Fürstenkrone 147 – Adelsroman - Gabriela Stein - E-Book

Fürstenkrone 147 – Adelsroman E-Book

Gabriela Stein

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Zartes, perlmuttfarbenes Licht lag über Paris, als Denise von Leichtlingen das ›Lafayette‹ verließ und auf den Boulevard Haussmann hinaustrat. Noch berauscht von dem glänzenden Angebot des prestigeträchtigen Konsum-Tempels mit seiner fantastischen Glaskuppel und den umlaufenden Galerien, atmete sie tief dieses ganz besondere Flair der Stadt an der Seine ein. Glücklich überließ sie sich dann dem Strom der Flaneure, dabei das elegante Einkaufstäschchen wie eine Trophäe schwingend. Ach, wie sehr hatte sie all das vermisst, was sie nun umgab! Diese Leichtigkeit, welche Herz und Sinne gefangen nahm. Heute war Denises letzter Tag in Paris. Der letzte Tag in einer Reihe von Tagen, in denen sie das Leben der berühmten Schriftstellerin Gertrude Stein erforscht hatte. Eine Auftragsarbeit für eine Biographie-Reihe, welche ein deutscher Verlag herausbringen würde. Dabei hatte sie eigentlich nie mehr zurückkehren wollen in die Stadt der Liebe, denn das ›Bonjour mon amour! ‹ hatte ihr die größte Verletzung ihres Lebens eingebracht. Fünf Jahre war das nun alles her – und die Wunden waren immer noch nicht verheilt. Vielleicht aber würde gerade diese Rückkehr heilend für die Zukunft wirken, das Herz besänftigen und die Demütigung glätten, welche sie hier hatte erfahren müssen? Jung und naiv war sie gewesen, die kleine Austausch-Studentin aus Berlin, als sie begreifen musste, dass Moral als weiter Begriff auszulegen war. Das es ferner Gesellschaftsschichten gab, welche sich ihre eigenen moralischen Werte schufen. »Vergiss die Geschichte!«, murmelte sie, und es klang ein wenig beschwörend. Gleichzeitig aber begann sie sich zu fragen, wie sie eine Verletzung vergessen sollte, die ihr in der Folge das schönste Geschenk ihres Lebens beschert hatte? Denise seufzte. Noch also blieben viele Fragen offen. Dagegen waren ihre beruflichen Recherchen um das Leben der Gertrude Stein erfolgreich verlaufen.

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Fürstenkrone – 147 –

Der weite Weg zu dir

Warum Denise ihren Traummann nie wiedersehen wollte … A

Gabriela Stein

Zartes, perlmuttfarbenes Licht lag über Paris, als Denise von Leichtlingen das ›Lafayette‹ verließ und auf den Boulevard Haussmann hinaustrat.

Noch berauscht von dem glänzenden Angebot des prestigeträchtigen Konsum-Tempels mit seiner fantastischen Glaskuppel und den umlaufenden Galerien, atmete sie tief dieses ganz besondere Flair der Stadt an der Seine ein. Glücklich überließ sie sich dann dem Strom der Flaneure, dabei das elegante Einkaufstäschchen wie eine Trophäe schwingend.

Ach, wie sehr hatte sie all das vermisst, was sie nun umgab! Diese Leichtigkeit, welche Herz und Sinne gefangen nahm.

Heute war Denises letzter Tag in Paris. Der letzte Tag in einer Reihe von Tagen, in denen sie das Leben der berühmten Schriftstellerin Gertrude Stein erforscht hatte. Eine Auftragsarbeit für eine Biographie-Reihe, welche ein deutscher Verlag herausbringen würde.

Dabei hatte sie eigentlich nie mehr zurückkehren wollen in die Stadt der Liebe, denn das ›Bonjour mon amour!‹ hatte ihr die größte Verletzung ihres Lebens eingebracht.

Fünf Jahre war das nun alles her – und die Wunden waren immer noch nicht verheilt. Vielleicht aber würde gerade diese Rückkehr heilend für die Zukunft wirken, das Herz besänftigen und die Demütigung glätten, welche sie hier hatte erfahren müssen?

Jung und naiv war sie gewesen, die kleine Austausch-Studentin aus Berlin, als sie begreifen musste, dass Moral als weiter Begriff auszulegen war. Das es ferner Gesellschaftsschichten gab, welche sich ihre eigenen moralischen Werte schufen.

»Vergiss die Geschichte!«, murmelte sie, und es klang ein wenig beschwörend. Gleichzeitig aber begann sie sich zu fragen, wie sie eine Verletzung vergessen sollte, die ihr in der Folge das schönste Geschenk ihres Lebens beschert hatte?

Denise seufzte. Noch also blieben viele Fragen offen. Dagegen waren ihre beruflichen Recherchen um das Leben der Gertrude Stein erfolgreich verlaufen. Immerhin nahm sie umfangreiches Arbeitsmaterial mit, welches sie in Bibliotheken und Archiven zusammengetragen hatte. Auch in der Stadt selbst war sie den Spuren dieser berühmten Frau erfolgreich nachgegangen und nicht nur dabei deren Leben nähergekommen, sondern auch dem Leben nicht minder berühmter Schriftsteller und Maler, welche in Gertrude Steins Haus ein und aus gegangen waren.

All das galt es nun zu ordnen und zu einer interessanten Biographie zusammenzufügen. Wenn ihr das gelang, konnte es für sie den Einstieg in einen Berufszweig bedeuten, der sich nach Jahren der Suche so vielversprechend aufgetan hatte.

Doch dass der Weg sie ausgerechnet wieder nach Paris geführt hatte – war es Schicksal? Lief sie gar an einem unsichtbaren Faden, der sie auf einem vorgeschriebenen Weg hielt?

Immer noch war der Himmel über Denise perlmuttfarben und besänftigend. Gedanken und Stimmungen taumelten unter diesem Licht, griffen nach dem Glück, hier zu sein – und näherten auch den Zweifel. In den Händen hielt sie dabei, sorgsam behütet, das elegante Täschchen mit dem berühmten Namenszug ›Dior‹.

Ein Ziergürtel lag darin, wie er hinreißender nicht sein konnte.

Ein glückliches Lächeln erschien auf Denises Gesicht, welches so fein, so ernst und auch so außergewöhnlich war.

Sie zuckte zusammen, als sie plötzlich ihren Namen rufen hörte.

»Denise?« Überrascht, fragend und wohl auch hoffnungsvoll klang es und bremste ihren Schritt. »Denise – bist du es wirklich?«

Die Frauenstimme, hell und hoch, erkannte Denise sofort, war auch die Erinnerung an jene Zeit vor fünf Jahren wieder da, als sie zu jener fröhlichen Clique gehört hatte, für die das Leben ein Spiel war – eine Einstellung, für die sie bitter hatte büßen müssen …

Etwas widerstrebend wandte sie sich deshalb der Rufenden zu und fühlte sich gleich darauf auch schon freudig umarmt.

Während sie es etwas starr geschehen ließ, nahm sie den vertrauten Duft wahr, die Herzlichkeit und Verbundenheit von damals.

»Chantal«, murmelte Denise und hatte plötzlich Tränen in den Augen.

»Denise! Ach, Denise, dass wir uns noch einmal wiedersehen!« Die aparte Französin mit dem ebenso eigenwilligen wie strengen Haarschnitt schien genauso fassungslos wie ihre deutsche Freundin. Ihre lebhaften dunklen Augen waren fragend auf das helle Gesicht ihrer ehemaligen deutschen Studienkollegin gerichtet. Und als ob es all die Fragen zu bündeln galt, kam auch bereits die Frage: »Warum?«

»Warum – was?«, wiederholte die junge blonde Frau, deren nordische Herkunft nicht zu übersehen war. Die Augen so hell wie das Meer und genauso tief.

»Aber, Denise, fragst du mich das im Ernst?« Die Französin Chantal de Molinier wirkte fassungslos. »Du bist seinerzeit ohne ein klärendes Wort aus Paris verschwunden!« Ihre Stimme geriet vorwurfsvoll. »Verschwunden auch aus unserem Freundeskreis, in dem wir eine so wundervolle Zeit miteinander hatten.«

»Es musste sein«, kam es eher knapp. »Ich hatte meine Gründe.« Denise von Leichtlingen verschloss sich, das schöne Gesicht wurde streng und abweisend.

»Du enttäuschst mich.« Chantal ließ ihren Arm los und trat einen Schritt zurück. Hübsch, zart und mit jenem ganz bestimmten Pariser Chic gekleidet sah sie die Freundin fassungslos an.

»War ich der Grund – oder unsere damalige Clique?«, forschte sie demnach nach.

»Weder noch«, räumte Denise widerstrebend ein, jetzt auf der Hut, sich nicht die wahren Gründe entlocken zu lassen. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass erneut Tränen in ihre Augen stiegen. Heftig überfiel sie erneut die Erinnerung, die Demütigung und Zurückweisung ihrer Gefühle. Eben all das, was ihr seit ihrem Hiersein so zu schaffen machte.

»Ach, chérie!« Die Arme Chantals umschlossen sie erneut, ohne aber mit weiteren Fragen auf sie einzudringen.

Stattdessen schlug die Freundin vor: »Trinken wir etwas miteinander? Vielleicht erzählst du mir ja, was dich heute in Paris sein lässt?«

Denise von Leichtlingen nickte zögernd. Auf den Vorschlag Chantals einzugehen, war ein Gebot der Höflichkeit. Denn gerade Chantal verdankte sie unendlich viel. Und wenn sie ehrlich war, so galten ihr auch weiterhin alle positiven Gefühle.

Aber da gab es nun einmal deren Nähe zu ganz bestimmten Personen, welche sie, Denise, nie mehr wiedersehen wollte. Wie aber sollte sie Chantal das gestehen können?

Zudem verloren Orte und Menschen nun einmal ihren unschuldigen Reiz, wenn sich in ihrem Umfeld Lebensenttäuschungen vollzogen, welche nicht nur Träume zerstörten, sondern auch das Selbstwertgefühl.

Und diesen Selbstwert, den hatte sie seinerzeit verloren, abgrundtief und total. Gewiss, ihre Naivität war nicht ganz schuldlos daran gewesen.

Und während sie nun langsam den Boulevard entlanggingen, zwei attraktive junge Frauen, da wirkten sie so vertraut miteinander, wie zwei Menschen nur vertraut sein können. Ja, es schien beinahe so, als sei die Unbeschwertheit früherer Studientage zurückgekehrt.

Sie plauderten Unverbindliches, nahmen eine Erfrischung in einem der Straßencafés ein – und wussten doch beide, dass etwas zwischen ihnen stand, welches nicht mehr die Nähe früherer Zeiten zuließ.

Denise sprach über den Grund ihres Hierseins. Über die Recherchen, die dem Leben der amerikanischen Schriftstellerin Gertrude Stein galten. Über die Biographie, welche sie schreiben würde.

»Interessant«, meinte Chantal und fragte doch: »Wolltest du nicht aber damals zu einer Tageszeitung?«

»Nun, da bin ich auch immer noch. Aber als freie Mitarbeiterin kann ich davon kaum meinen Lebensunterhalt bestreiten.«

»Ich verstehe.« Chantal wirkte nachdenklich, konnte aber kaum die Situation der Freundin nachvollziehen. Sie kam aus einer der reichsten Familien Frankreichs und kannte keine finanziellen Probleme. Ihr Ehrgeiz und ihre Erfolge entsprangen allein dem Wunsch nach Ruhm und Anerkennung.

Also wechselte sie das Thema. Denn immer noch spürte sie das Zögerliche, den Abstand der früheren Studienkollegin. Dem Grund dieser Distanz aber wollte sie auf die Spur kommen.

»Erzähl! Bist du verheiratet? Hast du Kinder?« Ihr Interesse wandte sich dem Persönlichen zu. Dabei saß sie schmal und reizvoll und auch ein wenig kapriziös in ihrem Sesselchen, das schwarze Haar wie einen Helm tragend und das elegante Kostüm wie eigens für sie entworfen.

»Ich bin nicht verheiratet.« Denise bemerkte es knapp und beinahe abweisend.

Chantal lächelte. »Damit beantwortet sich die Frage nach Kindern von ganz allein.«

»So – meinst du?« Denise war sehr ernst geworden, wirkte nahezu angespannt.

»Bitte, sei nicht böse, dass ich dich für sehr preußisch halte«, bemerkte Chantal. »Du besitzt etwas sehr Korrektes – und das nicht nur in deinem Erscheinungsbild. Für mich warst du stets der Typ Frau, der unter allen Umständen geheiratet wird, bevor Kinder kommen.«

»Entschuldige, aber du redest Unsinn – zumindest irrst du dich gewaltig.« Denise atmete heftig, um dann leise und deprimiert zu sagen: »Ich war ein Spielzeug – wie viele andere Frauen auch.«

Chantal hatte ihr Lächeln verloren, schaute nahezu erschrocken über den Tisch hinweg die Freundin an. Was hatte sie erlebt? Und welches Erlebnis hing ihr so nach? Was hatte sie so verändert? War der Grund in Paris zu suchen? Der eins­tige Abschied ohne Worte sprach dafür …

»Was ist passiert, chérie?«, fragte sie nun direkt. Die dunklen Augen aufmerksam auf die Freundin gerichtet. In ihnen lag ein Ausdruck von echter Besorgnis.

Denise schüttelte den Kopf, das schöne Gesicht zur Maske erstarrt. »Ich werde es dir nicht sagen, Chantal. Dir nicht und auch keinem anderen.« Dann erhob sie sich abrupt. »Lass uns gehen und über etwas anderes reden!« Groß und von disziplinierter Haltung stand sie da, das blonde Haar leuchtend und reizvoll auf den Schultern. Es war schwer, sie sich als Opfer vorzustellen.

Und doch deutete alles darauf hin.

Chantal beließ es fürs Erste dabei, der Freundin weitere Erklärungen zu entlocken. Still für sich muss sie allerdings feststellen, dass diese Lebenserfahrungen das einmal so ungelenke scheue Mädchen zu einer bemerkenswerten Frau geformt hatten.

So kehrte dann auch Chantals Lächeln zurück, als sie sich ebenfalls erhob und über ihre Ziele und Erfolge als Kunstfotografin berichtete.

»Männer? Kinder?« Die Fragen rollten an ihr ab. »Nur keine festen Bindungen, sie engen ein und machen unfrei!« Diese Devise vertrat sie konsequent.

»Würden dich meine Arbeiten interessieren?«, fragte sie spontan. »Ich bereite zur Zeit meine Herbst-Ausstellung vor.« Die Fotokünstlerin Chantal war bemüht, die Freundin aus Berlin festzuhalten. Sie wollte eine Antwort! Eine Erklärung, was vorgefallen war vor fünf Jahren.

»Ja, natürlich interessiert mich deine Arbeit sehr.« Denise von Leichtlingen hatte sich wieder gefangen. Chantal begann ihr erneut vertraut zu werden – und die Sommersonne über Paris tat ein Übriges, um positive Gefühle zu verstärken.

»Gut, fahren wir in die Avenue Foch!« Die aparte Französin schien erleichtert.

»Zu deinen Eltern?« Denises Schritt stockte. Sie kannte das herrschaftliche Haus der gräflichen Familie de Molinier im vornehmen 16. Arrondissement von Paris sehr gut. Man fühlte sich klein in seinen Höhen und Weiten, seinem Luxus und Anspruch.

»Ich habe dort mein Atelier und meine Entwicklungsräume«, erklärte Chantal der zögernden Freundin.

»Sind deine Eltern anwesend? Dein Bruder?« Denises Stimme klang nun mühsam.

Chantal schien nichts zu bemerken.

»Nein, leider nicht, sie hätten dich gewiss gern gesehen. Mama und Papa halten sich auf unseren Besitzungen in der Provence auf, und Philippe ist auf einer Expedition im Eis.«

»Das heißt?«, fragte Denise karg.

»Mein Bruder sucht seit Jahren das Extreme, die Herausforderung schlechthin. Nach den Urwäldern Südamerikas sind nun die Regionen am Südpol dran. Kurzum, er befindet sich auf einer Südpolar-Expedition.«

»Abenteuer – oder ernsthaftes Interesse?« Gegen ihren Willen stellte sie diese Fragen.

Chantal lachte. »Du hast den Mann in Erinnerung, der kein Vergnügen ausließ – und besonders bei den Damen nichts anbrennen ließ. Aber du musst zugeben, die Frauen haben es ihm leichtgemacht. Nun ja, er war ja auch ein aufregend attraktiver Typ …«

»War? Und heute?«

»Die Zeiten sind vorbei. Ich glaube, Frauen interessieren ihn gar nicht mehr.«

»Schwer vorstellbar«, murmelte Denise.

»Und doch ist es so. Wenn er von seinen Forschungsreisen zurück ist, hält er in vielbeachteten Büchern seine Erfahrungen fest.« Chantal lächelte. »Aber reden wir nicht von ihm. Tante Antoinette und Cousin André de Villé könntest du treffen. Sagen dir die Namen etwas?«

Denise war mit ihren Gedanken noch bei Chantals Bruder Philippe, ob sie es nun wollte oder nicht. Einen Mann wie ihn vergaß man nicht, dazu brauchte es nicht einmal einer negativen Erfahrung.

Eher abwesend beantwortete sie daher Chantals Frage nach den anwesenden Verwandten.

»Deine Tante Antoinette ist mir in bester Erinnerung. Eine entzückende ältere Dame von großer Freundlichkeit, während Cousin André mir lediglich dem Namen nach bekannt ist. Lebte er nicht in Marokko?«

Chantal nickte. »Ein Familienzweig meiner Mutter ist dort seit Kolonialzeiten auf einem traumhaften Besitz ansässig.«

Dann aber fiel ihr ein: »Übrigens begleitet er mich morgen in die Bretagne. Ich gehe dort für einige Tage auf Motivsuche.«

»Geht es um Naturaufnahmen?« Denise fragte es immer noch eher höflich und immer noch abwesend.

Chantal lachte. »Nein, das wäre zu simpel. Du weißt doch, dass überwältigende Landschaftsaufnahmen stets etwas von Postkartenkitsch haben.«

»Und das wäre dir künstlerisch zu banal?«

»Richtig! Meine Aufnahmen halten die Bewegung fest. Und zwar jene Bewegung, die sich aufbaut – zwischen ihrem Anfang und ihrem Ende.«

»Ich verstehe.«

»Wirklich?«, fragte Chantal amüsiert, den Gesichtsausdruck der Freundin richtig deutend. »Nimm zum Beispiel den Flügelschlag eines Vogels. Du glaubst nicht, wie viel Energie dazu gehört, diese scheinbare Leichtigkeit zu erzeugen.«

Sie brach ihre Erklärungen ab und meinte: »Ich werde es dir anhand meiner Arbeiten im Atelier zeigen.«

Und während sie nun ein Taxi heranwinkte, schien es ganz normal, dass auch Denise es bestieg. Ihr letzter Tag in Paris hatte sich überraschend mit Leichtigkeit aufgefüllt, obwohl mit Chantal die Vergangenheit beklemmend nahe gerückt war.

Wie würde sie sich am Ende dieses Tages fühlen? Ein Stück befreiter – oder noch tiefer hinabgesunken in unbewältigte Gefühle?

Das herrschaftliche Haus in der Avenue Foch schien unverändert in seiner erhabenen Wirkung und in seinem Anspruch, für die allererste Klasse zu stehen.