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In einer sternenklaren Neumondnacht im Mai sitzen Sigmund Freud und Albert Einstein ganz oben auf dem abgefuckten Sprungturm der heruntergekommenen Strandbadanlage in Seewalchen am Attersee und trinken billigen Whisky.
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Seitenzahl: 123
Veröffentlichungsjahr: 2017
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WolfgangEicher wurde am 23. Februar 1975 in Vöcklabruck/Oberösterreich geboren. Nach einer Ausbildung zum Landwirt studierte er Raumplanung und Raumordnung auf der TU in Wien. Seit 1991 schreibt er hauptsächlich Romane. Wolfgang Eicher lebt und arbeitet in Wien. Bisher hat er im Verlag duotincta folgende Titel veröffentlicht:
Die Insel (2016)Freiheitsstatue (2017)
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Erste Auflage 2017 Copyright © 2017 Verlag duotincta, Berlin Alle Rechte vorbehalten. Satz und Typographie: Verlag duotincta Einband: Wolfgang Eicher ISBN 978-3-946086-27-7
www.duotincta.de
In einer sternenklaren Neumondnacht im Mai sitzen Sigmund Freud und Albert Einstein ganz oben auf dem abgefuckten Sprungturm der heruntergekommenen Strandbadanlage in Seewalchen am Attersee und trinken billigen Whisky. Einige hundertmillionen Sterne beleuchten die Szene. Sie beweisen eine Unendlichkeit, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Die erste der beiden Flaschen ist beinahe ausgetrunken, als Sigmund eine Idee hat. Er öffnet seine Hose und pisst in den zehn Meter weiter unten glasklar daliegenden See.
Sigmund Freud ist arbeitslos. Vor nicht allzu langer Zeit hat er in der Kantine der Kunstfaserfabrik Lenzing als Koch gearbeitet. Dann aber ist die Kunstfaserindustrie bankrott gegangen. Das hat die ganze Gegend in eine schwere Krise gestürzt. Die Industrieruinen, noch vor kurzem Ausdruck lebendiger Geschäftigkeit, liegen nun brach da als Mahnmal des Vergehens. So sehr man von nur dem einen Produktionszweig abhängig gewesen ist, so sehr ist nun die gesamte Region Opfer – so wie der arbeitslose Koch Sigmund Freud.
Sigmund Freuds Eltern fanden es vermutlich recht kreativ, ihrem Sohn diesen berühmten Namen zu geben. In Wirklichkeit hat Sigmund ein Leben lang darunter gelitten. Ja wirklich, er heiße Sigmund Freud, genauso wie der Sigmund Freud. Das hat ihm viele Türen verschlossen. Wer weiß, was aus ihm geworden wäre, hätte er einen normalen Namen getragen? Was aber sollte er tun mit diesem Namen? Irgendwann erkannte er, dass man sich als Koch gut hinter den Töpfen verstecken konnte, nicht viel über Namen zu reden brauchte und nicht ständig wieder und wieder den neu begegnenden Menschen Namensgleichheiten erklären musste. Der Koch bleibt im Hintergrund. Das gefiel ihm. Also lernte er Koch. Und weil sein Vater langjährig in der Kunstfaserindustrie tätig war, bekam er dort einen Job in der Kantine.
Albert Einstein hat Liebeskummer. Daher sind die beiden hier. Darum trinken sie. Natürlich gibt es jeden Tag einen Grund, sich zu betrinken. Manche Tage eignen sich jedoch besser als andere für den Konsum schlechten Whiskys. Ein solcher Tag ist heute. Vera Stronach ist nämlich gerade abgereist. Vera Stronach ist die Tochter der Präsidentin der Amerikanisch-Kanadischen Föderation, Carlisle Stronach, und Albert Einstein hat sich in diese Tochter einer zirka elf Dimensionen höher liegenden Gesellschaft verliebt. Und aufgrund dieses Dimensionenunterschieds ist diese Liebe eindeutig unglücklich, weiß Sigmund Freud, was Albert Einstein ein wenig ärgert. Was beide nicht wissen: Warum hat die Tochter der mächtigsten Frau der Welt den Weg gesucht in ein heruntergekommenes Haus, das von zwei Sozialschmarotzern mit Alkoholproblem bewohnt wird? Albert Einstein beschließt, einen Liebesbrief zu schreiben.
Albert Einsteins Eltern betreiben das gutgehende Gasthaus Einstein in Wolfsegg am Hausruck. Den Namen Albert haben sie ihm gegeben, da sie nichts von einem weltberühmten Physiker gleichen Namens wussten. In der Hauptschule Wolfsegg dann meinte der Mathematiklehrer, eine spezielle Begabung Alberts zu sehen. Dies war ein Irrtum und führte zu vielen schwierigen Jahren im Leben Alberts. Albert Einstein hat sich zuerst in der höheren Schule mit der Mathematik abgerackert. Da hat es gerade noch für die Matura gereicht. Dann kam das Studium, und alles Streben und Wollen war zwecklos. Wer hatte ihm eingeredet, dass man alles schaffen kann, wenn man nur möchte? Warum verschwendete er seine Zeit an die unmenschlich hohen Anforderungen irgendeines Lehrenden? So schmiss er das Studium der Bauingenieurslehre und wurde zum schwarzen Schaf der Familie. Er kam aber im Haus seines Freundes Sigmund Freud unter.
Kennengelernt haben sich Sigmund Freud und Albert Einstein während einer Verkehrszählung in der Kunstfaserfabrik Lenzing. Damals studierte Albert Einstein noch. Alberts Stipendium war gerade gekürzt worden, so musste er eine Reihe von blöden Jobs annehmen, um finanziell über die Runden zu kommen. Einer dieser Jobs war die Verkehrszählung. Kennzeichen vorüberfahrender Lastkraftwagen aufschreiben. Ziemliches Trottelgetue. Die Europäische Union förderte es als Forschung. Die Wege des fabriksinternen Verkehrs sollten optimiert werden. Zur gleichen Zeit schrieb irgendein Dissident seine Doktorarbeit über die Auswirkungen von Kürzungen der Stipendien auf die Studiendauer. Wichtiger als die Arbeit für das weitere Leben Albert Einsteins war die Kantine in der Kunstfaserfabrik. Dort konnten sich die an der Verkehrszählung Arbeitenden gratis verpflegen. Albert wählte Wiener Schnitzel vom Schwein. Das war eine gute Wahl. Noch nie hatte er so hervorragende Schnitzel gegessen, selbst die von seiner Mutter, immerhin Köchin in einem Wirtshaus, mussten in einer unfassbaren Geschmacklosigkeit verblassen, so gut waren die Schnitzel in der Kantine der Kunstfaserfabrik. Albert Einstein aß eine ganze Woche lang nur Wiener Schnitzel vom Schwein. Am Ende der Woche wollte er den Urheber jener Köstlichkeit kennenlernen. Er fragte beim Personal und wurde Sigmund Freud vorgestellt. Als Albert Einstein seinen Namen nannte, wussten beide sofort, dies war der Beginn einer langen Freundschaft.
Sigmund Freud macht einen tiefen Lungenzug, während ihm bewusst wird, wie sehr die ganze Gegend Kaff ist. Dann erzählt er vom Alienismus:
„Aliens sagen, sie bauen uns einen zweiten Mond!“
Immer, wenn er sich von Albert Einstein vernachlässigt fühlt, sagt er sowas. Manchmal glaubt dann Albert, Sigmund Freud sei selber Alienaner, oder aber verrückt geworden. Die Alienaner haben in den letzten Jahren einen regen Zulauf erfahren. Vor allem die wirtschaftlich Benachteiligten glauben an die große Erlösung. Die Aliens werden kommen und uns retten! So könnte man in Kurzform das Credo der Alienaner formulieren. Sie selber bezeichnen sich nicht als Sekte. Sie fordern auch kein Geld oder sonstiges Mitgliedschaftsgetue. Sie stellen einfach nur ihre Botschaften ins Internet. Diese Botschaften bezeichnen sie als intergalaktische Orakelpost. Es heißt, es gibt einige Alienaner, die können zu außerirdischen Lebensformen eine Verbindung aufbauen und Nachrichten von diesen empfangen, die dann im Internet in vierzig Sprachen übersetzt werden. Aus diesen Nachrichten geht hervor, dass durch die Ausbeutung der Erde eine Grenze überschritten wurde, die intergalaktisches Eingreifen notwendig macht. Daher werden sie kommen, um uns zu retten, um den Weg der Erde wieder zurechtzurücken, in Liebe, Freude und Nachhaltigkeit, und im Grunde seines Herzens möchte Sigmund Freud all das glauben.
„Übrigens sind wir eigentlich alle Aliens“, sagt Sigmund Freud.
Albert Einstein fühlt sich gestört. Immerhin muss er sich konzentrieren. Er nimmt den Liebesbrief ganz wichtig. Dennoch muss er seinem verrückten Freund zuhören.
„Vor achthunderttausend Jahren hat uns die intergalaktische Föderation auf der Erde angesiedelt. Wir sind Hybriden. Wir haben Gene von verschiedensten Planeten und Zivilisationen. Wir sind für ein Leben auf der Erde perfekt vorbereitet worden. Nur beim Biorhythmus ist ein Fehler passiert. Unser Biorhythmus beträgt fünfundzwanzig Stunden. Ein Tag auf der Erde dauert aber nur vierundzwanzig Stunden. Naja. Fehler passieren halt auch der intergalaktischen Föderation.“
Sigmund Freud nimmt die erste Flasche und leert sie. Albert Einstein weiß nicht, ob er es mag, so viel Schwachsinn aus dem Mund seines Freundes zu hören.
„Die Menschheit hat unter dem Schutz und Schirm der intergalaktischen Föderation friedlich und in Liebe …“
Sigmund öffnet die zweite Flasche.
„… siebenhundertfünfundneunzigtausend Jahre die Erde bewohnt, ehe sie beschloss, sich von der universalen Familie abzuwenden. Die intergalaktische Föderation sagte ja und vertschüsste sich. Es folgten fünftausend Jahre Armut, Elend und Sklaverei. Die Aliens beobachteten uns dabei, es war aber unser Wunsch, frei zu sein von den Zivilisationen des Himmels, …“
Albert gelingt es manchmal, nicht zuzuhören.
„… und der wurde respektiert. Doch nun ist die Zeit gekommen, wo sie wiederkommen werden, weil alles so derart im Argen liegt, weil es regiert die Welt nur mehr Hass, Angst, Verzweiflung, Versklavung, Ausbeutung und Mord. Also lasst uns unsere Liebe emporsteigen, damit sie herunterkommen! Uns zu retten! Befreien von der Allmacht des Großen Bruders!“
Der Große Bruder wird im Alienismus als eine kleine Gruppe von mächtigen Männern bezeichnet, die im Geheimen die ganze Welt regieren. Es sind dies Banker, Industrieelle und Medienzaren, deren Vermögen auf ein Vielfaches des restlichen Erdenvermögens geschätzt wird.
„Albert, du musst doch zugeben, das alles widerspricht keiner der sechs Weltreligionen. Und Orakel gibt es auch überall. Der Islam hat seinen Propheten, die Christen und Juden auch, selbst der Dalai Lama hat sein Orakel gefragt, bevor er Tibet verlassen hat.“
Albert hält jedoch nichts von Aliens, die die Welt retten werden. Er ist der heroischen Meinung, irgendwie müsste man es alleine schaffen. Albert ist eher Anhänger der Mäandertalbewegung. Die Mäandertalbewegung steht für Entschleunigung. Sie ist für Null-Wachstum und eine gerechte Aufteilung der Ressourcen an alle. Außerdem ist sie nicht zielgerichtet, jedoch sehr wohl ans Ziel führend. Ihr gegenüber stehen die Wirtschaftsfetischisten mit dem Dogma eines schrankenlosen Marktes weltweit. Die sind die meisten. Mäandertaler und Alienisten haben keine Chance, ihre Ideen zu verwirklichen. Das ist traurig, stellt einmal mehr Albert Einstein fest, ehe er sich wieder dem Liebesbrief widmet.
„Streng wissenschaftlich betrachtet ist die Wahrscheinlichkeit, dass es keine uns technisch und spirituell weit überlegenen Aliens gibt, sehr gering!“, sagt Sigmund und führt die Flasche mit dem grauenhaften Getränk an seinen Mund. Dazu erinnert er sich an die Nacht, als er Vera Stronach begegnete.
Sigmund Freud hatte gerade seinen Lebenstraum verloren. Das war etwa ein halbes Jahr, nachdem er in der Kunstfaserfabrik gekündigt worden war. Albert Einstein war noch nicht bei ihm eingezogen, da erinnert sich Sigmund, dass er irgendwann einen Lebenstraum definiert hatte. Sigmund Freud wollte am Grand Canyon einen Schnitzelsemmelstand aufmachen.
„Hast du nicht auch manchmal das Gefühl, du könntest die Welt verändern?“, stört Sigmund Freud seinen Freund Albert Einstein schon wieder beim Liebesbriefschreiben. „Nein, aber manchmal habe ich das Gefühl, ich könnte mein Leben verändern“, antwortet dieser. Genervt nimmt er die Flasche und denkt beim Trinken, guter Whisky wäre wahrscheinlich doch die bessere Wahl.
Sigmund Freud also fliegt nach Amerika, um seinen Lebenstraum zu besichtigen. Auf Anhieb findet er auch den richtigen Platz mit atemberaubender Aussicht und regem Touristenaufkommen. Es ist auch schon früher jemand auf die Idee gekommen und hat einen Hotdog-Stand eröffnet. Sigmund kauft einen Hotdog und beim Hineinbeißen weiß er sofort, dass er genau hier eine große Anzahl an Schnitzelsemmel verkaufen würde. Nur: er hat keine Lust. Ganz plötzlich. Sein Lebenstraum bricht in sich zusammen. Hier Schnitzelsemmel verkaufen? Wozu? Er blickt über den Grand Canyon und schmeißt den Rest des vor Ketchup triefenden Hotdogs hinunter. Eine kleine Träne kullert über die Wange. Was nun? Vielleicht ist es doch nicht der richtige Platz. Er schaut nach links und dann nach rechts. Überall atemberaubende Landschaft. Hier leben? Eine Unmöglichkeit! Aber warum? Da fliegt man über das Meer und das kostet alles Geld, das man hat, und dann nichts als eine große Enttäuschung, oder besser, ein Zusammenbruch. Er wollte ja wirklich genau hier den Amerikanern österreichische Fastfood-Kultur präsentieren.
Am nächsten Tag steigt ein am Boden zerstörter Sigmund Freud in den erstbesten Greyhoundbus, und nach vierundzwanzig Stunden Fahrt steigt er an einer beliebigen Haltestelle wieder aus.
„Aliens sagen, sie werden ein neues Geldsystem einführen. Jeder wird reichlich haben. Und irgendwann wird Geld überhaupt überflüssig werden!“, sagt Sigmund Freud und kann damit seinen Freund nicht mehr erreichen, da dieser so sehr in seinen Liebesbrief vertieft ist, wie man nur sein kann. Er hat schon fünf Seiten vollgeschrieben. „Bist du nicht auch der Meinung, die Tatsache, dass die Menschheit immer noch Geld benötigt, um zu überleben, zeugt irgendwie von wenig Kultur. Eigentlich hätten wir die Notwendigkeit einer so primitiven Sache wie Geld längst überwunden haben müssen!“ Albert Einstein nickt ohne aufzuschauen.
Als Sigmund Freud aus dem Greyhoundbus steigt, nach vierundzwanzig Stunden ohne richtigen Schlaf etwas wuki im Kopf, bricht er in einen Lachkrampf aus. Vor ihm baut sich auf eine Landschaft mit überwältigender Aussicht. Auch hier hat die Erosion Gesteinsschichten unglaublicher Schönheit und mächtiger Präsenz gebaut. Sigmund Freud findet ein Schild. Auf dem Schild steht Badlands National Park. Alles sieht genau aus wie beim um so viel berühmteren Grand Canyon, nur der Maßstab ist ein anderer. Er wirkt wie das Modell des Grand Canyons. Natürlich drängt sich sofort die Frage auf, hier einen Schnitzelsemmelstand zu errichten. Sigmund grinst hinein in seinen Schädel. Auf der ewig langen Fahrt hierher hat er sich geschworen, nirgendwo in Amerika und nirgendwo in Europa seine Fähigkeiten in der angedachten Form zu verwirklichen. Dann lieber ohne Lebenstraum alt werden.
„Aliens sagen, sie werden sich zu erkennen geben. Darauf bin ich schon sehr gespannt. Jawohl! Ich liebe Aliens, und sie sollen mich besuchen!“, sagt Sigmund Freud, dem langsam der Alkohol in sein Hirn steigt. „Ich liebe Aliens! Sie sollen mich besuchen!“, schreit Sigmund Freud herunter vom Sprungturm hinaus in den dunkel daliegenden Attersee. „Sei leise!“, sagt Albert Einstein und schreibt weiter.
Sigmund Freuds Wanderung durch den Badlands National Park. Es ist schön gewesen. Im Gegensatz zum Grand Canyon konnte man beschwerlich, aber doch überall durch die steilen Felsformationen stapfen. Sigmund Freud sieht sich alles genau an. Worauf er aber nicht achtet, ist der Weg. Der Badlands National Park ist nämlich ein Labyrinth aus Steinkegeln, die alle gleich aussehen. Die fehlenden Abgründe lassen ihn heimtückisch ungefährlich erscheinen. In Wirklichkeit sind da schon viele Menschen gestorben, weil sie nicht auf den Weg achtgaben, so wie es Sigmund Freud jetzt tut. Und die immer mehr drohende Gefahr: Erst als es dämmert, wird er sich deren bewusst. Sigmund Freud hat sich verlaufen. Überall nur herrlich geformte Felsformationen. Es wird dunkel. Sigmund Freud hat keine Taschenlampe mit. Es wird sehr schnell dunkel. Sigmund Freud bleibt stehen. Jetzt wäre Weiterwandern in der Finsternis Selbstmord. Wer würde ihn hier finden, wenn sein Fuß gebrochen wäre vom einfachen Stolpern über einen Stein? Es wird auch kühl. Sigmund Freud hat nur Sommersachen mit. Es ist ja auch Sommer, zumindest in den südlicheren Landesteilen Amerikas. Sigmund Freud weiß nicht, auf welchem Breitengrad er sich befindet. Das ist auch egal. Wesentlicher ist, es wird ihm kalt. Er durchforstet seinen Rucksack und findet den leichten Pullover. Darin ist ihm noch immer kalt. Daher sucht er auch noch die Regenjacke, die soll den Wind, der stärker wird, ein wenig von Sigmund Freuds Körper abhalten. Kurz überlegt er noch, ob er sich eine windgeschütztere Ecke suchen soll. Die gibt es hier aber nicht, zum einen: der Wind pfeift in alle Ecken, zum anderen: es ist jetzt so dunkel, dass jeder Schritt in die Ungewissheit führen würde. Also setzt er sich wo er ist auf die Erde. Noch ist ihm nur ein wenig zu kalt. Eine Stunde später ist ihm schon sehr kalt. Noch eine Stunde später ist er sicher, diese Nacht nicht zu überleben. Der Tod durch Erfrieren soll einer der angenehmsten sein, hat Sigmund Freud irgendwo gelesen, wie schlimm sind dann erst die anderen Todesarten, fragt er sich. Da taucht aus dem Dunkel eine Taschenlampe auf.
„Aliens sagen, wir sollen uns auf den Aufstieg in die fünfte Dimension vorbereiten“, sagt Sigmund Freud auf dem abgefuckten Sprungturm. „Und was ist die fünfte Dimension?“, fragt Albert Einstein, der zufällig zugehört hat. Sigmund Freud überlegt kurz. „Das sagen die Aliens nicht“, antwortet er dann.