Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Das deutsch-französische Programm " Elysée-Kitas " führt die Kinder im frühen Alter an die Mehrsprachigkeit heran, legt so einen wichtigen Grundstein für deren sprachliche, soziale und kognitive Entwicklung und bildet einen nachhaltigen Impuls zur Förderung einer europäischen Mehrsprachigkeit. Kinder brauchen einen Akt des Fabulierens (acte de fabulation collective), der gemeinschaftsbildend und sinnstiftend wirkt. Mehrsprachigkeit unterstützt in diesem Sinne die Herausbildung eines Wir-Gefühls und regt als kreativer Akt kollektiver Bildungskraft und Teilhabe die Identitätskonstruktion an. Dennoch unterliegt sie Vorurteilen, denen vorliegendes Buch begegnet: Sollten sich Kindergartenkinder mit fremdsprachlichem Hintergrund nicht erst die deutsche Sprache aneignen, bevor sie sich einer weiteren Fremdsprache zuwenden? Sind sie mit dem Erwerb einer dritten Sprache nicht überfordert? Hat Mehrsprachigkeit einen negativen Einfluss auf deren kognitive, sprachliche und soziale Entwicklung? Die Münchner Feldstudie beantwortet diese Fragen.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 259
Veröffentlichungsjahr: 2021
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Christine Fourcaud / Matthias Springer
Frühkindlicher Fremdspracherwerb in den « Elysée-Kitas »
Schnupperstunde Französisch in den Münchner städtischen Kindertageseinrichtungen
Umschlagabbildung: © Plantu
Mit der Unterstützung von Ambassade de France – Deutscher Akademischer Austauschdienst – Université de Reims Champagne-Ardenne – Ludwig-Maximilians-Universität München
© 2021 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
ISBN 978-3-8233-8488-5 (Print)
ISBN 978-3-8233-0294-0 (ePub)
Pour faire exister le peuple européen, un acte de fabulation collective sera nécessaire.
Philippe Mengue, Peuples et identités (2008).
Europa beginnt im Kleinen.
Landeshauptstadt München.
Dieses Buch widmen wir den Kindern, ihren Eltern, den pädagogischen Kräften, den Französisch-Lehrkräften des Institut Français und der Projektleitung der Landeshauptstadt München Renate Hildebrand-Pertler, Ursula Balmer und Kira Otremba.
in memoriam an Francis Goullier,
den französischen Vater der Elysée-Kitas
(verstorben am 26.09.2020)
Deux ans après le Traité d’Aix-la-Chapelle, c’est pour moi un grand plaisir de présenter cette étude qui concrétise les promesses des gouvernements français et allemand dans la perspective du cinquantième anniversaire du Traité de l’Elysée : contribuer à la construction de l’espace européen de l’éducation en suscitant l’intérêt pour la langue et la culture du partenaire dès le plus jeune âge. Le Réseau franco-allemand des écoles maternelles bilingues « Elysée 2020 » – deutsch-französische Kindertageseinrichtungen « Elysée 2020 » fut initié en 2013 lors d’un Conseil des Ministres franco-allemand : il a permis de labéliser plus de 200 établissements d’accueil de la petite enfance en France et en Allemagne.
La monographie de Christine Fourcaud et de Matthias Springer met en évidence l’apport essentiel de l’enseignement précoce du français dans les jardins d’enfants de Munich sur fond de diversité linguistique et culturelle accrue. Cette étude s’inscrit dans une tradition de recherche qui montre que l’apprentissage précoce d’une langue étrangère induit la mobilisation de potentiels qui permettent notamment l’acquisition d’une forte conscience (méta-)linguistique : Véronique Castelloti parle ainsi du développement de véritables « compétences transversales ».
Dans le sillage des travaux d’Ingelore Oomen Welke, de Michel Candelier ou de Jens Kratzmann, la présente analyse confirme l’apport crucial de la pratique bi- ou plurilingue précoce dans le cadre d’une biographie individuelle. C’est bien une expérience interculturelle commune qui permet le décentrement, l’apprentissage de l’altérité et le décloisonnement social nécessaires au développement de l’enfant et à la construction du futur citoyen. L’éveil au français aide ainsi à construire la cohésion, l’unité et l’identité d’un groupe linguistiquement hétérogène et vient en soutien de l’apprentissage fondamental de la langue allemande.
En qualité d’Ambassadrice de France en Allemagne, je porte un intérêt tout particulier aux efforts engagés par nos deux pays pour sensibiliser les jeunes générations au caractère exceptionnel de la relation franco-allemande et à sa fonction intégrative au sein de l’Union européenne. Cette analyse des stratégies pédagogiques mises en place pour sensibiliser les enfants à l’acquisition d’une langue étrangère au sein des jardins d’enfants municipaux montre l’engagement exceptionnel de la ville de Munich en faveur du développement d’une offre éducative et linguistique qui répond aux exigences particulières du label « Elysée 2020 » qui est un gage bilatéral de qualité.
Je tiens donc à remercier chaleureusement le Maire de Munich, M. Dieter Reiter, pour son investissement au service d’une relation durable dans son amitié et solide dans la confiance réciproque portée par nos deux pays. L’entretien de cette relation passe aussi par l’éveil à la langue française des jeunes enfants allemands et je me réjouis des liens forts et pérennes établis localement avec l’antenne munichoise de l’Institut français d’Allemagne dans l’acquisition de la langue du partenaire.
Je souhaite longue vie au réseau « Elysée 2020 » et forme le vœu que ce beau travail d’éveil à la richesse de l’altérité linguistique et culturelle soit poursuivi chez les plus jeunes. Puisse ce socle culturel les unir pour la vie dans la diversité d’une Europe plurilingue et multiculturelle ! En réponse aux objectifs du Traité franco-allemand d’Aix-la-Chapelle, le réseau bilatéral des écoles maternelles et des jardins d’enfants « Elysée 2020 » constitue un jalon important du rapprochement de nos systèmes éducatifs et ouvre nécessairement la voie aux perspectives de continuité pédagogique et de formation professionnelle qui cimenteront l’avenir éducatif et citoyen de nos deux pays en Europe.
Anne-Marie Descôtes,
Ambassadrice de France en Allemagne
Die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ist einer der großen Erfolge unserer jüngeren Geschichte. Dass aus Feinden, die über Jahrhunderte hinweg Kriege gegeneinander führten, Partner und Freunde geworden sind, ist eine Entwicklung von welthistorischer Bedeutung. Dazu haben weitsichtige politische Persönlichkeiten wie Präsident de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer beigetragen. Es war aber auch das Werk vieler Bürgerinnen und Bürger, die ein grenzüberschreitendes Netzwerk bildeten, Städtepartnerschaften aufbauten und viele gemeinsame Aktivitäten initiierten. Der Jugend kam dabei eine entscheidende Rolle zu. Das Erlernen der Sprache des Partners und der internationale Schüleraustausch gaben der Versöhnung wichtige Impulse. Der mit dem Elysée-Vertrag 1963 eingeschlagene Weg wurde im Aachener Vertrag von 2019 klar bestätigt und für das 21. Jahrhundert fortgeführt.
Die Elysée-Kitas, die bereits im Vorschulalter einen ersten Kontakt mit der Sprache und Kultur des Nachbarlandes ermöglichen, sind ein wertvoller Baustein der Partnerschaft. Dabei geht es heute nicht mehr allein um die freundschaftlichen Beziehungen zweier Nachbarstaaten, sondern um die Schaffung eines großen europäischen Bildungsraumes, der grenzüberschreitend einen lebendigen kulturellen und wissenschaftlichen Austausch ermöglicht.
Wir wissen, dass Mehrsprachigkeit ein wesentlicher Faktor für die Herausbildung allgemeiner kognitiver Fähigkeiten ist. Zugleich schafft intensive Kommunikation ein emotionales Band und stiftet Gemeinsamkeiten zwischen den Kindern sowie zwischen Frankreich und Deutschland. So können wir von der pädagogischen Arbeit der Elysée-Kitas gleich in mehrfacher Weise profitieren. Sie sind im Sinne der Qualitätscharta Elysée 2020 ein wichtiger Beitrag zur Kontinuität der Förderung des Spracherwerbs von der Vorschule bis zur Universität.
Europa ist nicht selbstverständlich. Frieden, Partnerschaft und gemeinsamer Wohlstand müssen von jeder Generation aktiv erstrebt und verantwortungsbewusst gestaltet werden. Dabei beginnt Europa im Kleinen. Deshalb freue ich mich sehr über das nachhaltige Engagement der Landeshauptstadt München für die deutsch-französische Partnerschaft. Mit den Schnupperstunden Französisch in den Elysée-Kitas macht sie ein attraktives Angebot. Dass das Referat für Bildung und Sport eine in Deutschland einzigartige wissenschaftliche Begleitstudie zu diesem Projekt ermöglichte, verdient Dank und Anerkennung. Ebenso danke ich den beteiligten Universitäten und den Autoren der Studie. Ich bin überzeugt, dass von ihr neue Erkenntnisse und Impulse ausgehen werden. Sie wird unser Wissen über kindlichen Spracherwerb erweitern, die pädagogische Arbeit befruchten und einen Beitrag zur Vertiefung der Freundschaft zwischen Franzosen und Deutschen sowie zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit in Europa leisten.
Melanie Huml, MdL
Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales
Mit Freude habe ich von der Studie „Elysée-Kita 2020“ gehört und gratuliere dem Autorenteam und den teilnehmenden Kitas herzlich zu den Erkenntnissen.
In München werden in Kürze 1,5 Millionen Menschen aus unterschiedlichen Herkünften, Nationalitäten, Sprachen, Kulturen und Religionen ihr Zuhause haben. Diversität ist somit ein selbstverständlicher Teil unserer Stadtgemeinschaft geworden und ist ein Teil unseres Reichtums. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist die Anerkennung der Unterschiede und ein klares Bekenntnis zur Demokratie.
Die Kindertageseinrichtungen unserer Stadt gestalten diese Vielfalt mit ihrer inklusiven und partizipatorischen Pädagogik. Sie leisten einen wichtigen Beitrag, München als friedliche und weltoffene Stadtgesellschaft weiter zu entwickeln. Das Stadtparlament hat in langer Tradition sich gerne und immer wieder stolz für Innovationen und Bildungsgerechtigkeit eingesetzt.
Die vorliegende Studie „Elysée-Kita 2020“ ist eine entsprechend wertvolle Investition in die Zukunft. Denn in keinem Alter ist der Mensch so wissbegierig und begegnet neuen Dingen so vorbehaltlos und mit natürlicher Neugier wie in der Kindheit. Durch den Erwerb einer weiteren Sprache und das Kennenlernen anderer Lebensweisen als natürlicher Bestandteil unserer europäischen Gesellschaft können Kinder ungezwungen und vorurteilsfrei lernen einander besser zu verstehen. Sprachen verbinden Menschen, sie sind eine soziale Kulturtechnik. Übersetzungstechniken können wohl für eine weltweite Verständigung sorgen, eine direkte Begegnung, die Verständnis für andere weckt, ersetzen sie jedoch nicht.
In diesem Sinne wünsche ich dem bilateralen Projekt „Elysée-Kitas 2020“ eine hohe Akzeptanz, einen gelingenden Einsatz neuer Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Studie und viel Erfolg beim Ausbau weiterer bilingualer Angebote.
Bei unseren französischen und deutschen Kooperationspartnern aus Politik, Wissenschaft, Pädagogik und Verwaltung bedanke ich mich sehr für eine äußerst wertschätzende, institutionelle und länderübergreifende Zusammenarbeit.
Dieter Reiter
Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München
Nous, Jean-Marc Huart et Guillaume Gellé, respectivement Recteur de la Région Grand-Est - Chancelier des Universités et Président de l’Université de Reims Champagne-Ardenne, sommes heureux de présenter cet ouvrage, résultat d’une coopération qui valorise les orientations stratégiques transfrontalières de la Région Grand Est, socle de la relation franco-allemande. L'URCA se sent particulièrement concernée, n'oubliant jamais que la Ville de Reims est porteuse de ce mythe fondateur.
L’enseignement supérieur et la recherche constituent un axe majeur de la coopération transfrontalière, les enjeux de cet axe portent sur la mise en réseau des universités. L’Université de Reims Champagne-Ardenne, engagée dans la mobilité européenne et la mise en réseau de ses enseignants-chercheurs, est heureuse d’avoir soutenu ce projet de coopération interuniversitaire et interacadémique en tant qu’il constitue un levier de la construction d’un espace européen de la recherche et de l’enseignement supérieur. Christine Fourcaud, enseignante-chercheure à l’Université de Reims Champagne-Ardenne, s’est ainsi vue confier la direction scientifique de ce projet de recherche public-privé Elysée 2020 avec la Ville de Munich dans le cadre d’un programme du DAAD et de l’Ambassade de France en Allemagne.
Nous voulons pérenniser le travail engagé avec les services académiques du Grand Est, tout particulièrement à Reims, le laboratoire de recherche LiLPa de l’Université de Strasbourg et l’Université Ludwig-Maximilian de Munich. Nous nous réjouissons du partage des expérimentations et des ressources pédagogiques à l'échelle de l’ensemble de la Région académique Grand Est. Ainsi, nous entendons sensibiliser davantage d'élèves à la richesse de la culture et de la langue de nos voisins. À ce titre, nous saluons l’expérimentation pilote engagée par l’Inspe de Reims avec ses partenaires allemands. Nous souhaitons aux nouvelles « maternelles franco-allemandes Elysée» de la région académique Grand Est ainsi qu’à l’ensemble du réseau mis en place lors du 50ème jubilée du Traité de l'Elysée au Conseil des Ministres franco-allemand, de prendre un envol aussi favorable que les Abibac.
Jean-Marc Huart,
Recteur de la Région Grand-Est et Chancelier des universités
Guillaume Gellé,
Président de l’Université de Reims Champagne-Ardenne
Christine Fourcaud, enseignante-chercheure à l’Université de Reims Champagne Ardennes et affiliée au groupe de recherches GEPE (Groupe d’Etudes sur le Plurilinguisme Européen) au sein du laboratoire LILPA/EA 1339 de l’Université de Strasbourg, a été accueillie de septembre 2018 à septembre 2020, à la LMU à Munich, où elle a dirigé le projet de recherche Elysée-Kitas 2020. Ce réseau munichois a pour objectif explicite de porter le bilinguisme franco-allemand en milieu plurilingue, c’est-à-dire auprès de familles pour partie issues de la migration non européenne en Allemagne et parlant des langues familiales autres que l’allemand.
Le travail de pratique de terrain comme de théorisation scientifique de Christine Fourcaud relève expressément du plurilinguisme dans l’espace scolaire et du contact de langues, travail mené en coopération étroite avec l’Université de Strasbourg et le collège doctoral trinational de l’UFA Communiquer en contexte plurilingue et pluriculturel. L’exposition à la langue française en contexte munichois a suscité et développé des compétences métalangagières (prise de conscience de l’altérité langagière), sociales (adaptation et flexibilité communicationnelle) et culturelles (ajustement interculturel). C’est dans la cohabitation, confrontation pacifique et comparaison implicite entre deux langues (au moins) que l’on comprend vraiment ce qu’est le langage, car les réseaux de signification des langues naturelles s’enrichissent mutuellement, faisant accepter le relativisme du sens des mots de l’une ou de l’autre.
On aurait pu craindre des insécurités ou nostalgies occasionnelles, or cette initiation précoce, sorte d’Eveil aux langues pour reprendre un concept qui a émergé il y a quarante ans, a offert aux enfants une initiation à la fois globale et ciblée du français qui a satisfait les acteurs. Sans doute cette situation plurilingue leur a-t-elle fait sentir le monde étranger sans être ni dans l’exotisme, ni dans l’étrangeté. Si l’on suit les vœux des familles, l’expérience ne demande qu’à être pérennisée….
Prof. Dr. Odile Schneider-Mizony
Université de Strasbourg
Vorwort der Ludwig-Maximilians-Universität München
Gemeinsam mit den Autoren der vorliegenden Studie, Frau Dr. Christine Fourcaud und Herrn Dr. Matthias Springer, freuen sich das Institut Deutsch als Fremdsprache, das Romanistische Institut sowie die Internationale Forschungsstelle für Mehrsprachigkeit (IFM) über den erfolgreichen Abschluss eines innovativen deutsch-französischen Forschungsprojektes zu frühem Fremdspracherwerb an der Ludwig-Maximilian-Universität. Ein ganz besonderer Dank gilt an dieser Stelle der Université de Reims Champagne-Ardenne, der französischen Botschaft, dem DAAD und dem Straßburger Forschungslabor zu Mehrsprachigkeitsforschung Lilpa (UR 1339) für die Entsendung von Frau Dr. Christine Fourcaud, wissenschaftliche Leitung des Projektes, und die grenzüberschreitende Vernetzung.
Die Studie liefert einen zentralen Beitrag zu einem bedeutenden Thema in unserer Gesellschaft, nämlich der Förderung von Mehrsprachigkeit: Mehrsprachigkeit ist in unserer modernen globalisierten Welt zur Normalität geworden und stellt in vielen Bereichen eine wichtige Ressource dar. Mehrsprachig aufwachsende Kinder, die in frühem Alter mit mehreren Sprachen konfrontiert werden, entwickeln ein differenzierteres Bewusstsein von Sprache und haben dadurch Vorteile beim Erlernen weiterer Sprachen. Auch in ihrem späteren Leben zeigen sie eine positivere Einstellung zum Sprachenlernen. Bereits ein minimaler Kontakt mit verschiedenen Sprachen kann kognitive und emotionale Vorteile bringen.
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sind sich daher einig, dass die Förderung von Mehrsprachigkeit möglichst früh einsetzen muss, am besten bereits im Kindergartenalter. Um sprachliche Bildungsziele im Sinne einer europäischen Mehrsprachigkeit zu erreichen sowie die kognitiven Vorteile der Mehrsprachigkeit zu nutzen, sollte man bilinguale Lernprogramme schaffen, die möglichst viele Kinder in das mehrsprachige Lernen integrieren.
In diesem Kontext bildet das Konzept der Elysée-Kitas einen entscheidenden Impuls. Es führt die Kinder im frühen Alter an die Mehrsprachigkeit heran und legt so einen wichtigen Grundstein für ihre sprachliche, soziale und kognitive Entwicklung.
Prof. Dr. Claudia Riehl,
Institut für Deutsch als Fremdsprache, LMU München
Prof. Dr. Andreas Dufter,
Institut für Romanische Philologie, LMU München
Die vorliegende Arbeit zum Münchner Netzwerk Elysée 2020 war Teamarbeit und nur unter Mitwirkung vieler, sehr unterschiedlicher, Personen möglich. Die Autoren möchten sich an erster Stelle bei den Kindern der Elysée-Kitas, deren Eltern, dem pädagogischen Personal der Einrichtungen und den Französisch-Lehrkräften des Institut Français München bedanken.
Ermöglicht wurde das Projekt aufgrund der großzügigen Finanzierung und Unterstützung der Landeshauptstadt München. Hier gilt unser Dank der Projektleitung, insbesondere Renate Hildebrand-Pertler, Ursula Balmer und Kira Otremba vom Referat Bildung und Sport für die großartige Zusammenarbeit.
Für die Gastfreundschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) bedankt sich die Autorin insbesondere bei Prof. Dr. Claudia M. Riehl, Leiterin des Institut Deutsch als Fremdsprache, sowie bei Prof. Dr. Andreas Dufter vom Institut für Romanische Philologie sowie deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Herrn Dr. Sebastian Postlep, Julia Blanco Lopez, Alexandra Priselac, Heike Lohf, Johanna Holzer. Ausdrücklich sei erwähnt, dass die vorliegende Publikation nicht ohne den Aufenthalt der Autorin im Rahmen des deutsch-französischen Gastdozentenprogramms des DAAD zustande gekommen wäre.
Weiterer Dank gebührt unseren studentischen Hilfskräften Lisa Bergauer, Yulia Brahmst, Ruth Ho’aba und Tinka Stössel für ihre Mitarbeit bei der Datenerhebung sowie bei der qualitativen und quantitativen Auswertung.
Auf der französischen Seite bedankt sich die Autorin bei ihrer Heimatuniversität Reims Champagne-Ardenne und ihrem Dekan Dr. Frédéric Piantoni für die Möglichkeit der zweijährigen Abordnung an die LMU, sowie bei der Université de Strasbourg und ihrem Forschungslabor LiLPa (UR 1339) unter der Leitung von Prof. Dr. Rudolph Sock und der Forschungsgruppe LiLPa-GEPE von Prof. Dr. Schneider-Mizony. Ferner möchte die Autorin ihre Dankbarkeit ihren langjährigen Weggefährten Magali Censier (DAREIC) und Yvan Jacquemin (IA/IPR) beim Rectorat der Académie de Reims ausdrücken.
Für fachliche Impulse geht der Dank an Frau Prof. Dr. Anemone Geiger-Jaillet und Prof. Dr. Schlemminger vom trinationalen Doktorandenkolleg „Kommunikation in mehrsprachigem und plurikulturellem Kontext“.
Dem Verlag Narr Francke Attempto und Frau Kathrin Heyng danken wir für die äußerst engagierte und vertrauensvolle Betreuung sowie das sorgfältige Lektorat.
Freude und Ehre war es zuletzt, dass Jean Plantureux uns großzügig die Rechte für die Verwendung seiner deutsch-französischen Maus auf dem Einband eingeräumt hat… Merci Plantu!
Die Autoren
Dr. Christine Fourcaud, URCA – SciencesPo Paris – UR 1339 Strasbourg
Dr. Matthias Springer, LMU München
In Vielfalt geeint. Dieser Eckpfeiler des europäischen Aufbauwerks bringt zum Ausdruck,
dass sich die Europäer in der EU zusammengeschlossen haben, um sich gemeinsam für Frieden und Wohlstand einzusetzen, und dass gleichzeitig die vielen verschiedenen europäischen Kulturen, Traditionen und Sprachen den gesamten Kontinent bereichern.1
In Mehrsprachigkeit kann jede Europäerin und jeder Europäer die Vielfalt Europas in sich vereinen. Damit ist Mehrsprachigkeit die Trumpfkarte, aber auch eine gemeinsame Verpflichtung Europas. Zu den Zielen der EU-Sprachenpolitik gehört, dass alle europäischen Bürgerinnen und Bürger über die Fähigkeit verfügen, neben der Familiensprache in zwei weiteren Sprachen zu kommunizieren. Dies soll ermöglichen, sich auf dem europäischen Binnenmarkt frei und souverän zu bewegen und sich in der Gesellschaft mit der europäischen Idee zu identifizieren. Knüpft man an den Identitätsbegriff des französischen Philosophen François Jullien2 an, spricht man nicht mehr von kultureller Identität, sondern von kulturellen Ressourcen, die prinzipiell allen zur Verfügung stehen. Zwischen den kulturellen Ressourcen bestehen Abstände, keine kategorischen Unterschiede. Diese kulturellen Ressourcen umfassen sowohl Sprachen als auch Alltagsbräuche, religiöse und philosophische Traditionen, Kunst und Literatur, die in diesen Sprachen gelebt und überliefert werden. Die Fixierung auf eine Mehrsprachigkeit, die letztlich nur die Verkehrssprache Englisch als eine Lingua franca der Globalisierung fördert3, erweist sich als ebenso dysfunktional für die europäische Integration wie das monolinguale Selbstverständnis unserer nationalstaatlich verfassten Bildungssysteme. Es stellt sich die Frage, ob es in Europa einen „prestigevollen“ und einen „minderwertigen“ Bilingualismus gäbe. Vor diesem Hintergrund ist zu klären, was die Rahmenstrategie für Mehrsprachigkeit der Europäischen Kommission zur Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt leisten kann.
In diesem Zusammenhang ist auch das Hauptanliegen des Projekts Schnupperstunde4 Französisch im Netzwerk der Elysée-Kitas und der vorliegenden Untersuchung zu sehen. Es geht darum, Kindern Bildungschancen zu vermitteln, die zur politischen, sozialen und kulturellen Teilhabe innerhalb der europäischen Gesellschaft befähigen. Ein wichtiger Baustein dafür ist die Kompetenz zu echter Mehrsprachigkeit, wie sie in der europäischen Charta für Mehrsprachigkeit oder von Sprachwissenschaftlern wie Jürgen Trabant5 gefordert wird.
Die Münchner Schnupperstunde Französisch im Netzwerk der Elysée-Kitas sieht sich diesem Ziel für alle Kinder verpflichtet, egal welcher sprachlichen, kulturellen oder staatsbürgerlichen Herkunft: Die Kinder haben nicht nur ein Recht auf Bildungschancengleichheit, sondern der Städtische Träger sieht sich auch in der Pflicht, diesem Anspruch gerecht zu werden. Daher lautet die Zielsetzung der Schnupperstunde nicht ausschließlich, Kindern einen möglichst frühen Kontakt mit der Fremdsprache Französisch anzubieten oder, wenn sie aus dem frankophonen Raum stammen, ihre Muttersprache zu fördern, sondern auch, ihnen neben Deutsch mit Französisch noch wenigstens eine weitere Sprache zugänglich zu machen, um damit eine Grundlage für die weitere Entfaltung ihrer Mehrsprachigkeit zu legen. Europa beginnt im Kleinen.
An dieser Zielsetzung ist auch die vorliegende Studie orientiert, was sich in drei Fragestellungen niederschlägt. Es geht vordergründig nicht ausschließlich darum, den sprachlichen Fortschritt und Erfolg zu messen, die Qualität der Organisation und der Durchführung der Schnupperstunde in den Einrichtungen zu beurteilen oder die Kompetenzen der Fachlehrkräfte sowie des pädagogischen Personals zu evaluieren. Untersucht wurde der grundsätzliche bildungs- und gesellschaftspolitische Mehrwert von Mehrsprachigkeit und zwar in einer sehr frühen Phase kindlicher Entwicklung und Sozialisation. Das Ziel politischer, gesellschaftlicher wie auch kultureller Teilhabe durch Mehrsprachigkeit kann nur gelingen, wenn diese kompetent auf den Ebenen der Organisation und der didaktisch-pädagogischen Umsetzung sichergestellt wird. Die der vorliegenden Studie zugrunde liegenden Deskriptoren, die diese beiden Ebenen beschreiben, sind allenfalls als Indikatoren für die Beantwortung der drei Fragestellungen, jedoch nicht als absolute Kategorien zu verstehen.
Die Stadt München unternimmt große Anstrengungen, frühen Fremdsprachenerwerb als ein Instrument zur Förderung von Integration in Migrationskontexten zu unterstützen. Dazu wird als eine Maßnahme die Inklusion fremdsprachiger Kinder in den Kindertageseinrichtungen unter städtischer Trägerschaft angestrebt und beispielsweise mit dem Projekt der Elysée-Kitas umgesetzt. Zur Erfassung und Beurteilung des Zusammenhangs von Fremdsprachenerwerb, Migration und Inklusion, wurden bereits zahlreiche Forschungsergebnisse veröffentlicht, die viele populäre Vorurteile insbesondere in Bezug auf frühe Mehrsprachigkeit1 widerlegen. Pädagogen, politische Entscheidungsträger und Eltern werden in diesem Kontext hauptsächlich mit drei Fragen konfrontiert, die unter Hinzuziehung der aktuellen Forschungslage beleuchtet werden.
Studien zur kognitiven, sprachlichen und sozialen Entwicklung von Kindern zeigen durchaus, dass bilinguale Kinder in jeder ihrer Sprachen einen geringeren Wortschatz erwerben als einsprachige. Bei Bildbenennungstests sind bilinguale Kinder langsamer und ihre Fehlerquote ist höher als bei monolingualen. Wiederholt man allerdings den Test, erreichen die bilingualen beim fünften Durchgang die Ergebnisse von monolingualen Kindern, während letztere ihre Leistung nicht verbessern können.3 „Dies ist, nach Ingrid Gogolin, dem Umstand geschuldet, dass bei der Aneignung von Wortschatz – anders als beim Erwerb von Strukturen – der konkrete Input maßgeblich ist, den ein Kind erfährt“.4
In diesem Punkt sind sich jedoch die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig: Den direkten Vergleich der lexikalischen Leistungen von bilingualen und monolingualen Kindern muss man methodologisch unter Vorbehalt wahrnehmen, wenn die bilingualen als Maßstab genommen werden. Sollen z. B. Eigennamen und cognates (transparente Wörter wie rose/rosa; Maman/Mama) einzeln oder doppelt gezählt werden? An diesem Beispiel sieht man, dass mono- und bilinguale Kinder bezüglich ihrer sprachlich-kognitiven Fähigkeiten nur bedingt vergleichbar sind, denn grundsätzlich sind beim praktischen Sprachhandeln Zwei- oder Mehrsprachiger in der Regel nicht alle Bereiche des Sprachgebrauchs doppelt vorhanden. Die Mehrsprachigkeit funktioniert nach dem Prinzip der Komplementarität, d.h., sie ergänzt sich. In einigen Domänen wird die eine Sprache bevorzugt, in anderen die andere(n) Sprache(n).5 Ein Kind, das mit dem deutschsprachigen Papa in den Zoo geht, kennt mehr Tiernamen auf Deutsch, die Musiknoten dafür nur auf Französisch, weil es diese mit der frankophonen Mutter übt. Hiermit ist eine ungleiche Verteilung von Wortschatz über die Domänen verbunden, je nach Funktionalität der jeweiligen Sprache(n) in einzelnen Lebensbereichen. Fest steht, dass die Menge des Wortschatzes, über die Bilinguale in jeder Einzelsprache verfügen, zwar geringer ist, die Gesamtmenge des verfügbaren Wortschatzes Zwei- oder Mehrsprachiger aber nicht hinter der Einsprachiger zurückbleibt, sondern in zahlreichen Fällen sogar höher ausfällt.6
Bereits seit 50 Jahren bestätigen sowohl Fallstudien als auch Gruppenstudien aus Europa und Nordamerika Zusammenhänge zwischen Mehrsprachigkeit und kognitiven Leistungen. Aus den Neurowissenschaften weiß man, dass neuronale Hirnstrukturen und Kompetenzen nicht stabil sind. Die Neuronen strukturieren sich ständig mit jeder neuen Erfahrung um. Diese Art der Anpassung nennt man Neuroplastizität. Sie ermöglicht es uns, in einer sich ständig verändernden Welt zu überleben.7 Mehrsprachigkeit ist für die Neuroplastizität ein herausragender Faktor, denn in einem Menschenleben gibt es kaum eine intensivere Aktivität als unsere Interaktionen mit Sprache. So kann man zwar mehrere Stunden täglich musizieren oder Sport machen, mit sprachlichen Zeichen beschäftigen wir uns jedoch jede Sekunde auf irgendeine Art und Weise, wenn wir sprechen, hören, denken, träumen, lesen etc. Alle sprachlichen Aktivitäten beanspruchen das gesamte Gehirn, sie sind nicht in einem isolierten Bereich lokalisierbar.8 Ellen Bialystok konnte empirisch nachweisen, dass Mehrsprachigkeit in hohem Maße Prozesse der Selbstregulation und Aufmerksamkeitssteuerung erfordert: „Antworte in der einen Sprache, unterdrücke die andere“9, so lautet die ständige kognitive Konfliktlösungssituation eines mehrsprachigen Kindes. Bei einem bilingualen Kind sind die zwei Sprachen zu einem gewissen Grad ständig aktiviert. Dennoch ist es in der Lage, in der Regel die richtige Sprache im zugehörigen Kontext zu benutzen. Die andere Sprache wird dabei durch einen sog. exekutiven Kontrollprozess unterdrückt. Das Kind entwickelt damit einen Mechanismus der Selbstregulation, der für die kognitive, soziale und motorische Entwicklung zentral ist. Davon ausgehend, dass Mehrsprachige eine besondere Übung in der Kontrolle der Aufmerksamkeit haben, wurden verschiedene kognitive Tests10 zur inhibitorischen Kontrolle durchgeführt.
Die Inhibition oder inhibitorische Kontrolle ist die Fähigkeit, impulsive (oder automatische) Reaktionen zu kontrollieren oder zu hemmen, um durch logisches Denken und Aufmerksamkeit Antworten zu finden. Diese kognitive Fähigkeit zählt zu den exekutiven Funktionen und ermöglicht Antizipation, Planung und Zielsetzung. Die Inhibition blockiert bestimmte Verhaltensweisen und stoppt unpassende automatische Reaktionen, indem eine Antwort durch eine andere ersetzt wird, die besser ausgeklügelt ist und sich besser an die Situation anpasst. 11
Die Ergebnisse zeigen Leistungsvorteile bei Bilingualen. Die entsprechenden Aufgaben lösen sie schneller und mit einer niedrigeren Fehlerquote als Monolinguale. Die Interferenzanfälligkeit von Bilingualen ist niedriger. In der Sprachwissenschaft spricht man von Interferenz, wenn Satzstruktur (Syntax), Wortwahl (Lexik) oder Wortlaute (Phonologie) der einen Sprache mit der anderen interferieren, z.B.: die schöne Mond (auf französisch la lune). Mehrsprachigkeit hat einen positiven Effekt auf die exekutiven Funktionen. Bei diesen Aufgaben sind bilinguale Kinder weniger anfällig für Ablenkung, können sich stärker auf bestimmte Aspekte fokussieren und diese Fähigkeit auf weitere kognitive Aufgaben übertragen.12
Für die allgemeine sprachliche Entwicklung steht fest, dass sich alle gelernten Sprachen auf die jeweils andere(n) auswirken: die L113 auf die L2 bzw. auf jede weitere Ln und umgekehrt, egal ob sie simultan oder konsekutiv gelernt werden. Hierzu ist es relevant, metasprachliche Kompetenzen zu überprüfen, d.h. die Fähigkeit, über die Sprache als System zu reflektieren. Wenn Kinder diese metasprachliche Bewusstheit aufbauen, können sie diese auf alle ihre Sprachen übertragen. Grammatikalitätstests, bei denen Kinder einen Konflikt zwischen Semantik und Grammatikalität zu lösen haben, zeigen, dass Bilinguale leistungsstärker sind.14 Vor allzu pauschaler Generalisierung dieser Ergebnisse ist jedoch Vorsicht geboten, denn neben kognitiven Faktoren spielen auch soziokulturelle und psychologische eine große Rolle, die die kognitiven wiederum relativieren können.
Diese gegenseitige Beeinflussung der verschiedenen erworbenen Sprachen führt zu der weiterreichenden Frage, in welcher Beziehung Mehrsprachigkeit und soziale Entwicklung stehen. Auffällig ist, dass bilinguale Kinder gewohnt sind, im Alltag von bestimmten Strategien Gebrauch zu machen, um kommunikative Ziele zu erreichen: Bereits in der Phase der Einwortäußerungen15 (bis ca. drei Jahre) sind Kinder bezüglich der Adressatenorientierung in der Lage, L1 bzw. L2 bewusst getrennt und strategisch einzusetzen. Das bedeutet, sie können die sprachlichen Kompetenzen des Gegenübers einordnen und auf Hilfestellungsstrategien zurückgreifen, wie Paraphrasierung, Umschreibung, Erklärung, ansatzweise auch Übersetzung. Dieser postkonzeptuelle Spracheinsatz ist eine pragmatische Strategie, die eine soziale Kompetenz veranschaulicht.
Zu den sozial-kognitiven Fähigkeiten, die sich im Kita-Alter entwickeln, gehört als wichtiger Teil der Alltags- und Entwicklungspsychologie „das Vermögen, sich in andere hineinzuversetzen und deren Wissen und Überzeugungen zu berücksichtigen – auch wenn sie mit den eigenen mentalen Zuständen nicht übereinstimmen“.16 In der Mehrsprachigkeitsforschung hat sich bestätigt, dass „solche sozial-kognitiven Leistungen mit dem sich entwickelnden Sprachvermögen in Verbindung stehen.“17 Gudula List sieht das als einen Hinweis auf eine gegenüber Einsprachigen früher und wirkungsvoller herausgebildete Theory of Mind, denn
bilingual bzw. mehrsprachig aufwachsende Kinder pflegen einen selbstverständlichen Umgang mit der Arbitrarität von Sprachzeichen, sie schärfen […] ihre Kontrollprozesse für selektive Wahrnehmungen und sie stellen sich früh darauf ein, die Sprachgewohnheiten ihrer Interaktionspartner zu berücksichtigen. Sie könnten also eine besondere Disposition entwickeln, zu begreifen, dass in anderen Köpfen anderes vorgehen könnte als im eigenen.18
Diese Erkenntnis ist für die soziale Entwicklung von Kindergartenkindern insofern von Bedeutung, als sie einen Hinweis darauf gibt, dass Empathie, strategisches Sich-Hineinversetzen in den anderen und soziale Kompetenz mit dem sich elaborierenden mehrsprachigen Sprachvermögen in Zusammenhang stehen.