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Bedarf es erst einer Pandemie, einer Naturkatastrophe oder eines Krieges mitten in Europa, um auf drastische Weise zu erfahren, dass Führungskräfte auf allen Ebenen vielfach eines nicht sind: hierfür ausgebildet? Nein, diese Erkenntnis ist alles andere als neu. In Unternehmen, Verwaltungen, Verbänden und zahlreichen anderen Organisationen werden immer wieder Personen zu Führungskräften ernannt, ohne eine entsprechende Ausbildung erhalten zu haben. Gerade im Mittelstand entscheidet allzu oft der Verwandtschaftsgrad, wer Führungskraft wird, nicht die Qualifikation; Ausbildung: Fehlanzeige! Komplett anders läuft dies beim Militär! Hier werden zukünftige Führungskräfte sehr früh identifiziert und mit immensem Aufwand zu dem ausgebildet, was sie tun sollen: in einer Welt voller Unwägbarkeiten führen und richtige Entscheidungen treffen! Dieses Buch leitet aus militärischen Führungsgrundsätzen ab, wie gute Führung in einem von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität, kurz VUCA, geprägten zivilen Umfeld gelingen und trainiert werden kann.
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Seitenzahl: 282
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Prof. Dr. Wolfgang Benzel, Diplom-Kaufmann und Steuerberater, genoss bereits in frühester Jugend, Führungsverantwortung zu übernehmen, und setzte dies in seinem Berufsleben konsequent fort: als aktiver Offizier und als Offizier der Reserve im Dienstgrad Oberst bis hin zu höchsten Verwendungen, als Unternehmer, Aufsichtsrat, Beirat und Generalbevollmächtigter verschiedener Industrieunternehmen. Flankiert wurde und wird dieses breite Spektrum durch Tätigkeiten als Berater, Gutachter, Hochschullehrer, Referent und Buchautor. Sein beruflicher Erfolg fußt dabei auf einem wesentlichen Element: der bei der Bundeswehr genossenen herausragenden Ausbildung zur Führungskraft.
Peter Bohrer, Diplomkaufmann, schied nach mehr als 43 Jahren als Generalleutnant und Stellvertreter des Inspekteurs der Streitkräftebasis Ende 2019 aus der Bundeswehr aus. Die Chance, sehr früh Führungsverantwortung als Staffelchef zu übernehmen war für ihn wesentliche Motivation, Berufsoffizier zu werden. Seitdem hat er sich während seines gesamten Berufslebens immer wieder intensiv mit dem Thema "Führung" beschäftigt. Sein Wissen und seine Erfahrung an Nachwuchsführungskräfte weiterzugeben ist ihm ein besonderes Anliegen. So hat er zum Beispiel eine Veranstaltungsreihe initiiert, in der zivile und militärische Führungskräfte gemeinsam ausgebildet werden, und sich selbst immer wieder mit Vorträgen oder bei Podiumsdiskussionen zum Thema "Leadership" eingebracht. Seit 2020 ist er als selbstständiger Unternehmensberater tätig.
Wolfgang Benzel, Peter Bohrer
Trainingsbuch für bessere Entscheidungenin einer unsichereren Welt!
Mit Cimilitary Leadershipzur erfolgreichen (Führungs-) Persönlichkeitim VUCA-Umfeld
Umschlagmotiv: © alexsl - iStockphoto
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
DOI: https://doi.org/10.24053/9783739882048
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Internet: www.narr.de
eMail: [email protected]
ISBN 978-3-7398-3204-3 (Print)
ISBN 978-3-7398-8204-8 (ePDF)
ISBN 978-3-7398-0630-3 (ePub)
Als ich nach der Generalstabsausbildung in meine Erstverwendung ging, fragte mich mein Brigadekommandeur, ob er mich motivieren würde. Ich sollte ihm nicht antworten, vielmehr erklärte er, wenn das der Fall wäre, würde ein wesentlicher Baustein zu guter Führung fehlen. Was habe ich für mich mitgenommen? Uns wurde ein unglaubliches methodisches Repertoire an die Hand gegeben, wir können unter Druck und in der Krise belastbare Entscheidungen treffen, aber: Wir müssen führen wollen.
Trends wie Prognosen sind in einer zunehmend globalisierten Geschäftswelt schwer absehbar. Lieferketten sind in hohem Maße volatil geworden. Was heute wie ein Erfolgsmodell aussieht, kann morgen schon überholt sein. Moderne Medien stellen Informationen nahezu unbegrenzt zur Verfügung – mit dem Risiko, sich in der Fülle der verfügbaren Informationen zu verlieren und dabei die relevanten Informationen zu übersehen. Forschung und Beratung beschreiben dies mit dem Akronym VUCA für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity.
Wie aber treffe ich in einer solchen Umgebung ausgewogene, gar nachhaltige Entscheidungen? Wie begrenze ich das Risiko meiner Entscheidung, und nicht zuletzt: Wie führe ich meine Mitarbeiter in dieser Umgebung?
Offiziere sind seit langem ausgebildet und erzogen, solche Situation zu meistern. In einer militärischen Auseinandersetzung versucht der Gegner seine Absicht zu verbergen. Tarnen und Täuschen gehört zum Handwerkszeug in der Operationsführung. Informationen, die der militärische Führer erhält, sind von kurzer Halbwertszeit, oft unpräzise, häufig widersprüchlich und mitunter sogar schlicht und ergreifend falsch. Militärische Lagen ändern sich mit hoher Geschwindigkeit. Und trotzdem oder eigentlich sogar deswegen sind Führer auf allen Ebenen gefordert, schnell ausgewogene Entscheidungen zu treffen und das mit dieser Entscheidung verbundene Risiko zu begrenzen.
Das vorliegende Buch unternimmt den gelungenen Versuch, militärische Ansätze auf unternehmerische Fragestellungen zu übertragen:
Die Innere Führung der Bundeswehr bietet die Grundlage für eine zeitgemäße Unternehmenskultur.
Die Auftragstaktik der Bundeswehr ist gerade in einer VUCA-Situation aktueller denn je und liefert die Grundlage für eine moderne Führungsphilosophie.
Der militärische Führungsprozess wird auf unternehmerische Entscheidungssituationen übertragen und schafft mit seinem systematischen Vorgehen die Grundlage, in einer VUCA-Situation zu entscheiden.
Entlang dieser drei Blöcke gibt das Buch in Kapitel 7 ganz konkrete und praxisorientierte Empfehlungen für erfolgreiche Führung und prägt dazu den eingängigen Begriff „Cimilitary Leadership“.
Übungsbeispiele zeigen, wie „Cimilitary Leadership“ in der Praxis angewandt werden kann, und bieten die Grundlage, eigenständig Beispiele zu entwickeln und anhand dieser Bespiele Entscheidungsprozesse zu üben. Die im Buch enthaltenen „Taschenkarten“ bieten dazu eine wertvolle Hilfe.
Denn: auch erfolgreiche Führung muss man trainieren – nicht nur einmal, sondern immer wieder.
Generalleutnant Gert Nultsch,Abteilungsleiter Planung im Bundesministerium der Verteidigung
Die Arbeit als Strategieberater eröffnet das Kennenlernen unterschiedlicher Management- und Führungsstile – insbesondere, wie im Falle meiner eigenen beruflichen Karriere, bei einer Beratungstätigkeit von über drei Jahrzehnten für Klienten aus Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor. Der Erkenntnisgewinn ergibt sich dabei auch aus den Beobachtungen der eigenen Organisation, in der es zweifelsfrei viele gute Manager, aber nur wenige „echte“ Führungspersönlichkeiten gibt. Die Autoren beschreiben in ihrem Buch eindrucksvoll die Charakteristika eines erfolgreichen Führers: Richtungen vorgeben, eigene Verantwortung übernehmen, nicht jeder Anforderung genügen und Konflikte offen und konstruktiv austragen. Dabei werden agile Handlungsräume für Organisationen geschaffen, damit Führung gezielt verteilt werden kann und sich Kreativ- bzw. Innovationspotenziale eröffnen. Kurz zusammengefasst: ein erfolgreicher Führer wagt neue Dinge und setzt die richtigen Impulse, anstelle sich vom (Mikro-) Management im Tagesgeschäft bestimmen zu lassen.
Soweit alles logisch und machbar, wären da nicht VUCA-Situationen, die für uns alle vor der Corona-Pandemie tendenziell eher Lehrbuchcharakter hatten. Erst die Pandemie hat eindrucksvoll und in der Realität gezeigt, wie Ursache-Wirkungs-Beziehungen weder durch Best Practice noch durch Experten- oder Fachwissen erkannt werden können. Wirkungsvolle Führung bedeutete in diesen Zeiten „Handeln“, „Erkennen“ und „Reagieren“, mit dem Ziel, innovative Praktiken zu identifizieren und die Organisation daran auszurichten. Und was gleichermaßen deutlich wurde: Nur die wenigsten können in solchen Situationen erfolgreich führen.
Es gibt kaum Organisationen, welche ihre Führungskräfte so intensiv, systematisch und nachhaltig ausbilden, wie das Militär – insbesondere auf VUCA-Situationen. „Auftragstaktik“ nennt sich das zentrale Führungsprinzip, welches auf gegenseitigem Vertrauen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen basiert und diese zur Problemlösung aktiv befähigt. Von der Funktionsfähigkeit dieses zentralen „Leadership-Prinzips“ der Streitkräfte innerhalb des NATO-Verbunds konnte ich mich selbst im Rahmen meiner Ausbildung zum Reserveoffizier überzeugen. Mehr noch: die Übertragung auf „zivile“ Situationen im Tagesgeschäft ist nicht nur möglich, sie macht auch sehr viel Sinn, will man sich von einem Manager zu einer Führungspersönlichkeit weiterentwickeln. Und genau hierzu gibt das vorliegende Buch eine Vielzahl interessanter Ansatzpunkte, zu denen die Vermittlung eines Grundverständnisses des militärischen Führungsprozesses gehört. Zur Frage, wie dieser Prozess in die zivile Praxis übertragen werden kann, offerieren die Autoren zahlreiche spannende Anknüpfungspunkte und Beispiele. Unweigerlich erfolgt beim Lesen eine „Übersetzung“ in das persönliche Umfeld entlang von drei Bereichen: dem kulturellen Fundament, einer einheitlichen, umfassenden Führungsphilosophie und den richtigen Werkzeugen und Methoden. Und das nicht nur bei Lesern mit militärischer Ausbildung.
Prof. Dr. Rainer Bernnat, Geschäftsführer PwC Strategyund Leiter der Industry Practice Öffentlicher Sektor von PwC
Es ist Montag im Frühjahr 2020. Gut gelaunt, allerdings etwas später als sonst, fahre ich ins Büro. Vor mir liegt ein überschaubarer Arbeitstag ohne besondere Ereignisse. So der Plan … Als ich auf den Parkplatz vor dem Kanzleigebäude einbiege, stehen dort die Fahrzeuge unserer Mitarbeiter. Die Crew ist bereits an Bord, stelle ich zufrieden fest; ein unter normalen Umständen gewohntes, in Zeiten von Corona jedoch äußerst beruhigendes Bild.
Scheinbar.
Als ich aussteige, bemerke ich ein Auto, das ich nicht kenne. Ein weißer Kleinwagen parkt zwischen den anderen Fahrzeugen. An sich nichts Ungewöhnliches. Nur in einer Zeit der Kontaktsperre schon. Denn der persönliche Kundenkontakt wurde auf nahezu null heruntergefahren. Was mir auffällt, ist das Nummernschild: Landkreiskennzeichen und Zahlen, keine Buchstaben. Unstrittig ein Behördenfahrzeug. Bestimmt ein Verwaltungsmitarbeiter, der Unterlagen für eine Gesellschaft des Landkreises vorbeibringt, für die wir beratend tätig sind. So schnell der beruhigende Gedanke kam, so falsch war er auch.
Kaum, dass ich das Gebäude betrete, kommt mir schon die Sekretärin entgegen. „Gut, dass Sie da sind, das Gesundheitsamt ist hier und will uns alle in Quarantäne schicken, weil unsere Frau Schneider an Corona erkrankt ist.“ Auf dem Flur trippeln einige Mitarbeiter herum; in meinem Büro stehen vor dem Besprechungstisch eine Frau und ein Mann. Auf Grund ihrer weißen Kleidung und aufgrund des Mundschutzes handelt es sich offensichtlich um das Personal des Gesundheitsamtes.
„Guten Morgen“, begrüßen mich beide, ohne sich näher vorzustellen. „Guten Morgen“, gebe ich zurück. „Sie sind hier wohl der Chef. Wie Ihnen die Sekretärin bereits mitteilte, kommen wir vom Gesundheitsamt und bringen Ihnen eine Quarantäneverfügung für das gesamte Unternehmen. Sie müssen die Arbeit unverzüglich einstellen und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in häusliche Quarantäne schicken. Die Anordnung gilt zunächst für zwei Wochen ab heute“, kommt die Frau ohne Umschweife zum Grund ihres Besuches.
Ruhig schaue ich zunächst die Frau, dann den Mann an. „Das ist jetzt kein guter Wochenstart“, so meine erste Reaktion. „Aber die Arbeit werden wir nicht einstellen, das ist unmöglich“, meine zweite. Etwas irritiert blicken mich beide an. Der Mann ergreift sofort das Wort und äußert mit leicht angespanntem Ton: „Sie sollten schon tun, was wir sagen. Wenn Sie sich widersetzen, wird das Konsequenzen haben.“
„Ich habe für alles Verständnis“, erwiderte ich, „der erste Grundsatz, den es jetzt für mich zu beachten gilt, lautet jedoch: erst einmal Ruhe bewahren und die Optionen ausloten. Sie haben mir einen guten Morgen gewünscht, mir anschließend mitgeteilt, dass wir die Arbeit unverzüglich einzustellen haben und, dass wir alle für zunächst zwei Wochen in Quarantäne geschickt werden. Für den guten Morgen bedanke ich mich ganz herzlich, die Quarantäne ist eine sinnvolle behördliche Verfügung, der wir selbstverständlich Folge leisten werden, aber wir stellen die Arbeit nicht ein!“
„Was soll das bedeuten, Sie stellen die Arbeit nicht ein?“ fragt die Frau etwas unwirsch. „Das heißt“, antwortete ich, „dass wir weiterarbeiten. Eben nur nicht aus dem Büro, sondern disloziert jeder für sich von zu Hause aus. In zwei Stunden werden sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der angeordneten häuslichen Quarantäne befinden. Der Kanzleibetrieb läuft anschließend ganz normal weiter.“
In etwa so hätte es sich in den Unternehmen der Dr. Benzel-Gruppe abgespielt, wenn seinerzeit tatsächlich eine Quarantäneverfügung eingetroffen wäre. Zwar ist dies bis zum Druck dieses Buches zum Glück so nicht passiert, allerdings musste tatsächlich infolge von Erkrankungen und Kontakten zu Erkrankten zeitweise in gleicher Weise agiert werden wie im fiktionalen Szenario. Und es hat funktioniert!
Es waren alle Voraussetzungen rechtzeitig geschaffen worden, um bei Eintritt dieses kurz vorher überhaupt nicht präsenten Risikoszenarios wie beschrieben reagieren zu können. Damit dies so ablaufen konnte, mussten zwei Bedingungen erfüllt sein: Zum einen musste die strategische Ausrichtung der Unternehmen so sein, dass in der konkreten Situation die Grundvoraussetzungen geschaffen und folglich die entsprechenden Ressourcen vorhanden waren, um adäquat reagieren zu können. Zum anderen hatte mit dem Auftreten der Corona-Krise auf der in diesem Falle operativen Ebene eine Beurteilung der Lage mit einem entsprechenden Entschluss zu erfolgen.
Strategisch wurde bereits vor Jahren die Entscheidung getroffen und umgesetzt, dass
alle Daten und Dokumente über ein umfangreiches Dokumentenmanagementsystem zu organisieren sind,
alle Daten und Dokumente durch den Einsatz eines Application Service Providers (Cloud-Lösung für sämtliche Daten der Unternehmen) zeit- sowie ortsunabhängig sicher verfügbar gehalten werden müssen,
folglich die Digitalisierungsquote aller Dokumente bei 100 % zu liegen hat, und
der Einsatz einer virtuellen Telefonanlage die Möglichkeit eröffnet, um ortsunabhängig in hohem Maße auch in der nichtpersönlichen verbalen sowie nonverbalen Kommunikation (Senden von internen Nachrichten, setzen von Infomarkern etc.) sehr professionell agieren zu können.
Getragen wurde die strategische Ausrichtung von den Zielen:
hundertprozentig durchgängige Dokumentenablage,
jederzeitige ortsunabhängige Verfügbarkeit aller Dokumente und Daten,
Realisierung extrem hoher Sicherheitsstandards,
Reduktion von Durchlaufzeiten und Optimierung der Prozesse,
Reduktion und Auslagerung von nichtproduktiven Tätigkeiten,
Verbesserung der Produktqualität,
Ermöglichung neuer Produkte,
maximale Flexibilisierung der zeit- und ortsunabhängigen Arbeitsgestaltung,
Verbesserung der Kostenstruktur in den betroffenen Bereichen.
Die seinerzeitigen Entscheidungen und deren Umsetzung führten jetzt, in einer nicht erwarteten Krisensituation dazu, dass alle Bedingungen erfüllt waren, um quasi „auf Knopfdruck“ die Kanzleimitarbeiter an jeden beliebigen Ort der Welt versetzen zu können bei weitestgehendem Erhalt der Arbeitsfähigkeit.
Operativ wurde unverzüglich, als deutlich wurde, dass mit Corona eine größere Krise verbunden sein könnte, eine Lagebeurteilung angestellt, und es war auf Basis der verfügbaren Informationen schnell erkennbar, dass es unter anderem exakt der erwähnte Quarantänefall war, auf den man sich vorzubereiten hatte.
Die Entscheidung bestand darin, die Bedingungen zu schaffen, unabhängig von den Büroräumen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnellstmöglich in die Lage zu versetzen, sämtliche Dienstleistungen uneingeschränkt erbringen zu können. Als noch auszuführende Maßnahmen wurden zur Sicherheit weitere Notebooks angeschafft, ein paar Apps für die virtuelle Telefonanlage freigeschaltet, das Personal instruiert und auf herausfordernde Zeiten eingestimmt und alle Mandanten per Mail über die Fähigkeit informiert, selbst im Quarantänefall arbeitsfähig zu sein. Fertig.
Glück gehabt, kann man da nur sagen. Denn das Risiko einer Quarantäne für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war vor Corona nicht präsent. Diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die aus anderen Gründen die Zeichen der Zeit und damit der Digitalisierung nicht rechtzeitig erkannten, hatten tatsächlich zum Teil Pech. Es sind mehrere Fälle bekannt, wo die komplette Mannschaft in Quarantäne geschickt wurde. Was nicht nur ein Problem für die betroffene Kanzlei, sondern in besonderem Maße auch für deren Mandanten war, die gerade jetzt auf Hilfestellungen angewiesen waren.
Eine weitere Erkenntnis besteht darin, dass nicht alle Risikoszenarien bekannt oder bewusst sind. Der Ausbruch einer weltweiten Pandemie stand ganz bestimmt nicht auf der Agenda und es war, wie erwähnt, purer Zufall, dass die stringente Digitalisierung der Unternehmen nunmehr aus ganz anderen als den ursprünglich avisierten Zielen im Corona-Szenario extrem hilfreich war.
Szenenwechsel
Wir befinden uns im Jahr 52 v. Chr. Da die Leser diese Zeit nicht erlebt haben dürften und die Erinnerungen an den Geschichtsunterricht meistens nicht mehr so präsent sind, erlauben Sie uns bitte, dass wir etwas weiter ausholen.
Seit über sechs Jahren führt Gaius Julius Cäsar, dessen Name mehr als zweitausend Jahre später noch geläufig ist, einen Eroberungskrieg in Gallien, einer Provinz, die im Wesentlichen aus dem heutigen Frankreich, Belgien, Teilen Westdeutschlands sowie Teilen der Schweiz und Italiens bestand.
Unter ihrem Anführer Vercingetorix gelang es mehreren gallischen Stämmen, sich zu vereinen, um sich gegen Rom und dessen sicher geglaubte Vormachtstellung zu erheben. Die durch die Vereinigung mögliche Bildung eines größeren Heeres bedrohte ernsthaft die Interessen der Römer in Gallien.
Nachdem es zu mehreren Schlachten kam, zog sich Vercingetorix nach der Niederlage von Armencon mit seinen verbleibenden Truppen nach Alesia in der Nähe der heutigen Stadt Alise-Sainte-Reine in Burgund zurück und verschanzte sich in der auf einer Anhöhe liegenden, gut befestigten Stadt.
Vercingetorix wusste, dass er mit seinen Truppen den Römern in einer offenen Feldschlacht nicht standhalten konnte. Ebenso klar war, dass im Falle des Sieges der Römer Gallien endgültig unter die Macht der Besatzer fallen würde und es in Alesia somit um alles oder nichts ging. Die Chance zum Sieg bestand für die Gallier darin, die Römer in die Position der Belagerer zu bringen und sie gleichzeitig durch im Lande zusätzlich aufgebrachte Truppen von der Feldseite her zu attackieren.
Cäsar war also zunächst in der schlechteren Position, denn es zeichnete sich eine Zwei-Fronten-Schlacht ab, die unter den aktuellen Gegebenheiten für die Römer wahrscheinlich nicht zu gewinnen war. Und Cäsar wusste obendrein, dass, falls die bevorstehende Entscheidungsschlacht verloren ginge und er mit dem Leben davonkäme, seine Chancen auf die von ihm angestrebte politische Karriere deutlich sinken werden.
Also begann er, den Spieß umzudrehen. Statt die Abnutzung seiner Truppen im Belagerungskampf hinzunehmen und sich der drohenden Gefahr eines Angriffs von der anderen Seite her auszusetzen, handelte er. Vor den Augen der gut verschanzten Gallier befahl er zunächst die Rodung des umliegenden Geländes. Hieran schloss sich der Bau eines 15 Kilometer langen Umfassungswalles an, der mit einem vier Meter hohen Palisadenzaun bestückt war, der wiederum alle 23 Meter von hohen Wachtürmen unterbrochen wurde. Das Ziel der Maßnahme bestand darin, die Gallier von der Außenwelt und somit von Nachschub und Verstärkung abzuschneiden. Gleichzeitig sollten die eigenen, auf offenem Feld lagernden Truppen, vor Beschuss und Attacken der Gallier von der Stadtseite her geschützt werden.
Vercingetorix erkannte die sich aus dem Einschließen der eigenen Truppen ergebende Gefahr, und es gelang der gallischen Kavallerie, kurz vor dem Schließen des Belagerungsrings zu entkommen. Damit sank nicht nur die Zahl der zu versorgenden Menschen innerhalb der belagerten Stadt, was eine gewisse Entlastung darstellte. Viel wichtiger war, dass nun Verstärkung organisiert werden konnte. Die gallischen Reiter hatten den Auftrag, im Hinterland so viele Kämpfer zu sammeln als irgend möglich, um Cäsar mit seinen Soldaten in die Zange zu nehmen.
Cäsar wiederum war sich der Tatsache bewusst, dass er zwar die gegnerischen Truppen vor sich eingeschlossen hatte, er aber eine riesige offene Flanke von hinten bot. Daher gab er unverzüglich, nachdem der erste Wall fertig gestellt worden war, den Befehl, einen zweiten, nunmehr 21 Kilometer langen Wall hinter den eigenen Truppen zu errichten, um gegen den zu erwartenden Angriff des gallischen Entsatzheeres gewappnet zu sein.
Die Römer brachten somit die bravouröse Leistung zustande, in nur fünf Wochen mit Pickeln, Schaufeln und Körben eine 36 Kilometer lange, vier Meter hohe und bestens befestigte Wallanlage einschließlich Gräben zu bauen. Dies gelang, da die Soldaten nicht nur hervorragend ausgebildete und ausgerüstete Kämpfer, sondern auch gute Handwerker waren.
Zwar waren sie jetzt zwischen den Wällen zunächst sicher. Da allerdings zu erwarten war, dass sie bei Eintreffen des gallischen Heeres zahlenmäßig weit unterlegen sein werden und sich zudem einem „Zwei-Fronten-Kampf“ ausgesetzt sahen, mussten weitere Maßnahmen getroffen werden.
Daher befahl Cäsar, dass der rückwärtige Bereich vor dem zweiten Wall zusätzlich geschützt, quasi „vermint“ wurde.
Hierzu wurde unmittelbar vor dem feldseitigen Wall ein Gewirr aus angespitzten Ästen in den Boden gerammt. Durch diese Maßnahmen würde der zu erwartende Angriff erheblich verlangsamt, was es den Bogenschützen und Speerwerfern erleichterte, die Gallier gezielt unter Beschuss zu nehmen.
Im weiteren Vorfeld wurden kleinere Löcher in den Boden gegraben, in denen angespitzte Äste verborgen waren. Sobald ein Pferd in eine solche Kuhle trat, kam es aller Wahrscheinlichkeit samt Reiter zu Fall. Im Ergebnis sollte damit der wuchtigste Teil der gallischen Streitmacht, die Kavallerie, in ihrer Wirkung deutlich entschärft werden.
Darüber hinaus waren im Boden eiserne Dornen mit Widerhaken versteckt. Sobald ein Kämpfer auf einen solchen Dorn trat, bohrte sich dieser von unten durch seinen Fuß. Der Widerhaken sorgte dafür, dass ein einfaches Herausziehen nicht möglich war. Der Angreifer war damit auf Dauer ausgeschaltet.
Die genannten Maßnahmen sorgten des Weiteren dafür, dass dem Angriff infolge des ausbrechenden Chaos der Schwung genommen wurde, was es den römischen Legionären einfacher machte, den Beschuss gezielt zu führen und so das Chaos unter den Galliern zu verstärken.
Ziel der beschriebenen Maßnahmen war, dem erwarteten Angriff der Gallier den Schwung zu nehmen und ihn zu verlangsamen. Zusätzlich wurden auf der Angriffsseite zwei Gräben ausgehoben und mittels Umleitung von Bächen mit Wasser gefüllt. Dies führte dazu, dass rund um die römischen Befestigungsanlagen ein Sumpf entstand, der es den Angreifern zusätzlich erschwerte, ihr Ziel zu erreichen.
Da den Galliern in Alesia relativ schnell die auf nur 30 Tage angelegten Vorräte auszugehen drohten, schickte Vercingetorix alle wehrunfähigen Männer sowie Frauen und Kinder aus der Stadt. Er hoffte, dass die Römer die Menschen aufnehmen und versorgen würden, was diese aber nicht taten. In der Folge verhungerten die Familien der gallischen Soldaten elendig zwischen den Befestigungsanlagen Alesias und dem vorderen Wall der Römer. Die Grausamkeit des Krieges zeigte sich hier ungeschminkt …
Das Eintreffen des gallischen Entsatzheeres und der damit verbundene Beginn der Schlacht war für die ausgehungerten Krieger in Alesia gleichzeitig das Zeichen für den Start eines Ausbruchversuchs. Die Römer wurden von zwei Seiten heftig attackiert, und im Verlaufe der Schlacht gelang es den Galliern durch immer neue nachströmende Truppen, den Todesstreifen zu überwinden und bis zu den Palisaden des äußeren Rings vorzudringen. Den Römern gelang es unter Inkaufnahme erheblicher Verluste dennoch, die eigenen Stellungen zu halten. Nach vier Tagen anhaltenden Kämpfen, während denen Vercingetorix‘ Truppen oft im Vorteil schienen, trugen am Ende die Römer den Sieg davon.
Die Schlacht von Alesia zeigt deswegen so eindrücklich den Ablauf eines Führungsprozesses, da die verschiedenen Maßnahmen beider Seiten aus der jeweiligen Perspektive sehr offen vor uns liegen. Zudem stand für beide Befehlshaber alles auf dem Spiel und das Verlieren der Schlacht zog erhebliche Konsequenzen für die Besiegten nach sich, was nicht immer der Fall war und ist.
Beide Truppenführer stellten eine Beurteilung der Lage an und passten ihre Planungen vorausschauend und klug an das erwartete Verhalten des Feindes an. Gleichzeitig veränderten sie die Ausgangs- ebenso wie die Umweltbedingungen in eindrücklicher Weise. Vercingetorix, indem er aus einer defensiven Belagerungssituation eine offensive Zwei-Fronten-Situation schuf. Cäsar, indem er das komplette umliegende Gelände so umgestaltete, dass er den zu erwartenden Maßnahmen des Feindes adäquat und am Ende siegreich begegnen konnte. Beide Führer handelten dabei unter erheblicher Entscheidungsunsicherheit, gingen kalkulierte Risiken ein und setzten, was wesentlich ist, Schwerpunkte. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Schlacht mehrfach „auf Messers Schneide“ stand und auch die Gallier den Sieg hätten davontragen können.
Sowohl Vercingetorix als auch Cäsar waren unumwunden gute Führer. Was einen guten Führer unter anderem auszeichnet ist, dass er in Krisensituationen bereit ist und den Mut hat, unter Antizipation möglicher zukünftiger Geschehnisse, Entscheidungen zu treffen, diese umzusetzen und damit selbst Gestalter der Zukunft wird. Ob die jeweilige Entscheidung richtig war, zeigt nur die ex-post-Betrachtung. Zu beurteilen ist ihre Qualität allerdings stets aus der ex-ante-Sicht.
Beide Beispiele, das – teilweise – fiktive „Corona-Szenario“ ebenso wie die Geschehnisse in Burgund vor mehr als zweitausend Jahren, zeigen dies deutlich.
Und sie zeigen uns, dass das Leben schon seltsame Überraschungen bereithält. Die Idee zu diesem Buch keimt schon seit Jahren und hatte absolut nichts mit konkreten Krisen und schon gar nichts mit Corona oder dem Ukraine-Krieg zu tun. Da brütet man über lange Zeit hinweg über einer Idee, beobachtet, recherchiert, diskutiert, kreiert und verwirft, um wieder neu zu starten und zu justieren. Und dann offenbart sich mit voller Wucht, wie aktuell und bedeutsam all das ist, über was man sich den Kopf zerbricht. In unserem Fall zunächst in Gestalt eines kleinen Virus namens „SARS-CoV-2“, gefolgt von der Unwetterkatastrophe im Ahrtal und dem Überfall Russlands auf die Ukraine. All diese Geschehnisse halten zum Teil die ganze Welt in Atem und sollten auch dem letzten Zweifler drei Dinge offenbart haben:
Die Welt ist weder in den kleinen noch in den großen Dingen sicher planbar, und es ist immens wichtig, dass Führungskräfte und Entscheidungsträger hierauf vorbereitet sind. VUCA, dazu später mehr, lässt grüßen …
Professionelle, faktenbasierte Führungs- und Entscheidungsprozesse sind überlebenswichtig. Sie sind die unabdingbare Grundlage für richtige Entscheidungen, nicht nur in den großen Dingen. Die Qualität der Führung und des Führungsprozesses ist maßgeblich für Erfolg oder Misserfolg. Hier sind Defizite seit langem erkennbar …
Die nächste Herausforderung kommt sicher … nur wann und wie, ist unklar!
Mit dem vorliegenden Buch haben wir uns daher die Bewältigung einer besonderen Aufgabe vorgenommen: wir möchten Menschen mit aktueller oder zukünftiger Führungsverantwortung mit dem notwendigen Rüstzeug versehen, dessen Beherrschung jede (Führungs-)Persönlichkeit weiterbringt. Das Verständnis, die Philosophie, der wir uns verschrieben haben und die wir gerne näherbringen möchten, bezeichnen wir als „Cimilitary Leadership“.
Um von Anfang an Missverständnissen vorzubeugen: es geht in diesem Buch nicht darum, dem Militär oder dem Krieg das Wort zu reden. Gerade in Deutschland haben wir nach dem durch uns verursachten Kulturbruch seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein eher gespaltenes Verhältnis zum Militär. Militär im Allgemeinen und die Bundeswehr seit ihrer Gründung 1956 im Speziellen werden seitdem kritisch betrachtet.1
Ganz zu Beginn seines herausragenden und zu Anfang des 19. Jahrhunderts entstandenen Werks „Vom Kriege“ definiert Carl von Clausewitz „Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen“2. Und weiter führt er zum Zweck des Krieges aus: „Die Streitkraft muss vernichtet, d.h. in einen solchen Zustand versetzt werden, dass sie den Kampf nicht mehr fortsetzen kann.“3
Diese Gedanken auf die Wirtschaft zu übertragen und folglich mit Krieg zu vergleichen, würde den Krieg in seiner Barbarei verharmlosen und der Wirtschaft ebensolche Attribute zuweisen, die der Sache weder innewohnen noch gerecht würden. Wirtschaft mit Krieg gleichzusetzen, würde Denkweisen benötigen, die nicht in Einklang zu bringen sind mit den für uns und unser Tun, auch und vor allem als Offiziere, prägenden Werten, Normen und Tugenden und damit mit den Leitlinien unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung; sie haben folglich hier keinen Platz.
Gleichwohl geht es in beiden Fällen, in der Wirtschaft ebenso wie im Krieg, um ein Ringen um Dominanz. Selbst dann, wenn es keinerlei Konkurrenz für ein Produkt gibt, so muss dennoch der potenzielle Kunde zum Kauf bewegt werden. Dazu muss es ein „sich Durchsetzen“ auf Verkäuferseite geben. Clausewitz führt aus:
„Wir sagen also: Der Krieg gehört nicht in das Gebiet der Künste und Wissenschaften, sondern in das Gebiet des gesellschaftlichen Lebens. Er ist ein Konflikt großer Interessen, der sich blutig löst, und nur darin ist er von den andern verschieden. Besser als mit irgendeiner Kunst ließe er sich mit dem Handel vergleichen, der auch ein Konflikt menschlicher Interessen und Tätigkeiten ist …“4
Auch Karl Marx vergleicht Militär mit Wirtschaft, indem er zur Thematik Führung ausführt:
„Der Befehl des Kapitalisten auf dem Produktionsfeld wird jetzt so unentbehrlich wie der Befehl des Generals auf dem Schlachtfeld“5 und weiter „Wie eine Armee militärischer, bedarf eine unter einem Kommando desselben Kapitals zusammenwirkende Arbeitermasse industrieller Oberoffiziere (Dirigenten, managers) und Unteroffiziere (Arbeitsaufseher, foreman, overlookers, contre-maîtres), die während des Arbeitsprozesses kommandieren.“6
Bezüglich des Unterschieds zwischen Krieg und Wirtschaft äußert sich Clausewitz
„Das Wesentliche des Unterschieds besteht darin, dass der Krieg keine Tätigkeit des Willens ist, die sich gegen einen toten Stoff äußert wie die mechanischen Künste, oder gegen einen lebendigen, aber doch leidenden, sich hingebenden Gegenstand, wie der menschliche Geist und das menschliche Gefühl bei den idealen Künsten: sondern gegen einen lebendigen, reagierenden. Wie wenig auf eine solche Tätigkeit der Gedankenmechanismus der Künste und Wissenschaften passt, springt in die Augen, und man begreift zugleich, wie das beständige Suchen und Streben nach Gesetzen, denen ähnlich, welche aus der toten Körperwelt entwickelt werden können, zu beständigen Irrtümern hat führen müssen.“7
Es geht uns also darum, im Sinne des beschriebenen Selbstverständnisses von Krieg und Wirtschaft, die allgemeingültigen Regeln und das Wesen guter Führung, und hierfür bietet das Militär nicht nur gute Beispiele, sondern auch die notwendigen Verfahren, in konkret umsetzbare Handlungsideen und praktikable Werkzeuge für die Führungspraxis in Wirtschaft und Verwaltung zu übersetzen.
Ergänzend zu diesem Buch empfehlen wir von Wiebke Köhler das 2020 erschienene Buch „Führen im Grenzbereich. Was Manager aus Grenzsituationen für den Unternehmensalltag lernen können.“8 Sie interviewt insgesamt 15 Führungspersönlichkeiten, die in Grenzsituationen führen müssen oder mussten. Zu den Interviewpartnern zählen acht Militärangehörige, zwei mit militärischem Bezug und, dem Militär sicherlich sehr ähnlich, der Kommandeur der Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9). Somit haben 11 von 15 der Interviewten einen Bezug zu militärischer Führung. Die Autorin begründet ihren Ansatz für das Buch mit „… eine Führung, die sich in Extremsituationen bewährt und auszeichnet, ist sicher auch relevant für Führung im Unternehmensalltag.“9 Somit liegt sie sehr nahe an unserem Ansatz und ist auf Grund ihrer Vita eher unverdächtig, dem Militär das Wort reden zu wollen.
Das Verständnis für und die Anwendung von Cimilitary Leadership soll Führungskräfte in die Lage versetzen, auch unter Druck deutlich effektiver und effizienter gute Entscheidungen zu treffen und somit Erfolge zu erzielen. Zum anderen sollen Führungskräfte mittels „Cimilitary Leadership“ die Fähigkeit erlernen oder erweitern, den Anforderungen, denen sie sich in einer sich vermeintlich immer schneller drehenden Welt ausgesetzt sehen, besonders gut und schnell gerecht zu werden. Folgerichtig eignet sich das Instrumentarium hervorragend für Aus- und Weiterbildungszwecke. Die Planspiele am Ende des Buches sind auf die genannten Zwecke ausgerichtet und bieten zudem eine Anleitung, wie man Übungsszenarien selbst gestalten kann.
Doch warum ist dies unserer Ansicht nach so wichtig?
Egal, was wir in unserem Leben machen: alles hat mit Führung zu tun! Wir führen Gespräche, wir führen Transaktionen durch, wir führen Aufgaben aus, wir führen Theaterstücke auf und vieles mehr, kurzum: wir führen unser Leben!
Bis hierhin käme wohl kaum jemand auf die Idee, im Zusammenhang mit den alltäglichen „Führungen“ von Führungsprozessen und in Bezug auf die Protagonisten von Führungspersönlichkeiten zu sprechen. Dieses Attribut ist Personen wie beispielsweise Unternehmenslenkern, Behördenleitern, Offizieren, Bischöfen oder auch Politikern, also „Chefs“, vorbehalten. Und doch gelten im Großen wie im Kleinen stets die gleichen Spielregeln. Einziger Unterschied: die Dimension der jeweiligen „Führungsaufgabe“ schwankt, zugegebenermaßen, mitunter beträchtlich.
Unsere Feststellung: Ob in Unternehmen, der Politik, in gemeinnützigen Organisationen oder Verwaltungen: Führungskräfte werden in den seltensten Fällen auf ihre Rolle als Führer vorbereitet. Häufig wird der fachlich kompetenteste Mitarbeiter zur „Führungskraft“ ernannt. In der Politik ist zu beobachten, dass beispielsweise derjenige zum Landrat oder Oberbürgermeister gewählt wird, der es übernimmt, überhaupt zu kandidieren. Oft ist man froh, was sehr häufig auch in Vereinen zu beobachten ist, dass sich überhaupt jemand bereit erklärt, für entsprechende Positionen zur Verfügung zu stehen. Führungskompetenz ist da leider allzu oft eher zweitrangig. Welche fatalen Konsequenzen sich hieraus ergeben können, zeigt die Unwetterkatastrophe an der Ahr im Sommer 2021 …
Fredmund Malik meint hierzu:
„Es ist bemerkenswert, dass nur wenige Führungskräfte so etwas Ähnliches wie eine systematische Ausbildung … haben. … Niemand würde in ein Flugzeug steigen, wenn die Piloten eine den Managern vergleichbare Ausbildung hätten, und genauso wenig würde sich jemand einer chirurgischen Operation unterziehen, wenn dasselbe für die Ärzte gelte.“10
Nicht nur in Monarchien, auch und gerade in Familienunternehmen, die den Großteil der deutschen Unternehmen ausmachen, entscheidet meist der Verwandtschaftsgrad darüber, wer die Nachfolge antritt und wer das Unternehmen leiten soll. Ob damit stets gute Führung einhergeht, ist fraglich.
Ein spezifisches Training oder gar eine Ausbildung erfolgt der Erfahrung nach selten. Und falls doch, dann nur sehr rudimentär und häufig auf Themenfelder fokussiert, die dem Wesentlichen guter Führung, dem Führungsprozess, zu wenig Raum geben. Im Ergebnis werden maximal Manager, aber keine Führungskräfte herangebildet. Die einzige Institution, die dies komplett anders macht, sind die Streitkräfte. Keine andere Organisation setzt Ressourcen in einem solchen Maß zur Identifizierung, Ausbildung und zum konkreten Einsatz von Führungskräften ein, wie dies das Militär tut.
Hinzu kommt, dass die „Organisation Streitkräfte“ eine ausschließlich auf die Bewältigung von Krisen ausgerichtete Organisation ist, bei der es im Zweifel um Leben und Tod geht. Daraus abgeleitet ist der Führungsprozess selbst, aber auch das Erlernen des Prozesses, darauf ausgerichtet, ein Höchstmaß an Effektivität und Effizienz zu erreichen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die militärischen Führer ausgebildet werden, in einer von Unsicherheit und Komplexität gekennzeichneten Extremsituation den Führungsprozess als solchen intuitiv abrufen zu können, um in angemessener Zeit die richtige Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung selbst ist dann in der Folge eben gerade keine intuitive, sondern eine auf rationaler Basis getroffene.
Ein weiterer, Führungskräfte betreffender wesentlicher Aspekt ist die Tatsache, dass sich die Welt gefühlt immer schneller dreht. Nicht nur Pandemien wie Corona, sondern vielfältigste Themen wie beispielsweise die Digitalisierung (Industrie 4.0), politische Krisen (Brexit), Kriege (Ukraine), Hungersnöte (Jemen), Flüchtlingsströme (Syrienkonflikt), Großbrände (Australien und Brasilien), Naturkatastrophen (Ahr-Hochwasser), wirtschaftliche Instabilitäten (Venezuela) oder das Auftreten neuer Akteure (Islamischer Staat) sind Beispiele für Herausforderungen, die beschreiben, was hiermit gemeint ist. Das mag vielleicht noch nie anders gewesen sein. Aber infolge der Unmengen an Informationen –falschen wie richtigen–, der Geschwindigkeit der Informationsverbreitung und –verarbeitung sind Situationen nicht mehr erfassbar. Es entsteht ein Gefühl der Unbeherrschbarkeit und damit des Kontrollverlustes. Die Umwelt wandelt sich zu rasch, als dass die Vielzahl an zum Teil widersprüchlichen Informationen noch in der Lage wäre, als Grundlage guter Prognosen und in der Folge guter Entscheidungen zu dienen.
Das Militär ist in extremer Weise einer solchen Herausforderung seit dem Ende des kalten Krieges ausgesetzt. Die statische Situation der Ost-West-Konfrontation mit ihren klaren Frontlinien wich einer asymmetrischen Bedrohungslage und Kriegsführung. Das Brechen von über viele Jahrhunderte herausgebildeten Regeln und das bewusste Schaffen einer unübersichtlichen Situation ist das Wesentliche der Asymmetrie. Hierdurch soll der im klassischen Szenario deutlich überlegene Gegner mittels kleinerer, nicht vorhersehbarer Aktionen ins Chaos gestürzt und am Ende besiegt werden.
Ein weiteres Beispiel aus neuerer Zeit sind die Bedrohungslagen im Cyber- und Informationsraum. Hier entstand eine vollkommen neue, bislang unbekannte Dimension mit ebensolchen Aufgabenstellungen.
Die amerikanischen Streitkräfte reagierten hierauf sehr erfolgreich mit dem Konzept „VUCA“, um den auftretenden asymmetrischen Bedrohungen begegnen zu können. VUCA ist ein Akronym und steht für volatility, uncertainty, complexity und ambiguity (Volatilität/Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität, Mehrdeutigkeit). Doch dazu im Verlauf des Buches unten mehr.
Was hat dies alles nun mit Führung in Unternehmen, Verwaltungen oder anderen Organisationen zu tun?
Das einleitende Beispiel zeigt sehr plastisch, wie unerwartet schnell ein Szenario auftauchen kann, mit dem man nicht gerechnet hat und auf das man nicht konkret vorbereitet ist. Aber man muss handeln; und zwar sehr konkret! Corona ist VUCA pur! Und Corona verlangt gute Führung! Leider suchte man vielerorts vergeblich nach ihr …
Hinzu kommt die erwähnte Feststellung, dass Führungskräfte selten so gut auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet werden, wie es erforderlich wäre. Um das zu erkennen, benötigt es keiner „Großszenarien“. Es sind die täglich zu treffenden Entscheidungen im normalen „Management- und Führungsalltag“, die dies zu Tage fördern.
Das Buch, das Sie gerade in Händen halten und lesen, zeigt Ihnen klar auf, welche Herausforderungen die VUCA-Welt für jede und jeden bereithält, die oder der entsprechende Verantwortung trägt oder zukünftig tragen wird. Das Verinnerlichen, also das Kennenlernen und das Erlernen der Anwendung von „Cimilitary Leadership“ wird Ihnen eine Hilfe sein, wenn es darum geht, den Herausforderungen als Führungskraft, egal, ob als Newcomer oder als alter Hase, egal auf welcher Ebene und egal, in welcher Organisation, gewachsen zu sein.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Freude beim Gewinnen neuer Erkenntnisse und bei der Weiterentwicklung Ihrer (Führungs-)Persönlichkeit.
Prof. Dr. Wolfgang Benzel
Peter Bohrer
Diplom-Kaufmann und Steuerberater
Diplom-Kaufmann
Multi-Unternehmer
Managementberater
Oberst d. R.
Generalleutnant a.D.
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