Freundschaft, die uns im Leben trägt - Margot Käßmann - E-Book
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Freundschaft, die uns im Leben trägt E-Book

Margot Käßmann

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Beschreibung

Eine lebenskluge Hommage an die Freundschaft. Das perfekte Geschenk für die (beste) Freundin und ein guter Ratgeber für alle, die sich nach wahrer Freundschaft sehnen – geschrieben von Bestseller-Autorin Margot Käßmann auf Basis ihrer langjährigen Erfahrung als Seelsorgerin. Freundschaft ist eines der ganz großen Lebensthemen. Wer wirklich gute Freunde hat, weiß dies zu schätzen. Sie geben uns Kraft, sind ein kostbarer Schatz! Auch Margot Käßmann pflegt bewusst viele, langjährige Freundschaften. Zu Menschen, die ihr auch in Zeiten der Krise zur Seite gestanden haben und die mit ihr immer wieder das Leben und das Miteinander feiern. Vertrauen, Verlässlichkeit, gemeinsames Erleben und die Zeit, aneinander zu wachsen sind die Voraussetzungen für ein gelingendes Miteinander. Margot Käßmann schreibt über das Geben und Nehmen, das überraschend beglückende, das faszinierende und bereichernde guter Freundschaften. Aber auch über die Enttäuschung, wenn man selbst ein Anliegen hat und vom anderen abgewiesen wird – und das Betrauern verlorener Freundschaften. Wie wichtig es ist, neben einer Partnerschaft auch Freundschaften zu pflegen und was »Bekannte« von Freunden unterscheidet. Die kostbare Zeit schöner Erlebnisse und die Angst um die Freundinnen und Freunde, wenn Krisen und Krankheit kommen. Über das Erkennen »falscher Freunde« und das Ziehen von Grenzen. Dabei benennt Margot Käßmann auch gute Vorbilder für Freundschaften – historisch, in Literatur und Film – und natürlich ganz persönlich. Biblische Vorbilder wie Elisabeth und Maria, David und Jonathan oder Jesus selbst und seine Jünger zeigen, worauf es wirklich ankommt. Und am Ende stehen zehn ganz konkrete Anregungen für gute Freundschaften.

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Margot Käßmann

Freundschaft, die uns im Leben trägt

Mit Illustrationen von Sarah Wiesner

Knaur e-books

Über dieses Buch

Freundschaft ist eines der ganz großen Lebensthemen. Wer wirklich gute Freunde hat, weiß dies zu schätzen. Sie sind kostbar und geben uns Kraft.

Auch Margot Käßmann pflegt bewusst viele, langjährige Freundschaften. Zu Menschen, die ihr auch in Zeiten der Krise zur Seite gestanden haben und mit ihr immer wieder das Leben feiern.

Vertrauen, Verlässlichkeit, gemeinsames Erleben und die Zeit, aneinander zu wachsen sind die Voraussetzungen für ein gelingendes Miteinander. Margot Käßmann schreibt in ihrem neuen Buch über das Geben und Nehmen, das überraschend beglückende, das faszinierende und bereichernde guter Freundschaften. Aber auch über die Enttäuschung, wenn man ein Anliegen hat und vom anderen abgewiesen wird – und das Betrauern verlorener Freundschaften. Wie wichtig es ist, neben einer Partnerschaft auch Freundschaften zu pflegen und was »Bekannte« von Freunden unterscheidet. Die kostbare Zeit schöner Erlebnisse und die Angst um die Freundinnen und Freunde, wenn Krisen und Krankheit kommen. Über das Erkennen »falscher Freunde« und das Ziehen von Grenzen.

Dabei benennt Margot Käßmann auch gute Vorbilder für Freundschaften – biblisch, historisch, in Literatur und Film – und natürlich ganz persönlich. Am Ende gibt sie zehn konkrete Anregungen für gute Freundschaften.

Inhaltsübersicht

Meinen Freundinnen und Freunden [...]Zu Beginn … das Beste!Vertrauen muss wachsen, Freundschaft braucht ZeitEine starke Kraft im LebenFreundschaft – in der BibelIm Wandel der ZeitenFreundschaft und PaarbeziehungFamilien- und Freundschaftsbande»Ich habe fünfhundert Freunde!«Konfliktpotenzial»Jede auf ihre Art« – verschiedene Formen von FreundschaftWas macht Freundschaft aus?Freundschaften mit Kolleginnen und Kollegen»Wir haben uns aus den Augen verloren …«Freundschaft in Geschichte, Liedern, Literatur und FilmAlles kann neu beginnen
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Meinen Freundinnen und Freunden gewidmet. Danke für Eure Begleitung!

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Zu Beginn … das Beste!

Ein Freund, ein guter Freund

Das ist das Beste, was es gibt auf der Welt

 

Ein Freund bleibt immer Freund

Und wenn die ganze Welt zusammenfällt

 

Drum sei auch nie betrübt

Wenn dein Schatz dich nicht mehr liebt

 

Ein Freund, ein guter Freund

Das ist der größte Schatz, den's gibt[1]

© Sarah Wiesner

So singen die Comedian Harmonists in ihrem berühmten Lied. Wenn ich es höre, denke ich an den Film mit Heinz Rühmann: Die Drei von der Tankstelle. Da unser Vater in Stadtallendorf eine Tankstelle betrieb, wurden meine beiden Schwestern und ich als Kinder manchmal scherzhaft so genannt – »… ja, die drei …«.

Der Film erschien 1930 und das von Werner Richard Heymann geschriebene Lied wurde schnell zu einem weithin bekannten Schlager, es ist fast so etwas wie ein Volkslied geworden. Und irgendwie ist der Text ja auch Jahrzehnte später und in einer stark veränderten Welt tröstlich. Wenn alles unterzugehen scheint, wenn die große Liebe zerbricht – Freund oder Freundin bleiben. Sie sind für dich da. Das entspricht meiner persönlichen Lebenserfahrung, aber auch ganz objektiv der Analyse von Therapeuten.

 

Eine Freundin oder einen Freund zu haben, das tut so gut, in Zeiten, die uns verunsichern. Vieles, was lange Zeit galt, scheint zunehmend aus den Fugen zu geraten. Wir machen uns Sorgen, weil so vieles bedroht ist, was uns wichtig ist: die Umwelt, das Klima, die soziale Gerechtigkeit oder der eigene Arbeitsplatz.

Meine Generation war sicher: Es werden nie wieder deutsche Soldaten in den Krieg ziehen. Heute haben wir Angst, wenn wir die Konflikte der Welt sehen, an denen unser Land beteiligt ist. Mitte der 80er-Jahre dachten wir: Armut kann überwunden werden! Heute geht die Schere zwischen Armen und Reichen selbst in unserem eigenen Land auseinander. Ich war überzeugt, Antisemitismus, Rassismus, nationalsozialistische Ideologie sind in Deutschland für immer überwunden. Heute erleben wir, dass Juden angegriffen werden, Menschen ohne Scham andere diskriminieren und Neonazis aufmarschieren. Und die »Fridays for Future Kids« machen uns sehr deutlich, wie gefährdet unser Ökosystem ist, von dem und mit dem wir leben.

In solchen Zeiten sind tragende Beziehungen, Freundschaften besonders wichtig. Und mit Blick auf zunehmende Altersarmut in Zeiten, in denen Familien generell kleiner werden und Paarbeziehungen angesichts der Ansprüche auf ein gelingendes Leben oft überfordert sind – da überdauern Freundschaften manches Mal die Brüche der Lebensläufe.

 

 

Damit die Seele gesund bleibt

Wenn laut einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft fast zehn Prozent der Menschen in unserem Land so einsam sind, dass sie nur einmal im Monat oder noch seltener ein persönliches Gespräch führen, ist das doch ein Trauerspiel. Eine weitere Studie im Auftrag der Organisation Care-Ship[2] zeigt auf, dass 68 Prozent der Menschen, die einsam sind, sich dafür auch noch schämen. Jeder vierte von ihnen hat keinen Kontakt zu den eigenen Kindern. Das ist besonders schlimm, finde ich. 33 Prozent der allein lebenden Senioren schauen mehr als vier Stunden täglich Fernsehen, 37 Prozent erklären, es sich nicht leisten zu können, aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Genau da können Menschen aber doch vorbauen, indem sie außerfamiliäre Beziehungen frühzeitig pflegen! Wir brauchen Freundschaften, damit unsere Seele gesund bleibt. Und es ist gut, wenn wir uns darum mühen, Freundschaften zu pflegen.

Freundschaften prägen uns oft ebenso stark wie die Eltern-, die Geschwister- oder die Paarbeziehung. Manche haben das Glück, ihr Leben lang einen guten Draht zu ihrer Familie und ihren Geschwistern zu haben. Dass es in meiner Familie so ist, dafür bin ich dankbar!

Aber viele berichten auch, dass der Kontakt zu den eigenen Geschwistern in der Lebensmitte leider ziemlich dünn geworden ist. Ihre Freundinnen sehen manche öfter als ihre eigene Schwester. Woher kommt das? Und was ist eigentlich Freundschaft dem Wesen nach?

 

Eine wissenschaftliche Definition hilft an dieser Stelle nicht wirklich weiter. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte mit dem Begriff Freundschaft. Wahrscheinlich lässt sich davon am besten erzählen. Würden Sie als Leserin oder Leser mir bei einer Tasse Kaffee oder Tee gegenübersitzen, wir wären schnell im Gespräch, davon bin ich überzeugt. Und so erzähle ich in diesem Buch von Freundschaftserfahrungen, den guten und den weniger guten, den gelingenden und denen, die auch mal unterbrochen sind – oder sogar leider für immer abbrechen.

Ich bin sehr, sehr dankbar für Freundinnen und Freunde, die mich im Leben begleitet haben. Manche nur eine Etappe, andere seit Jahrzehnten. Das ist ein kostbarer Schatz. Je älter ich werde, desto mehr weiß ich das zu würdigen.

 

 

Distanz und Nähe, beides kann gut funktionieren

Freundschaft kommt auf sehr verschiede Weise daher. Manche Freundinnen und Freunde sind ganz regelmäßig im Kontakt, andere nur von Zeit zu Zeit. Aber irgendwie funktioniert es dann doch, auch über die Distanz.

Viele Freundschaften verlaufen zum Glück sehr harmonisch, andere sind auch von Auseinandersetzungen geprägt. Die Reibung im Gespräch, das Abwägen für und wider – es tut uns durchaus gut, weil wir das Gegenüber als Korrektiv brauchen. Was für ein Geschenk, wenn es eine Freundin gibt, die uns derart wertschätzt, dass sie auch bereit ist, uns mit den unangenehmen Dingen, unseren Schattenseiten zu konfrontieren. Die uns auf den Zahn fühlt, den wunden Punkt anspricht, gerade weil wir ihr wichtig sind. Jemanden, der uns zutraut, dass wir uns hinterfragen lassen, sich wünscht, dass wir glücklich sind. Wenn andere uns nur stets applaudieren und uns damit bestätigen, ist Stillstand angesagt. Zu einer Freundschaft gehört, dass wir uns auch mal kritisch sehen, uns zumuten, Fragen zu stellen, weil wir die Freiheit haben, uns zu verändern.

 

Frauenfreundschaften sind sicher anders als Männerfreundschaften. Aber sie alle sind ein Gewebe, in dem wir uns neben der eigenen Familie geborgen und gehalten fühlen dürfen.

Meine Freundinnen (von denen gibt es zum Glück viele!) und Freunde (von denen gibt es deutlich weniger und darüber wird noch zu reden sein) kommen alle in diesem Buch vor.

Wenn ich das Miteinander über die Jahre in den Blick nehme, stelle ich fest, dass sich manches Mal Erstaunliches ergeben und entwickelt hat. Wir sind alle im Laufe der Jahre und Jahrzehnte nicht stehen geblieben. Wie gut!

Manche Fäden der Verbundenheit sind dabei leider dünner geworden. Und manchmal ahnen wir das. Ein Freund sagte mir, als ich in Ruhestand ging: »Ich hoffe, dass wir uns nicht ganz aus den Augen verlieren.« Das hoffe ich auch, aber es könnte sein, dass es dennoch so kommt. Das wissen wir beide. Unsere Lebenswelten sind einfach anders geworden, wir laufen uns nicht mehr regelmäßig über den Weg wie in früheren Jahren. Mit anderen Menschen fühle ich mich nach wie vor eng verbunden, selbst wenn uns inzwischen oft viele Hundert Kilometer voneinander trennen. Wir sehen uns nur einmal im Jahr und können doch wieder direkt an das anknüpfen, was uns schon immer verbunden hat. Wir kennen einander so gut, dass es uns nicht schwerfällt, achtsam miteinander umzugehen. Ein Lächeln, ein gutes Wort, eine vertrauensvolle Geste – und schon sind wir wieder ganz beieinander, auch wenn seit dem letzten Treffen sehr viel Zeit verstrichen ist.

In anderen Fällen ist die räumliche Distanz leider auch mit einer inneren Entfremdung einhergegangen. Wir haben einander einfach nur noch wenig oder gar nichts zu sagen, verstehen einander nicht mehr.

Manchmal ist uns auch der Tod dazwischengekommen. Einige Freundinnen und Freunde sind allzu früh verstorben. Dabei hätten wir so gerne weiterhin Zeit miteinander verbracht. Es bleibt die Erinnerung an viele gute, gemeinsame Momente und ein Getragensein.

Ich denke sehr gern an alle meine Freundinnen und Freunde. Freundschaften geben Halt, weil sie von tiefem Vertrauen geprägt sind.

 

Immer wieder einmal habe ich darüber nachgedacht, dass es eigentlich auch eine Theologie der Freundschaft geben müsste. Denn Gott ist der Ursprung allen Miteinanders, tritt in Beziehung mit uns Menschen. Gott weiß, wie sehr wir eines Gegenübers bedürfen und stellt uns andere Menschen an die Seite, die uns guttun.

Einmal habe ich diesen Gedanken in einem Interview für das ZEIT-Magazin unter der Überschrift: Das hat mich gerettet[3] geteilt. Ja – in der Tat – Freundschaften waren in meinem Leben immer wieder entscheidend wichtig. So entstand die Idee, dieses Buch zu schreiben.

 

 

Einen Menschen wissen,

der dich ganz versteht,

der in Bitternissen

immer zu dir steht,

der auch deine Schwächen liebt

weil du bist sein;

dann mag alles brechen

du bist nie allein.

 

Marie von Ebner-Eschenbach

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Vertrauen muss wachsen, Freundschaft braucht Zeit

© Sarah Wiesner

Wie lässt sich am besten über Freundschaft schreiben? Indem über Erfahrungen der Freundschaft erzählt wird. So will ich beginnen, in dem ich von meiner ältesten und längsten Freundschaft erzähle. Almut, meine Freundin, ist einverstanden und hat – wie alle anderen, die namentlich genannt werden – gegengelesen, was ich schreibe. Vertrauen ist eine Grundvoraussetzung von Freundschaft. Deshalb würde ich nie schreiben, was andere lieber nicht über sich lesen möchten.

Vertrauen sich zwei Menschen in einer Freundschaft Privates an, sprechen sie ja auch über Situationen, die ihnen selbst unangenehm oder peinlich sind und die sie vor der Öffentlichkeit verborgen wissen wollen. Dann müssen sie sich absolut darauf verlassen können, dass dies mit großem Respekt behandelt wird. Mehr noch: mit höchster Diskretion – selbst in dem Fall, dass eine Freundschaft irgendwann endet. Mich hat immer irritiert, wenn ehemalige Freundinnen oder auch Paare Privates öffentlich machen, nachdem die Beziehung beendet ist. Das bleibt auch dann ein eklatanter Vertrauensbruch. Und es sagt viel über die Person aus, die ihn begeht. Vertrauenswürdig ist sie jedenfalls nicht!

 

Almut und ich kennen uns seit der Geburt meiner Zwillingstöchter 1986. Damals lebten wir beide in zwei kleinen hessischen Dörfern, die per Fußweg untereinander verbunden sind. Sie hatte mich als Pfarrerin im Gottesdienst erlebt, fand meine Predigt interessant und sprach mich darauf an. Spontan lud sie mich zu einer kleinen Gartenparty ein, obwohl sie sonst alles andere als spontan ist. Sie und ihr Mann und feierten im Sommer ein Fest, um ihre beiden Geburtstage vom Februar und April mit ihren Familien, Freunden und Bekannten zu begehen.

Wir waren damals als Familie neu nach Spieskappel, einen kleinen Ort im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis gezogen, und ich fühlte mich auf dem Land ehrlich gesagt ziemlich unwohl. Dabei ging es nicht um die Möglichkeiten, die ich gegenüber der Stadt vermisste. Ich hatte damals ohnehin wenig freie Zeit, und an Kinobesuche, Theaterabende, Einkaufsbummel und anderes war vorerst kaum zu denken, denn meine drei Kinder forderten nahezu alle Kräfte. Es ging also nicht um Einschränkungen, die sich allein durch räumliche Gegebenheiten ergaben. Das Unwohlsein hatte andere Gründe.

Manches war mir vorher schlicht nicht bewusst gewesen, denn in einem so kleinen Dorf hatte ich zuvor noch nie gelebt. Vieles war anders als gewohnt und ich merkte vor allem schnell, dass wir als zugezogene Familie, noch dazu als Pfarrfamilie, nun wie auf dem Präsentierteller lebten. Eine Vielzahl von Menschen schien wahrzunehmen, wohin ich ging, wo ich länger blieb, was ich sagte und tat – und was nicht. Quasi unter ständiger Beobachtung zu stehen, das fand ich jedenfalls anstrengend. Und dass ich bei all dem selbst auch Pfarrerin war, passte scheinbar irgendwie gar nicht in die Tradition vor Ort. Es war bislang einfach nicht vorgekommen, und es schien für manche deswegen zunächst auch undenkbar zu sein. Das passte nicht zur Erfahrung mit dem klassischen Typ Pfarrfrau, die ihrem Mann den Rücken freihielt, sich vielleicht darum kümmerte, den Kindergottesdienst mit vorzubereiten, Essen zu richten, den Gemeindesaal zu schmücken, Blumen zu besorgen. Aber Theologie studieren, als Frau auf der Kanzel zu stehen, sich manchen Konventionen augenscheinlich nicht beugen zu wollen – an ein derartiges, neues Rollenverständnis mussten sich einige erst gewöhnen.

Zum tieferen Nachdenken über solche Fragen und zur aktiven Veränderung fehlte mir dann aber doch die Zeit. Schließlich gab es unsere drei kleinen Kinder, noch dazu neugeborene Zwillinge – wer so etwas selbst erlebt hat, weiß, wovon ich spreche. Zeitweilig war ich jedenfalls völlig ausgelaugt. Wenn der Tag vorbei war, fiel ich todmüde ins Bett, um dann öfters nachts doch noch einmal aufzustehen, um nach einem schreienden Kind zu schauen. Und manches Mal war die Nacht um halb fünf vorbei – alle jungen Eltern kennen die Erschöpfungszustände, die das mit sich bringt, denke ich.

Eigentlich war also keine Zeit für irgendwelche Ablenkungen. Aber über die Einladung von Almut habe ich mich natürlich sehr gefreut.

 

Ich sehe mich noch den großen Kinderwagen den kleinen Hügel hinauf nach Ebersdorf schieben, die älteste Tochter hüpfte nebenher. Der Nachmittag mit Almut und Thomas hatte etwas sehr Belebendes. Hier waren Menschen zusammen, die offensichtlich ähnlich dachten wie ich. Und die Vorstellungen vom Leben hatten, die ich teilen konnte. Spontan habe ich mich wohlgefühlt, ganz entspannt, überhaupt nicht gefordert, eine Rolle wahrzunehmen. Ich war Teil eines schönen und völlig ungezwungenen Nachmittags im Garten und habe den Freiraum sehr genossen.

Almut hat eine Tochter, die ein Jahr jünger ist als meine älteste – und die beiden spielten gut zusammen.

Wir Frauen haben uns danach einander zunehmend angenähert, alles sehr behutsam. Es gab Einladungen hin und her, erst zu einer Tasse Kaffee, dann zum Spaziergang oder zum Abendessen. Die Gespräche vertieften sich.

Manchmal hatten wir beide nach einem Treffen das Gefühl: Das habe ich vorhin falsch ausgedrückt, vielleicht kam es merkwürdig an, was ich gesagt habe. Mal war die eine verunsichert, mal die andere. Dann haben wir telefoniert, um das zu klären. Es sollte nichts zwischen uns stehen.

Es hat Jahre gebraucht, bis das Vertrauensfundament vorhanden war, das unsere Freundschaft bis heute trägt. Denn du fragst dich ja: Kann ich das jetzt wirklich meiner Freundin anvertrauen, ist es bei ihr sicher? Oder wird sie es dem Nächstbesten weitererzählen und mich damit bloßstellen?

Und wie kommt das, was ich zu sagen habe, überhaupt bei meinem Gegenüber an? Empfindet sie es vielleicht so, als ob ich mich in etwas verrannt habe? Stößt sie mein Handeln eventuell sogar vor den Kopf? Das wollte ich keinesfalls.

Gute Freundschaft braucht Zeit. Unsere dauert inzwischen 33 Jahre und ich kann sagen, dass ich Almut blind vertraue und ihr auch alles erzähle, was mich bewegt. Es gibt keinen anderen Menschen, der mich derart gut kennt und so viel über mich weiß. Aber es ist nicht so, dass wir keine Konflikte haben, Beziehungen ohne Spannungen gibt es wohl nicht. Doch wir haben gelernt, offen darüber zu reden, wenn sie auftauchen – ohne Angst, dadurch die Freundschaft aufs Spiel zu setzen.

 

In einer guten Freundschaft brauchst du dich auch nicht für die Fehler in deinem Leben zu schämen, weil klar ist, dass jeder Mensch welche macht. Und in einer guten Freundschaft kann jede über sich selbst lachen – ebenso wie über die andere –, ohne dass es wehtut.

Unsere jahrzehntelange, intensive Verbindung hat für mein Leben und für Almuts Leben eine große Bedeutung. Einerseits sind wir beide sehr verschieden. Almut ist überlegt, zurückhaltend, durchdenkt die Dinge intensiv, bevor sie handelt. Sie ist Therapeutin und geht den Fragen auf den Grund, sieht Zusammenhänge, die ich gar nicht erkenne. Ich bin eher impulsiv und spontan und muss dann manches Mal zurückrudern, weil ich zu schnell gehandelt habe. Darüber können wir auch meistens miteinander lachen. Das ergänzt sich gut!

Aber es kann auch zu Spannungen führen.

 

Zusammen haben wir schon vieles erlebt, woran wir uns gern mit einem Lachen erinnern. Und solche gemeinsamen Erinnerungen gehören ja zu einer Freundschaft dazu. Da erzählen sich zwei Menschen bestimmte Geschichten immer wieder. An einem 1. Mai waren wir beispielsweise fest entschlossen, mit unseren Kindern einen Ausflug zu unternehmen. Unsere Ehemänner haben abgewunken: Es schüttet in Strömen, was für ein Unsinn! Aber stur wie wir waren, haben wir damals fünf Mädels in einen Bollerwagen gesetzt, Saft, Kaffee und Kekse dazugepackt und los ging es. Im Nu waren wir klitschnass, aber es war uns irgendwie egal. Da begegnete uns im Wald ein Landwirt und sagte: »Ihr zwei Weiber habt sie ja wirklich nicht alle!« Das werde ich nie vergessen, weil es einfach nur komisch war.

 

Ein anderes Mal waren wir mit beiden Familien zusammen im Urlaub, in der Normandie. Almuts Mann Thomas und ich nahmen die Mädels mit an den Strand, um seiner Frau und meinem Mann einen kinderfreien Nachmittag zu gönnen. Als wir mit fünf Mädchen an den Strand kamen, ich zudem hochschwanger, begleiteten uns mitleidige, geradezu erschütternde Blicke – vermutlich dachten die meisten Beobachter: Sechs Kinder, wissen die denn nicht, wie man verhütet?

Jahre später sind Almut und ich für eine Woche in die Türkei geflogen. Wir haben gemeinsam Urlaub gemacht und jeden Tag Rafik Schami gelesen, Die dunkle Seite der Liebe. Nebeneinander lagen wir im Garten des Hotels auf Liegestühlen, jede das gleiche Buch in der Hand. Da kam ich auf einmal an eine Textpassage, die derart lustig war – es geht um Sexualität und einen Sesamkringel –, dass ich laut losgeprustet habe. Almut schaute mich schief von der Seite an. Fünf Minuten später kam sie an dieselbe Stelle und konnte sich dann auch kaum beherrschen. Vor allem, weil sie ja nun auch wusste, weshalb ich kurz zuvor derart fröhlich war … Wir haben zusammen Tränen gelacht. Heute braucht nur eine von uns »Sesamkringel« zu sagen, und schon ist die Sache klar. Zusammen lachen können, auch das macht Freundschaft aus.

 

Als ich Studienleiterin an der Akademie Hofgeismar war, gehörte auch die Kinderakademie zu meinen Aufgabenfeldern. Oft war Almut mit ihrer Familie bei den Wochenenden für Familien dabei. Einmal fuhren wir zur Sommerfreizeit nach Schweden. Für mich war es Arbeitszeit, gleichzeitig aber auch ein wenig wie Urlaub, schließlich konnte meine Familie mitkommen. Mein Mann war allerdings kurz zuvor für ein Friedensprojekt nach Bosnien gefahren und wollte später nachkommen. Ich fuhr, im Konvoi mit Almut und deren Familie, einen kleinen Transporter der Akademie. Darin saßen fünf Kinder, meine vier und Almuts Neffe. Außerdem hatte ich reichlich Gepäck, Verpflegung und vor allem Spielmaterial geladen.

Als wir in Schweden von der Fähre fuhren, wurde ein einziges Auto angehalten: meins. Und der Zöllner stellte kalt lächelnd fest: Die Kinderpässe meiner Zwillingstöchter waren abgelaufen. So musste ich rechts rausfahren, es gab eine Befragung und dann hieß es, ich dürfte so nicht einreisen. Ich hatte zuvor keinen Gedanken daran verschwendet, dass gültige Dokumente überhaupt notwendig wären, um nach Schweden zu kommen. Jetzt steckten wir im Schlamassel.

Die einzige Möglichkeit war, im deutschen Konsulat in Göteborg Ersatzpässe zu besorgen und diese zur Bestätigung vorzulegen. Gesagt, getan. Unser kleiner Konvoi setzte sich in Bewegung, und wir suchten – damals noch ohne Navi – in Göteborg das Generalkonsulat.

Alle, die schon einmal ohne Ortskenntnisse in einem fremden Land mit einem fremden Auto durch enge Straßen gekurvt sind, wissen, was das bedeutet. Endlich fanden wir die richtige Straße, dann einen Parkplatz. In einem benachbarten Café ließen Thomas und ich Almut mit sieben (!) Kindern zurück. Wir ahnten noch nicht, was nun kam. Es wurde nochmals richtig spannend, denn im Konsulat richtete eine strenge Dame, nachdem ich mein Anliegen vorgebracht hatte, eine Frage an meinen Begleiter Thomas: »Sind Sie der Vater?«

Ich antwortete für ihn: »Nein, das ist ein Freund.« Die Dame: »Aha, ein Freund. Und wo ist Ihr Mann?« Ich konnte sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete, sagte aber jetzt schlicht die Wahrheit: »In Bosnien.«

»Aha, in Bosnien. Wir können die Pässe ihrer Kinder aber nur mit schriftlichem Einverständnis ihres Ehemannes verlängern!«

Wir steckten offensichtlich in einer Sackgasse. Und ich war kurz vor den Tränen. Thomas hingegen blieb äußerlich gelassen und bestand darauf, den Vorgesetzten zu sprechen.

Wir haben dann letztlich doch noch eine Lösung gefunden. Aber das steht auf einem anderen Blatt und ist eine längere Geschichte. Wichtiger ist die Quintessenz dieser Begebenheit, die Almut und ich nie vergessen werden: Freundschaft heißt auch immer wieder, Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Und wohl auch: ein Geheimnis miteinander bewahren …

 

Zusammen verreisen ist ein besonderes Thema. Es vertieft im besten Fall die freundschaftliche Beziehung, schafft gemeinsame Erinnerungen. Aber es kann auch zu Konflikten führen. Es heißt ja, Urlaub sei »Familienleben unter erschwerten Bedingungen«. Das kann auch für Freundschaften gelten. Du musst Schwierigkeiten durchstehen, dich gegenseitig auf engstem Raum mit den jeweiligen Macken aushalten. Es gilt Probleme auszuhalten, die bei kurzen Treffen gar nicht so sichtbar waren. Und du bist oftmals im Urlaub, vor allem in fremden Ländern, aufeinander angewiesen. Aber genau solche Erfahrungen vertiefen Freundschaft auch!

Ich kenne zwei Männer, die noch heute mit 60 von der gemeinsamen Interrailtour ihrer Jugend erzählen. Interessant dabei ist, dass ihre Erinnerungen manchmal sehr unterschiedlich sind – aber auch das gehört wohl dazu. Wenn wir etwas gemeinsam erleben, heißt es nicht, dass wir es genau gleich wahrnehmen oder eben erinnern.

 

Almut und ich haben viele Reisen unternommen – mit unseren Familien, aber auch zu zweit. In einem Sommer hatten wir geplant, zusammen nach Frankreich zu fahren: sie mit ihrer jüngsten Tochter und ich mit meiner Jüngsten, die Almuts Patenkind ist. Aber dann wollten meine Zwillingstöchter plötzlich auch noch unbedingt mitfahren – und eine Freundin von ihnen sollte zusätzlich dabei sein, so ihr Wunsch. Ich habe natürlich, spontan wie ich bin, direkt zugesagt: »Das ist überhaupt kein Problem, das Auto ist groß genug.«

Almut hat schwer geschluckt, ich habe sie damit völlig überrumpelt.

Dann habe ich kurz überlegt und am Telefon gesagt, dass es von Hannover aus sicher besser wäre, über Köln statt über Frankfurt zu fahren. Wie so oft war ich auch in diesem Punkt zu schnell und spontan. Aber da hat es Almut echt gereicht. Sie war von meinen Planänderungen vollkommen genervt und kurz davor die gesamte Reise abzusagen. Es hat etwas gedauert, bis ich das begriffen habe. Dann bin ich doch mit meinen Mädels im Auto über Frankfurt gefahren und habe Almut und ihre Tochter wie verabredet an der A7 abgeholt.

Als wir in Frankreich waren, rief meine älteste Tochter an. Sie und ihr Freund waren gerade in Italien unterwegs. Sie erzählte, dass sie fast kein Geld mehr hätten und deshalb gerne zu uns kommen würden. Was sollte ich da sagen? Ich dachte nicht lange nach und sagte direkt zu.

Almuts konnte es kaum glauben, als ich ihr davon berichtete.

»Du hast was …?«

Sie war mit ihrer Geduld langsam am Ende, aber nun war auch nichts mehr zu ändern. Die beiden Italienreisenden ohne Geld trafen bald darauf tatsächlich ein, das Ferienhaus war mehr als voll und aus dem ursprünglich geplanten, ruhigen Urlaub zu viert wurde eine turbulente Woche.

Almut kann diese Geschichte jedes Mal aufs Neue mit einer derartigen Ironie erzählen, dass ich laut lachen muss. Mit jedem Satz nimmt die Geschichte weiter Fahrt auf.

 

Damals war uns beiden überhaupt nicht zum Lachen, als wir versuchten trotz all dem Trubel doch noch etwas Erholung zu finden. Und ich muss gestehen: Es hat sich wiederholt. Als Almut und ich langfristig ein ruhiges Wochenende zu zweit auf Usedom geplant hatten, gesellten sich nach und nach meine Töchter mit ihren Familien dazu. Inzwischen meint sie: »Ist ja nicht neu für mich. Bei deiner Familie kannst du nicht Nein sagen!«

Ich bin dankbar, dass sie das mit Humor trägt.

 

 

Voneinander lernen

Geschichten miteinander teilen, eine gemeinsame Geschichte zu haben, das macht Freundschaft in ihrem Wesen aus. Aber es geht auch darum, voneinander und miteinander zu lernen. Von Almut kann ich lernen, manches im Vorfeld besser in Ruhe zu bedenken und erst dann zu entscheiden. Und sie kann sich inzwischen eher auf eine ungeplante, vielleicht total spontane Unternehmung einlassen, die sich unvorhergesehen ergibt.

Aber bis heute habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich an die gemeinsame Zeit in Frankreich denke. Am Ende war es für Almut alles andere als lustig, und ich hätte sie damals nicht derart überfahren dürfen.