Freimaurer - Franz X. Perick - E-Book

Freimaurer E-Book

Franz X. Perick

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Beschreibung

Dieses Buch ist kein Enthüllungsbuch, denn es gibt nichts mehr zu enthüllen, wenngleich das Bekannte nur wenigen bekannt ist – das gilt selbst für freimaurerische Kreise. Das Buch soll entmythologisieren, entmystifizieren und aufklären: aufklären über eine Vereinigung von rechtschaffenen, ehrlichen Leuten, über deren Gesinnung und Ziele; über Leute, die zwar diskret, aber jeglichem Dunkelmännertum abgeneigt sind. Es werden Spekulationen über die Herkunft dieser Vereinigung erörtert, kritisch betrachtet und möglicherweise sinnvoll eingeordnet. In den Text sind kommentierende Ergänzungen eingearbeitet, welche die Begriffe aus antiker und mittelalterlicher Philosophie an Ort und Stelle erklären. Das Buch ist nicht religions- oder kirchenfeindlich, jedoch auch nicht unkritisch; das auch der Freimaurerei gegenüber nicht. Es ist geschrieben worden von einem Freimaurer für Freimaurer und Interessierte.

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Franz X. Perick

 

Freimaurer

 

Was Sie schon immer

wissen wollten,

aber ­niemanden fragen ­konnten, ohne eine allenfalls unbefriedigende Antwort

zu erhalten.

 

Laumann-Verlag Dülmen

 

 

Übersetzung des lateinischen Textes auf dem Umschlag:

Quidquid agis, prudenter agas, et respice finem!

Was du tust, tu es mit Klugheit, und bedenke das Ende!

 

 

 

Copyright © 2016 by Laumann Druck & Verlag GmbH & Co. KG,

D-48249 Dülmen/Westfalen

 

Gesamtherstellung:

Laumann Druck & Verlag GmbH & Co. KG, Postfach 1461,

D-48235 Dülmen/Westfalen

 

ISBN 978-3-89960-435-1

 

E-Mail: [email protected]

Internet-shop: www.laumann-verlag.de

 

 

 

 

 

 

 

1 im Altgriechischen exemplarisch für einen unerfüllbaren Wunsch

 

 

Teil I

 

 

Dieses Buch ist sorgfältig aufzubewahren; unzugänglich für Personen, deren Denk- und Urteilsvermögen noch nicht hinreichend gefestigt ist, und unzugänglich für Personen, die zum Muckertum2 und zur Bigotterie3 neigen. Darüber hinaus geschützt vor Feuersbrunst, Nässe und Schimmelpilz – nicht aber vor Diebstahl oder Entwendung, da diese zur Verbreitung des Buches bzw. seines Inhaltes und dessen Rezeption beitragen könnten.

 

 

2 Muckertum: Duckmäuserei, wenn dazu gar kein Anlass oder Notwendigkeit besteht (Opportunität); wenn Regime und Zeit liberal geprägt sind, und es nicht ­nötig ist, »flaches Profil« zu zeigen, da kein Ungemach zu erwarten ist. Die gefahrlose Möglichkeit, sich zu äußern, sollte man nutzen. Das ist, sofern man etwas zu sagen hat, dann nicht vorlaut und weit entfernt von Arroganz.

3 Bigotterie: Frömmelei, Heuchelei, Scheinheiligkeit

 

 

 

I. Freimaurer

 

Aus dem Vorwort des Freimaurerlexikons (Ausgabe 1996)

 

»Soweit über der Freimaurerei noch ein Schleier des Geheimnisses lag, ist er im Angriff zerstört worden und/oder sollte in der Abwehr gelüftet werden. Rest des freimaurerischen Geheimnisses ist der Kultus der Logenarbeit selbst und sind die indessen kaum praktizierbaren obso­leten Erkennungszeichen.« Diese gescheiten Worte fehlen in den neueren Auflagen des Buches. Leider und erstaunlicherweise.

Die Ziele, Ethos und demokratische politische Tendenz der britischen Bruderschaft – trotz des Politikverbotes innerhalb der Logen – sind so klar wie deren Herkunft und Entstehungsgeschichte unklar.

Was Lessing, Karl Christian Friedrich Krause und Andreas Michael Ramsay bzw. Karl Gotthilf Frhr. von Hund als geschichtlich ausgeben, sind Erzählungen wie die Gründungsmythen von Religionen und ihren Stiftern oder die Verkündigung einer neuen Philosophie. Diese werden deduktiv-scholastisch abgehandelt und ihre Ethik ist normativ-moralistisch.

Historie ist Sammeln von Fakten, Akten, Indizien und dann der Versuch, einen roten Faden zu finden oder zu weben, der die Teile plausibel verbindet. Das geht deduktiv-scholastisch nicht, das geht nur empirisch, induktiv und dann deskriptiv, mit Zurückhaltung bei ethisch-moralischer Wertung.

Geforscht worden ist von vielen, und das über Jahrzehnte, doch nicht von mir. Ich habe die Ergebnisse lediglich, wie viele andere vor mir, kompiliert, vielleicht etwas anders kompiliert und etwas anders gewertet hinsichtlich ihrer historischen Bedeutung, nicht aber in ihrer Bedeu-tung für die Zukunft und dessen, was wesentlich die Freimaurerei ausmacht.

Diese Wertung, wie auch die meiner Kompilation, sei jedem Leser individuell selbst überlassen.

Dies ist kein Enthüllungsbuch, denn es gibt nichts (mehr) zu ­enthüllen, vielmehr soll es entmythologisieren, entmystifizieren und aufklären: aufklären über eine Vereinigung von ehrlichen Leuten und über deren Ziele und Gesinnung, über Leute, die zwar diskret, aber jeglichem Dunkelmännertum abgeneigt sind.

Definitionen – übliche Deutung des Namens

 

Für Leser, denen der Begriff »Freimaurer« nichts oder nur wenig konkretes sagt, definiert Monika Hauf: »Freimaurer nennen sich heute die Mitglieder von Vereinigungen, genannt Logen, welche durch das gemeinsame Erleben von Ritualen und das Organisieren von philanthropischen Werken sich selbst veredeln und anderen helfen wollen. Selbstverständlich ist diese verkürzte Definition idealistisch und verallgemeinert.«

Das ist knapp und durchaus korrekt. Wird weniger knapp formuliert, wird es auch gleich eher weniger korrekt. So formuliert der Brockhaus: »Weltbürgerliche Bewegung mit dem humanitären Ideal des nach Vervollkommnung strebenden Menschen. Der Name leitet sich ab von den freien, im Unterschied zu den zukunftgebundenen Steinmetzen an den mittelalterlichen Bauhütten.« Das klingt wenig überzeugend, denn die Kirchenbauleute – nicht nur Bildhauer und Architekten wie die Parler – waren nicht ortsgebunden wie Hörige und Leibeigene und konnten die Bauhütten wechseln. Außerdem »machte Stadtluft frei«: Zufluchtnahme in der Stadt beendete also die Einschränkungen der Leibeigenschaft, zumindest soweit sie auf politischer und sozialer Diskriminierung beruhte und nicht auf der ökonomischen Realität.

Bauhütten gab es in ganz Europa. Bekannt ist die Familie Parler, deren Mitglieder an vielen Dombauten in Europa mitwirkten. Freimaurerlogen gab es jedoch nur auf den britischen Inseln. Erst im 18. Jahrhundert entstanden Freimaurerlogen auf dem Kontinent als Tochterlogen oder Kopien der britischen Logen.

Zeugnisse und Dokumente über Logen, deren Mitglieder sich als Freimaurer bezeichnen, gibt es seit Mitte des 17. Jahrhunderts (1646). Diese Mitglieder waren durchweg keine Steinmetzen oder Werkmaurer (operative), sondern »accepted masons«. Der Zunftcharakter der Logen war zu diesem Zeitpunkt nur mehr rudimentär und weitestgehend verloren. Die Logen waren Vereinigungen der gehobenen Gesellschaft und attraktiv für Männer von wissenschaftlichem und künstlerischem Anspruch. Eine Interessengemeinschaft wie die Industriegewerkschaft (IG) Bau-Steine-Erden waren die Logen nicht mehr. Die mittelalterlichen Handwerkergilden waren das durchaus gewesen.

 

Inhalte und Werte

 

Das Dudenlexikon definiert Freimaurer als »Gemeinschaft auf christ­licher Grundlage, 1717 gegründet. In Achtung vor Menschenwürde treten die Freimaurer für Toleranz, Hilfsbereitschaft, Brüderlichkeit ein. Ziel der Freimaurerei ist es, den Tempel Gottes in sich selbst zu errichten, in den Schritten Lehrling – Geselle – Meister sittliche Vervollkommnung anzustreben.«

Zu den oben genannten Werten sollte man Freiheit, Gleichheit und Humanität hinzufügen, da sich diese Werte inhaltlich nur zum Teil überschneiden. 1717 wurde in London von vier oder fünf Freimaurerlogen die erste Großloge gegründet. Sie wurde zum übergeordneten Organ der Logen.

 

Die Vorstellung, die Gründung der Großloge sei mit dem hehren Ziel vorgenommen worden, den Logen ein übergeordnetes Organ und eine gemeinsame geistige Heimat in Form der Großloge zu geben, relativiert Joachim Wörner (in Humanität 3/2008), um nicht zu sagen: führt sie ad absurdum. Er entmythologisiert: Die nicht mehr operativen Bauhütten tagten in Pubs, deren Namen sie sogar annahmen. Die vier bekannten Gründerlogen zählten zusammen nicht einmal 300 Mitglieder. Um die beengten Verhältnisse durch den Kauf eines Hauses zu verbessern, brauchte man Geld und Kredit, und die Mitgliedsbeiträge dürften nicht einmal für den Unterhalt des Hauses ausgereicht haben. So tat man sich zusammen, um ein Haus zu betreiben. Um für die Kreditsummen die Sicherheiten bieten zu können, mussten sich mehrere Logen zu einer Rechtsperson (Körperschaft) zusammenschließen, also fusionieren. Das war das Motiv für die Schaffung der Großloge: Eine juristische Person als verantwortlicher Besitzer der Sicherheiten für den Kredit.

Logen gab es längst vorher, also auch Freimaurer, die diese ja bilden. Das Definierte ist alles weitgehend richtig – cum grano salis, mit einem Körnchen Salz, also mit Einschränkungen. Alles was man verallgemeinert über die Freimaurerei aussagt, gilt cum grano salis, und man versuche lieber nicht, alles auszudifferenzieren. Da verliert man sich bei einer Gemeinschaft von Nonkonformisten und Dissidenten, und käme nie zu einer brauchbaren Aussage.

Freimaurer sind wie der Jesus Christus des nicäanischen (P) Glaubensbekenntnisses: »gezeugt, nicht geschaffen« und von ihrer Mutter geboren. Sie sind also wirkliche Personen, behaftet mit Mängeln und Unvollkommenheiten, und nicht ideale Edle, fiktive Gestalten, geschaffen aus dichterischer Phantasie. Wann jeder einzelne von ihnen zum Freimaurer wurde, werden diese einzelnen wissen. Wie und wodurch man Freimaurer wird: Teil 2; »Beethoven, Schiller«.

 

(P) Auf dem Konzil von Nizäa – heute Isnik, Türkei – 325 n. Chr. auf Order des zu dem Zeitpunkt noch ungetauften Kaisers Konstantin in der Form dogmatisiert.

 

Seit wann sich Menschen als Freimaurer fühlen, bezeichnen und als solche bekennen und denken oder eben dieses verbergen und verheim­lichen, weiß man nicht genau. Sinnvoll mutmaßen kann man jedoch einiges: spätestens war das im Lauf des frühen 17. Jahrhunderts der Fall (1646: Ashmole’s Aufnahme). Die christliche Grundlage ist zumindest in den Johannislogen nach 1717 eher dünn, also wenig orthodox, da deistisch: es wird der »große Baumeister aller Welt« (P1) verehrt. Das schließt Moslems und Juden nicht aus, und Agnostiker eigentlich auch nicht, denn »die Deutung dieses ›symbolischen Begriffes‹ unterliegt dem individuellen Befinden« (P2). Wer will, kann den großen Baumeister dann durch »Herrgott« ersetzen. Das allerdings gilt erst für das Hier und Heute bei A. F. und A. M. (Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer.)

 

(P1) Für die Freimaurer ist der große Baumeister aller Welt nicht der Demiurg (niederes Wesen, das die materielle Welt geschaffen hat) der Gnosis (antike dualistische [Irr]-Lehre von böser materieller Welt und gutem Geist: leibfeindlich manichäisch, siehe P36 und P50), sondern individuell symbolisch zu deuten. Das Wort beansprucht keinerlei theologische oder dogmatische Aussage. Entsprechend ist die Bibel in der Freimaurerei etwas undogmatisch Verbindendes …Die Bibel ist ein Symbol. Die Freimaurerei verlangt keinen Bibelglauben.

(P2) Heinrich Heine kommt es vor »als sei der mosaische Gott nur der zurückgestrahlte Lichtglanz des Moses selber«. Sieht man Moses und seine Theologie so, und sieht man alle Theologien so, kann man sie als »auberge espagnole«4 definieren: dort findet man nur vor, was man selber mitgebracht hat. Auf Deutsch: »Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.«, man hört das eigene Echo; was man als objektive Wesenhaftigkeit wahrzunehmen glaubt (meint), sind die eigenen Projektionen.

 

 

Moderns – Antients (blaue – rote)

 

Ein großer Teil der Freimaurerlogen schloss sich 1717 und auch in den folgenden Jahren der Großloge in London nicht an. Sie bildeten stattdessen später eine eigene Großloge, in der man sich enger an christliche Grundlagen und alte Traditionen hielt. Man nannte diese »Grand Loge of England according to the old institutions« und sich selbst Antients und die Logenbrüder der Großloge von 1717 Moderns. Das Wachstum der Loge der Altmaurer war beträchtlich. Neben Logen in England pflanzte sie viele Militär- und Feldlogen im ganzen Empire sowie Logen in Amerika und auf dem europäischen Kontinent. An der Schaffung der amerikanischen Freimaurerei haben die Logen der Antients den allergrößten Anteil. Auch die Großloge von New York geht auf Gründungen der Antients zurück, und die Gründung der USA ist ohne die Beteiligung der Freimaurer nicht vorstellbar, die Verfassung ohne ihre Mitwirkung und ihr Vorbild in den freimaurerischen Statuten auch nicht. Moderns und Antients erkannten einander stets als Freimaurer an.

Schon vor 1717 war die »Loge von York« Mittelpunkt und »Vorort« der dortigen Logen. Sie proklamierte sich 1725 zur selbständigen »Großloge von Alt-England« und stellte 1790 ihre Tätigkeit als Großloge ein. Als einzelne Loge arbeitete sie wie auch die anderen Yorker Logen weiter. Möglicherweise hing man in einigen Logen besonders im Norden von York noch der Stewartdynastie an. Seit 1797 versuchte man eine Verei-

 

4 Monika Hauf in Mythos der Rosenkreuzer

 

nigung der beiden Großlogen zu erreichen, die 1813 gelang. Der letzte Stuart aus direkter Linie – Kardinal Herzog Heinrich von York – war 1807 in Rom gestorben; dessen Bruder Karl Eduard – bekannt als Bonny Prince Charly – kinderlos schon 1788.

1813 vereinigte sich die Großloge der Antients mit der Londoner Großloge von 1717 – den Moderns –, indem sie sich dieser Großloge anschloss. Seitdem ist die Großloge »päpstlicher als der Papst«, erkennt andere Logen als regulär an oder nicht, so wie der Vatikan nur eine wahre christliche Kirche kennt. Die christliche Kirche ist eigentlich die Gemeinschaft aller Christen. Sie besteht aus verschiedenen Kirchen, der Vatikan sagt Sekten. Die größte dieser Sekten ist die römisch-katholische, sie nennt sich selbst »die Kirche«. – So ähnlich hält es die Londoner Groß­loge auch; denn niemand – außer der Londoner Großloge selbst – zweifelt daran, dass im Grand Orient de France – der französischen Groß­loge, die kein Bekenntnis zum Großen Baumeister verlangt – die Mitglieder Freimaurer sind. Sind diese doch eine Ansammlung von Nonkonformisten und Dissidenten. Kirchlich betrachtet und in kirchlicher Diktion formuliert wäre fast jeder Freimaurer seine eigene Sekte.

Die Londoner Großloge ist hinsichtlich ihres Verhaltens gegenüber dem Grand Orient de France weder rationalistisch noch rational, sondern borniert.

Das beeinträchtigt die Freimaurerei nicht, ist eher Möglichkeit und Chance zur Vielfalt, denn sie ist keine Religion und auch kein Religionsersatz. Sie lehrt nichts, kennt keine Dogmen und kein Lehramt im kirchlichen Sinn, hat auch keine Dogmatik oder Ideologie im politischen Sinne und auch keine Instanz dafür. Keine Doktrin und Ideologie zu haben, ist natürlich auch eine, aber eine der Selbstbeschränkung und des Verzichtes: des Verzichts auf den Anspruch, eine Weltanschauung anbieten, lehren und empfehlen zu können, und dies stattdessen jedem selbst zu überlassen. Das alles natürlich im Rahmen der freimaurerischen Grundwerte von Toleranz und Humanität. In dieser Hinsicht ist die Freimaurerei pragmatisch im Sinne der Aufklärung und verlangt Toleranz, Humanität, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Die Aufklärung hat allerdings zwei Gesichter. Das eine ist optimistisch, progressiv, fortschrittsgläubig, wissenschaftsgläubig, rationalistisch, agnostisch – verkörpert in Thomas Paine (P61). Das andere ist pessimistisch, konservativ, desillusioniert, realistisch, skeptisch, rational – verkörpert in Paines Antipoden Edmund Burke (P60).

Man erkannte bei der Vereinigung der beiden Großlogen die Grade gegenseitig an. Die blauen Johannislogen (Moderns) bearbeiten nur die drei symbolischen Grade; die Logen der früheren Antients (rote) bearbeiten noch weitere. Man nennt sie verkürzt – wenn auch nicht ganz korrekt – Schottengrade oder Hochgrade und spricht von roten Logen und roten Freimaurern.

 

 

Konversion und Metamorphose einer Gilde

 

Am Ende des Mittelalters mit Beginn der Neuzeit verloren Zünfte und Gilden ihre Bedeutung. Schon bevor die Gewerbefreiheit kam, waren die restriktive Macht der Zünfte und Gilden und deren Bedeutung im Schwinden. In England trat diese Entwicklung noch früher als auf dem Kontinent ein, da der »schwarze Tod« in England im 14. Jahrhundert rund 40 % der Bevölkerung dahinraffte, so dass es mehr Arbeit als Arbeitskräfte gab, die restriktive Funktion – vorteilserhaltend für Arbeitsplatzbesitzer und noch mehr für Arbeitgeber – unwirksam wurde.

Durch die Konversion der Steinmetzbruderschaften in die Freimaurerlogen überlebten sie dank ihrer neuen Form und Funktion. Diese ­Metamorphose der Steinmetzgilden ist offensichtlich, nicht jedoch die Ursache und der Grund dafür sowie der Verlauf und Zeitraum.

Es gibt Hypothesen, Mutmaßungen, Phantastereien, Indizien und Hinweise, keine schriftlichen Dokumente und eine jahrhundertealte Tradition, die bis auf die Zeit des Templerprozesses anfangs des 14. Jahrhunderts zurückgeht.

Was spricht gegen diese Tradition: verfolgte Templer hätten in Steinmetzgilden Unterschlupf gefunden? Nichts! – außer fehlenden schrift­lichen Zeugnissen. Verfolgte, die ihren Häschern entgehen wollen, versuchen Spuren zu vermeiden, besonders frische. Gäbe es Dokumente, so wären sie vermutlich gefälscht, um bestimmte Zwecke zu erreichen (etwa wie bei der konstantinischen Schenkung). Da solche Interessen nicht bestanden, fälschte man auch nicht.

Spätere Spuren gibt es: Grabsteine und Skulpturen und sogar Schriftliches. Was spricht für diese Tradition von flüchtigen, Obdach und Schutz suchenden Templern? Nahezu alles – außer dem fehlenden Anfang: wann, wie und warum sollten Templer in Steinmetzlogen des Spätmittelalters Unterschlupf gefunden haben? Gefunden hat diesen Anfang und Einstieg der amerikanische Historiker John Robinson – und das eher zufällig. Robinson ist nicht Freimaurer. Er untersuchte die Hintergründe des Bauernaufstandes in England im 14. Jahrhundert (1381). Sein Buch »Born in blood« ist nur in englischer Sprache erhältlich. Ein Vortrag von Otto Postmus über den Inhalt dieses Buches machte mich damit bekannt und war für mich das fehlende missing link, das die besagte Tradition nicht nur plausibel macht, sondern auch erklärend und beweisend darlegt.

 

(P3) 1) Metamorphose –Gestaltwechsel – morphologisch

a) antike Dichtung – Verwandlung von Menschen oder Göttern in Tiere: Zeus in einen Schwan (Leda und der …); Ovids Liebesgedichte (Rom, Zeitenwende)

b) biologisch: Veränderung des Aussehens (Morphologie) wie auch der Physiologie. Frosch: Laich, Ei – Kaulquappe – Frosch

Insekten: Mücke: Ei – Wasserlarve – Flugtier

Ei – Raupe – Puppe – Schmetterling

2) Konversion

a) Wechsel der Konfession (Religion)

b) Industrielle Brache – Outletcenter/Fabriken – Lofts

 

Die Herleitung des Namens »Freimaurer« wäre dann völlig anders, und dieser durchaus einleuchtend zu deuten, und der Name hätte dann schon bis zu 300 Jahren vor Mitte des 17. Jahrhunderts (Ashmoles [P43] dokumentierte Aufnahme in eine Freimaurerloge 1646) in Gebrauch gewesen sein können, ohne schriftliche Spuren hinterlassen zu haben, da die Logen zu der frühen Zeit noch einen anderen Charakter und eine andere Funktion hatten als im 17. Jahrhundert. Was nun berichtet Postmus über Robinsons Forschungen: Postmus überschrieb seinen Vortrag: »England vor dem Bauernaufstand von 1381.« Er will damit sagen, Robinson habe diese Geheimnisse nicht gesucht, sondern nach etwas anderem, habe diese dabei aber gefunden oder wiedergefunden. Im Lateinischen gibt es dafür das Wort invenire – auf etwas kommen oder stoßen, also durch Zufallen finden, im Unterschied zum Finden durch Suchen nach etwas relativ Konkretem, das einem vorschwebt, das Wort dafür heißt reperire.

Robinson gab seinem Buch den Untertitel: »The lost secrets of freemasonry«. Postmus hat aus diesem Buch das unter rein freimaurerischem Aspekt Wesentliche herausgearbeitet.

Die Tradition der Verbindung von Templern und Freimaurern haben Baigent und Leigh in ihrem Buch »Der Tempel und die Loge« schon brauchbar dargelegt, als eine Indizienkette mit Lücken, dummerweise mit ziemlich großen Lücken, gleich am Anfang der Kette. Postmus’ bzw. Robinsons Buch könnten diese Lücke schließen.

II. Geschichtliches

 

Der schwarze Tod und die wirtschaftlichen Folgen

 

Der Historiker John Robinson, Amerikaner und nicht Freimaurer, befasste sich mit dem Bauernaufstand in England am Ende des 14. Jahrhunderts. Dieser begann 1381. Winston Churchill schrieb darüber: »Den ganzen Sommer über gärte es im Volk.« Während der Vierziger Jahre des 14. Jahrhunderts (1340–1350) waren das Wetter und die Ernten schlecht, was zu Hungersnöten führte. Dazu kam der schwarze Tod 1347, gemeinhin die Pest genannt. Geht man den Symptomen mit dem heutigen Kenntnisstand der Medizinhistorie nach, eher eine Epidemie der Art, wie sie in Afrika vorkommt, und wie sie z.B. das Ebola Virus oder das Virus Marburgiensis verursacht. Innerhalb von 2 Jahren starben damals 40 % der Bevölkerung.

 

(P4) 1967 kam ein an unbekannter Infektion Erkrankter aus Afrika zurück und wurde ins Marburger Universitätsklinikum eingeliefert und isoliert. Er hatte mit 13 Personen des klinischen Dienstes Kontakt. Nach ca. 14 Tagen waren 6 von ihnen und er selbst an dieser Infektion gestorben. Das führte zum Namen »Virus Marburgiensis«. Das sind Zahlen wie beim Ebola Virus. Das Pestbakterium wird von Rattenflöhen übertragen und führt zu Beulen- und Lungenpest, und diese verläuft anders, schlimm genug, aber nicht derart letal (= tödlich) wie oben genannte Virusinfektionen. Unter »Pest« fasste man alles zusammen, was man mikrobiologisch, molekularbiologisch und seuchenhygienisch früher nicht differenzieren konnte. Im Mittelalter gab es in England und Mitteleuropa kaum Ratten. Die heimische Hausratte »rattus rattus«, wenig aktiv und heute ganz selten geworden, wurde verdrängt von der im Mittelalter auf Hanseschiffen über Norwegen eingeschleppten, deswegen rattus norvegicus, sehr aktiven asiatischen Wanderratte. Von daher liegt zwar eine Koinzidenz (Gleichzeitigkeit) vor, die eine Kausalität vermuten lässt; aber der Seuchenverlauf von 1347 bis 1352 ist zu dramatisch für die Diagnose Beulen- und Lungenpest. Zeitgenössischen Berichten zufolge »Die Leichen zerfallen wie durchgefault«, lassen eher auf eine Infektion schließen, die mit hämorrhagischem Fieber einhergeht, und bei der die Erkrankten innerlich verbluten und die Leichen zerfallen, wie es bei oben genannten Infektionen der Fall ist.

 

Der Tod bedingt Not, die führt zu Armut, Verzweifelung und Tod. Vieh verendete durch Verwahrlosung, da die Besitzer dahingestorben waren. Felder blieben unbestellt, da die Besitzer oder die Ackerbauern oder beide von der Seuche dahingerafft worden waren. Für Eltern und Kindern gilt wechselseitig gleiches. Vergleichbare Zustände heute in Landstrichen Afrikas, deren Bevölkerungen von Aids u.Ä. heimgesucht werden; ein circulus vitiosus (Teufelskreis, kreisender Fehler).

Und in diesem Chaos führte man den hundertjährigen Krieg (1337–1453) zwischen England und Frankreich weiter, in der trügerischen Hoffnung, der Gegner werde eher ermatten als man selber.

1381 wurden neue Steuern erhoben zur Kriegsfinanzierung. Das ritterliche Kriegswesen war militärisch obsolet. Kriegsentscheidend kämpften nichtadelige Söldner: Bogen- und Armbrustschützen, Spezialisten – ganzjährig trainierte nichtadelige Sportler – Professionelle –, deren Waffen Rüstungen durchschlugen und aus der Ferne töten konnten.

Als die Seuche ihren Höhepunkt überschritten hatte und ab 1352 einiges von ihrer Virulenz verlor, war ihr ein Drittel der Erwerbsbevölkerung zum Opfer gefallen. Die wirtschaftlichen Umstände waren danach günstig für Lohnarbeiter und Abhängige, Forderungen durchzusetzen. Der Adel und der hohe Klerus versuchten vergeblich die Löhne auf dem Niveau der Zeit vor der Pest festzuhalten, denn die Preise stiegen inflationär. Es gab eine Art Klassenkampf zwischen Adel und hohem (adeligem) Klerus auf der einen Seite und dem arbeitenden Volk und dem niedrigen Klerus auf der anderen. Kirche und Klöster waren damals die weitaus größten Landbesitzer und daran interessiert, Arbeitskräfte als Hörige (Leibeigene) ortsfest zu binden.

 

(P5) Die Klöster waren leer geworden. Die Pest hatte auch unter den Mönchen ihre Ernte gehalten und Nachwuchs fehlte in den Klöstern wie überall. Hinzu kam, dass die Klöster weitgehend ihre Bedeutung als Zufluchtstätte und Existenzgrundlage verloren für nachgeborene Kinder, die anders als die Erstgeborenen, erblos blieben, da viele Nachgeborene das Erbe verstorbener älterer Geschwister antreten konnten. Die Klöster begannen damals gewissermaßen auszutrocknen, die Quellen für den klösterlichen Nachwuchs versiegten. Die Abtei Rivaulx z.B. war das ganze Mittelalter hindurch immer Heimat für 800 bis 1200 Mönche. Dazu kamen Pächter und Handwerksbetriebe, die von der Arbeit in der Abteil lebten. Als Rivaulx wie die meisten anderen Klöster und Abteien in England 1532 aufgelöst wurde, beherbergte sie noch 22 – in Worten zweiundzwanzig – Mönche, so sah der Normalfall aus.

 

 

Gründe, Zweck und Ziele des Bauernaufstandes von 1381 und der großen Allianz

 

Im Sommer 1381 flog der »Deckel vom Pott« und ging das Gemisch hoch. Churchill schrieb darüber: »Während des ganzen Sommers von 1381 gärte es überall. Das Wirtschaftsleben lag danieder und stockte. Agenten suchten die Dörfer Zentralenglands auf wegen der großen Allianz, die man in London schließen wolle, wie es hieß.«

Die Unruhen begannen in Essex, als übereifrige Steuereintreiber versuchten, ein Drittel der neuen Kopfsteuer zu kassieren und die Unruhen griffen sogleich auf Kent über, wo das Gerücht umging, frei gewordene Hörige sollten wieder in den Leibeigenschaftsstatus zurück. Die Rebellen wählten einen Walter the Tyler zum Leiter. Es wurde ein Marsch auf London geplant, an dem die küstennah wohnende Bevölkerung nicht teilnehmen sollte, da sie als Heimwehr Schutz und Deckung geben musste gegen mögliche Einfälle des französischen Kriegsgegners.

Die Rebellen eroberten mehrere Burgen und befestigte Plätze, dann am 10. Juni Canterbury (Burg von Kent), und der Hauptsitz der Johanniter – Cressing-Tempel – wurde abgebrannt. Dieser Sitz war 1138 den Templern verliehen worden, daher der Name, und nach der Auflösung des Templerordens an die Johanniter gefallen. Die Kirche besaß in England ein Drittel des Landes und hatte unter dem Regime der Rebellen zu leiden, aber nicht so sehr wie die Johanniter, denen der Hass der Rebellen in erster Linie galt. Die Rebellen marschierten von Kent und Essex nach London. Der erst vierzehnjährige König Richard II. wurde vorsichtshalber in den Tower gebracht. Das war der sicherste Platz in ganz England. London wurde von den Rebellen eingenommen, die Besitzungen der Johanniter beraubt und demoliert mit Ausnahme der Zentral­kirche »the temple«, der vormaligen Templerkirche, die nach Auflösung des Templerordens an die Johanniter gefallen war.

Der Tower wurde belagert und der Kronrat um den minderjährigen König bat um ein Gespräch am 14. Juni 1381. Zu diesem Zweck verließen König und Kronrat an diesem Tag den Tower. Zwei hohe Würdenträger blieben im Tower zurück: der Erzbischof von Canterbury und der Oberste Prior der Johanniter. Gründe dafür sind nicht bekannt. – Bei der Zusammenkunft von König und Kronrat mit den Rebellen waren einige ihrer Anführer, wie Walter the Tyler, nicht dabei, weil sie in London Wichtigeres vorhatten.

Während die Rebellen mit der königlichen Regierung verhandelten, ihr Hauptpunkt war die Abschaffung der Leibeigenschaft, eroberten Tyler und seine wenigen Gefährten den Tower. Der war eigentlich uneinnehmbar und mit professionellen Soldaten und Bogenschützen besetzt. Der Zugang waren Falltür und Zugbrücke, der Kommandant der Haudegen Robert Hales. Als Tyler und seine Leute anrückten, war die Brücke heruntergelassen und die Falltür heraufgezogen, ein Gefecht hat nicht stattgefunden.

Erzbischof und Johanniterprior fand man in der Kirche, schleppte sie hinaus und köpfte sie nebst anderen missliebigen Personen. Es muss ein Komplott zwischen den Verteidigern und Tyler-Leuten gegeben haben. Während die Rebellen in London vorgemerkte Leute festnahmen, schickte Tyler einen Trupp nordwärts 10 km nach Highbury, das dortige Anwesen der Johanniter zu zerstören: ein Arsenal oder Zeughaus.

 

(P6) Der Name Arsenal ist übernommen von der Werft und dem Zeughaus der venezianischen Flotte. Das Arsenal, Zeughaus – militärisches Depot, gibt heute dem Fußballklub Arsenal London an der Highbury Road seinen Namen und Sitz. Wegen der militärischen Vergangenheit der Lokalität nennt man die Fußballer auch »Gunners«.

 

Am 15. Juni sprachen König und Kronrat wieder mit den Rebellen. Bei diesem Gespräch wurde Tyler heimtückisch ermordet. In der folgenden Verwirrung wurde der Aufstand in London niedergeschlagen; außerhalb Londons ging er weiter. In Suffolk marschierte man in den Hauptort Bury St. Edmund. Das dortige Kloster als Grundherr verweigerte den Handwerkern und Händlern die beanspruchten Rechte. Es wurde geplündert und der Abt enthauptet. In Cambridgeshire wurde eine Johanniterburg zerstört. Die Rebellen verkündeten das Ende der Leibeigenschaft. Ein gewisser Adam Chyme ließ verkünden, niemand – ob frei oder unfrei – schulde einem Adeligen Gehorsam oder Frondienst (Herrendienst: Fron…, Pendant frouwe – Frau; althochdeutsch), und dürfe solchen bei Androhung der Todesstrafe auch nicht leisten, es sei denn im Auftrage der großen Allianz.

 

 

Besonderheiten der Rebellion

 

Die erste Zusammenkunft der Rebellen mit dem König diente anscheinend lediglich dem Zweck, ihn zu veranlassen, den Tower zu verlassen, Erzbischof und Johanniterprior dazu, in dessen Sicherheit zu bleiben. Das Spiel scheint abgekartet gewesen zu sein, sonst wäre man nicht so hineingelangt und hätte ihn anschließend wieder verlassen. Man hat auf den Prestigegewinn einer Besetzung des Towers verzichtet.

Man kann von einer gewissen Zusammenarbeit zwischen den Rebellen und der Umgebung des Königs ausgehen, die auch fortgesetzt wurde nach dem Ende der Rebellion in Form einer allgemeinen Amnestie für die Aufständischen, von der nur die Einwohner von sechs Städten, darunter Bury St. Edmund, ausgenommen waren. Grund waren Einwände der Kirche, die Entschädigung für Erlittenes verlangte. Der Hof korrigierte diesen Beschluss dahingehend, alle seien amnestiert außer den Einwohnern von Bury St. Edmund. Praktisch alle Rebellen wurden also anstandslos begnadigt. Weshalb 287 Personen, deren Namen auf einer Sonderliste standen, von der Amnestie ausgenommen sein sollten, ist noch unaufgeklärt. Falls nicht ein einzelner von ihnen das Pech hatte, aufgegriffen worden zu sein, so waren alle diese mehr als 280 Verfolgten anscheinend genauso spurlos von der Bildfläche verschwunden wie zwei Generationen zuvor die Mehrzahl der Templer. Verfolgte Flüchtige brauchen Zuflucht, Obdach (Rolling stones: gimmi shelter) und Verpflegung, neue Identität und Helfer, die es riskieren, das zu gewähren. Wenn es tatsächlich diese große Allianz gegeben hat, erklärt es sich, dass keiner der gesuchten Rebellen aufgegriffen wurde. Das lässt Rückschlüsse auf die Macht und Größe der Organisation zu, unabhängig davon, ob diese Organisation eigens für die Rebellion geschaffen wurde oder schon bestand.

 

(P7) Der Oxforder Theologieprofessor John Wiclif (1320–1384), Theologe an der Universität zu Oxford, reformatorisch bestrebt, bestritt die Transsubstantiation (Verwandlung von Brot und Wein in Christi Fleisch und Blut unter Beibehaltung der physischen Qualität der Substanzen. Die Verwandlung ist eine geglaubte, nicht physische, sondern metaphysische. Dieses Dogma leuchtet als Grund für eine Kirchenspaltung so wenig ein wie irgendein Anlass, es überhaupt zu formulieren, was man dennoch tat, in der Scholastik und auf dem Tridentinum). Des Weiteren bestritt Wiclif die Notwendigkeit der Ohrenbeichte, den päpstlichen Primat und forderte eine Nationalkirche. Das Konstanzer Konzil 1415 erklärte ihn posthum zum Ketzer. Seine Anhänger – Wiclifiten und Lollarden – wurden von Kirche und Staatsmacht eliminiert. Die Lehren fanden in Böhmen neue Anhänger: Hussiten genannt nach ihrem Anführer Jan Hus, der 1415 in Konstanz auf dem Konzil auf dem Scheiterhaufen als Ketzer verbrannt wurde. Der bedeutendste Vorläufer der Reformation war seit 1378 immer entschiedener öffentlich aufgetreten – auch außerhalb der Universität. Ob seine Anhänger, Lollarden genannt, Wanderprediger – völlig unbeteiligt gewesen sind an der Organisation und Logistik des Aufstandes oder der Allianz, waren doch Mentalität und Ziele beider Volksgruppierungen sehr verwandt, ist schwer zu beurteilen, denn andererseits stammt von Wiclif oder einem seiner Anhänger ein Bannfluch, der sich gegen die neuen Bruderschaften oder Gilden richtet, die sich gegen die gemeinsame Brüderschaft in Christo vergehen durch ihr hoffärtiges (stolzes und arrogantes) Wesen.

Über die Bruderschaft der Masons wird darin gesagt, dass sie sich zu einem Lohntarif (Kartell) verbündet haben und dadurch sich gegen Treu und Glauben verschwören. »Heute nennt man das Koalitionsfreiheit und deutet die Folgen der ›Pest‹ als günstig für die Überlebenden aus den Unterschichten: der körperlich arbeitenden Klasse« – dem früher meist schwächeren der beiden Tarifpartner auf dem Arbeitsmarkt.

Es sind Berichte aus der Zeit an den Hof erhalten über Geheimversammlungen in den Wäldern, die sich gegen die jüngsten Erlasse des Hofes gerichtet hätten aus – von London aus gesehen – ganz abgelegenen Landesteilen. Solche Untergrundarbeit braucht Infrastruktur, Zellen, Deckung. Ohne diese ist kein Aufstand möglich. Die gärende politische Gemengelage, die zum Aufstand führte, war Folge der sozialen, wirtschaftlichen und Herrschaftsverhältnisse der Gesellschaft und nicht Ergebnis der Arbeit der Untergrundorganisationen. Die setzen sich nur an die Spitze des Aufstandes, wenn er ausbricht, und versuchen die Richtung zu bestimmen. Das tat die große Allianz auch, wenn es sie denn gegeben hat.

 

Bannfluch

Revolutionäre pflegen Konkurrenten um die Macht und Herrschaft nicht zu integrieren, sondern auszuschließen (z. B. Karl Marx), als Abspalter zu brandmarken, und »im Dienst der guten höheren Sache« auch liquidieren zu lassen, sofern sie die Macht dazu haben. Edmund Burke hat das bei der französischen Revolution kommen sehen und seinem Kontrahenten in der Bewertung der Revolution – Thomas Paine – prophezeit.

 

 

Die große Allianz (great society)

 

Es gibt keine historischen Relikte und Zeugnisse über eine great society in England aus dem Mittelalter. Society kommt von Socius – Bundesgenossenschaft. Allianz kommt von adligare – aneinander binden, Bündnis. Diesen Ausdruck ziehe ich hier vor, da er soziologisch unbelastet ist. Im deutschen Verständnis heute ist Allianz treffender als Gesellschaft. In der englischen Literatur wird der Ausdruck great society gebraucht.

 

(P8) Tiler, der Name ist vermutlich kein Pseudonym, aber die Orthographie Tyler-tiler hat zu gründlicher Verwirrung beigetragen und Banales mystifiziert. Das internationale Freimaurerlexikon handelt den Begriff tiler (früher auch tyler geschrieben) ab, und gelangt dabei auf abwegige Fährten: das französische tuileur. In beiden Sprachen bedeutet es ­Dachdecker, Fliesenleger, Plattenleger, Pflasterer o. Ä.: Leute die etwas abdecken. Im Französischen gibt es auch noch den Tailleur, der schneidet – mit Dolch, Messer, Schwert, Schere und im Englischen heißt er – sicherlich aus dem Französischen übernommen: »taylor«. Das Abzeichen des T(a)ylers ist das Schwert, das in den meisten Logenräumen am Eingang zum Tempel angebracht ist. Also ist der Tiler der Wachhabende, eine Schildwache mit Waffe. Die nahe liegendste Schreibweise wäre Taylor, ein Berufsname, der in vielen Sprachen zum Haus- oder Eigenname wurde. Liz Taylor und Romy Schneider durften Älteren noch aus dem Kino bekannt sein. War deren beider Wirken aber erst einmal auf Zelluloid gebannt, begann nicht die Arbeit eines couturieurs, sondern die des Cutters.