Frauen nach der Paarungszeit - Vera Sandberg - E-Book

Frauen nach der Paarungszeit E-Book

Vera Sandberg

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  • Herausgeber: Diana
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2010
Beschreibung

Zwei Dinge stehen der Partnersuche ab 50 im Wege: erstens die Frauen — zweitens die Männer

Alleinlebende Frauen ab fünfzig sind selbstbewusst, krisenerprobt, klug und anspruchsvoll. Doch wenn’s um Männer geht, sind sie Prinzessinnen, die gefunden und erobert werden möchten. Aber von wem? Von dem glatzköpfigen Kettenraucher, dem verschuldeten Unternehmer, dem verheirateten Abenteurer auf Abwegen? BRIGITTE-Autorin Vera Sandberg zeigt, dass der Mann als Vollkasko für die zweite Lebensphase ausgedient hat, weil Frauen das meiste längst allein besser hinkriegen …

Frauen sind mit den Jahren klüger, entspannter, selbstsicherer geworden – aber bei der Partnersuche fallen sie zurück in alte Muster. Der Mann soll Wunden heilen, auf Händen tragen, Wünsche von den Lippen ablesen. Die Erwartungen sind hoch. Wer sich jetzt noch mal bindet, will keine faulen Kompromisse mehr. Aber die Männer auf der freien Wildbahn haben auch ihre Probleme, können und wollen die Rolle des Prinzen auf dem weißen Pferd nicht mehr spielen. Liebe in der Lebensmitte – eine aussterbende Kunst? Nein, sagt BRIGITTE-Autorin Vera Sandberg, aber die Kunst besteht darin, unabhängig zu bleiben und die Partnersuche mit Humor und Gelassenheit anzugehen. Wie das geht und wie Frauen neue, aufregende Wege beschreiten können, zeigt sie in diesem Buch.

Ein amüsantes und aufschlussreiches Buch über die neue Rolle der Frau und die Fallstricke der Partnersuche. Mit Tipps und Tricks: Wie entlarve ich Nieten, und wer könnte mein Leben bereichern?

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Seitenzahl: 330

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Inhaltsverzeichnis
Widmung
Leben nach der Paarungszeit
Über fünfzig – und ganz Frau
Ohne Mann – und keine Endzeitstimmung
Liebe als Gegengift
Älter werden – anziehend bleiben
Wissen macht attraktiv
Selbsterkenntnis
Verschobene Lebensphasen
Wenn Männer nicht mehr pfeifen
Tabus brechen
Falten als faule Ausrede
Der neue Mann lohnt sich noch
Wirklich alt sein ist viel später
Die neuen Alten
Warum Mütter und Großmütter nicht als Vorbilder taugen
Abschied vom Märchenprinzen
Geld macht mächtig
Wie wir leben wollen
Schluss mit der Scham
Klimawandel und verpasste Chancen
Grenzenlose Lust
In Würde altern?
Lebensziel »komische Alte«
Das Prickeln bleibt
Alter Wein in neuen Schläuchen
Fantasievolle Erotik
Schönsein nach der Paarungszeit
Zeige, wer du bist
Fassadenprobleme lassen sich lösen
Immer noch sexy – aber klar!
Neue Mode – neuer Mann
Mit Ausstrahlung auf Männerfang
Die unsichtbare Frau
Dicke Lügen
Schützende Speckschicht
Kein Alibi fürs Frustfressen
Aktiv leben – gut aussehen
Sport muss sein
Lust an Bewegung – am liebsten mit dem Richtigen
Froschprinzessinnen
Better aging mit innerer Schönheit
Der Zicken krieg geht weiter
Liebe nach der Paarungszeit
Warum noch Liebe?
Besser leben – mit und ohne Partner
Je oller, je doller?
Weibliche Verführungsfähigkeit
Die zweite sexuelle Revolution
Guter Sex – das »Lächeln des Körpers«
Liebesfalle Bindungssehnsucht
Die Liebe ist ein seltener Gast
Der »richtige« Mann
Wir bekommen, was wir suchen
Wofür wir ihn brauchen
Glücklich im Provisorium
Partnersuche nach der Paarungszeit
Liebe und Geborgenheit
Die Prinzessin und der Ritter
Was Frauen wollen (und Männer bieten)
Das Mann-Frau-Dilemma
Was ist ein guter Mann?
Männer altern anders
Erektion und graue Schläfen
Schwer vermittelbar
Versuch einer Typologie
Die Pfeife
Der Mistkerl
Der Ahnungslose
Der Traummann
Frauen – selbst schuld am Dilemma?
Ausweg aus der Partnerfalle
Herrscherin über das Familienimperium
Alte Traumbilder und neue Wirklichkeit
Mut zur Weiblichkeit
Mädchenträume und Bindungsangst
Unrealistische Erfolgsmodelle
Mann ist Mann
Der Partnermarkt ist ungerecht
Trügerische Wort- und Zahlenspiele
Liebe als Tauschgeschäft
Wie wir bekommen, was wir verdienen
Männer haben’s auch nicht leicht
Was wir können – und was ihm fehlt
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Anpassung – geht nicht, bringt nichts
Auf der Suche nach dem Glück
Abschied vom alten Beuteschema
Der Weg zum Ich
Den Traumprinzen begraben
Das Ende der Jagdzeit
Paarungszeit im Internet
Virtuelles Liebessehnen
Keine Chance auf den Jackpot
Auf der Online-Resterampe
Erlaubt ist, was gefällt
Die Sache mit dem Online-Alter
Die Typen aus dem Netz
Der Zuhörer
Der Schönling
Der Vorbeuger
Der Bumerang
Der Einkäufer
Der Irrläufer
Der Zauberer
Der Unpassende
Der Täuscher
Den Marktwert testen
Richtig warten können
Ohne Paarung glücklich
In der Mitte ankommen
Zwischen Vernunft und Träumerei
Brauchen wir wirklich einen Mann?
Vom Glück ohne Mann
Es ist nie zu spät
Unsere Zeit nutzen
Wir sind nicht allein
Nicht für immer und ewig
Zufrieden im Sandwich
Die »gute« Mutter
Leben in der Mitte
Der Winter ist vorbei
Danksagung
Copyright
Für meine Freundinnen
Leben nach der Paarungszeit
Über fünfzig – und ganz Frau
Die Paarungszeit ist vorbei – die Fortpflanzung ist abgeschlossen, die Mutterfunktion ist umgestellt von Gebären und Versorgen auf gegenseitige Liebe und Achtung, das Großmutterglück ist eventuell im Anmarsch. Was jetzt? Was für Frauen werden wir?
Ist die Weiblichkeit auf dem Rückzug, wenn die Wechseljahre im Anmarsch sind? Bleiben Erotik und Sinnlichkeit auf der Strecke, wenn der Körper allmählich seine Form verändert? Werden Liebe und Sex unwichtiger, wenn Männer nicht mehr Schlange stehen?
Im Gegenteil. Jetzt haben Frauen Zeit und Muße für ein Frauenleben aus dem Vollen. Auch ohne knackig-straffen Körper mit Idealmaßen. Was Frauen jetzt brauchen, ist das Gefühl, ganz Frau zu sein. Die Mär von der Tarnkappe, die Frauen dieses Alters unsichtbar macht, ist von gestern. Immer mehr Frauen ab fünfzig sind fit, körperbewusst, sexy und anspruchsvoll. Sie verändern das öffentliche Image der sogenannten älteren Frau.
Keine muss sich heute mehr voreilig als Auslaufmodell mit drohender Arthrose verstehen. Keine sollte vorzeitig im geschlechtslosen Einheitsbeige der Seniorenwandergruppe abtauchen.
Die bekannten Altersgrenzen werden derzeit durch Frauen frisch aufgemischt. Auch Siebzigjährige sind noch schön und stark, wenn sie Glück haben, genug Bestätigung bekommen, aktiv leben, erfolgreich berufstätig sind.
Frauen in der Mitte des Lebens leben heute ganz anders als ihre Vorgängerinnen. Weil sie gesünder und fitter sind, weil sie besser gelernt haben, was ihnen guttut, weil sie eigenständig geworden sind, weil sie ihre Kraft kennen, weil sie nach der Emanzipation die neue Weiblichkeit wiederentdecken.
Ohne Mann – und keine Endzeitstimmung
Als ich die Idee hatte, das weibliche Befinden nach der Paarungszeit zu erkunden, war ich gerade sehr fröhlich. Verliebt, zufrieden mit mir. Gesund und munter. In gleichmäßiger, wohltuender Bewegung. Es war Sommer, und ich dachte: Leute, macht euch nicht heiß, fünfzig oder sechzig sein ist heute wie vierzig! Es ist noch (fast) alles drin für uns. Bleibt schlank und neugierig, dann klappt’s auch mit der Liebe. So in der Art. Das war bisher mein überwiegendes Gefühl beim Älterwerden. Auch weil ich die geborene Optimistin bin und nicht gewillt, das zu ändern – in dem Alter!
Nun sitze ich hier, draußen wird es Winter, Nieselregen mit einzelnen, unentschiedenen Schneeflocken dazwischen, die Wolken hängen gelblich und tief über blätterloser Landschaft. Und ich bin gerade gar nicht richtig fröhlich.
Der Mann der letzten drei Jahre ist weg. Meine Güte, denkt es in mir, hört das denn niemals auf? Anspruchsdenken mischt sich mit einem Schuss Endzeitstimmung.
Einen Anspruch auf Glück hatten wir nie, das weiß ich, auch nicht mit achtzehn. Dennoch hat er uns begleitet, ist mit uns älter geworden, aber nicht geringer.
Jetzt interessiert mich: Wie gehen wir Frauen ab fünfzig eigentlich mit dem Gefühl um, dass wir nicht mehr jung sind und noch nicht alt? Ich beobachte: Viele von uns eint die Überzeugung, insgesamt besser geworden zu sein. Die Jahre haben sich gelohnt. Wir haben etwas geleistet, viel erreicht. Dabei wird man nun mal nicht dümmer, sondern stärker.
Aber uns verbindet zugleich die Sorge, langsam an Attraktivität zu verlieren. Wohin geht es optisch mit uns, wie kommen wir der Sache mit dem Bindegewebe und der Schwerkraft bei? Vor allem: Welche Rolle spielt das jetzt? Ist Schönheit bald kein Thema mehr? Und was ist, wenn wir uns einen neuen Partner wünschen? Müssen wir da im Seniorenheim fischen gehen?
Gefühlssachen. Heute erleben wir sie so. Morgen sehen sie anders aus.
Eine merkwürdige Zwischenzeit, die wir gerade durchwandern. Es gibt ein Nicht-Mehr und ein Noch-Nicht.
Manche Veränderungen, besonders die sichtbaren, haben etwas Bedrohliches. Aber auch die Begrenztheit von Zeit macht Panik: Alles schaffen wir nicht mehr. Und dann denken wir, wenn der Himmel so trüb ist wie heute, schnell mal: Mir geht die Zeit aus.
Alles oder nichts – das ist natürlich nicht die Frage. Zum Glück gibt es die Erfahrung, dass sich ein Tief verzieht, oft so schnell, wie es gekommen ist. Aber die Gedanken ans Alter schieben sich immer öfter dazwischen, wenn uns etwas nicht gelingt.
Warum? Muss das sein? Wie kommen wir da raus? Können wir nicht einfach aufhören, unsere gelebten Jahre als Last zu betrachten, und uns freuen, dass wahrscheinlich noch ziemlich viele vor uns liegen?
Man kann es nämlich so und so sehen, das Älterwerden. Es gibt dieses herrliche Pfeifen im Walde. Den Witz, mit dem wir der Angst davon laufen. Ich bin gern älter! Noch mal zwanzig? Um Gottes willen, nur das nicht! Alle Nachteile der Jugend – von Pickeln bis zum ersten, beinahe tödlichen Liebeskummer – werden aufgezählt. Das wollen wir nun wirklich nicht mehr! Nein, wirklich, wirklich nicht. Aber so aussehen, als ob... na ja, ist ja Quatsch. Wir tun unser Bestes, und das muss genügen. Und es genügt auch!
Aber es gibt eben auch diese Wehmut: Ach, wie sich alles ändert. Die Zeit wird so schnell. Wir können nicht mehr alles anziehen. Kein Kind mehr kriegen. Die Schwerkraft zerrt am Gesicht und am Gesäß. Die Ehe wird alt, uralt, fast schon scheintot vielleicht, oder sie ist bereits weg. Durch. Und wir sind auf dem Partnermarkt – und natürlich weit und breit kein halbwegs anständiges Angebot. Allein bleiben und älter werden – klingt wie Krebs und Herzinfarkt zugleich. Dabei könnten wir wahrscheinlich besser allein klarkommen als damals, da wir noch den Vater zu unseren künftigen Kindern suchten.
Jetzt kommen uns aber die Geschichten von der unsichtbaren Frau in die Quere, die wir angeblich ab vierzig, allerspätestens mit fünfzig werden: übersehen, beiseitegeschoben, überflüssig – vor allem in der Männerwelt. Und es ist eben eine Männerwelt, immer noch, in der wir leben. Emanzipation, ja, wir haben sie für uns durchgeboxt. War wirklich lustig, die BHs zu verbrennen. Die Unis zu stürmen, den alten Herren, die an der Macht waren, lange Nasen zu drehen.
Aber nun haben wir auch all die Nachteile der selbst eroberten Eigenständigkeit. Sind nicht unbedingt abgesichert und versorgt, stehen auf eigenen Beinen – und wenn die wackelig werden, wackelt es bedrohlicher als einst, da man Omi nicht einfach hängen ließ. Als sie aber auch mit einem Altenteil unterm Dach der Kinder vorliebnahm und abends Strümpfe strickte. Wir dagegen, wenn wir noch was wollen, müssen uns weiter mühen, stehen weiter in der Konkurrenz mit anderen und sind vor allem unseren eigenen, gnadenlos kritischen Augen ausgesetzt.
Wir, stolze Solitäre aus wilderen Zeiten, werden nun älter. Gelernt haben wir das nicht.

Liebe als Gegengift

Älterwerden ist ja kein Verdienst. Und es ist auch keine Schande. Es ist. Punkt. Jeder hat es. Jeder muss es. Vom ersten Atemzug an.
Nur wir – wohlstandserzogen, schönheitsfixiert, jugendlichkeitsorientiert – machen eine höchst komplizierte Angelegenheit daraus. Eine Art Lebenskunst. Nie wurde Älterwerden so misstrauisch und sensibel beobachtet wie heute. Nie war es ein derartiges Problem.
Da es aber nun so ist, wie es ist, muss jede von uns sich mehr oder weniger stellen. Wir werden älter. Und wir müssen entscheiden, wie wir es werden. Es gibt unzählige Möglichkeiten: Von der totalen Ignoranz bis zur elenden Larmoyanz ist alles drin. Im besten Falle tragen wir es mit Humor und einer gewissen oberflächlichen Leichtigkeit. Über Falten, Fett & Co. lachen, sie mit geeigneten Maßnahmen einigermaßen im Zaum halten – und ungeniert weiterleben. Eine bewährte Methode. Sich nicht verrückt zu machen gehört dazu – und trotzdem besser auf sich zu achten. Denn die Veränderungen, die Körper und Seele jetzt durchmachen, warten auf Antwort. Keine kann den Zahn der Zeit aufhalten. Aber das Beste draus machen, das kann jede.
Jeden Tag gelingt es anders. Als ich fünfzig wurde, habe ich mich prompt in einen zwölf Jahre jüngeren Mann verliebt. Wahrscheinlich unbewusst mein Gegengift für dieses Datum. Es war an der Ostsee, es war Sommer. Wir waren wenig bekleidet und braun gebrannt. Ein Sommermärchen, wie ich es mit siebzehn nie erlebt hatte.
Derweil ich an der Ostsee herumtollte, wurde meine beste Freundin nach über fünfundzwanzig Jahren Ehe von ihrem Mann verlassen. Sie fragte sich in langen Nächten: warum? Sie zog Bilanz, sah einen Trümmerhaufen. Mehrere Jahre harte Aufräumarbeit lagen vor ihr. So ist das, wenn man mit fünfzig sein halbes Leben verliert.
Ich hatte mich in meinen Trümmern längst kreativ eingerichtet. Meine erste Scheidung lag lange zurück, die zweite auch. Und ein Provisorium jagte das nächste. Ich hatte es immer als Makel empfunden, mein Lebensmosaik. Jetzt dämmerte mir, dass mir einiges erspart geblieben war.
Unser gefühltes Alter klaffte eine Zeit lang auseinander. Inzwischen ticken wir wieder ähnlich. Meine Amour ist vergessen, ihre Trennung verschmerzt. Wechselnde Phasen mit und ohne Mann haben sie abgelöst, sowohl bei mir als auch bei ihr. Was gibt’s Neues bei dir? Wie geht’s? Die regelmäßigen Fragen am Telefon betreffen auch unsere Romanzen, unsere Versuche, doch wieder einen Mann zu finden, mit dem zu leben sich lohnt. Unsere Enttäuschungen, dass sich wieder ein solcher Anfangsverdacht als schwachsinnig erwiesen hatte, unsere Traurigkeit darüber und nicht zuletzt unsere Chuzpe, alles nicht so schwerzunehmen.
Unsere früheren Vorstellungen, wie wir in diesem gesetzten Alter sein würden, sind sämtlich geplatzt. Nichts ist wie ursprünglich gedacht.
Das meiste ist einfach viel besser.
Älter werden – anziehend bleiben
Zwei Trends zeigen sich derzeit: das Jammern übers Altern. Und das Lob des Älterwerdens. Tolle, begehrte, bewunderte ältere Frauen auf der einen Seite, Abwertung des Älterwerdens auf der anderen.
Wir, die wir mittendrin stehen und es erleben wie eine Operation am offenen Herzen, wir können uns auf die eine oder auf die andere Seite schlagen. Also: Ab fünfzig will uns keiner mehr, kein Mann, keine Firma. Tja, es gibt Beweise. Altersarmut beispielsweise ist weiblich. Die andere Sicht: Jetzt geht’s erst richtig los. Wir sind fit, stark und schön. Wissen besser, wer wir sind, was wir wert sind, was wir können, wollen, brauchen. Weder sind wir abgehängt noch eingerostet, weder technikfeindlich, noch moderesistent. Klar, dass letztere Einstellung mehr Spaß macht. Manchmal ist sie aber auch anstrengender.
Viele Frauen kennen beide Empfindungen dicht beieinander. Mal wird diese ungeheure Lebenskraft deutlich, die mit den Jahren gewachsen ist, und mal die Hilflosigkeit gegenüber der eigenen Vergänglichkeit. Beides ist wahr. Und beides zusammen macht die Jahre nach fünfzig spannend und uns Frauen in diesem Alter unergründlich, schillernd und attraktiv. Das Wissen um sich selbst macht schön, die Angst vor Falten macht hässlich. Der Wunsch nach Verwirklichung lang zurückgestellter Wünsche macht aktiv, die Furcht, dass vieles schon vorbei ist, bremst. Wechseljahre – so bekommt der Name einen tieferen Sinn. Wir wechseln unsere Befindlichkeit. Und unterm Strich steht: In uns stecken jede Menge Überraschungen.

Wissen macht attraktiv

Das Schönste am Älterwerden ist das Schlauerwerden. Es passiert, wenn wir nichts dagegen tun, genauso wie das Dickerwerden. Wir bauen Wissen an. Es geht nicht verloren, wenn wir es benutzen, es im aktiven Bestand halten sozusagen. Unser wunderbares Gehirn hat unbegrenzte Speicher, es ist elastisch bis zum Ende. Wir müssen es nur in Betrieb halten. Nicht so schnell vor der Handybedienungsanleitung kapitulieren zum Beispiel. Das Gehirn schrumpft zwar, wie man früher glaubte – aber nur wenn wir es im Stich lassen.
Langsamer werden die Schaltprozesse im Kopf, das ist wahr, aber diese kleine Verlangsamung wird dadurch wieder ausgeglichen, dass neues Wissen auf altes trifft, Erfahrungswissen genannt. Das wiederum erleichtert und beschleunigt Entscheidungsprozesse, macht das Denken Älterer sicherer und effektiver. Zu allen Zeiten saßen deshalb weise Ältere an den Spitzen der Gesellschaft. Auch bei uns sind die Dreißigjährigen mit ihrer frischen Kreativität, mit ihrem Leistungshunger und der neusten Ausbildung eher nicht in Spitzengremien vertreten. Da regiert die graue Masse. Das gereifte Gehirn.
Von Angela Merkel wird niemand hören, wie schwer es ist, alt zu werden. Sie ist in unserem Alter im Zenit ihrer Macht angekommen. Sie hat Gestaltungsspielräume, von denen Jüngere nicht mal träumen können. Schön ist sie nicht, aber das war sie auch vor fünfundzwanzig Jahren nicht.
Es ist eben alles keine Frage der Zahlen. Wir verfügen über die ganze mentale Kraft der letzten Jahre, wir wissen unendlich viel mehr als am Beginn unserer Reise, und wir sind immer noch ein offenes System – lernen also weiter.
»Amboss oder Hammer sein« – Goethes martialischer Vergleich, drängt sich auf. Es gibt viele Arten, alt zu werden. Die eine, die sich öffentlich immer mehr durchsetzt, ist die selbstbewusste, die kämpferische.
Die unlängst entdeckte Plastizität des Gehirns verspricht lebenslange Entwicklungsfähigkeit. Einzige Bedingung: ein aktives, ereignisreiches, bewegtes Leben. Sagen wir einfach: das Leben jung leben, egal, wie alt wir sind.

Selbsterkenntnis

Ich sehe der Dämmerung draußen zu und spüre drinnen tiefe Zufriedenheit. Meine Mitte, teuer erworben, wertvoll, aber immer wieder angefochten. Der Sturm vom Morgen hat sich gelegt. Mein gewesener Freund hat mir in E-Mails seinen Charakter erklärt. Ich hatte es geahnt – es wird nichts mehr. Neben der Trauer steht das ungewisse Gefühl, dass es für etwas gut sein könnte. Dass es noch etwas Neues für mich gibt. Später. Mein Leben war immer überraschend. So wird es wieder sein. Und für die Trauer ist trotzdem Platz.
So weit, so gut. Älterwerden als Chance zum Besserwerden. Mit der Drohung im Hintergrund, es vielleicht nicht zu schaffen, vielleicht doch nur ein Babyface mit Falten zu sein. Oder ein Auslaufmodell ohne Zukunft. Ein sexloses Mutti-Omi.
Die Angst: Das war’s. Mehr ist nicht. Sie ist verständlich. Aber sie darf nicht obsiegen. Jeder Tag stellt ein neues Gleichgewicht her. Heute Kraftpaket voller Ambitionen, morgen ein Häufchen Zweifel ohne Ideen. Alles die Hormone, diese unberechenbaren Biester? Zum Teil auf jeden Fall. Aber es gibt auch eine Haltung jenseits der Stimmungsschwankungen. Die können wir uns erkämpfen. Kampfgeist brauchen wir jetzt mehr denn je. Die Entschlossenheit, Chancen zu nutzen. Jede Chance zu nutzen, jeden Sonnenstrahl, jeden schönen Moment. Und aus jedem das Beste zu machen. Ohne Humor und eine ziemlich große Portion Selbstironie geht das nicht. Wer sich selbst bitter ernst nimmt, kommt nicht gut durch diese Jahre der Neubestimmung, der Selbstfindungskämpfe, in denen sich einfach alles ändert.
Einmal saß ich mit meinem Sohn in einem Straßencafé in Berlin-Prenzlauer Berg. Ich trug Seidenkleid, Stiefel und Lederjacke, die Sonne schien, der Erdbeersmoothie war klasse. Ich sah mir den Sohn voller Stolz von der Seite an. Alles sehr schön. Auf einmal lief eine Frau mit einem Fahrrad durch das Bild. Auf dem Gepäckträger ein Korb mit Obst und Blumenstrauß. Sie trug weite Leinenhose, passende Bluse und einen Zopf. Die Frau stimmte, sie gefiel mir.
Und ich sagte zu meinem Sohn: »Guck mal, wenn ich so alt bin wie die Frau mit dem Rad, dann möchte ich ungefähr so aussehen.«
Mein Sohn sagte: »Mami, du bist so alt.«
Ich verschluckte mich beinahe an einem Stück Erdbeere. Musste mächtig kichern über die Fehleinschätzung der Dinge, wobei unklar blieb, wer sich irrte – er oder ich. Für einen Dreißigjährigen sind alle ab vierzig so alt. Aber was sagt das über uns? Gar nichts. Da stehen wir drüber. Da lachen wir drüber. Meine Meinung.
Verschobene Lebensphasen
Was macht die Liebe?«, fragt mich eine befreundete Kollegin, die ich lange nicht gesehen habe.
Ich, bewusst zweckoptimistisch: »Sie lebt noch. Und bei dir?«
Sie ist seit drei Jahren Witwe. Und sie sagt: »Danke, dass du fragst, mir gefällt einfach keiner.«
Sie ist ein ganzes Stück über sechzig. Und sie ist mein Vorbild. So viel erlitten, so viel geschafft – und so schön. Gerade hat sie sieben Kilo abgenommen und freut sich der engen Röcke, in denen sie nun durch die Büroflure schwebt.
Auch wenn wir immer länger leben, die Lebensphasen bleiben erhalten: Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter, Wechseljahre, Alter – die dazugehörigen Daten verrutschen allerdings deutlich nach hinten.
Ein gewisser Zweckoptimismus hat seine Berechtigung. Wahrscheinlich ist das Sechzigwerden heute der Einschnitt, der vor Kurzem noch die Fünfzig war. Während die Ü-Fifties sich subjektiv wie eben Vierziggewordene fühlen. Vierzigjährige dagegen werden oft zum ersten Mal Mutter. Fünfunddreißigjährige starten in ihren ersten Job. Dreißigjährige rennen von Party zu Party wie Teenager. Wir sind alle länger jung und werden folglich später alt. Das ist gut so, denn wir leben viel länger.
Die gewonnene Zeit wollen wir nicht als Greisinnen verbringen, sondern als frisch gebliebene Frauen in der gefühlten Lebensmitte – auch wenn uns höchstwahrscheinlich keine weiteren fünfzig Jahre zur Verfügung stehen.
Wussten wir gestern noch, was eine richtige Oma ist, verschwimmt das Bild dazu spätestens dann, wenn wir selbst es sind, die ihr erstes Enkelkind schaukeln.
Meine Cousine, neunundvierzig, bildschön mit Lockenmähne bis zum Hintern, hat einen neuen Freund. Den musste sie nicht nur ihren erwachsenen Söhnen vorstellen, sondern auch ihren beiden Enkelkindern. Sie fanden ihn nett und wollten gleich mit ihm rodeln gehen. Drei Opas, drei Omas – für Kinder heute kein Problem. Eine Oma, die tolle Ohrringe trägt und sich mit Lippenstiften auskennt – ganz normal.
Immer länger zieht sich die Fast-noch-jung-Phase hin. Immer enger rutschen die Generationen zusammen. Die Jüngeren akzeptieren Ältergewordene, weil sie kein Feindbild mehr abgeben, offen, beweglich, modern, wie sie sind. Im Gegenteil, sie bewundern sie, viele bezweifeln, dass sie ihr Leben jemals so in den Griff kriegen werden wie ihre Eltern.

Wenn Männer nicht mehr pfeifen

»Tja«, sagt eine Freundin, die ihre Haare seit zwanzig Jahren grau werden lässt – inzwischen sind sie fast weiß, »wir sind eben nicht mehr siebzehn.«
Und sie kneift sich mit großer Geste in die Hüfte, deren Üppigkeit wirklich nicht der Rede wert ist. Und sie sagt, dass sie schneller müde wird, dass sie weniger Wein verträgt, dass Männer nicht mehr nach ihr pfeifen. Sie wird im Sommer fünfzig. Und sie hat eine mächtige, altersbedingte Sinnkrise. Damit ist sie nun wahrlich nicht allein. Fünfzig ist für viele die Horrorzahl, sie vergessen, dass es bald auf die Sechzig zugeht, wenn nichts dazwischenkommt. Das Problem ist aber nicht die Zahl auf der nächsten Geburtstagstorte. Es ist das Leben, das sie zu diesem Zeitpunkt führt: schlecht bezahlter, stressiger Job, eine kranke Tochter, ein Mann, der früh verrentet ist.
Neufindung, Neuerfindung steht an, wenn wir fünfzig werden. Ein Einschnitt, das müssen wir zugeben, wie vielleicht die Konfirmation. Es gibt kein Ritual für dieses Datum, es ist eher peinlich. Kein Mensch würde sich heute eine goldene Fünfzig über die Tür hängen, wenn er zur entsprechenden Geburtstagsparty einlädt.
Meine Freundin fliegt zu diesem Zweck in die Karibik, die Feier fällt aus. Ich habe mit Schlag fünfzig meinen ersten und letzten Joint geraucht, etwas Verruchteres war mir nicht eingefallen, um gegen die scheinbar gebotene Gesetztheit zu revoltieren.
Das kann ja jede halten, wie sie will. Fünfzig ist und bleibt ein Schnitt. Und wir sollten Verbandszeug für die Seele bereithalten. Ein langer Flug zum Sehnsuchtsziel ist eine gute Idee. Eine heiße Liebschaft natürlich auch. Ein halbes Jahrhundert Anwesenheit auf diesem Planeten und vielleicht fast noch einmal so viel. Das hat Gewicht. Das hat Bedeutung. Das muss einen Sinn haben.
Also Schluss mit dem öffentlichen wie privaten Gejammer übers Älterwerden. Es ist nicht nur verlogen, es ist auch völlig überflüssig. Auch wer gerade Sorgen hat, mit dem Job, mit der Ehe, Geld oder Kindern – das Alter ist nie schuld, im Gegenteil, dass wir älter sind, kann gerade in Krisenzeiten ein Vorteil sein. Wir haben uns bisher immer aufgerappelt, wenn etwas schiefgegangen ist, viele Lösungsstrategien kennen wir. Unser bisheriger Weg ist ein Schatz, den wir gut verzinsen können. Dass Dinge nicht leichter werden, nur weil wir jetzt älter sind – logisch. Aber schwerer müssen sie deswegen auch nicht werden. Wir reden es uns ein, dass ein Minuspunkt in der Lebensbilanz hinzukommt: das Alter. Wir können genauso gut einen Pluspunkt draus machen.
Jetzt geht’s vor allem darum, was wir machen, bevor wir richtig alt sind. Jedes Zeichen von Ältersein als Katastrophe zu empfinden ist Selbstverletzung. Faltenpanik ist das Letzte, was wir jetzt brauchen. Und vorzeitiger Rückzug aus den schönen Lebensspielen mit Sex und Erotik – keine Lösung.
Als ich vierzig wurde, sagte eine zwölf Jahre jüngere Freundin: »Wenn vierzig so ist, dann habe ich keine Angst.« Der geseufzte Glückwunsch meiner jüngeren Freundin zeigt: Wir haben Verantwortung. Für die, die nach uns älter werden. Spannend genug, um alle Chancen wahrzunehmen. Niemand ist abgemeldet, der es nicht erlaubt.
Wer glaubt, er sei zu alt für den Arbeitsmarkt, der schaue sich die vielen Jungen an, die erst gar kein Bein in die Tür irgendeiner Firma bekommen. Alter allein ist nie der Grund, weshalb etwas nicht gelingt. Es ist immer auch der ganze lange Weg dahin, den wir zurückgelegt haben. Freiwillig, in eigener Regie. Wer glaubt, die Männer wendeten sich alle von uns ab, weil wir älter sind, der rede mal mit einer achtunddreißigjährigen Singlefrau, die so gern endlich ein Kind will, aber nicht von einem One-Night-Stand.
Wir ernten, was wir gesät haben. Wie alle vor uns. Der große Unterschied: Wir ernten länger. Und: Wir sind unbescheidener. Wir erwarten Besseres als die Menschen, die sich noch für Krieg und Massenmord zuständig fühlten und aus Trümmern herauswühlen mussten.
Wir haben große Glückserwartungen, hohe Ansprüche an Gesundheit, Wohlstand und Anerkennung. Das sogenannte Altenteil kommt für uns nicht infrage. Schockiert ist, wer eine der verbreiteten Krankheiten abfasst, die sich naturgemäß ab einem gewissen Alter häufen. Eine Freundin hatte Brustkrebs, ein Freund hat neuerdings Diabetes, eine bekommt neue Zähne implantiert, und eine andere hat bereits eine neue Hüfte. Arztbesuche und Besuche im Krankenhaus häufen sich spätestens ab fünfzig.
Unschön. Eine Frechheit des Schicksals. Das ist für uns verwöhnte Mitteleuropäer nicht vorgesehen. Wir wollen nicht nur »young at heart« sein, sondern auch in den Beinen, im Kopf, und wir wollen auch so aussehen. Das kann allerdings nur Arbeit bedeuten – Arbeit an sich selbst.

Tabus brechen

Wir sehen jünger aus als unsere Mütter in dem Alter. Das genügt. Vorgetäuschte Jugendlichkeit ist nicht der Weg zum Glück. Sie ist peinlich, sie ist unhaltbar, sie bekommt uns nicht. Gefühlte Rest-Jugendlichkeit drückt sich in der Lebenshaltung aus, in Sprache, Mimik, Gestik, Kleidung, Aktivität. Und diese Dinge sind auch optisch wirksam. Alles andere ist Pillepalle.
Vergebliche Liebesmüh.
Weil gut aussehen nicht immer auch jung aussehen heißen muss. Sondern: gepflegt, individuell, lässig oder modisch, fröhlich, selbstbewusst. Christiane Hörbiger mit ihren einundsiebzig Jahren wird mit dem Satz zitiert: »Ich will nicht besonders jung aussehen, ich will besonders gut aussehen.« Und das gelingt ihr.
Jünger aussehen geht ganz anders als mit schmerzhafter Mühe, mit Blut, Schweiß und erheblichem finanziellen Aufwand. Jünger aussehen können alle, die sich jünger fühlen und deswegen jünger leben. Ab fünfzig muss Schluss sein mit Resignation, Gesetztheit und Bravsein. Jetzt kommt das Alter, in dem wir nicht mehr viel zu verlieren haben, nichts mehr beweisen, keinen nennenswerten Aufstieg mehr planen, dafür ungeniert auf unser Glück setzen müssen.
Die berühmten Hippiezwillinge Jutta Winkelmann und Gisela Getty, einst Freundinnen der weltweit begehrten Platzhirsche Mick Jagger und Bob Dylon, sagten bei der Berlinale 2010 in die Kamera: »Wir haben damals das Jungsein erfunden. Jetzt erfinden wir das Alter neu.«
Wie viel Selbstbewusstsein, wie viel Souveränität stecken in diesen beiden Sätzen. Sie gelten für eine ganze Generation. Sie enthalten eine schlichte, alles ändernde Wahrheit. Älterwerden ist neu zu entdecken, ist eine Entdeckung wert. Wir schauen uns zu, haben mächtige Möglichkeiten. Alles, was galt, gilt nicht mehr. Genau wie damals, als wir jung waren und das erste Mal die Antibabypille nahmen.
Einst sah man die Hippiezwillinge schmollmündig, barbusig und brünett auf Fotos, heute schauen sie schlau unter blond gefärbten Ponys hervor. »Weil graue Fusseln leichter hell zu färben sind«, sagen sie. Bei dunklen Haaren sieht man die weißen Ansätze schneller. Coole Pragmatikerinnen. Stolze sechzig Jahre alt, jede von ihnen.
Unlängst zeigte der überraschend erfolgreiche Kinofilm Wolke neun, dass nicht nur junge oder jung-getunte Körper zum Leben und Lieben taugen. Sehr verdienstvoll. Das grandiose Echo bedeutet: Ein Tabu wurde gebrochen, das längst keins mehr sein sollte. Wir labten uns an den Bildern und dachten: So sieht’s bei mir noch lange nicht aus! Wenn das kein Aufruf zum lockeren Sex ist.
Weißhaarige Models sind sensationell gut gebucht. Modelagenturen für Ü-Fifties haben zu tun, alle Wünsche zu befriedigen. BRIGITTE zeigt neuerdings Mode an schönen Frauen aus dem Alltag – manchmal mit Falten, auch mal mit Bauch und viel echtem Leben im Gesicht – ein ganz neues Erfolgsmodell.
Schönheit des Alters, vielleicht kommt sie eines Tages ohne Botox aus? Wenn die Älteren sich emanzipieren, wenn ihre noch zaghafte Emanzipation Fahrt aufnimmt – gegen überkommene optische Diktate, gegen altbackene Diskriminierung.
Wenn wir einer gepflegten, wachen Neunzigjährigen in das von Silberfäden umwirkte Gesicht sehen, sagen wir erstaunt: Wie schön sie ist! Alter und Schönheit schließen einander nicht aus. Nur wir, die wir noch lange nicht neunzig sind, tun uns schwer, unsere einzigartigen Gesichter zu lieben und zu ehren. Viele von uns schauen viel zu wehmütig zurück in die scheinbar glatte Periode. Aber da hatten wir gegen Akne oder Pausbacken zu kämpfen und nicht gegen Zornesfalten und eigenwillig gewellte Kinnlinien.

Falten als faule Ausrede

Symbol für alles Schreckliche am Altwerden sind die Falten – unsere Buhmänner. Wir spüren Sorgen, Lebensschmerzen und sehen: Falten. Ihnen lasten wir alles an, was eigentlich im Gehirn stattfindet. Unentschlossenheit, Bequemlichkeit, Versagensangst, Stimmungsschwankungen, Sinnlosigkeitsgefühle. Und vieles mehr. Alle Lasten, die ein Leben mit der Zeit ansammelt, werden auf einen Haufen gepackt. Und drüber steht: Altwerden.
Es verhält sich etwa so wie mit dem Spruch: Nur wer nichts macht, macht keine Fehler. Wer also Jahre ansammelt, sammelt auch Erlebnisse. Gute wie schlechte. Die guten, so sind wir verwöhnten Mitteleuropäer der Nachkriegszeit gestrickt, die guten also, über die reden wir nicht viel: Das ist normal. Dass es uns gut geht, ist klar. Die schlechten, die ziehen wir uns rein. Die sind die Fehler im System. Etwas klappt nicht? Das kann nicht sein! Ich bekomme etwas nicht? Das geht doch nicht!
Unsere Gedanken und Gefühle beschäftigen sich oft mit dem Optimieren. Wir versuchen auszumerzen, was nicht schön, nicht toll, nicht wunderbar ist. Und daran scheitern wir grandios.
Denn so ein Leben gibt es nicht. Auch nicht in unseren reichen Friedenszeiten. Es gibt Krankheiten. Es gibt Verwerfungen in der Jobwelt. Es gibt übersteigerte Glückserwartungen. Es gibt Liebesdramen. Abschiede, Einbußen, Enttäuschungen. Je länger wir Zeit hatten, desto mehr davon treffen uns. Das Alter ist es nicht, was uns zu schaffen macht, es ist die vergangene Zeit, die uns nicht nur Sahnetörtchen gebacken hat.
Joachim Fuchsberger, zweiundachtzig Jahre und schon mehrmals sehr krank, sagte es neulich in einer TV-Talkrunde ganz klar: Ob es einem gut geht, hängt im Alter sehr davon ab, wie man lebt.
Das Alter kann sehr schön sein, wenn wir haben, was wir brauchen. Er hat ganz bestimmt nicht nur Geld gemeint.

Der neue Mann lohnt sich noch

Ehe wir uns individuell wie kollektiv vor dem Älterwerden gruseln, schauen wir uns mal die Rahmenbedingungen an, unter denen wir das tun oder lassen. Die Gesellschaft, in der unser individuelles Schicksal spielt: Wir werden immer älter. Jeder Einzelne. Und alle miteinander. Um 1900 lag die Lebenserwartung in Europa zwischen vierzig und fünfundvierzig Jahren. Heute werden Frauen im Schnitt einundachtzig und Männer fünfundsiebzig Jahre alt.
Wir leben länger, und das ist toll! Nebenbei: Auch deswegen lohnt sich ein neuer Mann. Wir können uns kaum vorstellen, die nächsten dreißig Jahre solo zu bleiben, aber so lange kann unsere Gastrolle auf der Erde noch locker dauern. Meine Oma hat mit sechzig gesagt: »Ach, ein neuer Teppich, das lohnt sich für mich nicht mehr.« Für uns lohnen sowohl neuer Teppich als auch Neuanfang im Bett.
Stellen wir uns vor, wie es sein wird, solange wir da sind: Es wird immer mehr Ältere geben – Altsein kann demzufolge nicht länger ein Makel sein. Das hilft, sich anzunehmen. Es kann ja nicht sein, dass eines Tages die Mehrheit der Bevölkerung sich selbst ablehnt und leise weinend dem ersten, kurzen Drittel des eigenen Lebens nachhängt. So wird es nicht kommen. Dafür sind wir alle viel zu effizienzgesteuert.
Langes Leben – langes Glück. So denken wir. Und das ist auch gut so.
Dennoch verwehren wir dem Älterwerden bis heute jegliche Wertschätzung. Es ist ein Problem. Es ist ein Schrecken. Es ist eine Peinlichkeit. Aber von Rücksichtnahme und Datenschutz kann keine Rede sein. Jeder bekommt seine Zahl in Klammern, wenn er in irgendeinem Zusammenhang öffentlich auftaucht. Man stelle sich vor, von jeder dieser Personen würde der jeweilige Stand des Girokontos veröffentlicht. Das gäbe ein Geschrei. Aber das Alter, das pappt man uns an die Stirn, egal wie wir das empfinden.
Paradox: Alle werden immer älter. Und alle schämen sich und gruseln sich und verleugnen sich. Je älter wir werden und je mehr Ältere es gibt, umso unsinniger wird dieses Verfahren. Wir brauchen einen viel lässigeren Umgang mit der Zahl im Pass. Sie sollte uninteressant sein. Nebensache. Zuerst mal für uns selbst. Was wir wollen, können, spüren, tun – das sind wir. Und nicht nur irgendeine Frau im mittleren Alter. Es ist absolut unsexy und selbstzerstörerisch, mit einer persönlichen Kennzahl zu hadern, die aus der Anzahl der mit dem Leben verbrachten Jahre besteht.
Noch einmal zum Merken: Eine heute Sechzigjährige hat im Schnitt noch 24,6 Jahre zu leben. 2050 wird es doppelt so viele Sechzigjährige geben wie Neugeborene. Dann wird Deutschland voraussichtlich zehn Millionen weniger Einwohner haben – die demografischen Eckdaten der künftigen Altenrepublik, deren Konturen sich jetzt abzuzeichnen beginnen.
Wir vernehmen doppelbödige Botschaften: Wenn es weniger Junge gibt, wird Ältersein die Norm. Wir dürfen uns freuen. Die Zukunft gehört den Alten. Schon kraft ihrer großen Zahl. Nur: Das begeistert keinen so richtig. Denn bei dieser Rechnung angekommen, warnen Politiker und Demografen – selbst längst nicht mehr dreißig – im Chor vor einer »Altenschwemme«: Immer weniger Junge, die für immer mehr Rentner arbeiten müssen, explodierende Kosten bei Rente, Gesundheit und Pflege. Krieg der Generationen, Altersarmut, Pflegenotstand. Die kindische Abscheu vor dem Altern bekommt täglich neue Nahrung. An schlechten Tagen schreit es in uns: Ja, sei einfach in Ruhe alt und halt die Klappe. Freu dich an den Primelchen im Garten und warte auf die Enkel. Geh spazieren und sei froh, dass du noch nicht im Rollstuhl sitzt.
Aber beim Alter gleich an Pflege zu denken ist geschmacklos. Unter den Siebzig- bis Fünfundsiebzigjährigen sind derzeit rund fünf Prozent pflegebedürftig. Ab neunzig freilich steigt die Quote auf zweiundsechzig Prozent. Aber trifft das auch auf künftige Neunzigjährige zu – dann, wenn wir so weit sind? Eher nicht, sagen Realisten, da wir immer länger gesund bleiben. Das sogenannte Siechtum verkürzt sich. Deswegen werden wir ja so alt.
Noch haben wir kein vernünftiges Verhältnis zu all diesen Zahlen gefunden, noch hantieren wir abwechselnd mit angstvollen Vermutungen und vagen Hoffnungen, es möge alles nicht so schlimm kommen. Sind die Alten nun eine Plage? Oder eine Chance? Eine Zielgruppe? Oder ein Finanzierungsproblem? Kunden des 21. Jahrhunderts oder Omis mit Windeln? Sind wir die mit den sexy trainierten Beinen in schicken hohen Schuhen oder die mit den Stützstrümpfen über den Krampfadern?
Wir sind all das. Und noch viel mehr. Es gibt sie nämlich gar nicht – die Alten. Es gibt Menschen über fünfzig, die sind »young at heart«, wie man so schön sagt, die gehen ins Fitnessstudio, die sind aktive Fernreisende. Oder stille Genießer, Weinkenner, Gourmets. Sie sind Singles auf Partnersuche. Oder sie liegen bereits im Pflegeheim im Bett. Sie gehen regelmäßig zur Bridgerunde. Oder sie laufen mit neunzig noch Marathon.
Wir ab fünfzig sind vor allem eins: sehr, sehr unterschiedlich. Denn je mehr Zeit wir auf Erden verbringen, umso verschiedener schwingen die Synapsen, desto eigenwilliger werden unsere Wege, Ansprüche und Fähigkeiten. Wachsende Lebenserwartung bringt: Diversifizierung. Vielfalt. Individualität.
Ältere sind nicht einfach Grauköpfe mit großer Lebensversicherung oder Minirente. Sie sind Individualisten. Sie haben ihre einzigartigen Erfahrungen, ihre sehr speziellen Biografien. Sie waren in Afrika im Entwicklungsdienst. Oder bei Siemens am Band. Sie haben Deutschland wieder aufpoliert. Oder haben hinter der Mauer auf bessere Zeiten gehofft.
Die einen werden mit Freude länger arbeiten, nicht auf eine mickrige Rente angewiesen sein. Die anderen werden gesundheitlich verschlissen dem Rentnerstand entgegenfiebern. Wenn Politiker und Wissenschaftler sich Sorgen machen, wie die Alten in Zukunft zu finanzieren sind, dann müssen sie allmählich die unterschiedlichen Bedürfnisse und Potenziale in Rechnung stellen. Und nicht jeglichen Optimismus vergessen.
Unlängst war ich als »komische Alte« mit meiner Tochter auf einem Konzert. Die Band war mir natürlich unbekannt. Es hieß: Sie machen eine Klassik-Jazz-Rock-Mischung. Ah ja, dachte ich und ging mit, weil meine Tochter mich eingeladen hatte. Drei ihrer Freundinnen mit dabei. Wir saßen auf Treppenstufen, und wir wippten mit Köpfen und Füßen, es war viel gute Laune im Saal. Und ich genoss diese tollen Mädchen um mich herum. Kein Gramm Wehmut war dabei – ich holte für alle Sekt. Und war wieder zwanzig. Für volle zwei Stunden, es tat verdammt gut.
Soll heißen: Es wird spannend mit uns selbst. Es geht noch längst nicht um Rente, Pflege, obwohl die Stichworte über uns damokeln. Vielmehr geht es um gründliche Reflexion des Bis-Hierher. Und um Neujustierung des Wie-Weiter.

Wirklich alt sein ist viel später

Da hat sich etwas verändert im Zeitgefühl. Als ich fünfzig wurde, bekam ich Panik: Jetzt ist alles vorbei. Was nicht ist, das wird nie mehr. Und ich nahm mir den ersten wesentlich jüngeren Freund meines Lebens. Schmeichelhaft, aufregend, eine Zeit lang. Ich verstand zum ersten Mal die Männer, die das tun – ich verstand aber nicht, dass sie dabei bleiben. Bei mir hielt es so lange, bis ich einundfünfzig war.
Inzwischen sind Jahre vergangen, und jedes Jahr brachte Neues mit. Meinen Freund, mit dem ich nun schon so lange Schweigen teile. Krebs, den ich überraschend schnell besiegen konnte. Freude an meinen Kindern, die immer mehr sie selbst werden und mir immer besser gefallen.
Heute habe ich wieder mehr Zeit vor mir. Mehr gefühlte Zeit. Das Fallbeil des fünfzigsten Geburtstages hat mich nicht geköpft, das Leben ist weitergegangen. Der befürchtete Alterseinbruch ist ausgeblieben. Und so wird es auch eine ganze Weile bleiben. Mit der zahlenmäßigen Zäsur – fünfzig, sechzig – passiert erst mal gar nichts. Älterwerden ist jeden Tag. Und wir haben sehr viel Zeit dafür.
Ich denke, wer bis jetzt nicht auf dem Abstellgleis gelandet ist, wird auch weiter fröhlich durchs Leben fahren, nach eigenem Fahrplan, mit überraschenden, wunderbaren Haltestellen.
Seit meine Mutter nicht mehr lebt, stehe ich oben an der Spitze der Pyramide. Als nächste Generation bin ich dran, das ist klar. Ich bin jetzt Vollwaise. Mit siebenundfünfzig. Meine Mutter kam mir überhaupt nicht alt vor. Achtundsiebzig ist sie geworden. Sie war oft unlogisch, manchmal verspielt, sogar leicht verpeilt. Und sie hat uns gezeigt, wie Jungbleiben geht: das Alter nicht zu schwernehmen. Wir können braune Flecken auf den Wangen haben und Gehänge an den Oberarmen und trotzdem keine alte Frau sein. Das geht, wenn die Neugier bleibt, wenn der Humor bleibt, wenn die Eitelkeit bleibt. Wer gegen die Schwerkraft der Jahre lebt, bleibt länger jung. Manchmal sogar bis zum Ende.
Wirklich alt sind wir etwa ab fünfundsiebzig. Von der Wissenschaft wird erst der als alt bezeichnet, von dessen Jahrgang mehr als die Hälfte gestorben ist. Fünfzig ist also noch gar kein Alter. Es ist eine Lebensphase mit allen Möglichkeiten.
Unsere Kinder werden wohl ihr hundertstes Lebensjahr erreichen – und mindestens neunzig Jahre gesund bleiben, rechnen Wissenschaftler vor. Die Überlebenschancen der Menschen nehmen eine rasante Entwicklung. In den letzten hundertsiebzig Jahren ist die Lebenszeit in den Ländern mit der höchsten Lebenserwartung alle zehn Jahre um zweieinhalb Jahre gestiegen. Das heißt umgerechnet: jeden Tag um sechs Stunden.
Am Beispiel Schweden zeigt sich: Frauen müssen sich im Alter aufs Alleinleben einstellen. Bis sechzig gibt es etwa genauso viele Männer wie Frauen. Mit achtzig kommen drei Frauen auf zwei Männer. Mit hundert sind es sogar sechs Frauen, die einem gleich alten Mann gegenüberstehen.
Interessant ist, dass neuesten Forschungen zufolge genetische Faktoren nur zu 25 Prozent Einfluss auf die Lebensspanne haben. Lebensumstände und Gesundheitsverhalten sind viel wesentlicher. Genauso wie das gefühlte und das tatsächliche Alter sich nach hinten verlagern, ist es mit dem körperlichen und geistigen Verfall.
Was sagen uns diese Zahlen und Fakten? Dass wir eine ganz neue Lebensplanung brauchen. Wirklich alt sein ist viel später. Abbau und Ruhestand stehen nicht auf dem Programm.
Die neuen Alten
Wir haben die eine wichtige Aufgabe: uns noch einmal selbst zu erfinden. Als neue Alte. Rollenvorgaben gibt es nicht. Die Alten von heute, deren Hilflosigkeit und Einsamkeit uns solche Angst machen, sind anders, als wir es vermutlich sein werden. Sind die jetzt Fünfundachtzigjährigen nicht dieselben Eltern, denen wir vor dreißig Jahren schon gesagt haben: Das machen wir neu, das machen wir anders? Und warum sollte das jetzt nicht wieder genauso sein?
Statt sie angstvoll zu beobachten, können wir andere Schlüsse ziehen. So werde ich es nicht machen, zum Beispiel. Ich werde nicht für ein Haus leben, das im Alter völlig unpraktisch ist. Ich werde nicht in einer Ehe bleiben, die zum Klotz am Bein wird. Ich werde nicht zu früh vom Job zurücktreten. Ich werde nicht dick. Nicht denkfaul und nicht technikfeindlich. Ich werde keine aufopferungsvolle Großmutter, weil ich auch als Mutter nicht auf meine eigene Entwicklung verzichtet habe. Ich werde eine Patientenverfügung machen. Meine Organe der Wissenschaft vererben. Ich will selbstbestimmt in den Tod gehen – wenn es so weit ist.