Frauenrolle vorwärts - Prof. Sabina Schutter - E-Book
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Frauenrolle vorwärts E-Book

Prof. Sabina Schutter

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Beschreibung

Mitte Dreißig, vielleicht Mutter, glücklich. Oder? Doch irgendetwas scheint zu fehlen: Sie hatten mal höhere Ziele und auf dem Weg dahin sind Sie ins Stocken gekommen. Jetzt steht ein Kassensturz an: Soll das alles so bleiben? Oder geht da noch mehr? Jedes verlorene Jahr schlägt negativ zu Buche, denn Ihr Umfeld überholt Sie einfach. Aber umgekehrt zahlt sich jedes Jahr doppelt aus, in dem Sie aktiv in sich und Ihren Lebensplan investieren. Prof. Dr. Sabina Schutter, Expertin für Kindheit, Geschlecht und Familie, erläutert humorvoll und auf Augenhöhe, wie das gelingen kann. Raus aus der Mental Load Falle, rein ins pralle Leben.    

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Seitenzahl: 312

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Impressum

© eBook: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

Gräfe und Unzer ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Miriam Nüberlin

Lektorat: Silke Panten

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

eBook-Herstellung: Lea Stroetmann

ISBN 978-3-8338-8160-2

1. Auflage 2021

Bildnachweis

Coverabbildung: FAVORITBUERO, München

Autorinnenfoto: berglicht filmproduktion

Syndication: www.seasons.agency

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Es gibt sie, die berühmten Ausnahmen. Partnerschaften, in denen Mann und Frau sich die Verantwortung für das Private gerecht teilen. Alternative Lebenskonzepte, multiple Elternschaft, queere Eltern, Familien, die ihren Fokus nicht der Teilhabe am Erwerbsleben sehen und für eine lebenswertere Gesellschaft kämpfen. Fakt ist aber: Statistisch wachsen heute noch mehr als 70 Prozent der Kinder mit beiden leiblichen zusammenlebenden Eltern auf. Und in 85 Prozent dieser Konstellationen sind Männer die Haupteinkommensbezieher, während die Mütter in mehr oder weniger existenzsichernder Teilzeit arbeiten.

In diesem Buch geht es um genau diese Arrangements und darum, wie sie verändert werden können. Alle politischen Maßnahmen bringen nichts, wenn Frauen nicht im großen Stil und in großer Breite ihr Mindset ändern. Dass »alles« zu haben, nicht nur ein Stück vom Kuchen, sondern gleich die ganze Bäckerei für sich einzufordern, ganz unmöglich sei, wurde uns so lange eingeimpft und vorgelebt, dass wir hinter unseren Möglichkeiten zurückbleiben. Wir wählen ein Studienfach, das etwas mit Menschen zu tun hat, weil wir angeblich nicht mit Zahlen können. Wir steigen in einen Job ein und fordern zu wenig Gehalt, weil wir glauben, dass wir nicht alle Kriterien erfüllen. Uns schreckt eine Führungsposition ab, weil wir an eine zukünftige Familie denken. Wir stecken in der Elternzeit zurück, und weil das so schön ist, hängen wir direkt eine Teilzeit hintendran. Doch das kann nicht »alles« sein.

Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Weil es um die ganze Bäckerei geht.

Der Kassensturz: War das schon alles?

Jan und Anne sind ein glückliches Paar. Sie haben sich mit Ende 20 im Internet kennengelernt, sich verliebt und schnell gemerkt, dass sie im Leben ganz ähnliche Ziele haben. Jan leitet mittlerweile eine Abteilung im Headquarter einer großen Bank. Anne ist eigentlich Sozialpädagogin. Eigentlich. Momentan ist sie allerdings »nur« Mama von Lena. Jan ist natürlich total engagiert als Papa. Er würde sich jederzeit um Lena kümmern – wenn er nicht viel mehr Geld als Anne verdienen würde. Und wenn sie sich nicht beide hingesetzt und ausgerechnet hätten, dass es einfach vernünftiger ist, wenn Anne erst mal zu Hause bleibt. Bevor Lena zur Welt gekommen ist, hat Anne als Sozialpädagogin ein Jugendprojekt geleitet. Wenn sie an die jungen Menschen denkt, denen sie damals geholfen hat, vermisst sie ihren Job sehr. Zeit für nostalgische Gedanken bleibt ihr allerdings keine. Denn Anne ist nun Spülmaschinenausräumerin, Staubsaugerin, Badputzerin Kuchenbäckerin, Erbrochenes-von-der-Bettwäsche-Kratzerin, Windelwechslerin, Einschlafbegleiterin, Entdeckerin, Vorleserin, Heldin, Stimmenimitatorin, Kindergeburtstagsplanerin – und manchmal auch Nervenverliererin. Jan und Anne waren sich einig, dass der Feminismus heute keine Frage mehr ist, sondern die Antwort.

Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Was Jan und Anne erleben, ist die statistische Realität in Deutschland im Jahr 2021. Wir leben in einer Gesellschaft, in der für Frauen und Männer alles möglich ist. Die Gleichstellung der Geschlechter wurde mit mehreren Wellen der Emanzipation erstritten, zuletzt waren die Feministinnen der 1980er-Jahre dabei, die »gläserne Decke« zu durchbrechen und Frauen in Führungspositionen zu bringen. Mit der #MeToo-Bewegung wurde gerade in den letzten Jahren auch aufgedeckt, wie sich Sexismus und die Abwertung von Frauen durch alle Branchen ziehen. Es müsste also eigentlich kein Thema mehr sein, dass Frauen über genau die gleichen Chancen, finanziellen Mittel und die gleiche Macht verfügen. Immerhin ist in Deutschland eine Frau Bundeskanzlerin. Das muss doch was bedeuten! Theoretisch ist das richtig.

Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache. Drei Viertel aller Professuren sind von Männern besetzt, zwei Drittel der Bundestagsmandate gingen 2017 an Männer,1 80 Prozent der Vorstandsmitglieder in DAX-Unternehmen sind männlich und in TecDAX-Unternehmen sind es sogar 96,1 Prozent.2 Der Gender-Pay-Gap, also die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen, lag 2019 bei 19 Prozent.3 Das Einkommen erwerbstätiger Frauen beträgt also nur vier Fünftel von dem der Männer – unter anderem weil sie in Teilzeit und in schlechter entlohnten Branchen arbeiten. Das Mehr an Einkommen zahlt sich für Männer lebenslang aus, denn das Alterseinkommen von Frauen liegt 46 Prozent unter dem der Männer.4 16,4 Prozent der Frauen ab 65 Jahren waren im Jahr 2018 von Altersarmut betroffen; von den Männern waren es nur 12,4 Prozent.5 Das Erschreckende: Der Anteil von Frauen in Altersarmut steigt: Die jetzt 65-jährigen Frauen profitieren noch von den Renten ihrer Ehemänner, die jetzt 30-Jährigen können das nicht mehr erwarten. Das heißt, das Risiko für Frauen, spätestens im Alter zu verarmen, steigt.

Ihr Unbehagen bei diesen Zahlen, das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt, obwohl Sie persönlich vielleicht glücklich sind, ist durchaus berechtigt. Trotz aller verbalen und theoretischen Gleichberechtigung ist es vermutlich aktuell auch bei Ihnen so, dass Sie einen kleineren Teil zum Haushaltseinkommen beitragen, in Teilzeit arbeiten und/oder der nächste Karriereschritt nicht direkt vor der Tür steht. Vielleicht haben Sie sogar das Gefühl, beruflich und finanziell in einer Sackgasse zu sein, und vor lauter täglichen Aufgaben wissen Sie auch nicht, wie Sie das ändern können. Klar, Sie haben einen Mann, der das mit der Gleichberechtigung voll unterstützt. Er würde wirklich, wenn er könnte. Aber weil Sie eben bisher alles erledigt haben, ist es irgendwie einfacher, wenn Sie diese Dinge auch weiterhin mal eben schnell übernehmen. Leider bezieht sich das »mal eben schnell« dann auch wirklich auf alles, von der Essensplanung bis zur Putzmittelübersicht.

Sie sind nicht allein in dieser Situation. Das Beispiel von Jan und Anne, einem nahezu typischen Paar, das uns durch dieses Buch begleiten wird, zeigt, wie aus einer gleichberechtigten Partnerschaft im 21. Jahrhundert plötzlich eine Familie wird, die so lebt wie in den 1950ern.

Mit der Geburt von Lena hat sich für Anne irgendwie alles verändert. Als Anne schwanger wurde, war ihr Plan, im Mutterschutz ihre Doktorarbeit fertig zu schreiben. Aber dann gab es so viel zu organisieren. Die Elternzeit wollte sie wirklich nutzen, endlich voranzukommen. Jan wollte ursprünglich mindestens die Hälfte der Elternzeit nehmen. Doch dann wurde seine Abteilung umstrukturiert und er bekam die Abteilungsleitung. Lena ist mittlerweile zwei und die Erzieherin in der Krippe sagt, dass sie besser nur vier Stunden, allerhöchstens sechs Stunden pro Tag in die Krippe soll. Annes Projekt in der Jugendhilfe ist ausgelaufen und sie findet keine Stelle in der Nähe, die sie mit vier Stunden in Teilzeit anfangen kann. Viele Stellen in der Jugendsozialarbeit sind auf den Nachmittag oder Abend ausgerichtet, in Wohngruppen gibt es Schichtdienst. Annes Doktorarbeit geht auch nicht voran. Jan hat von seinem besten Freund zu Weihnachten ein T-Shirt geschenkt bekommen, auf dem steht: #feminist. Fanden sie alle lustig. Echt.

Die meisten Frauen erleben nach der Geburt eines Kindes einen Knick in ihrer beruflichen Biografie. Die Gründe: Frauen nehmen länger Elternzeit als Männer, erhalten kaum ein existenzsicherndes Elterngeld und arbeiten meist in Teilzeit, nachdem sie Kinder bekommen haben.

Der überwiegende Anteil von Männern dagegen arbeitet 40 Jahre oder länger ununterbrochen in Vollzeit, kann von seiner Rente leben und unterbricht bei der Geburt eines Kindes die eigene Arbeit lediglich für maximal drei Monate. Übrigens gilt das für west- und ostdeutsche Bundesländer gleichermaßen. Das ist nicht der Boshaftigkeit von Männern geschuldet, sondern der Tatsache, dass auch Männer äußeren Rollenerwartungen unterliegen und versuchen, ihnen zu entsprechen.6 Ein »neuer Vater« zu sein, wird im Beruf zwar als attraktiv angesehen, aber nur wenn damit keinerlei Einschränkungen einhergehen. Viele Frauen kehren nach einer Elternpause gar nicht in ihren alten Beruf zurück, sondern nehmen eine schlechtere Position an. Entweder hatten sie schon vor der Familiengründung einen Job, für den sie nicht gebrannt haben, oder sie denken, ihre Arbeitsbedingungen lassen sich nach der Elternzeit schwer mit der Familie vereinbaren.

Falls es Ihnen also ähnlich geht, kann ich Sie beruhigen: Sie sind nicht allein mit Ihrem aktuellen Lebensentwurf, Sie sind die Norm. Die Frage ist allerdings, ob die Norm das ist, was Sie langfristig glücklich macht, was Ihnen ein sicheres finanzielles Polster gibt und Ihnen Unabhängigkeit verleiht. Ein Problem an der relativ traditionellen Lebensführung vieler Familien ist nämlich, dass die individuelle Lebensplanung nicht mit gesetzlichen Regelungen vereinbar ist. So ermöglicht das aktuelle Unterhaltsrecht beispielsweise geschiedenen und getrennten Müttern nur noch eine kurze Pause, bevor sie voll für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen.

Und jetzt? Egal, ob Sie geschieden, getrennt, alleinerziehend, kinderlos oder in einer glücklichen Partnerschaft sind: Jetzt steht ein Kassensturz an: Soll das alles so bleiben? Oder will ich doch noch wissen, was geht, was ich noch erreichen kann und was ich wirklich will?

Ab dem Berufseinstieg haben Sie Verpflichtungen, die Sie meistens nicht einfach so umschmeißen können. Kommen dann Kinder dazu, weiß man vor lauter Aufgaben und Erwartungen plötzlich nicht mehr, wo man anfangen soll. Da einfach mal an sich selbst zu denken, erscheint unmöglich. Es gibt immer tausend Gründe, das Durchstarten zu verschieben. Auf den Zeitpunkt, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind zum Beispiel. Die Frage ist, was genau das Gröbste ist – Kita, Schule, Pubertät, Abitur? Oder wenn Ihr Partner nicht mehr in dem »krassen Projekt« steckt. Doch kommt dann vielleicht das nächste Projekt?

Ich habe in meiner Forschung Interviews mit Ärztinnen geführt, mit Doktorandinnen, mit ehemaligen weiblichen Führungskräften und auch mit Erzieherinnen. Alle waren Mütter. Keine hat mir gesagt, dass es ihr leichtfällt, Teilzeit zu arbeiten oder ganz aufzuhören. »Ich vermisse meinen Beruf. Wirklich. Sehr«, sagte die Mitarbeiterin einer Uniklinik zu mir. Und trotzdem sah sie sich in der Pflicht, ihre eigenen Träume von der Klinikkarriere zu begraben. »Ich wollte gar nicht in der Kita arbeiten, aber das war das Einzige, was sich mit Kindern machen ließ«,7 sagte eine andere.

Die Erwartungen an gute Elternschaft sind heute so hoch, dass Mütter ihnen nur noch gerecht werden können, wenn sie ihre eigenen Ziele der Elternschaft unterordnen. Es ist keineswegs so, dass Mütter Latte macchiato trinken und die Füße hochlegen. Im Gegenteil: Sie lesen Ratgeber über sichere Bindung, sie wagen es nicht, ihren Blick vom Kind zu wenden, während sie stillen (weil Bindungszeit), sie kochen Brei aus Biogemüse, versuchen interessiert bei den Entdeckungsreisen ihres Kindes zu sein und erstarren vor Angst, wenn die Erzieherin sie zum Elterngespräch einlädt. Die Angst zu scheitern ist wahrscheinlich bei niemandem so ausgeprägt wie bei Müttern.

Es wird also aller Wahrscheinlichkeit nach nicht so sein, dass Sie die Pausenbrotdose fallen lassen und sich fortan um Ihre Karriere kümmern, während Ihr Partner weiterhin im »krassen Projekt« arbeitet und Ihre Kinder sich ihr Mittagessen selbst im Kühlschrank zusammensuchen. Für Ihr persönliches Durchstarten brauchen Sie einen Plan. Dieser Plan fußt auf drei Säulen.

Die erste Säule lautet: »Zu Hause abstauben«. Frauen leisten zwei Drittel ihrer Arbeitszeit unbezahlt, Männer weniger als die Hälfte.8 So wird eine scheinbare Gleichberechtigung aufrechterhalten, indem Männer nichts an ihren biografischen Plänen und Alltags-praxen ändern und alle zusätzlichen Belastungen von Frauen aufgefangen werden. Damit die Frauen nicht durchdrehen, machen sie dann eine Runde Achtsamkeitsmeditation und lassen los. Nun denn: Damit Sie wirklich nicht durchdrehen, schauen wir uns bei Säule I an, wie Sie entlastet werden.

Mit der zweiten Säule widmen wir uns Ihrer finanziellen Situation. Ein Blick unter die Motorhaube ist hier meist sehr ernüchternd. »Ich kann einfach nicht mit Geld umgehen«, hört man auch heute noch selbst von hartgesottenen Kassiererinnen. Der angeblich zerstreute Umgang von Frauen mit Geld ist eine Schwäche, die als verzeihbar gilt und belächelt wird. Zynisch betrachtet können Frauen jedoch offenbar wirklich nicht mit Geld umgehen: Ihre Einkommen liegen wie gesagt lebenslang unter denen der Männer, sie haben keine Rücklagen und befassen sich weder mit Steuer- noch mit Unterhaltsrecht. Im Ernstfall sind die meisten Frauen dann blank – sowohl finanziell als auch strategisch. Anhand von Modellrechnungen versuchen wir bei der zweiten Säule, einen sicheren Finanzplan aufzustellen, der Ihnen Luft für neue Pläne verschafft. Mit dieser Stabilität im Rücken können Sie erstens durchstarten, zweitens wissen Sie, dass Sie auch im Alter abgesichert sind, und drittens können Sie sich auf das konzentrieren, was Sie wirklich wollen.

Mit der dritten Säule ist die Frage nach Ihrer Rolle als erfolgreiche Businessfrau und Mama verbunden. Es ist kein Zufall, dass sich die Löhne von Männern und Frauen genau zum statistischen Erstgeburtenalter von Frauen auseinanderentwickeln; diese Lücke schließt sich bis zur Rente nicht mehr.9 Zu Karriereunterbrechungen gibt es zahlreiche Daten. Sie belegen, wie ungünstig sich lange Erwerbsunterbrechungen auf die Einkommen von Frauen auswirken. Das Mindset »Mama« und die sehr deutschen Normen, die mit guter Mutterschaft verbunden sind, stellen vielen Frauen ein Bein. Wir schauen uns bei dieser dritten Säule auch die Fakten an: Was schadet Kindern wirklich? Welche Beweise gibt es, dass Kinderbetreuung Stress erzeugt? Und wer ist die wichtigste Komponente im kindlichen Aufwachsen?

Ihre dritte Säule führt also Ihre ersten beiden Säulen zusammen: Nur wenn Sie Ihre privaten Player im Boot haben und Ihre Finanzen im Griff, haben Sie die Freiheiten, sich auch für einen tollen Job zu entscheiden oder für eine Fortbildung, um Ihren persönlichen Zielen näher zu kommen.

Die öffentliche Diskussion dreht sich im Moment um politische Maßnahmen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern sollen, oder um Frauenquoten in Vorständen. Mit der Lissabon-Strategie im Jahr 2000 hat die Europäische Union unter dem Stichwort Wissensgesellschaft vereinbart, dass die Chancengleichheit von Frauen und Männern erhöht werden soll und die Frauenerwerbsquote gesteigert wird. Ein Resultat davon war das Elterngeld. Der immer noch bestehende Fachkräftemangel zeigt, dass Frauen dringend gebraucht werden. Genau in der entscheidenden Karrierephase, zwischen 30 und 40 Jahren, stecken sie aber aller Politik zum Trotz zurück. Wir können lange über die Passgenauigkeit von Familien- und Gleichstellungspolitik diskutieren, es gibt sicherlich viel Verbesserungspotenzial.

Und ja, es gibt Ausnahmen. Es gibt Partnerschaften, in denen Mann und Frau sich die Verantwortung für das Private gerecht teilen. Es gibt alternative Lebenskonzepte, multiple Elternschaft, queere Eltern, Familien, die ihren Fokus nicht auf der Teilhabe am Erwerbsleben sehen und für eine lebenswertere Gesellschaft kämpfen. All diese Konzepte verdienen volle Anerkennung. Statistisch wachsen heute noch mehr als 70 Prozent der Kinder mit beiden leiblichen zusammenlebenden Eltern auf. In 85 Prozent dieser Konstellationen sind Männer die Haupteinkommensbezieher, während die Mütter in mehr oder weniger existenzsichernder Teilzeit arbeiten.10, 11

In diesem Buch geht es um genau diese Arrangements und darum, wie sie verändert werden können. Ich weiß, dass der Kapitalismus in diesem Kontext eine große Rolle spielt und dass es auch revolutionär sein kann, sich davon abzuwenden. Ich weiß und ich stimme zu, dass jede Frau ein Recht darauf hat, sich gegen eine Karriere zu entscheiden. Das Stichwort ist aber Entscheidung. Wenn diese Entscheidung auf dem Weg des geringsten Widerstandes beruht, wenn die Entscheidung nicht selbst getroffen wird, sondern sich eigentlich so ergeben hat, und wenn dieses Ergeben dem Großteil aller Frauen alternativlos scheint, dann ist es keine Entscheidung, sondern ungerecht.

Alle politischen Maßnahmen bringen nichts, wenn Frauen nicht im großen Stil und in großer Breite ihr Mindset ändern. Die Idee, was alles unmöglich ist, wurde uns so lange eingeimpft und vorgelebt, dass wir hinter unseren Möglichkeiten zurückbleiben. Im Kindergarten werden wir gefragt, wen wir heiraten wollen. Wir bilden uns in der Schule ein, dass wir kein Mathe können. Wir wählen ein Studienfach, das etwas mit Menschen zu tun hat, weil wir angeblich nicht mit Zahlen können. Wir steigen in einen Job ein und fordern zu wenig Gehalt, weil wir glauben, dass wir nicht alle Kriterien erfüllen. Uns schreckt eine Führungsposition ab, weil wir an eine zukünftige Familie denken. Wir stecken in der Elternzeit zurück, und weil das so schön ist, hängen wir direkt eine Teilzeit hintendran. Wir bekommen das nächste Kind und noch weniger Elterngeld. Wir kommen zurück und sind dankbar für die Teilzeitstelle, die uns dann angeboten wird. Und das wird uns dann als Vereinbarkeit von Familie und Beruf verkauft.

Das kann nicht alles sein.

Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Ich habe Soziologie mit dem Schwerpunkt Familiensoziologie studiert und wurde in meinem ersten Job nach einem Jahr gekündigt. Und dann wusste ich erst mal nicht weiter. Über Umwege bin ich in die Familienpolitik geraten, wo ich mich ein paar Jahre in Berlin für Alleinerziehende eingesetzt und nebenbei promoviert habe. Nach meiner Doktorarbeit habe ich mich noch mehr mit Familien befasst: Ich habe dazu geforscht. Und ich habe zu Kitas, zu Kindern, zu Familienpolitik, zu Alleinerziehenden und zu Kinderrechten geforscht. Ich bin sehr, sehr neugierig und habe deshalb auch viele Menschen zu ihrem Privatleben ausgefragt. Die ganze Forschung muss irgendwo Anwendung finden, deshalb bin ich Professorin geworden, damit junge Studierende irgendwann mit dem ganzen Wissen die Welt besser machen. Und seit 2021 arbeite ich als Vorstandsvorsitzende für SOS Kinderdorf e. V. Mir ist es wichtig, dass eine Gesellschaft allen Menschen gerecht wird. Kindern und Erwachsenen, Männern und Frauen, allen Individuen gleichermaßen. Es gibt nichts, was rechtfertigt, dass irgendwelchen Gruppen weniger Rechte zugestanden werden. Und ich kann und will nicht akzeptieren, dass im Jahr 2021 Frauen eher am Herd stehen, als das zu tun, wofür sie brennen.

Die Zeit durchzustarten ist jetzt. Politik und Gesellschaft zeigen, dass sie bereit sind für Frauen, die ihr Leben in die Hand nehmen. Holen Sie sich Ihr Stück vom Kuchen. Holen Sie sich die ganze Bäckerei, wenn Sie wollen. Mit einer Stabilisierung der drei Säulen haben Sie den richtigen Plan, um an Ihr persönliches Ziel zu kommen.

Eine kurze Anmerkung zu den Daten, die hier verwendet werden: Ich stelle Ihnen in diesem Buch wissenschaftliche Erkenntnisse zu Männern und Frauen, zu Beziehungen und Familien, zur Verteilung von Arbeit und Einkommen vor. Dabei werden sowohl große repräsentative Datensätze verwendet als auch kleinere qualitative Studien, die auf Interviews oder Beobachtungen beruhen. Diese Daten ergänzen einander. Während Befragungen von Tausenden von Personen eher einen Überblick über die ganze Gesellschaft geben, sind es gerade die kleinen Studien, die individuelle Begründungen und Handlungsweisen abbilden. Ich werde deshalb nicht immer im Detail darauf eingehen, welche Daten welche Aussagekraft haben – auch weil Sie sonst wahrscheinlich nach zwei Seiten einschlafen. Denn übermüdet sind Sie vermutlich ohnehin.

Säule IZu Hause abstauben

Wann endet die vorübergehende Lösung?

Was hat Gleichberechtigung mit der Spülmaschine zu tun? Wir leben ja nun wirklich nicht mehr in einer Zeit, in der man sich über die Aufteilung von Hausarbeit zwischen Frauen und Männern Gedanken machen muss. Zudem geht es hier um das Einkommen und die Karriere. Vielleicht geht es auch noch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da hat schmutziges Geschirr keinen Platz.

Vielleicht ist Gleichberechtigung für Sie kein Thema, sondern eine Selbstverständlichkeit. Vielleicht würden Sie sagen, dass Sie und Ihr Partner die Aufgaben zu Hause gerecht aufteilen, normalerweise zumindest. Vielleicht ist es nur jetzt gerade vorübergehend so, dass Sie einen Großteil der Hausarbeit machen – weil Sie nun einmal mehr Zeit haben.

»Nur gerade jetzt«, »vorübergehend« oder »mal kurz« – diese Äußerungen liest man in vielen Interviews und Daten zur Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen im Haushalt. Man liest auch, dass er würde – wirklich (!) –, wenn er könnte. Er kann nur gerade vorübergehend nicht. Daten zeigen jedoch, dass aus dem Übergang längst eine Dauerlösung geworden ist. Frauen sind heute genau wie vor 70 Jahren zuständig für Heim und Herd. Sie nicht? Super! Dann springen Sie direkt ins nächste Kapitel.

Frauen im Erwerbsalter wenden 2,4-mal so viel Zeit für unbezahlte Fürsorgearbeit und das 1,6-Fache für Hausarbeit auf wie vergleichbare Männer. In Paarhaushalten mit Kindern liegt die Doppelbelastung voll aufseiten der Frauen, selbst wenn beide in Vollzeit arbeiten.12

Schmutzige Wäsche – Daten zur Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern

Vor Lenas Geburt, als Jan und Anne zusammengezogen sind, waren sie sich sicher: Wir sind gleichberechtigt. Genau genommen ist Anne bei Jan eingezogen, weil er die größere Wohnung hatte. Noch genauer genommen zahlt Anne auch nur ein Drittel der Miete, weil Jan mehr verdient. Aber das ist Nebensache, denn es geht hier ja um Gleichberechtigung. Jan hat, als er noch allein gewohnt hat, selten selbst gekocht. Mittags war er in der Kantine und abends hat er sich oft was bestellt oder die Küche blieb kalt. Anne achtet total auf Ernährung. Sie versucht, regelmäßig Biogemüse frisch zuzubereiten. Außerdem gibt es bei ihr selten Fleisch, und wenn, dann nur wenn sie weiß, wo es herkommt. Fürs Einkaufen hat Jan keine Zeit, Anne stoppt deshalb oft auf dem Heimweg im Biomarkt und kauft was fürs Abendessen ein. Jan ist nicht so wichtig, was er isst, aber wenn Anne gekocht hat, freut er sich. Er sagt dann ironisch: »Na, meine kleine Hausfrau?!«, und beide lachen. Nach dem Essen räumen sie die Spülmaschine zusammen ein, danach hat er oft noch einen Call und Anne spült noch schnell die Pfanne ab und geht über die Arbeitsflächen. Manchmal fühlt sie sich dabei schon wie eine kleine Hausfrau.

Die Tücke der Top Girls

Die Zuständigkeit von Frauen für die Fürsorgearbeit entpuppt sich heute als doppelte Benachteiligung: Zum einen übernehmen Frauen wie in den 1950er-Jahren den Löwenanteil aller privaten Aufgaben und gleichzeitig dürfen Sie es nicht zugeben, denn diese Tradiertheit entspricht nicht dem Bild moderner Weiblichkeit. So hört man Frauen nicht selten über ihre Männer sagen: »Nein, er gibt sich schon Mühe und den Müll bringt er auch regelmäßig raus, wenn man es ihm sagt.« Bei Lichte besehen ist das auch alles nicht so schlimm. Ich habe mal gestoppt, wie lange ich brauche, um die Spülmaschine auszuräumen. Es sind vier Minuten. Wer will sich wegen vier Minuten aufregen, geschweige denn streiten? Ich tröste mich bisweilen damit, dass ich ja immerhin auch voll im Beruf stehe und außerdem hoch qualifiziert bin. Währenddessen poliere ich ein Glas mit Wasserflecken.

Die Medienwissenschaftlerin Angela McRobbie kritisiert in ihrer Analyse »Top Girls« eine postfeministische Maskerade. Damit ist gemeint, dass nominell Frauen heute alles haben können: Sie können den Beruf haben, den sie sich wünschen, und eine glückliche Familie. Zudem können sie toll aussehen und begehrt werden. Dabei wird allerdings eine echte Gleichberechtigung unterlaufen, weil Frauen eventuelle Probleme mehr oder weniger mit sich selbst ausmachen.13 Die Aufmerksamkeit für die dahinterliegenden Ungerechtigkeiten schwindet und damit auch das Bewusstsein feministischer Kritik. Diese etwas kompliziert erscheinende Analyse zeigt eines deutlich: In dieser Gleichung fehlt eine Person – der Mann. Wenn Frauen – und die folgenden Statistiken sprechen dafür – nach wie vor für Kinder und Küche zuständig sind, sie aber gleichzeitig versuchen, eine Karriere zu realisieren und am besten noch so tun, als wäre das total easy, muss das System scheitern. Und weil Scheitern keine Option ist, stecken Frauen zurück und tun so, als wäre das okay und eben: vorübergehend.

Gleichzeitig haben wir es mit Männern zu tun, die durchaus gern mehr Zeit in ihr Privatleben investieren würden. Der Wunsch nach einem aktiven Privatleben und involvierter Vaterschaft ist groß. Wunsch und Wirklichkeit klaffen aber auseinander, weil auch für Männer soziale Normen, Zwänge im Berufsleben und einige Hürden zu Hause im Weg stehen.

Die Frage der Gleichberechtigung wird im Zusammenspiel der Geschlechter beantwortet. Sie können nicht alles leisten, wenn Sie nicht für die Unterstützung sorgen, die Sie brauchen.

Die Weihnachtsgans und ihre Gefühle

Die private Lebensgestaltung ist für alle Beteiligten hoch emotional. Immerhin geht es darum, was wir unter Liebe, Partnerschaft und Familie verstehen. Wer noch nie den Familienkrach um eine verbrannte Weihnachtsgans erlebt hat, dem gratuliere ich hiermit; alle anderen wissen, es geht hier nicht um den verkohlten Vogel. Es geht um das, was der Braten symbolisiert – Liebe, Vertrauen und Verlässlichkeit. Wie wir unser Privatleben organisieren, was wir als Schmutz begreifen, wer welche Aufgaben machen soll und wer welche Rolle hat – mit diesen Fragen verbinden wir Gefühle, auch dann, wenn es eigentlich nur um dreckige Socken geht. Wir haben in unserem Elternhaus zentrale Vorstellungen davon erlernt, was es heißt, ein Paar zu sein oder eine Familie. Wir haben unseren Eltern zugeschaut, und weil das eben unsere Familie ist, hielten wir es für richtig. Und selbst wenn wir es nicht für richtig halten und wirklich echt alles ganz anders machen wollen, sitzt ganz tief in unserem Inneren eine kleine Stimme, die uns etwas anderes sagt. So wie meiner Freundin Mel, die es als Sozialwissenschaftlerin eigentlich besser weiß und die trotzdem immer putzt, bevor die Putzfrau kommt, damit die nicht denkt, es wäre dreckig. Kein Witz.

Für Ihre erste Säule brauchen Sie also einen neuen Blick auf die schmutzige Wäsche:

Wo geht es beim Haushalt um die Aufgaben und wo eigentlich um was ganz anderes?

Wie können Sie dies entwirren, damit Sie nicht am Ende doch für alles verantwortlich sind?

Sie brauchen auch einen klaren Blick für den Mann, der mit Ihnen am Tisch sitzt, und müssen wissen, warum Sie ihn ausgesucht haben:

Wollten Sie insgeheim einen Versorger und wie geht es Ihnen damit, wenn der Versorger vielleicht in Teilzeit arbeitet und Sie auch Versorgerin werden?

Wo stehen Sie einer aktiven Vaterschaft im Weg, weil Sie es ihm eigentlich doch nicht zutrauen?

Und Sie müssen ehrlich zu sich selbst sein:

Wo stehen Sie sich selbst im Weg und wo denen, die Ihnen vielleicht helfen würden, wenn Sie sie ließen?

Sind Sie eine schlechte (Haus-)Frau, wenn Sie jemanden fürs Putzen bezahlen?

Hakt es wirklich am Geld oder sind es andere Dinge, die Ihnen im Weg stehen?

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Datenlage zum Engagement von Männern und Frauen im Haushalt. Spoiler Alert: It gets ugly.

Mit seinem Buch Schmutzige Wäsche hat der Soziologe Jean-Claude Kaufmann 1994 für eine Sensation gesorgt.14 In einer Mikroanalyse untersuchte er, wie 20 Paare mit Wäsche umgehen und wie allen Ideen von Arbeitsteilung zum Trotz eine nicht weggeräumte Socke schnell zum Rückfall in traditionelle Arbeitsteilung werden kann. Kaufmann kam zu dem Schluss: Männer wie Frauen haben ein sogenanntes Verhaltenskapital angehäuft. Das sind Vorstellungen von Zuständigkeit, von Sauberkeit und Ordnung, die so tief verwurzelt sind, dass spätestens nach der Geburt des ersten Kindes ein Rückfall in traditionelle Aufgabenteilungen erfolgt.

Es sind also weniger rationale Erwägungen, die rechtfertigen, dass Frauen die Wäsche waschen und Männer nicht. Es sind die dahinterstehenden Vorstellungen von Sauberkeit und Partnerschaft, die sich einschleichen. Dass sich daran nicht viel geändert hat, weist Arlie Russell Hochschild mit ihrer Studie Keine Zeit nach.15 Die Studie untersucht die Arbeitsteilung von amerikanischen Paaren, wobei beide berufstätig sind. Auch hier übernimmt die Frau den Löwenanteil der Hausarbeit.

Diese Arbeitsteilung lässt sich auch für Deutschland belegen. Gemäß der repräsentativen Befragung »Beziehungen und Familienleben in Deutschland« von 2019 geben 64,7 Prozent der Paare an, dass die Frau mehr Hausarbeit leistet als der Mann. 82,9 Prozent geben an, dass der Mann mehr Reparaturen erledigt. Schauen wir uns die Kinderbetreuung an, so sind es 60,2 Prozent, die angeben, dass die Frau überwiegend zuständig ist. Leben Kinder unter zwölf Jahren im Haushalt, steigt der Anteil der Frauen, die vorwiegend für den Haushalt zuständig sind auf 74,5 Prozent.16

Mit Corona zurück in die 1950er

Im Frühjahr 2020 ist die Coronapandemie ausgebrochen. Wer bis dahin noch nicht wusste, wer für den Haushalt zuständig ist, dem wurde es vermutlich schnell klar. Die Medien zeigten Mütter am Rande des Nervenzusammenbruchs, schreiende Kinder und Väter im Homeoffice. Eine repräsentative Studie der Bertelsmann Stiftung zu Paaren17, die zur Zeit des Lockdowns wegen der Coronapandemie in Deutschland erhoben wurde, belegt dieses Bild. 69 Prozent der Frauen, aber nur 11 Prozent der Männer haben angegeben, dass sie generell die Hausarbeit erledigen. Für Kinderbetreuung und Homeschooling haben sich etwa 15 Prozent der Männer, aber mehr als die Hälfte der Frauen verantwortlich gezeigt. Und doch haben 66 Prozent der Männer angegeben, dass die Aufgaben gerecht verteilt seien. Gerechtigkeit ist vermutlich Ansichtssache. Nichtsdestotrotz hat ein Großteil der Frauen berichtet, dass die häuslichen Pflichten auch schon vor der Krise ungleich verteilt gewesen seien.

Die Pandemie zeigt also durch den Wegfall der öffentlichen Kinderbetreuung vor allem eines: Gleichberechtigung funktioniert aktuell meistens ohne Männer. Die Autorin der Studie, Barbara von Würzen, rät deshalb dazu, dass Frauen und Männer sich mit ihren beruflichen und privaten Rollen befassen und die Aufgabenverteilung in der Familie aushandeln.18

Vermutlich brauchen Sie all diese Zahlen nicht, denn Sie erleben sie täglich live zu Hause. Sie haben quasi den front row seat to history. Eins ist aber klar: Aller Gleichberechtigung zum Trotz herrscht in Familien auch im 21. Jahrhundert die Arbeitsteilung von Mad Men. Nur dass Sie dabei vermutlich weder rauchen noch Bourbon trinken. Die Interviewdaten zeigen, dass diese Idee, wie ein Zuhause aussehen muss, bei Frauen so verankert ist, dass sie einen echten Bewusstseinswandel brauchen, um sich darüber hinwegzusetzen.

Der erste Schritt hin zu Gleichberechtigung ist es, sich nicht allein deshalb für den Haushalt verantwortlich zu fühlen, weil Sie eine Frau sind. Sie leben mit einem Erwachsenen zusammen, der über die gleichen körperlichen und logistischen Fähigkeiten verfügt. Teilen Sie sich die Arbeit mit Ihrem Partner.

Manchmal frage ich mich ja, ob all die Management-Skills, die Frauen heute haben, ihnen hier auch ein Bein stellen. In meinem akademischen und gleichberechtigten Umfeld erlebe ich immer mehr Frauen, die einfach auch die Hausarbeit so perfekt managen, dass sie ihre Männer als Low-Performer betrachten. Und trotzdem heißt es in vielen Haushalten immer noch, dass der Mann auf Anweisung allenfalls den Müll rausbringt und ansonsten keine Verantwortung im Haushalt übernimmt.19 Oder sogar, dass er den Haushalt als Lappalie ansieht. Daraus entstehen zwar Konflikte, aber klar, derjenige, dem das ohnehin nicht wichtig ist, steht letztlich als Gewinner da.20 Diese Beispiele stammen aus einer Studie zum Sorgerecht nicht verheirateter Eltern, in der auch das Thema Haushalt zur Sprache kam. Hier wurden mehr als 30 Paare dazu interviewt, wie sie als Familien zusammenleben. Aber man muss nicht einmal in diese kleinere Gruppe schauen, eine ähnliche Datenlage zeigt sich in vielen anderen Studien.21 Und selbst bei Paaren, die eine gleichberechtigte Arbeitsteilung leben, weil sie zum Beispiel in Ostdeutschland sozialisiert sind, hört man den heimlichen Wunsch nach dem »Hausmütterchen«.22 Viele Männer haben Sätze wie die oben gesagt und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie sich in keiner Weise verantwortlich, geschweige denn schuldig fühlen. Der Haushalt ist eine Lappalie, die sich schon irgendwie regelt.

Ja, genau. Hören Sie einmal in sich hinein. Ich habe schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich irgendwo zu Besuch bin und nicht beim Abräumen oder Abspülen helfe. Und Sie?

Gleichberechtigung im Haushalt kann gelingen

Zugegebenermaßen ist es äußerst unsexy, sich mit Hausarbeit auseinanderzusetzen. Es scheint kleinlich, den Müllbeutel gegen die zusammengelegten Socken aufzurechnen. Ich finde es auch uncool, wenn ich beim Wäscheabhängen alles auf dem Wäscheständer lasse, was nicht mir gehört. Mache ich aber, außer ich habe einen netten Tag (was sehr selten vorkommt).

Dass genau das aber der Kern einer gerechten Arbeitsteilung ist und dass Frauen keineswegs von Natur aus besser für Familien- oder Haushaltsaufgaben geeignet sind, zeigt beispielsweise Eve Rodsky mit ihrer Idee des Fair Play.23 Sie hat die ganzen Aufgaben, die sie zu Hause erledigt hat, auf einer »Every single sh*t I do list« notiert und diese an ihren Mann geschickt. Der Begriff Mental Load ist die aktuelle Beschreibung dafür, dass Hausarbeit nicht nur aus den Aufgaben besteht, sondern auch aus den zahlreichen Organisationsaufgaben, die damit verbunden sind. Was bringt es, dass der Mann einkaufen geht, wenn sich die Frau vorher zuerst überlegen muss, was es an jedem Tag der Woche zu essen geben soll, und anschließend eine detaillierte Einkaufsliste schreiben muss? Das Abarbeiten dieser Einkaufsliste im Supermarkt ist hier der kleinste Faktor in der Gleichung. Seit der Begriff des Mental Load die Runde macht, sind eine Reihe von Büchern erschienen – es scheint fast, als gäbe es ein Aufatmen. Endlich wird mal nicht mehr nur über die Anzahl der Ladungen in der Waschmaschine gesprochen, sondern über die Ladung an Denkarbeit, die dahintersteht. Meine Freundin Mel (die vor der Putzfrau putzt) beschrieb es mir so: »Er macht ja echt sehr viel, aber ich hab halt trotzdem noch so viele Sachen auf dem Schirm. Wer schneidet dem Kind die Nägel? Wann hat es gebadet? Ist noch genug Brei da? Wann war der Hund Gassi? Wann hat die Katze das letzte Mal gefressen? Müssen wir Tierfutter nachbestellen? Wann räume ich auf, bevor die Putzfrau kommt? Und, und, und …« Das beschreibt die mentale Ladung ganz gut, finde ich.

Rodsky schreibt, dass die Zeit beider Parteien in einer Partnerschaft gleich viel wert ist. Weil aber Erwerbsarbeit bezahlt ist und Haus- und Familienarbeit (auf Wissenschaftsdeutsch übrigens Reproduktionsarbeit oder Care-Arbeit) nicht, scheint es nur selbstverständlich, dass alle Aufgaben auf der nicht oder in Teilzeit erwerbstätigen Frau abgeladen werden. Und alle heißt alle. Das beginnt mit der Organisation aller Anschaffungen für den Haushalt (»Haben wir eigentlich noch Milch?«, wird nicht selten unschuldig gefragt) und endet mit der Dose selbst gebackener Plätzchen, die zu Nikolaus in die Kita gebracht werden müssen (»Ach, ist das schon morgen? Können wir nicht einfach welche kaufen?«, wobei sich hier die Frage stellt, wer genau mit »wir« gemeint ist). Das Problem ist, dass all diese Kleinigkeiten nicht ins Gewicht zu fallen scheinen, denn einer muss es ja machen, und wenn Sie es nicht machen, wer macht es dann? Aber jede einzelne Aufgabe kostet Zeit. Und diese Zeit könnten Sie in eine Sache investieren, um die es in diesem Buch geht: Ihren eigenen Lebensentwurf, Ihre Karriere und Ihr Einkommen.

Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild: Frauen fühlen sich für das Gros der Haushaltstätigkeiten und die auf das Kind bezogenen Aufgaben verantwortlich – und für jede einzelne Sache, die sie erledigen, gibt es einen vermeintlich triftigen Grund. Beim Essen sind es die Ernährungsgewohnheiten, bei der Wäsche die empfindlicheren Sachen, beim Putzen das bessere Auge für Flecken – und am Ende ist es so, dass sie mehr macht und es dann auch »ihrs« wird, ist und bleibt.24 Das Interessante daran ist auch, dass hier Männern Kompetenzen für intellektuell nicht besonders anspruchsvolle Aufgaben abgesprochen werden. Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, können wir gern auch einmal die andere Seite beleuchten. Es ist ja nicht so, dass die Männer heute allesamt faule Paschas sind, die sich abends Pantoffeln und Bier bringen lassen. Die Situation stellt sich auch aufgrund der Geschlechterrollen, die wir schon von klein auf aufsaugen, deutlich komplexer dar und ist auch für Männer nicht leicht. Wir alle haben in unserer Kindheit gelernt, was es heißt, ein richtiger Mann oder eine richtige Frau zu sein, weil es uns vorgelebt wurde. Aus diesen Mustern können weder Frauen noch Männer einfach ausbrechen.

Wann ist ein Mann ein Mann? Mythen zur Männlichkeit

Die armen Männer. Haha. Nein, echt jetzt.

Jan versteht sich als Feminist. Er fördert Frauen in seiner Abteilung und er hat sich in Anne auch deshalb verliebt, weil sie so unabhängig ist. Anne ist politisch engagiert und hat Jan schon bei der ersten Verabredung einen theoretischen Vortrag über Gleichberechtigung gehalten. Das fand er süß, dass sie so dafür brennt. Natürlich war von Anfang an klar, dass er mehr Geld verdient als Anne, aber das muss nicht heißen, dass sie beide nicht gleichberechtigt sind. Trotzdem gibt es immer wieder Punkte, wo Anne schnell mal was im Haushalt macht. Manchmal ist sie auch ungeduldig und hat keine Lust, ihm was zu erklären. Eigentlich ist das auch egal, findet Jan. Emanzipation wird schließlich nicht in den kleinen Gesten entschieden. Er ist so erzogen, dass er Frauen die Tür aufhält, er hilft Anne gern in den Mantel und zahlt auch öfter mal. Schließlich macht man das so, als Mann. Aber das heißt ja nicht, dass er ein Macho ist oder so.

Während Männer über den Löwenanteil an Macht, finanziellen Mitteln und öffentlicher Sichtbarkeit verfügen, sieht es für sie zu Hause mau aus. Denn außer Geld nach Hause bringen, Spinnen entfernen und ab und an mal was dübeln gibt es gar nicht so viele Dinge, die sie als Männer definieren. Das ist dann eher eine Schmalspur im Privaten. Der Soziologe Ulrich Beck bezeichnete 1986 die Modernisierung der Männer mit Blick auf die Beteiligung am Haushalt als »verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre«.25 Da ist bis heute etwas dran. Wenn wir die Daten oben betrachten, scheint zumindest ein Unterschied in der Aufgabenverteilung und der Wahrnehmung zu bestehen.

Aber woran liegt das?

Eine Erklärung kann zum einen in der Vorstellung von Geschlechtern gefunden werden und in den daraus abgeleiteten Verhaltensweisen, wenn es um die Partnersuche geht oder um das, was als begehrenswert gilt. Die Geschlechter- und Paarbeziehungsforschung liefert dazu Hinweise.

Das Verhalten der Geschlechter ist sozial bedingt