Fünf Stücke - Peter Fischer - E-Book

Fünf Stücke E-Book

Peter Fischer

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Beschreibung

Fünf Theaterstücke vom Boulevard bis zur (grotesken) Welttragödie, von der grauen Vorzeit bis in die glänzende Gegenwart.- "Apfelböck" ist eine wahre Mordgeschichte aus der Umwelt des I. Weltkrieges.- "Der Erzherzog" findet sich nicht in der Haus-und Kriegswelt zurecht.- "Übü Imperator" zeigt das Fortleben eines altbekannten Helden unter uns.- Bei "Amphitryon" geht es verrückter zu als bei Kleist.- "Carmen und Holofernes" ist eine zerreißende Zweierbeziehung. Der böse Bube muß sterben. Tod, Verderben und Poesie in allen Stücken.- Ein Schuft, der dabei an Politik denkt!

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Seitenzahl: 389

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Peter Fischer, Fünf Stücke

© 2013 Peter Fischer

Aufführungsrechte: Bühnenvertrieb Pescador. Dr. Peter Fischer

Titelbild: Lisa Rockford, Judith und Holofernes. Mit freundlicher

Genehmigung der Künstlerin.

Gesetzt in der Book Antiqua 12 Punkt.

Umschlag, Satz und Lektorat: Pescador

Verlag tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-8495-7489-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Peter Fischer

5

S t ü c k e

Apfelböck. Der Erzherzog.

ω

Übü Imperator.

ω

Amphitryon und diese Herren im Hause.

ω

Carmen & Holofernes.

HAMLET: Now, mother, what’s the matter?

Hamlet, 3.4.6

„Abercrombie had a Zombie“

Fats Waller

PISTHETAIROS: Dort ein Rebhuhn, ei der Tausend!

Hier ein Haselhuhn! Und hier,

Sieh, da patscht ´ne Wasserente, ein Eisvogelweibchen dort

Aristophanes, die Vögel, 1. Szene

Stück 1, Apfelböck

Ein Spiel in der Kammer & mit einem Volksempfänger

Was soll da jetzt eine himmelschreiende Lüge sein?

Horvath, Kasimir und Karoline, 89. Szene

Die sichtbaren Personen:

Joseph Apfelböck, Vater.

Maria Apfelböck, die Mutter.

Apfelböck Joseph, Beppi geheißen, beider Sohn.

Der Richter, im vollen Ornat.

Volksempfänger, stumme Rolle.

Kasperl, eine Stab-Puppe. Apfelböck zaubert sie bei Gelegenheit hervor, und spricht mit anderer Stimme deren Text.

Der Volksempfänger ist stets im Bühnenhintergrund, glänzend in seinem Bagellit und bedrohlich. Er kann in die Handlung einbezogen werden.

Ort der Handlung ist eine schäbige und erdrückende Wohnung.

Die Bühnenmusik ist von kalter Volkstümlichkeit. Der Gesang Apfelböcks liegt irgendwo zwischen Mahler und Eissler.

Apfelböck schleppt eine Totenkiste mit sich herum, die sich in ein Ruderboot, einen Sarg, oder etwas anderes verwandeln kann.

Die Skizze „Apfelböck und der Volksempfänger“ zeichnete Gabriele Fischer

Prolog

Apfelböck mit der Stabpuppe des Kasperl.

Ihr seht jetzt eine schlimme Sache,

Das Leben geht ganz gräßlich unter,

Das Schicksal nimmt fürchterlich Rache,

Und so was macht uns alle munter.

Vom Himmel fällt ein Vogelschiß,

Und dazu mancher Regentropfen,

Tränen sind euch auch gewiß,

Die Angst muß man zustopfen.

Bleiben allerhand Aussichten,

Alte Besen kehren gut,

Staub will nicht unter einen Hut,

Man kann sich ein- oder hinrichten.

Nun bleibet alle ruhig sitzen,

Wenn auch der Schädel heftig dampft,

Und seht das Stück nun unverkrampft,

Davon gerät niemand ins Schwitzen.

Ach, laßt auf der Bühne geschehen,

Das Stück, das ihr schon oft gesehen.

Vorspiel

Apfelböckische Wohnung. Schlafzimmer rechts, die Wohnküche links. Balkon im Vordergrund ganz rechts.

Am Anfang liegen die Eltern tot im Schlafzimmer herum, die Mutter im Vordergrund. Apfelböck sitzt auf seiner Kiste, in der Wohnküche, und brütet. Ein Schuß fällt. Apfelböck fährt zusammen. Die Mutter erhebt drohend den Zeigefinger. Der Vater dreht sich um.

APFELBÖCK. Jetzt geh ich nach Amerika. Sofort und heutzutage geh ich nach Amerika. Siehe, wo die Eltern jetzt fort sind. Allerdings sind sie verreist. In dem Zeitpunkt hier muß es gehen. Sie sind auf das Land gefahren, weil vor der Tür die Ernte steht. Da müssen sie helfen, der Verwandtschaft und auch so. Ernte und basta. Du wartest ein Weilchen, gell, Joseph versteht. Und dann fahren wir nach Amerika. Er macht einen Luftsprung. Wir fahren alle nach Amerika, und ich auch. Das macht uns eine Freude, die machen wir uns. Wenn ich erst da bin, können der Vater, sowie meine Mutter, wieder nachhaus zurück. ich bleib dann schon. Wir sind endlich nach Amerika gegangen. So was Schönes. Ich glaub, mich laust der Affe. Dies hat es in meinem ganzen Leben noch gar nicht gegeben. Gleich werd ich verrückt. Mein Gott. Das jetzt. Das mir. Vom Glück hab ich nie so was gehabt, sowieso nicht. Halt, Joseph, stimmt doch nicht, so auch oder so. Du sollst mich nicht immer anlügen, Joseph. Brüllt. immer diese Schweinereien. Wer wird denn so etwas tun. Verfluchte alte Scheiße, Joseph, schäm dich! Er öffnet seine Kiste, räumt sie aus und räumt sie wieder ein. Nichts, nichts, garnichts war. Dreck und Meckern. Die Mutter, im Schlafzimmer, droht mit dem Zeigefinger.

Soll ich was, aber soll ich was sagen. Undankbarkeit wird von der Hölle gezahlt. Pfui, Joseph, daran denkt man nicht. Man denkt an eine Reise, man geht eben nach Amerika, man geht alle miteinander, alle miteinander. Reisen, das ist was Schönes, hinweg. Jeder reist dahin und dorthin. Das weiß doch jeder. Gell, Joseph, also ich habe nichts zu klagen. Unzufrieden will ich garnicht sein. Es geht schon. Hin und her. Was hätte ich zu klagen, bitteschön. Alles und alles, auf und ab, alles nach Amerika. Oh du mein Amerika, da geht man hin. Gell Joseph, der Mensch geht hinweg. Der Vater fahrt nach Amerika, die Mutter fahrt nach Amerika. Ich darf heut auch einmal mitfahren, Joseph, ich darf mit. Jeder geht seinen Weg. In der früheren Zeit hab ich es bereits gewußt…und gesehen, glaubs mir, gesehen. Mein Gott im Himmel liebt mich. Er macht die Mitteilung, wo mein Glück mit mir hinauswill. Laß deinen Kelch nicht an mir vorübergehn, sonst hab ich in Amerika nichts zum Trinken. Da ist der Weg direkt nach Amerika, und die Luft ist auch die, wo unser Schiff nach Amerika treibt. Gleich sind wir da, gell, Joseph. Das kann ich jederzeit zur Angabe bringen. Allein ist mir elend. Ojesses.

Er geht durch das Schlafzimmer-dabei steigt er über die toten Eltern hinweg-zum Balkon und blickt in die Ferne.

Dann geht er in die Küche zurück, setzt sich in seine Kiste; und fängt an, zu rudern.

ERSTER AKT

Die Apfelböcksche Wohnung. Die Eltern liegen immer noch im Schlafzimmer. Apfelböck schläft auf seinem Sofa in der Wohnküche.- Großer Lärm in den Kulissen. Die Tür zur Wohnküche fliegt auf. Der Richter bricht herein. Er ist sehr groß und breit, und mit einem weiten Paletot bekleidet. Er führt einen Knotenstock mit sich. Er tritt zum Tisch, schlägt mit dem Stock auf den Tisch und brüllt stark.

RICHTER. Aufstehen! Pause Setzen! Geht um den Tisch. Ruhe, sage ich, Ruhe. Alle mal herhören. Sofort. Er geht mit großen Gesten in der Wohnküche umher und spricht in Richtung Schlafzimmer. Na, wird’s bald. Heh, ho! Das Landgericht für den Bezirk Kreuzgarten hat in seiner Sitzung vom… vom… halt vom Soundsovielsten in der Strafsache gegen Apfelböck, Joseph…Wer hat ihn gesehen?

MUTTER. Bravo, sehr gut.

RICHTER. …wegen Mordes und anderem auch folgendes Urteil erlassen.

MUTTER.Zum Vater. Ja willst du denn nicht aufstehen. Wenn ein Herr kommt, steht man auf, gefälligst. Hopp, hopp. Prompt. Adrett.

RICHTER. Apfelböck, Joseph, geboren 20. April 1903, hier, katholisch, ledig, Elektromonteurslehrling…

MUTTER. Faulenzer.

RICHTER. Seit 18. August in Untersuchungshaft, hier, wird wegen zwei Verbrechen des Mordes in sachlichem Zusammenhang …

MUTTER. Unsinn. Zusammenhang.

RICHTER. …zur Gefängnisstrafe von fünfzehn Jahren und in die Kosten verurteilt.

MUTTER. Wenn das nur reicht. Ein Lump wie der verdient den Tod, und in die Höll gehört er immerhin. Wenigstens ist ein Machtwort gesprochen. Wenn ich was sage, auf mich hört niemand. Das ist eine Unverschämtheit, die in den Himmel stinkt. Ich könnte davon krank werden. Wie soll man jetzt noch die Welt verstehen.

RICHTER. …Eingezogen wird die zu der Tat benützte Pistole samt Munition. Die Mutter erhebt sich und lugt in die Küche hinein. Beschluß: Dem Angeklagten wird im Hinblick auf die Schwere der Tat und Verfehlung Bewährungsfrist versagt. Die Mutter klatscht in die Hände. Sie geht auf den Richter zu, und macht einen Knicks.

MUTTER. Aufstehn, Vati, aufstehn. Wir haben Besuch.

VATER. Laß mich einmal in Ruhe.

MUTTER. Aber das ist ein hoher Besuch, und der Herr ist vornehm. Los, rühr dich, dalli, alte Suffkuttel.

VATER. Du kannst mich mal. Und wie.

MUTTER.Zum Richter. Entschuldigen sie, mein Mann ist etwas langsam von Begriff. Geht ins Schlafzimmer. Genug geschlafen, auf jetzt, auf. Wovon sollen wir leben, wenn du ewig im Bett liegst. Soweit wird es noch kommen, daß du uns an der ausgestreckten Hand verhungern laßt. Sie tritt gegen das Bett. Merkst du nicht, wie du dich ganz und gar unmöglich benimmst.

Sie schiebt ihn in die Küche. Beide machen eine tiefe Verbeugung im Rücken des Richters.

MUTTER. Darf ich vorstellen, mein Mann. Stößt ihn an. Los, sag auch du etwas.

VATER. Gelobt sei Jesus Christus.

MUTTER. Laß den Quatsch, was Rechts mußt du sagen.

VATER. Morgenstund hat Gold im Mund. Und manchmal nicht. Es kommt auch Moder vor.

MUTTER. Dir fallt wirklich nichts Besseres ein? Rindviech.

VATER. ich weiß aber nicht, was ich sagen soll.

MUTTER. Was wird der Herr von uns denken.

VATER. Von mir aber braucht er gar nichts zu denken.

MUTTER. Auch so etwas. Bravo. Jetzt fangst du an, schlau zu werden.

VATER. Was der von dir denkt, ist auch mir wurschtegal.

MUTTER. Dabei kommt es drauf an, was er von uns denkt.

VATER. Dir vielleicht, mir aber nicht, gar nicht, nein.

MUTTER. Was soll das heißen!

VATER. Oha, du glaubst, du hast die Zeitung in der Hand. Mein Heft. Und mein Skatblatt. Das könnte dir so gefallen.

MUTTER. Sie entschuldigen, Herr, er ist nicht immer so. ich kann ihnen garantieren, für die Zeit ihres Aufenthaltes, hier, daß er wird zur Rässong hinkommen. Wenn er sich sträubt, beachten sie ihn nicht. Das wird schon werden.

RICHTER. Na, das wird ja heiter. Der Vater will weglaufen. Die Mutter hält ihn fest.

MUTTER. Bitte, mein Herr, machen sie sich bequem. Wir stehen zu ihren Verfügungen da. Fühlen sie sich wie zuhause. Apfelböck zuckt im Schlaf zusammen. Sehen sie unsere bescheidene Bleibe ganz als die ihre an. Wann es sein muß, kann ich für sie kochen. Es wird seine Zeit brauchen, bis wir alles hinter uns haben. ich sorge für sie, so gut ich kann. Und ich kann sehr gut. Endlich begrüße ich sie als unseren allerliebsten Gast.

RICHTER. Verbindlichsten Dank. Wir wollen sogleich zur Sache kommen. Die Urteilsbegründung will ich ihnen keineswegs vorenthalten. Es geht mir einzig darum, sie in den Vollbesitz der Wahrheit zu bringen. Ich bleibe so lange, bis sie alles begriffen haben. Klar?!

MUTTER. Nichts leichter als das. Auf mich ist Verlaß. Das wissen doch alle. Fragen sie nur. Die ganze Nachbarschaft weiß es auch.

Die Mutter zieht dem Richter seinen Paletot aus, sehr langsam. Man sieht jetzt, daß er auf dem Kotburn geht. Unterm Paletot kommt ein Art von Priestergewand zum Vorschein.

VATER. Was will er eigentlich von uns.

MUTTER. Sei still, von solcherlei Dingen, mein lieber Schwan, verstehst du nichts. Laß mich mal machen. Der Herr Richter versteht mich.

VATER. Aha. So ist das. Und wie kommt das?

MUTTER. Quatsch nicht blöd in der Gegend herum. Steh nicht blöd in der Gegend herum, und denk nicht blöd in der Gegend herum.

RICHTER. Liebe Maria, ich bitte sie, diese Zänkereien bringen uns nicht sehr viel weiter.

MUTTER.Erschrocken und geschmeichelt. Woher wissen sie, mein Herr, wie ich heiße, meinen richtigen Namen.

RICHTER. Apfelböck Maria, verehelicht mit Apfelböck Joseph. Und dieser da, er ist dein Sohn, Beppi, und dergleichen mehr. Brüllt. Aufstehen-Sitzen-Ruhe…Ich weiß alles. Ich kann alles. Nur zaubern nicht. Das brauch ich nicht. Es geht auch so. Zaubern, das ist für kleine Kinder. Aber darum geht’s hier nicht. Grundsätzlich nicht.

VATER. Was er nicht alles sagt.

RICHTER. Gelernt ist gelernt, mein lieber Freund und Sportsgenosse. Da staunste, wa.

Die Mutter zieht dem Richter langsam und liebevoll das Priestergewand aus. Er ist jetzt in seiner Robe.

VATER. Wer hätte sich das denken können.

RICHTER. Aufstehen-Sitzen-Ruhe. Wird’s bald.

Die Mutter zerrt Apfelböck an der Ohren vom Sofa auf die Bank vor den Richtertisch/Küchentisch..

MUTTER.Zum Vater. Räum’ die Sachen weg. Dalli. Immer diese Unordnung hier. Wer soll das aushalten. Alles muß man dreimal sagen, und niemand macht was.

Der Vater trägt den Paletot und das Priestergewand ins Schlafzimmer, legt alles sorgfältig aufs Bett. Das macht er auch mit den Kleiderstücken, die noch folgen werden.

RICHTER. Die Sache braucht nicht weit hergeholt zu werden. Am 18. August, diesjahr, wurden im Hause Lothringerstraße Nummer elf, hier, die dort wohnenden Eheleut Joseph und Maria Apfelböck tot aufgefunden. Die Sektion der schon stark in Verwesung übergegangenen Leichen ergibt, daß die Frau durch einen Schuß in die Brust, mit anschließender innerer Verblutung, der Mann mit größter Wahrscheinlichkeit durch einen Schuß in den Leib und außerdem durch vier Stiche-zwei in Brust beziehungsweise Hals, und zwei in den Rücken-umgekommen war.

MUTTER. Mein Gott, hab ichs nicht immer gesagt. Soweit mußte es kommen! Eine dumme Geschichte. Wirklich.

RICHTER. Als der Tötung der Eheleute verdächtig wurde alsbald ihr leiblicher Sohn, der heutige Angeklagte, der zu dem Zeitpunkt sechzehn Jahr alt war, verhaftet. Er legte auch nach kurzer Zeit ein Geständnis ab. Das führt uns in der Sache weiter.

APFELBÖCK. Herr Richter, sehen sie, das ist nicht die Wahrheit. Ich wollte nach Amerika, und meine Eltern waren dann verschwunden.

Die Mutter will dem Richter ihren Hausmantel umhängen. Der Richter versucht sie abzuwehren, wie eine lästige Wespe.

RICHTER. Wie und unter welchen Umständen die Tat geschah, wird mit voller Sicherheit nie aufgeklärt werden können, da als einzige Tatzeugen die Getöteten selber in Betracht kommen.

Die Eltern machen eine Verbeugung gegen den Richter.

Man ist darauf angewiesen, was der Angeklagte seinerseits selbst über den Hergang der Tat angegeben hat.

KASPERL/APFELBÖCK.Im Singsang:

Ein Apfelböck, das muß nicht sein,

Bald bricht die ganze Welt herein.

MUTTER. Darauf würde ich nichts geben, mein gnädiger Herr. Wissen sie, er hat immer nur gelogen, mein Herr Sohn. Wer faul ist, der lügt auch noch. So sags ich. So ist es.

RICHTER. Das mag im Großen und Ganzen der Wahrheit entsprechen. Im einzelnen wird man bei seiner Neigung zur Unwahrhaftigkeit erhebliche Zweifel hegen können. Wie die Vernehmungen ergaben.

VATER. Das hätt ich mir nicht gedacht, daß er sowas macht. Bringt er seine eigenen Eltern um. Mich hätt er doch auslassen können.

MUTTER. Ein verlogenes Aas ist der. Ich hab ihm nie über den Weg getraut.

RICHTER. Frau Apfelböck, mischen sie sich nicht in meine Angelegenheiten hinein. Haben sie die Akten studiert oder ich.. Schon hinsichtlich der Tatzeit ist die Behauptung des Angeklagten, daß am 29. Juli, diesjahr, das Ereignis geschehen sei, offenbar unrichtig, denn spätestens am 29. Juli, wahrscheinlich aber schon am 28., hat er der Zeugin Dobler erzählt, daß seine Eltern aufm Land seien. Na, ausgerechnet dort.

APFELBÖCK. Das stimmt. Meine Eltern sind auf dem Land, und wenn sie wiederkommen, fahren wir gleich selber nach Amerika. Das habe ich mir schon lange ausgedacht. Es so zu machen.

MUTTER.Kreischt. Verlogen, verlogen, alles ist verlogen. Total!

APFELBÖCK. Doch, ich weiß es genau. Wie ich noch klein war, so ein Kind, hat die da gesagt, wir fahren nach Amerika, der Schweinsbraten fliegt in der Luft, weil es dort schöner ist, die Knödel hängen an Fäden, und auf dem Rathaus gibts Faniljeeis. Ich weiß. Ja, ich weiß das.

RICHTER. Damals waren sie also schon getötet. Andererseits sind sie im Laufe des 26. Juli noch gesehen worden. Die Tat muß demnach zwischen dem 26. und 29. Juli, diesjahr, verübt worden sein, und zwar hat sie sich, nach der Schilderung des Angeklagten, in der folgenden Weise zugetragen.

APFELBÖCK. Nein, ich hab niemand vom Leben gebracht, überhaupt schon meine Eltern nicht. Ich weiß das. Da könnt jeder herkommen, und dies sagen, und jeder um die Ecke kommen, und wieder was sagen. Ich hab’ nichts und niemand vom Weg abgebracht.

MUTTER. Halt den Rand. Du hast hier nichts zu melden. Da herum oder um die Eck’ herum. Oder in der Ecke. Na, dort geht’s auch.

VATER. Aber der Kerl, Herr Richter, muß erst einmal vernommen werden.

KASPERL/APFELBÖCK.Im Singsang:

Der Vater war im Krieg,

Er hatte keinen Sieg,

Da kam er in die Not,

Und war zuhause tot.

RICHTER. Alles schön der Reihe nach. Erst brauchen wir dann eine Anzeige. Das wollen sie übernehmen, Herr Apfelböck. Aber dalli.

VATER. Wenn so was sein muß.

RICHTER. Es muß sein, das glauben sie mir. Herr Apfelböck, so etwas muß sein. Das sieht doch jeder Specht. Oder wollen Sie etwa nicht?!

VATER. Na klar, also, ich mach’s, klar, was ist, das wird gemacht, und das geht dann auf ihre Kappe, mein hoher Herr Instanz.

Der Vater nimmt links neben dem Richtersessel/ Küchenstuhl Platz. Die Mutter zieht dem Richter einen gewöhnlichen Straßenanzug an. Dann setzt sich der Richter in den Volksempfänger

VATER. Sei brav, Beppi, hör mir gut zu, damit du auch genau weißt, was passiert ist. Immer der Wahrheit die Ehre. Das hat auch mein Vater gesagt, und der war kein schlechter Mensch. Das kannst du mir glauben. Ich glaub’s doch auch. So ist der Mensch. So war er und so bleibt er.

APFELBÖCK. Und ich? Ich hab’ noch rein gar nichts gesagt. Hin oder her.

VATER. Zuhören sollst du. Das gehört sich. Ich mach’s dir auch vor.

APFELBÖCK. Von mir aus. Und wo bin ich.

VATER. Nimm dich zusammen. Ich tu auch nur, was ich kann. Hör mir zu. Aufgrund Mitteilung des Holmer Franz und Zelmer Anton, Zeugen, und gepflogener Erhebung bringe ich folgendes zur Anzeige an das Hohe Gericht.

MUTTER. Kannst du dich nicht besser ausdrücken. Sie entschuldigen, Herr Richter, mein Mann hat nicht viel Bildung. Grade daß er etwas lesen und schreiben kann. Er hat eine Saupfote und im Leben nie ein Buch gelesen Ich schon, ich bin was besseres gewöhnt.

VATER. Und wenn ich dir sage, daß auf dem Papier steht, wie ich’s so sage! Gerade so. Ich kann schon sagen, was ich sehe.

MUTTER. Mein Gott, wen interessiert das

VATER. Wenn ich’s dir aber sage. Das Gericht wills hören. Bitte. Hier sind die Akten.

MUTTER.Schaut ihm über die Schultern. Was hab ich gesagt, nichts steht auf dem Papier. So ist es eben, und in der ganzen Welt. Niemand glaubt mir, keiner hört auf mich. Niemand hört mir zu. Ein Jammer. Ach! Apfelböck schleicht sich weg und legt sich aufs Sofa.

KASPERL/APFELBÖCK.

Soll ich ein Haufen Leute sehen,

Wird mir der Arsch mit Grundeis gehen.

VATER. Am siebzehnten August, gegen zehn Uhr morgens kamen der Holmer und der Zelmer auf die Wache, und machten Mitteilung, daß aus der Wohnung der Eheleute Joseph und Maria Apfelböck, Lothringerstraße 11, zweiter Stock links, verwesender Geruch vernehmbar sei.

APFELBÖCK. Nein, nicht, verwesender Geruch nicht. Vom Meer her frischer Wind, wann wir nach Amerika fahren. Nach Argentinien können wir übrigens auch gehen, meinst du nicht. Komm doch, wir machen eine Auswanderung nach Amerika, und Argentinien. Wir haben genug Zeit, diese Überlegung herzustellen, wie es auch gestattet ist, jederzeit nach Australiam zu fahren. Wind muß sein, aber Wind muß sein, der Wind-weißt du-der da wo immer da ist-ein alter Wind-ich meine-du weißt noch, her muß er kommen, frisch, jetzt gleich, zur Fortbewegung des Schiffes über den Ozean hinweg. Gell, das Schiff braucht einen Grund, daß es fährt, Joseph, es steht in einem Buch, wo ganz oft Reisen vorgekommen sind. Hat die Mutter gesagt, das ist ein Räuberroman, es gibt auch welche, die heißen Schundroman. Jetzt ist das so. So oder so. Er schiebt die Kiste zum Schlafzimmer und wieder zurück. Richter und Mutter lachen schallend. Im Kino gibt es lauter Verbrechergeschichten. Diese sind wie die Schundromane. Man soll nie daran denken, weil man sonst auf die schlechten Gedanken gebracht wird. Also, wir lesen das nicht, Beppi. Ich geh lieber ins Kino. Dann weiß ich, wo ich dran bin. Immerhin. Das sind Bilder…sie bewegen sich. Bleibt kein Stein auf dem andern…

MUTTER.Zum Vater. Du kannst auch einmal etwas Vernünftiges machen. Bring’ mir gleich ein Gewand von diesem Herrn da, dem Herrn Richter her. Ich glaube, ich muß etwa dran flicken. So kann er doch nicht herumlaufen.

VATER. Dumme Gans.

MUTTER. Das nimmst du sofort zurück.

VATER. Wohin du willst. Weder vorwärts noch rückwärts.

MUTTER. Auf der Stelle!

VATER. Du kannst mich einmal. Aber nicht mehr. Das reicht. Was willst du denn!

MUTTER. Vor deiner dreckigen Visasche laufen noch die Sauen davon. Du Dreckspfote. Du Ungewaschene. Dabei hab ich Ata im Haus.

VATER. Mein Gott, was für ein Haufen Gift.

MUTTER. Sag das noch einmal.

VATER. Ich sage gar nichts mehr.

MUTTER. Die Augen kratz ich dir aus.

VATER. Mach nur, dann kannst du sie nicht mehr putzen.

APFELBÖCK. Ich bring mich um, ich bring mich weg, ich bring mich fort, um und um; und wieder weg, um und um.

MUTTER. Jetzt mault auch der noch.

APFELBÖCK. Ich sag nichts, ich sag doch gar nichts, gell Joseph, lieb bist zu deiner Mutter du. Ein Apfelböck hat kein Wort gesagt, was soll er tun, er hat keins. Hinweg und weg, und ausgeleert. Brav, Beppi, hoppla bist mir brav. Immer gut…Immer lieb.

MUTTER. Jetzt sind hier endlich alle verrückt. Ein Saustall ist das. Da soll man Grund hinein bekommen. Ach Gott, meine Nerven. Das bringt kein Mensch mehr in Ordnung. Komm her Beppi, komm zu mir. Bekommst ein Kußlein, ein recht süßes Busserl, denn du bist nicht einer wie dein Vater, mein Beppi du. Du bist nicht so.

APFELBÖCK. Gell Joseph, mein Beppi du. Ein Busserl. Bin nicht so. Ich nicht so.

MUTTER. Sag ich’s doch. Hab’s immer gewußt.

VATER. Soso und aha. Von einem Sohn der Vater sein ist eine Schande. Man hat es weit gebracht in einer schönen Welt.

KASPERL/APFELBÖCK.

Auf dem Weg zu der Erlösung,

Braucht Apfelböck noch eine Stößung.

MUTTER. Warte…! Ich schneid dir das Maul ab. Dann kannst du flöten und dröhten.

VATER. Das ändert auch nicht mehr viel.

Er geht ins Schlafzimmer und kramt im Kleiderschrank. Währenddessen tänzelt die Mutter um den Richter herum, bietet sich obszön an.

MUTTER. Mein Herr, es wird Zeit, daß jemand anfangt, was zu tun. Oh, ich weiß, was sie denken. So kann das nicht mehr weiter gehn. Wie recht sie haben, und ich danke Gott, daß sie zu uns gekommen sind. Wenn sie nicht für die Ruhe sorgen, bricht alles zusammen. Und das will doch niemand.

Ich bestimmt nicht. Oder wer? Jaja, ich weiß schon, Verbrecher, die wollen alles durcheinander bringen.

VATER.Stellt sich vor Apfelböck, der auf dem Sofa kauert. Komm’ her, mein Sohn, nimm Vernunft an. Du hörst mir genau zu, sonst setzt es was. Der Mensch braucht eine Führung, eben wenn er jung ist, damit er auch weiß, wo es jetzt hinausgeht.

APFELBÖCK. Hinausgeht.

VATER. Daß er sich zurechtfindet. So ein junger Kerl. Der Herr Sohn.

Apfelböck erhebt sich zitternd von seinem Sofa. Er will aus der Wohnung hinausgehen. Die Mutter hält ihn zurück und drückt ihn auf die Bank vorm Tisch.

VATER.Liest aus dem Protokoll. Den Hauseinwohnern gegenüber äußerte der Sohn Joseph, der seit drei Wochen die Wohnung der Eltern allein bewohnt, daß dieselben auf dem Land zur Ernte seien. Sie hätten es schon lange vorgehabt.

APFELBÖCK. Ernte! Mähen. Ab das Gras. Weg die Schlüsselblumen. Heißa hurrah, dann fahren wir nach Amerika, wenn sie da sind, wieder. Diese Leute. Was muß das eine schöne Reise sein, wenn ich mir so denke, sechzehn Jahr.

VATER. Eine sofortige Überzeugung und eine Durchschau im Hause Lothringerstraße 11, zweiter Stock links, ergab, daß wirklich starker Leichengeruch aus der Wohnung kam.

APFELBÖCK. Nein und nicht. Was da vom Meer her kommt, riecht mehrfach anders. Auch vom Land. Wind und dicke Wolken. Oh. Seht nur.

VATER. Durch den Vizewachmeister von diesselbiger Abteilung und von mir selber wurde der Wohnungsgang der Familie Apfelböck gegen Viertel nach Zehn gewaltsam geöffnet, und in der Küche befand sich eine sargförmige Kiste auf dem Boden bereitgestellt.

APFELBÖCK. Richtig ist die Sach beim Namen genannt, und es kann auch Nachprüfung jederzeit erfolgen, indem diesgenannter Gegenstand vor aller Augen sich hierselbst befindet. Eine Stimme sprach mir, Joseph, du wirst eine Kiste nageln. Wie ich damit fertig war, sagte ich zu meinem Vater, sie kann auch fliegen, wie schwimmen zumal. Darauf ist durch denselben, hier, Beppi, in der Lothringerstraße 11, zweiter Stock links, eine Ohrfeige an mich erfolgt.

VATER. In dem Schlafzimmer, welches von der Küche aus zugänglich ist und ebenfalls versperrt war, wurden eine männliche und eine weibliche Leiche in verwestem Zustand gefunden.

APFELBÖCK. Was kann man dagegen sagen? Und machen. Es ist wie es ist, das sagen die Leute.

MUTTER. Die Hammelbeine sollte man ihm langziehn.

VATER. Der Mann lag vollständig bekleidet auf dem Boden am Rücken, und zwar am Fußende der beiden Betten, die in der Mitte des Zimmers stehen, und die Frau nackt davor.

APFELBÖCK.Springt auf. Das ist nicht wahr. Das ist bestimmt eine tiefe Niedertracht, wer mir das gelogen hat! Wenn ich das Schwein erwische. Dann setzt es was. Das kann ich euch sofort verkündigen.

VATER. Nachdem um die beiden Leichen Spuren von größeren Blutlachen ersichtlich sind, so dürfte zweifellos Doppelmord vorliegen.

APFELBÖCK. Ich war’s nicht. Das beweist Gott.

MUTTER. Das kann jeder sagen. Hoppla.

Apfelböck. Ein wahrer Gottesbeweis.

VATER. Die von mir gepflogenen Erhebungen ergaben, daß die beiden Apfelböck seit circa drei Wochen nicht mehr gesehen wurden, weshalb dieselben seit dieser Zeit sich verstorben im ehelichen Schlafzimmer befinden dürften. Als Täter kommt ihr einziger Sohn, Joseph Apfelböck, jetzt in Betracht.

APFELBÖCK. Ich war’s aber nicht. Halt! Und wer war’s? Ich kann’s euch sagen.

MUTTER. Er war es natürlich nicht, der Herr Sohn. Vielleicht der Weihnachtsmann. Oder das Christkindl.

VATER. Derselbe Joseph Apfelböck hielt sich seit der fraglichen Zeit in der Wohnung auf und soll nach dem Verschwinden der Apfelböckischen Eheleute mit Geld um sich geworfen haben.

MUTTER. Es kommt alles an den Tag. Auf mein Geld hat er es abgesehen, immer. Jetzt weiß es alle Welt, bitteschön. Er hat mir die Kleider genommen, und das Geld. Das Leben ist auch nichts wert.

APFELBÖCK. Ich war’s nicht. Es muß wer Schlimmes gewesen sein.

RICHTER.Springt aus dem Volksempfänger. Das wird man sehen. Jetzt nehme ich die Sache in die Hand. Aufstehen! Sitzen! Ruhe!

Frau Apfelböck geht mit dem Richter ins Schlafzimmer. Man hört Lachen und Quietschen.

Vater und Sohn schauen sich blöd an. Dann verkriecht sich der Vater im Volksempfänger.

Es wird langsam dunkel.

Nach einer kalkulierten Pause tauchen Kasperl/Apfelböck im Licht des Punktscheinwerfers auf.

KASPERL/APFELBÖCK.Im Valentin-Ton.

Der Vaddr war im Krieg,

Er hatte keinen Sieg,

Da kam er in Not,

Und war im Leben tot.

ZWEITER AKT

Der Richter, im Schlafzimmer, hat sich im Ehebett eingerichtet, Akten und Gesetzbücher um sich herum. Der Vater sitzt, in der Wohnküche, zusammengesunken am Tisch, Apfelböck auf der Bank. Frau Apfelböck geht vor ihm auf und ab, Hände auf dem Rücken.

APFELBÖCK. Ich gebe auch heute noch zu, daß ich…

MUTTER. Du gibst zu, daß du-ha, du und was sagen, du hast nichts zum sagen, du hast nichts zum sagen gehabt, du wirst nichts sagen. Klar.

APFELBÖCK. Doch, ich gebe auch heute noch zu, daß ich die Mutter verpaßt ihm eine Ohrfeige, daß ich Ohrfeige, daß ich meine Eltern getötet habe. Ich hatte Ohrfeige ich hatte nicht von vornherein die Absicht gehegt, meine Mutter aus dem Weg zu schaffen, vielmehr haben meine Freunde allerdings mir erzählt, man hat es dann schöner, wenn man ohne Eltern ist. Ich habe mir überlegt Ohrfeige, ich habe mir lange überlegt Ohrfeige, ich habe mir wirklich Ohrfeige sehr lange überlegt, ob das recht sein kann, was mir meine Freunde sagen. Zu einem Schluß bin ich nicht gekommen, und kann auch heute nicht angeben, ob das stimmt, daß wir jetzt nach Amerika fahren, ich wollte nach Argentinien sagen und Australiam Ohrfeige. Ich hatte nicht von vornherein die Absicht gehegt, meine Mutter zu verteidigen, sondern ich wurde darüber zornig, daß sie an diesem Abend fortgesetzt auf mich einschimpfte, und plötzlich kam mir da der Gedanke…

RICHTER. …Der Gedanke. Oha…! Sowas will Gedanken haben.

APFELBÖCK. Ich habe mir nunmehr, klar, also gedacht…Richter und Mutter lachen…bestimmt, so ist es gewesen. Ich habe mir gedacht, wenn es ohne die Eltern schöner war, dann begebe ich mich hinweg, ich gehe hinfort. Eine weitere Überlegung Lachen hat mir ergeben, daß ich von selber nach Amerika fahre. Wenn ich dort angekommen bin, und dann, was mach ich. Niemand kennt mich in Amerika, keine Person, und plötzlich kam mir der Gedanke…daß es…

RICHTER. Jetzt heraus mit der Sprache. Du gibst zu, daß du dich aus dem Staub machen wolltest, mir nichts, dir nichts. Diese haltlosen Menschen sind uns sehr gut bekannt.

APFELBÖCK. … daß es, als sie mir vom Zimmer aus in die Kuchl nachging, die günstige Gelegenheit sei, sie niederzuschießen. Lachen… Ich schoß auf kurze Entfernung mit meiner Pistole, die ich ständig geladen in der Hosentasche trug. Lachen.

MUTTER. Her mit dem Ding, mein Freundchen, und ein bißchen plötzlich. Sie wühlt brutal in allen seinen Taschen und kehrt sie nach außen. Apfelböck wehrt sich vergeblich.

APFELBÖCK. Nein. Aufhören, du tust mir weh.

MUTTER. Her mit dem Ding.

APFELBÖCK. Die Pistole und die Munition sind vom Gericht eingezogen worden.

RICHTER.Im Schlafzimmer. Gelangweilt. Stimmt. Völlig richtig. Einmal lügt er nicht.

MUTTER. Glauben sie ihm nichts. Er ist… ein Lump von Grund auf. Er hat nie auf mich gehört. Was hab ich da ändern können.

RICHTER. Nichts da mit glauben. Tatsachen…Tatsachen.

APFELBÖCK. Ich schoß einmal auf meine Mutter und traf sie in die Brust. Er schießt.

RICHTER. Sehr richtig. Tatsachen. Oh ja! Es gibt nichts schöneres.

MUTTER. Jetzt hört mir der liebe Seppel genau zu. Ich sag’ ihm, wie ich die Geschichte sehe. Da hat sich mein Herr Sohn schon wieder ein blödes Zeugs zusammengesponnen. Du kannst zugeben, was du willst. Du hast deine Eltern nicht, deinen Vater nicht, und schon gar nicht deine Mutter, umgebracht. Ich nehme an, du kapierst, was ich meine. Sonst setzt es was.

RICHTER. Ich darf doch bitten. Es bleibt bei den Tatsachen.

MUTTER. Ich scheiße auf ihre Tatsachen. Und damit basta!

RICHTER. Frau Apfelböck, wir wollen nicht übertreiben. In den Akten jedenfalls steht, er hat seine Eltern umgebracht, beide. Und das sind Tatsachen. Verstanden! Sonst werden sie vom Prozeß ausgeschlossen. Endgültig. Denn sonst werden wir zu keinem Ende kommen. Der Fall muß einmal abgeschlossen werden.

MUTTER. Wie sie wollen. Bittäh. Sie müssen ja Bescheid wissen. Und wie wollen sie das machen, hohes Gericht?

RICHTER. Es gibt Möglichkeiten. Das will ich meinen.

APFELBÖCK. Das stimmt, was der Richter sagt. Im übrigen weiß ich die Sachen am besten, weil ich die Ermordung selber getan habe. Das kann mir niemand absprechen.

MUTTER.Lacht scheppernd. Bei unserer Heiligen Frau von der Zugspitz…! Da lachen die Hühner, du und morden. Der Bub träumt in den Tag hinein, tut praktisch nichts. Dabei ist er überhaupt nicht krank oder schwach, im Gegenteil. Ein bißchen plemplem, aber durch und durch gesund.

Sie befingert ihn im Verlauf der Untersuchung rücksichtslos.

Hundertfünfundsiebenzig Zentimeter groß, ein guter Ernährungszustand, kräftige Muskulatur, mäßiges Fettpolster. Haut und sichtbare Schleimhäute etwas blaß, Gesichtszüge ein wenig plump. Im Ganzen, das kann sich sehen lassen.

RICHTER. Schädel.

MUTTER. Schädel. Laß mal sehen. Das haben wir gleich. Fronto-occipitalumfang vierundfünfzigeinhalb Zentimeter. Nirgends klopf-und druckempfindlich. Ohrläppchen nicht angewachsen. Auch sonst keine Degenerationserscheinungen an Schädel und Gaumen. Ein feiner Kerl. Jeder kann darauf stolz sein.

RICHTER. Zunge.

KASPERL/APFELBÖCK. Das Leben ist die Krönung Fortgesetzter Verwöhnung.

MUTTER. Zunge leicht belegt. Sie wird gerade und ohne Zittern vorgestreckt. Eine Beleidigung. Und das steht in den Akten. Unverschämt.

RICHTER. Hals.

MUTTER. Schilddrüse nicht nachweisbar verändert.

RICHTER. Thorax.

MUTTER. Thorax von normaler Konfiguration. Beide Seiten beteiligen sich gleichmäßig an der Atmung.

RICHTER. Lunge.

MUTTER. Überall Vesikuläratmen und keine Schallverkürzung.

RICHTER. Herz.

MUTTER. Das Herz ist von normaler Größe. Die Töne sind rein.

RICHTER. Puls.

APFELBÖCK. Puls und Puls. Ach, mein Herz.

MUTTER. Puls 90. Nach zehn Kniebeugen 96, gleich und regelmäßig.

RICHTER. Leib.

MUTTER. Leib weich, nicht druckempfindlich. Leber und Milz sind nicht nachweisbar verändert. Gliedmaßen o. B.

RICHTER. Das Nervensystem.

MUTTER. Ja, das ist so ein Punkt. Da kenn ich mich nicht aus.

RICHTER. Weiter. Keine Ausreden!

MUTTER. Lichtreaktion beiderseits positiv. Konvergenzreaktion beidseits positiv, und Sekundärreaktion positiv. Psychische Pupillenreflexe ergeben Schreck positiv und Schmerz positiv. Auch die geistige Arbeit positiv. Die Wiederholung der Psychoreflexe führte zu dem gleichen Resultat. Summa, das Bürschchen ist kerngesund. Wenigstens das hat es von mir.

APFELBÖCK. Ich sage doch, daß ichs bin. Hier und jetzt. Ich gebe euch alles zu. Alles was ihr wollt. Mein Gott.

MUTTER. Hat dich jemand gefragt.

APFELBÖCK. Nein.

MUTTER. Dann hältst du den Rand.

APFELBÖCK. Ich sags aber doch. Was soll ich sagen, wenn ich nichts sagen soll. Ich denk halt, daß ich was bin, dies und das. Hier… Da…Dort.

RICHTER. Na endlich.

MUTTER. Er spricht nur, wenn er gefragt wird.

RICHTER. Lassen sie den Kerl endlich zu Wort kommen. Der Fall muß schließlich aufgeklärt werden, und dazu gehört, daß der Täter Aussagen macht, wenn er will. Und er will!

MUTTER. Aber nur, wenn er gefragt wird.

APFELBÖCK. Nur Fragen. Fragen, ach.

RICHTER. Frau Apfelböck, sie werden von der Verhandlung ausgeschlossen.

MUTTER. Versuchen sie’s mal.

RICHTER. Nun wollen wir aber nicht schon wieder übertreiben

MUTTER. Ich und übertreiben. Fast könnt ich glauben, sie haben keine Ahnung, was hier gespielt wird. Ich weiß Bescheid. Und das langt wohl.

RICHTER.Weinerlich. Ich habe einen Auftrag durchzuführen und, das kann ich ihnen sagen, ich werde ihn ausführen. Voilà.

MUTTER. Jetzt fängt er ausländerisch an.

RICHTER. Ich muß meine Pflicht tun, verstehen sie das nicht. Unmögliche Person.

MUTTER. Was hat er denn, der Süße.

RICHTER. Sie bringen mich zur Verzweiflung.

MUTTER. Wer wird denn gleich übertreiben.

RICHTER. Ich vertrete hier Recht und Ordnung! Ich und sonst niemand. Ja wo komme ich denn hin.

MUTTER. Na wer sagts denn. Natürlich haben sie freie Hand, Richterchen.

RICHTER. Schweigen sie gefälligst.

MUTTER. Komm schon, komm schon. Für dich tu ich alles.

RICHTER. Ich möchte darum gebeten haben.

MUTTER. Keine Angst, ich verderbe ihnen das Spiel nicht.

Der Richter begibt sich in seinen Sessel in der Wohnküche. Apfelböck setzt sich mit seiner Mutter auf die Kiste. Der Vater erwacht und sagt dämmerig

VATER. Kann ich gehen?

RICHTER. Nicht so eilig, wir brauchen sie noch.

VATER. Ich weiß nicht, was ich in diesem Verfahren soll. Ich, schließlich, habe nichts getan. Und wo man sagt, ich sei ermordet worden, soll ich einen Zeugen abgeben? Völliger Blödsinn.

RICHTER. Sie halten sich zur Verfügung.

Der Vater versteckt sich im Kleiderschrank..

MUTTER. Ach, was ist das wieder für ein herrlicher Tag.

KASPERL/APFELBÖCK. Das Schwein sucht eine Trüffel, Die Sau kriegt einen Rüffel.

VATER.Aus dem Schrank. Man könnte an der glatten Wand hochgehn. Wenn sie nicht so dreckig wär.

MUTTER. Das will ich sofort überhört haben. Ich dulde keine Fälschung. Ich möcht mit niemand tauschen. In meiner Haut fühl ich mich wohl. In meinem Haus. Ich weiß, was ich wert bin.

VATER. Man möcht aus dem Häuschen geraten.

MUTTER. Es hindert dich niemand.

APFELBÖCK. Mir ist elend.

MUTTER. Sowas sagt man nicht. Wo kämen wir hin.

APFELBÖCK.Krümmt sich. Mir ist elend.

MUTTER. Du hast Hunger, das ist alles.

APFELBÖCK. Nein, bestimmt. Das ist es auch nicht.

MUTTER. Was heißt hier nein. Du wirst jetzt was Ordentliches essen. Das kann nie schaden.

Der Richter reicht ihr die Vernehmungsakte. Sie verabreicht ihm nun den Tatvorgang mit einem Löffel. Manchmal schaut aber auch Apfelböck in die Akte hinein. Der Richter geht prüfend zwischen den beiden hin und her.

MUTTER. Sag mir, wie es war, an dem bewußten Tag. Komm, sei ein liebes Kind. Du hast dich in manchen elektrischen Geschäften nach Arbeit umgetan. Na, was ist. Du hast dich damals…du hast…wirds bald. Du hast.

APFELBÖCK.Liest vor. Er habe sich nach Arbeit umgetan.

MUTTER. Er sei auch mit anderen Burschen…

APFELBÖCK. Spazierengegangen. Hie und da.

MUTTER. Pfui, das tut man nicht.

APFELBÖCK. Nachts sei er immer zuhause gewesen.

MUTTER. Geld…

APFELBÖCK. Geld habe er immer von der Mutter bekommen. Mehr als zwei Mark hat er nicht am Tag verbraucht. Die Arbeitslosigkeit soll ihm nicht zugesagt haben.

MUTTER. Mit Mädchen…hä, mit Mädchen…

APFELBÖCK. Mit Mädchen. Was soll schon mit Mädchen sein.

MUTTER. Sag schon, mit Mädchen…

APFELBÖCK. Damit habe er nichts zu tun gehabt. Sowas habe er nie im Sinne geführt. Sie könne das glauben. Die bei ihm gefundenen Postkarten mit nackten Frauengestalten hat ihm heimlich ein Freund zugesteckt. Er habe sich jedoch nicht viel daraus gemacht. Er will bei ihrem Anblick weder erregende Gefühle noch Gedanken der gleichen Art gehabt haben.

MUTTER. Mit den jungen Dingern ist eh nichts anzufangen. Die Tat an sich fand vermutlich am 28. Juli statt.

APFELBÖCK. Das war ein Tag wie jeder andere.

MUTTER. Joseph, lieber Joseph mein, an diesem Tag hast du etwas ganz Schlimmes gemacht.

APFELBÖCK. Gemacht. Ich? Nein, das ist schon unter Beweis gekommen. Ich war nur im Spaziergang.

MUTTER. An diesem Tag, es war der 28. Juli, hat Apfelböck seinem Freund mitgeteilt, daß er als Filmschauspieler gehen wolle und den aufgefordert, mitzumachen. Nicht wahr…? Blöde Bilder im Kopf. Schweinisch. Traumhaft.

APFELBÖCK. Natürlich, als Filmschauspieler.

MUTTER. Er habe erst die Mutter fragen wollen, ob er soll.

APFELBÖCK. Erst Mama fragen.

MUTTER. Brav, mein Kind. Um drei Uhr ist er heimgekommen, um ihr seinen Entschluß mitzuteilen.

APFELBÖCK. Entschluß.

RICHTER.Gähnend. Die Mutter hat ihn nur beschimpft.

APFELBÖCK. Ich sah im Kino eine Erleuchtung.

RICHTER. Natürlich. Im Lichtspieltheater.

VATER.Aus dem Schrank heraus. Das kann ich nicht dulden. Ins Kino darf er nicht.

APFELBÖCK. Spazierengehen und Schimpfen. Mit Freunden reden und Schimpfen. Ins Kino gehn und Schimpfen. Die Mutter habe immer auf ihn eingeschimpft. Der da hat nachgeschimpft.

VATER und MUTTER. Das kann nicht sein. Das gibt es nicht. Bei uns nicht. Wo alles in Ordnung ist, gibt’s was anderes auch nicht.

APFELBÖCK. Immer geschimpft und genörgelt. Nur geschimpft, genörgelt, geschimpft. Dreck, alles Dreck, von dem Anfange an.

MUTTER.Liest aus dem Protokoll. Sie habe behauptet, daß im Kino nur Verbrechergeschichten gegeben würden, und daß er auch noch ein Verbrecher wird. Wie recht sie hat.

APFELBÖCK. Was sie sonst noch geschimpft hat, kann ich nicht mehr sagen. Ich bin mit meinem Freund, dem Gerbel, noch zu einigen Kinogeschäften und Filmschulen gegangen. Es war aber kein Erfolg. Der Gerbel ist heimgegangen, ich selber bin noch spazieren gegangen. Gegen Fünf bin ich auch heim. Die Absicht, der Mutter was zu tun, hat Apfelböck nicht gehabt. Er hat ihr erzählt, wo er gewesen war, worauf hinfort sie wieder mit dem Schimpfen angefangen hat. Wollte wissen, was ich gesehen habe.

MUTTER. Später habe ich uns das Abendbrot gerichtet, welches wir gemeinsam verzehrt haben, oder?

APFELBÖCK. Auch dabei hat sie hin und wider zum schimpfen angefangen. Bitte, so steht es geschrieben. Hier. Schwarz auf weiß.

MUTTER. Gegen halbneun oder neun sind wir in das Schlafzimmer gegangen. Er ist nochmal in die Küche zurück, um Wasser zu trinken. Sie fängt an, ihn zweideutig zu liebkosen.

APFELBÖCK. Da hat er gemerkt, daß die Mutter hinter ihm hergekommen ist, vielleicht unter der Annahme, daß ich mich habe entfernen wollen. Jeder weiß, ich wollte nach Amerika und Afrika.

MUTTER.Klopft mit dem Löffel auf die Akte. Er sei die ganze Zeit…

APFELBÖCK. Er sei. Na gut, er sei…

MUTTER. Er sei schon die ganze Zeit…

APFELBÖCK. Oh ja. Die ganze Zeit.

MUTTER. Er sei schon die ganze Zeit aufgeregt gewesen!

APFELBÖCK. Gewesen.

RICHTER. Sie machen das ganz professionell.

MUTTER. Sodann hat ihn plötzlich so eine Wut gepackt…Sag mal, hörst du mir eigentlich zu?

APFELBÖCK.Stumpf. Was Wut. Wer hat mich gepackt. Eine Wut steht im Protokoll. Was war es. Was war es. Ich denke nach.

MUTTER. Er erinnert sich insoweit, daß er mit der Hand in die Hosentasche fuhr.

APFELBÖCK. Und nach seiner Pistole griff!

MUTTER. Was dann kam, wisse er nicht mehr.

Apfelböck setzt ihr eine große Pistole auf die Brust. Lauter Schuß. Sie fällt nicht tot um, vielmehr bringt sie ihn langsam zum Sofa, und legt sich mit ihm nieder.

APFELBÖCK. Was dann kam, weiß ich nicht mehr. Weder hab ich gewußt, wo ich sei, noch hab ich bemerkt, was noch vor sich geht. Erst durch den Knall bin ich zu mir gekommen.

MUTTER. Er hat gesehen, wie sehr die Mutter schwankte, und sie hat ihn mit starren Augen angeguckt. Gesprochen hat sie nichts mehr.

APFELBÖCK. Nachher, als sie nicht mehr schnaufte, hat er sie ins Schlafzimmer getragen und auf den Boden gelegt, damit der Vater, wenn er bald heimkommt, sie nicht gleich sieht.

Die beiden schlafen in innigster Umarmung ein.

Über den beiden erstrahlt eine Art Heiligenschein. Der Vater kommt aus dem Schrank. Nun hat er die Stabpuppe des Kasperl in der Hand.

KASPERL/VATER.

Ich war schon mal im Krieg,

Da hatt’ ich keinen Sieg,

So kam ich in die Not,

Mein ganzer Atemzug war tot.

DRITTER AKT

Die Szene hat sich verwandelt. Die ärmliche Wohnküche mit Schlafzimmer nebenan ist zu einem barocken Festsaal geworden. Übrig geblieben ist das Ehebett. Es steht im Mittelpunkt und bildet eine Mischung aus Himmelbett und Kanzel. Man braucht Leitern, um hinaufzugelangen. Alles sieht nach Kreuzerhöhung und Himmelfahrt aus. Hinter diesem Gebäude steht der Volksempfänger, riesig. Er bildet eine Einheit mit dem Bett. Vor dem monumentalen Bett sind Apfelböck und seine Mutter idyllisch gelagert. Sie trägt ein Hochzeitskleid, Apfelböck eine elegante Uniform. Nach einiger Zeit rollt der Richter eine Bahre herein, und legt Frau Apfelböck darauf. Die Mutter ist mal auf der Bahre, mal oben im Bett.

APFELBÖCK. Was willst du. Natürlich gebe ich zu, daß ich meine Eltern umgebracht habe. Ich habe sie dahin gebracht, wo sie hingehören. Nur, meine Mutter zu beseitigen, hatte ich nicht von vornherein die Absicht gehegt. Ich wurde darüber wütig, daß sie fortgesetzt auf mich von hinten hineinredete.

MUTTER. Natürlich. Was sonst. Sie schimpfte, schimpfte, und schimpfte. Was hast du sonst erwartet. Honigschlecken?

APFELBÖCK. Sie schimpfte mir. Ich schoß ihr aus kurzer Entfernung und traf sie in die Brust.

MUTTER. Wer wird denn gleich. Du bist mir einer. Totmachen. Und in die Brust! Nein, nein.

APFELBÖCK. Gleich fiel sie tot zu Boden, das heißt, ich fing sie auf, um sie auf ihr Bett zu legen, wo sie verschied, ohne mir noch einmal was zu sagen. Wie sie hernach tot war, legte ich sie neben dem Bett auf den Boden, daß der Vater sie nicht gleich sieht, wenn er später heimkommt.

MUTTER. Ich halte das für leicht übertrieben. Du nicht? Gestehe. Bepperl. Sag’s mir.

APFELBÖCK. Augenblicks weiß ich nicht gleich, was ich tun soll. Vielleicht, er laßt nicht aufkommen, was passiert ist. Ich brauch ihn nicht zum Tod zu schießen. Wir ziehen nach Australiam und Argentinia, auch noch Amerika wohinselbst. Die Sonne geht auf, und es gibt eine Landschaft. Sowas hat es schon gegeben, natürlich, ohne Reisen kommt man nicht hin. Und nicht weit. Man könnt arbeiten, und wo bleibt so das Meckern. Meine Freunde haben allerdings mir gesagt, man hat es schöner, wenn man ohne Eltern ist.

MUTTER. Joseph, du hast keine Freunde.

Der Vater und der Richter treten auf. Sie führen chirurgisches Besteck mit sich und treffen die Vorbereitungen für die Sektion. Maria Apfelböck auf der Bahre/Sektionstisch.

APFELBÖCK. Ich habe nicht in meiner Absicht gehandelt, meine Eltern zu beseitigen, als ich auf meine Mutter schoß. Ich frage mich, was hätt’ ich davon. Nur Geschimpft ist genug, dann er, was soll er noch. Besser ist, ich lade die Pistole nochmal durch. Mutter kichert. Wie er tatsächlich heimkommt, hat er noch den Wunsch, ich soll ihm ein Bier holen. Ich führe ihn aus, und ich trinke mit ihm zusammen dieses Bier. Ich habe immer noch gezweifelt, was ich tun soll. Dann ergab sich auch kein günstiger Moment. Mutter kichert. Ich habe lang mit ihm am Tisch gesessen. Manchmal ging er auf und ab; und ich blickte vor mich hin.

MUTTER. Das kann man sich denken. Und was denkt er?

KASPERL/VATER.Im religiösen Ton.

Kinder müssen sauber sein,

Sonst holt sie die Mama ein.

Starrt so ein Kind vor Dreck,

Wirft man es gleich weg.

APFELBÖCK. Es kommt doch noch auf, wenn der Vater was merkt. Von dem Vorhaben meinerseits. Und nacher sowieso. Beim Sonnenlicht. Im hellen Tag. Deshalb frage ich mich, wie steh ich nachher da. Mutter kichert. Auf eine Entfernung von ein-bis eineinhalb Meter tat ich den Schuß auf ihn ab. Dieser traf den Vater in seinem Unterleib. Ohne weiteres.

MUTTER. Von dem Jungen ist noch einiges zu erwarten. Am Ende ist gar nicht so blöd.

Richter und Vater drehen ihre Köpfe dem Apfelböck zu.

APFELBÖCK. Zu der selben Zeit lag das Schlächtermesser, das er mitgebracht hatte, noch auf dem Tisch. Dieses nahm ich und tat einen Schritt auf ihn zu. Ich habe nun gerade so immer hingestochen. Mutter kichert. Beppi, sprach er noch, und sank in seine Knie, also daß ich demselben noch ein paar Stiche tat. Wie er schon am Boden umgefallen war, zog ich das Messer von ihm heraus, welches dem in der linken Schulter war stecken geblieben. Er ging alsbald rasch zum Ende. Ich verbrachte ihn dann auch in das Schlafzimmer, wo schon seine Frau zu liegen gekommen war. Mutter kichert Sie tat keine Verschimpfung mehr, er hat weiter nichts gemacht. Auch nichts mehr.

MUTTER. Sich regen bringt Segen.

KASPERL/APFELBÖCK.Im Dreigroschenton.

Manchmal sind Vögel in den Bäumen,

Und Lieder in den Zwischenräumen,

Dann kommt die Natur daher,

Und das Fest fällt in das Meer.

APFELBÖCK. Ich legte mich auf mein Kanapee, aber vorerst konnte ich nicht schlafen, später schon, und träumte ich gelegentlich, ich sei glücklich in diesem Land angekommen. Davon war mir die Geographie bekannt.

RICHTER. Der Laie staunt, der Fachmann schweigt.

VATER. Eine solche Überraschung auch. Wer hätt das gedacht.

APFELBÖCK. Keine Müdigkeit vorschützen, meine Herren, das größte Stück Arbeit steht noch vor uns. Ich will keine Feiglinge sehen und keine Schwachen. Ein fester ganz Blick, straffe Haltung, das hilft immer. Vorwärts, Kameraden.

Der Richter holt aus dem Monumentalbett einen Thronsessel hervor und stellt ihn vor das große Ehebett. Apfelböck komplimentiert den Vater in dieselben hinein. Der Vater wehrt ab, doch Apfelböck gibt nicht auf, und bleibt immer höflich. Der Vater sitzt mit Würde. Die Mutter weiterhin auf der Bahre. Und im Bett.

KASPERL/APFELBÖCK.Dreigroschenton.

Die Luft in diesem Haus ist schlecht,

Für die Laus wie für den Knecht,

Man strebt nach Hinwegwanderung,

Und gründlicher Luftänderung;

Allein, das Elternhaus,

Läßt keinen Furz hinaus.

RICHTER. Drei Wochen hast du es noch bei ihnen ausgehalten, und das im Sommer. Mann Gottes in der Hutschachtel. Hast du überhaupt keinen Anstand! Nicht für einen Heller?

APFELBÖCK. Er hat sich neuerdings verduftet

RICHTER. Was soll das nun schon wieder heißen!

KASPERL/APFELBÖCK. Im Valentin-Ton:

Apfelböck will wissen,

Was steckt in den Röcken,

Zum Einschlagen von Pflöcken,

Oder soll er Fräulein missen.

Apfelböck will ahnen,

Das Weiße von den Schwanen,

Ist das auch verboten?

So ein Schwan steckt voller Zoten.

Es gibt so viel Gründ,

Vom Leben abzukommen,

Für das Vater-Mutter-Kind,

Das Haus ist ganz verschwommen.

Jetzt geht das Leben weiter,

Auf einer Hühnerleiter,

So kurz wie auch beschissen,

Wer kann sein Glück noch missen.

Der Anfang findet nie ein Ende,

Man muß Geschäfte machen,

Mit allen seinen Siebensachen,

Das Blut spuckt man dann in die Hände.

Und das Ergebnis dieser Zeilen,

Ich will zum Ende hier verweilen. Kurze Pause.

APFELBÖCK. Pflicht kennt keine Grenzen. Der Wind über dem Ozean. Das pflichtet gut.

RICHTER. Sei ehrlich! Es muß gewisse eigenartige Gerüche gegeben haben.

APFELBÖCK