierte Welle

9.3 Fazit

10 Zum Schluss

Danksagung

Anmerkungen

Literatur

Über die Autorin

Geleitwort

Endlich! Ein lange überfälliges Buch, es ist geschrieben und publiziert! Dass Frauen besser führen – nicht alle und nicht immer, und manchmal führen auch Männer gut –, ist dem sorgfältigen Beobachter schon lange klar. Doch dies wird öffentlich kaum diskutiert. Es scheint ein tabuisiertes Thema: Wer es anspricht, muss mit Beschimpfungen rechnen (das ist auch meine eigene Erfahrung, nachdem ich in einem Blog diese Binsenweisheit verkündet habe).

Das meist hoch emotional (manchmal auch von Frauen) geäußerte Gegenargument lautet: »Es gibt nur gute oder schlechte Führungskräfte, und deren Fähigkeiten haben nichts mit dem Geschlecht zu tun.« Daher sei auch eine Quote für Vorstände und Aufsichtsräte gefährlich, weil Frauen dann nicht mehr aufgrund ihrer Kompetenzen in Leitungspositionen aufsteigen würden, sondern aufgrund ihres Geschlechts.

Doch das ist – man muss es so unmissverständlich ausdrücken – Quatsch, eine Scheinlogik, die lediglich Beleg der Unkenntnis des Funktionierens von Organisationen und Karrieremustern ist. Der erkenntnis- wie organisationstheoretische Irrtum, der dieser Argumentation zugrunde liegt, besteht in der stillschweigenden Annahme, der Aufstieg einer Person in eine Leitungsposition beweise deren Führungskompetenz. Da die überwältigende Mehrheit derjenigen, die solche Stellen innehaben und -hatten, in der Vergangenheit – wie auch aktuell immer noch – Männer waren und sind, wird daraus abgeleitet, dass deren Verhaltensmuster die Realisierung guter Führungspraxis sei.

Diese Logik folgt einem naiv-darwinistischen Muster: Der Fitteste kommt an die Spitze. Die Kriterien der Fitness leiten sich dann von den Qualitäten der Fitten, also der Männer, ab usw. Frauen, die es an die Spitze von Unternehmen oder anderen Organisationen schaffen wollen, müssen sich daher – auch dies eine stillschweigende Folgerung – so verhalten wie Männer. Daher versuchen Frauen, die in deutschen Unternehmen Karriere machen wollen, sich als Männer zu verkleiden: Das beginnt beim dunkelblauen Hosenanzug und hört auf bei der Verhüllung bestimmter Regionen des eigenen Stammhirns, d. h. ihrer emotionalen und sozialen Intelligenz.

Dieses organisationskulturelle Muster wird unter anderem dadurch am Leben erhalten, dass akademische Betriebswirte wie auch manche große Beratungsfirmen immer noch ihren Studenten und Kunden die – keiner evidenzbasierten Forschung standhaltende – irrige Idee vermitteln, Management sei eine Art Naturwissenschaft, und es gebe die eine, rationale Methode des Entscheidens. Vernünftige Führung und modernes Management müssten der von ihnen definierten Rationalität folgen, und daher spielten emotionale und soziale Kompetenzen keine wesentliche Rolle.

Da biologistische Erklärungen sich heute wieder einmal – es gibt da in der Geschichte regelmäßig wechselnde Wellenbewegungen – besonderer Beliebtheit erfreuen, ist es populär, den Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Entscheiden biologisch zu erklären. Das macht z. B. die New York Times, wenn sie ausführlich über Studien berichtet (29.10.2021), nach denen Frauen als Investoren höhere Renditen erwirtschaften als Männer. Die zitierten Autoren und mit ihnen die NYT führen dies auf die Wirkung des Testosterons zurück: Es reduziere die Furcht, steigere die Gier und trage, das dürfte generell der entscheidende Faktor sein, zur Entstehung eines unangemessenen Selbstvertrauens (»Overconfidence«) bei: »It does wonderful things for muscle mass and reflex time but doesn’t do much for judgment.«

So in etwa könnte wohl auch der Unterschied im Führungsstil von Männern und Frauen charakterisiert und erklärt werden. Aber man braucht keine biologischen Erklärungen, denn diese Verhaltensmuster lassen sich auch durch eine unterschiedliche Sozialisation erklären. Frauen zeigen sich zögerlicher, sind nicht so verdammt schnell mit ihren Entscheidungen, kosten Ambivalenzen mehr aus, d. h., sie leiden mehr unter ihnen, sie reduzieren die Komplexität der Welt nicht in so simplifizierender Weise, wie das viele Männer tun. (Ja, ja, ich gebe es zu: Ich pauschalisiere und spitze zu und werde daher vielen männlichen Führungskräften nicht gerecht.) Aber es sind ganz wichtige Merkmale, die vermeintlich den Charakter, vor allem aber das Entscheidungsverhalten von Menschen unterscheiden – ob es nun Männer oder Frauen sind. Allerdings gewinnen die hier (und auch allgemein) Frauen zugeschriebenen Eigenschaften gerade im Blick auf Führungsfragen eine zentrale Bedeutung. Sie werden im Unternehmens- und Organisationskontext meist negativ bewertet, sind aber – und das ist das eigentlich Brisante – Qualitäten. Denn die Bereitschaft, Ambivalenzen zuzulassen, und die Toleranz gegenüber Ambiguität sind wesentliche Faktoren von Intelligenz bzw. Voraussetzung intelligenten Entscheidens. Wenn es um Fragen geht, deren Antworten nicht berechenbar sind, weil sich immer erst in der Zukunft erweist, ob eine hier und heute getroffene Entscheidung richtig und sinnvoll ist, sind das Abwägen von Optionen, das Aushalten von Ambiguität und das Zulassen von Ambivalenzen entscheidend für erfolgreiches Entscheiden. Schnelles Entscheiden kann in akuten Gefahrensituationen das Überleben sichern, wenn aber Zeit zur Reflexion und das Einbeziehen unterschiedlicher Perspektiven gegeben ist, dann ist es dumm, schnell zu entscheiden. Die viel gepriesene Entscheidungsfreude mancher »Macher« ist daher nur in der Krise eine Qualität, wenn Gefahr besteht und schnelles Handeln nötig ist. Für den Normalbetrieb einer Organisation, auch deren kontinuierliche Weiterentwicklung, ist sie destruktiv.

Der andere Umgang mit dem Faktor Zeit bzw. der Zeitdauer von Entwicklungsprozessen zeigt sich nicht nur im Führungsstil von Frauen und Männern, sondern auch in den unterschiedlichen Erfolgsstrategien langlebiger Familienunternehmen vs. börsennotierter Unternehmen. Auf der einen Seite wird Entscheidungen ein Zeithorizont zugrunde gelegt, der die Enkelgeneration in den Blick nimmt (»Enkelfähigkeit«), auf der anderen Seite wird gebannt auf Quartalsberichte und aktuelle Reaktionen von Analysten geschaut. Daher scheitern erfolgreiche Topmanager von börsennotierten Unternehmen nur zu oft, wenn sie als Fremdmanager mit der Leitung eines großen Familienunternehmens betraut werden.

Der Unterschied der Verhaltensweisen und Entscheidungsmuster, die Männer und Frauen erfolgreich werden lassen, ist ganz ähnlich. Männer liefern im besten Fall kurzfristig blendende Performances, riskieren dabei viel und gewinnen dabei auch manchmal viel (scheitern aber auch gelegentlich grandios), Frauen hingegen sorgen im besten Fall für das langfristige Wohl und Überleben von Organisationen (gelangen dabei aber nur selten ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit).

Wahrscheinlich ist ja aber beides in der Führung nötig: das kurzfristige Aufwenden von Kraft, ja, auch Gier und fragwürdiges Selbstvertrauen (»Nichts Großes ohne Größenwahn!«) auf der einen Seite; und auf der anderen Seite geduldiges Abwägen von Risiken und Chancen des potenziellen Nutzens und der zu erwartenden Kosten von Entscheidungen – nicht nur aktuell, sondern auch in der Zukunft, und nicht nur im Blick auf Sachentscheidungen, sondern im Blick auf die Sozialdimension der Kommunikation, die Beziehungsebene. Denn – das wird immer wieder vergessen – Organisationen sind keine Maschinen, die nach dem Ingenieursmodell gesteuert werden könnten, sondern es sind soziale Systeme, das heißt, Kommunikationssysteme. Und daher ist Kommunikationskompetenz eine der zentralen Kompetenzen, die jede Führungskraft besitzen muss. Sie ist sogar noch wichtiger als rechnen zu können.

Das wird aktuell bereits in den vielfältigen »New Organizing«-Modellen deutlich und umzusetzen versucht, wo durch neue Kommunikationsmuster – fern der Hierarchie – z. B. die Intelligenz sozialer Prozesse, von selbstorganisierten Gruppen etc. genutzt wird. Die Welt ist so komplex geworden, dass die Kompetenzen jedes Einzelnen überfordert sind, um die lebenswichtigen Entscheidungen für Unternehmen zu treffen. Zur Organisation solcher Selbstorganisationsprozesse – denn sie finden nicht spontan statt – bedarf es spezifischer Führungsfunktionen, und dies sind spezifische soziale Kompetenzen.

Insgesamt spricht, um das Stichwort noch einmal aufzunehmen, viel für eine Quotenregelung. Bislang werden deutsche Unternehmensvorstände immer noch nach dem nicht mal mehr in Saudi-Arabien praktizierten Prinzip »Frauen dürfen nicht ans Steuer!« besetzt. Eine Regelung, die es selbstverständlich werden lässt, dass Frauen in Führungspositionen sind, würde generell die Intelligenz von Führung erhöhen und die Qualität der Entscheidungen aller Wahrscheinlichkeit nach steigern. Sie würde aber – um hier dem Mann-Frau-Unterschied zu guter Letzt etwas entgegenzusetzen – sowohl den Männern in solchen Führungsgremien erlauben, ihre »weiblichen«, als auch den Frauen ihre »männlichen« Qualitäten zu beweisen.

All das wird im vorliegenden Buch natürlich weit fundierter und durch Daten und theoretische Reflexionen gestützt von Ute Clement dargestellt, als es hier in einem Geleitwort geschehen kann. Jeder, ob Mann oder Frau, der oder die meint, es gebe nur gute Führung und keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Art, wie sie dies tun, sollte das Buch lesen, lesen müssen: eine Art »Impfzwang« gegen dysfunktionelle Ideen über Führung.

Prof. Dr. Fritz B. Simon

Prof. f. Führung und Organisation

Vorwort

Wen soll dieses Buch ansprechen? Ganz klar, das Gender-Thema richtet sich an alle Geschlechter: Frauen und Männer sowie nichtbinäre und andere Geschlechteridentitäten. Die Teilhabe aller ist keine bloße Option, sondern unabdingbar für die zukünftige Ausrichtung der Wirtschaft. Die Börse investiert in die Zukunft – reine Männerführungsgremien sind also so gut wie Braunkohle im Abbau. Mir ist es außerdem auch wichtig, jüngere Generationen aufmerksam zu machen und mit ins »Feministinnen«-Boot zu holen. Es geht immerhin auch – oder vor allem – um ihre Zukunft.

Die Pandemie hat gezeigt, dass Regierungschefinnen besonnener, weniger emotional und weitsichtiger in der pandemiebedingten Situation agiert haben als am Effekt orientierte männliche Regierungschefs. Frauen führen besser.

»Passion for Change« – mit diesem Slogan arbeite ich seit 1995 in der internationalen Unternehmensberatung mit dem Ziel, dass alle Beteiligten vom Wandel profitieren. Mir ist es wichtig, deutlich zu machen, dass ein Wandel zum Gewinn aller nur dann möglich ist, wenn auch alle an der Herbeiführung des Wandels beteiligt sind: Frauen müssen in allen Bereichen und an allen Zukunftsthemen, wie z. B. Klimaarbeit, beteiligt sein. Wie Ruth Bader Ginsburg, die Richterin am US-amerikanischen Supreme Courts (und eine Ikone der Frauenbewegung), 2009 sagte: »Women belong in all places where decisions are being made« (vgl. Cary 2009), denn die Überlebensfähigkeit von Organisationen ist besser gesichert, wenn Frauen an Entscheidungen und Macht teilhaben.

Leider muss ich feststellen, dass es Frauen aus den unterschiedlichsten Gründen nach wie vor schwer gemacht wird an wesentlichen Themenbereichen und Entscheidungen teilzuhaben, bzw. sie davon gänzlich ausgeschlossen bleiben. 2022 markiert bereits die dritte Dekade des 21. Jahrhunderts und die Diskussion zum Thema »Gleichberechtigung« dreht sich weiter im Kreis, sollte aber nun wirklich kein Streitpunkt mehr sein und ein für alle Mal geklärt werden. Es muss nun wirklich eine qualitative Veränderung in der Teilhabe von Frauen in allen Bereichen sichtbar und spürbar sein, denn erst wenn man/frau einen Unterschied macht, können Sachverhalte hervorgehoben und besprechbar gemacht werden.

Ute Clement

Heidelberg, im Januar 2022

1 Einen Unterschied machen

Sprache formt unser Bewusstsein und unsere Wahrnehmungen. Die Debatte über das Gendern wird erbittert geführt. Schon bei meiner Lehre in der Bank wollte ich Bankkauffrau sein und habe mich geweigert, die Urkunde als Bankkaufmann anzunehmen. Die Bank wollte mir auch keine Geschlechtsumwandlung zahlen. Warum ist es denn im Deutschen so schwer, sowohl die weibliche als auch die männliche Form zu nutzen? Lehnen Sie sich einen Augenblick zurück, denken Sie an einen Prokuristen – welches Bild entsteht? Genus hin oder her. In diesem ersten Kapitel soll gezeigt werden, warum es wichtig ist, einen Unterschied zu machen, um einen Sachverhalt besprechbar zu machen. Es soll aber auch auf die Schwierigkeiten hingewiesen werden, die bei einer solchen Unterscheidung aufkommen können. Hier soll nun die Unterscheidung zwischen »Gleichheit« und »Gleichberechtigung« in der deutschen Sprache gezeigt werden; beide Begriffe werden im Englischen mit equality übersetzt. Für den deutschen Begriff »Geschlecht« gibt es aber zwei englische Übersetzungen: sex und gender. Außerdem wollen wir uns anschauen, wo wir momentan in der Genderforschung stehen: was bereits erreicht wurde und woran noch weitergearbeitet werden muss. Die, die in der Genderforschung zu Hause sind, werden mit solchen Unterscheidungen wie sex und gender bereits vertraut sein, dies soll in diesem Kapitel aber noch einmal verständlich für diejenigen dargestellt werden, die sich nicht tagtäglich mit der Materie beschäftigen, aber unbewusst mit Sprache umgehen und vor allem die Konsequenzen nicht bedenken, die ein nachlässiger Umgang mit Sprache nach sich zieht. Um diesen Sachverhalt genauer zu betrachten und zu erklären, werden wir uns hauptsächlich auf die Arbeiten von Judith Butler (Undoing gender) beziehen sowie den Sammelband Geschlechterverwirrungen von Rendtdorff, Mahs und Warmuth.

1.1 Lost in Translation

Im englischen Sprachgebrauch werden sowohl »Gleichheit« als auch »Gleichberechtigung« mit equality übersetzt. Beide Begriffe werden also synonym verwendet – vor allem im Deutschen kann das bei der Übersetzung zu Missverständnissen führen. Gleichheit bedeutet nämlich nicht auch Gleichberechtigung. Gleichberechtigung beinhaltet, dass einer Person gesetzlich die gleichen Rechte zugebilligt werden, unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Religion etc.1 Demgegenüber steht Gleichheit für die »Übereinstimmung in allen oder wesentlichen Merkmalen«.2 Gleichheit ist außerdem keine Voraussetzung für Gleichberechtigung – niemand streitet ab, dass die Körper von Mann und Frau nicht gleich sind. Die Verschiedenheit von Mann und Frau geht über biologische Merkmale hinaus, die dann für die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter verantwortlich sind.

Die Ausdrücke Gleichheit und Gleichberechtigung werden im Englischen zwar unter dem Begriff equality zusammengefasst, aber wenn es um das Geschlecht geht, wird zwischen sex und gender unterschieden. Sex bezeichnet das biologische Geschlecht, welches aufgrund anatomischer Merkmale bei der Geburt zugewiesen wird – es gilt als unveränderlich. Zumindest nach dem Konzept, auf das sich die binäre Geschlechterordnung bezieht. Natürlich sind Umwandlungen des »natürlichen Geschlechts« durchaus möglich und stehen allen, die sich als transgender identifizieren, zur Verfügung.3 Die erste geschlechtsangleichende Operation wurde 1932 an Dora Richter von Magnus Hirschfeld in Berlin vorgenommen. Er prägte auch die Begriffe »transsexuell« und »Transvestitismus«.

Dem »natürlichen Geschlecht« gegenüber steht gender; gender bezeichnet das sozial konstruierte Geschlecht, welches unabhängig von sex ist und nicht mit dem anatomischen Geschlecht übereinstimmen muss – es gilt als wandelbar. Gender ist eng mit der Identität eines Individuums verknüpft und ist Ausdruck des Selbst4. Aus diesem Grund ist gender auch eine Performance: »a kind of doing«5. Die Performance findet meist statt, ohne dass wir etwas aktiv tun oder bemerken. Das Konzept gender als historische und performative Kategorie ist äußerlichen Einflüssen ausgesetzt. Das bedeutet, dass das soziale Konstrukt gender nicht von uns als Individuum bestimmt wird – oder zumindest nicht ausschließlich. Soziale Normen, äußere Einflüsse und persönliche Erfahrungen, die die Außenwelt uns zufügt, prägen, was als feminines oder maskulines (oder sonstiges) gender wahrgenommen wird. Gender, so Butler, ist eine kulturelle Konfiguration des anatomischen Körpers, und sex ist zwangsläufig in einem kulturellen Kontext zu betrachten.6Gender wird produziert, indem scheinbar willkürlich gewählte Attribute dem biologischen Geschlecht zugeordnet werden. Weiblichkeit wird demnach dem anatomisch weiblichen Körper zugeteilt; was genau Weiblichkeit ist und ausmacht, ist abhängig von historischem und sozialem Wandel, geopolitischen und kulturellen Grenzen, aber auch davon, wer den Begriff »Weiblichkeit« in Zusammenhang mit wem und zu welchem Zweck konzipiert.7

Es lässt sich sagen, dass die Performance von gender immer von außen beeinflusst wird und gleichermaßen auf etwas abzielt, das außerhalb des Selbst liegt.8