Ein Glück, das ohne Hoffnung ist? - Cornelia Waller - E-Book

Ein Glück, das ohne Hoffnung ist? E-Book

Cornelia Waller

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. »So reden Sie schon, Mann! Was haben Sie herausgefunden?« Die Gräfin zu Bergheim richtete sich steil in ihrem Rollstuhl auf. In ihrem von Alter und Siechtum gezeichneten Gesicht zeigte sich ein Ausdruck höchster Spannung. Ihre hageren Hände, an denen hochkarätige Brillantringe seltsam grotesk funkelten, krampften sich um die Lehnen dieses Stuhles, der in den letzten zwanzig Jahren ihr einziges Fortbewegungsmittel gewesen war. Der kleine korpulente Mann mit dem Fuchsgesicht war sich der Wichtigkeit dessen, was er zu sagen hatte, bewusst. Er schlug die kurzen Beine übereinander und lehnte sich zurück. »Sie hatten mir keine leichte Aufgabe übertragen, Frau Gräfin«, sagte er, von der Ungeduld der alten Frau ungerührt. »Und nur unter dem Einsatz meiner ganzen Mittel und Möglichkeiten …« »Unter Zuhilfenahme meiner nicht unbeträchtlichen Honorarvorauszahlung«, unterbrach ihn die alte Gräfin trocken und hob die Hand. »Bitte keine lange Einleitung, Verehrtester! Ihr Eigenlob können Sie sich sparen. Für gute Arbeit zahle ich gut, aber spannen Sie mich jetzt gefälligst nicht auf die Folter und sagen Sie klipp und klar, was Sie recherchiert haben!« Der hochmütig energische Ton seiner Auftraggeberin ließ den Mann seine selbstbewusste Haltung ändern. Er setzte die Füße wieder nebeneinander und griff zu seiner Aktentasche, die er mit etwas gekränkter Miene öffnete. Er hatte sich mithilfe eines großen Auftritts ein Erfolgshonorar versprochen, aber die alte Frau machte nicht den Eindruck, als würde seine Mitteilung etwas an ihren Vereinbarungen ändern. Bei ihr versagte diese Taktik offenbar. Er entnahm der Tasche ein Blatt und reichte es ihr.

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Fürstenkrone – 195 –

Ein Glück, das ohne Hoffnung ist?

Warum Melanie nicht auf ihr Herz hören wollte …

Cornelia Waller

»So reden Sie schon, Mann! Was haben Sie herausgefunden?«

Die Gräfin zu Bergheim richtete sich steil in ihrem Rollstuhl auf. In ihrem von Alter und Siechtum gezeichneten Gesicht zeigte sich ein Ausdruck höchster Spannung. Ihre hageren Hände, an denen hochkarätige Brillantringe seltsam grotesk funkelten, krampften sich um die Lehnen dieses Stuhles, der in den letzten zwanzig Jahren ihr einziges Fortbewegungsmittel gewesen war.

Der kleine korpulente Mann mit dem Fuchsgesicht war sich der Wichtigkeit dessen, was er zu sagen hatte, bewusst. Er schlug die kurzen Beine übereinander und lehnte sich zurück. »Sie hatten mir keine leichte Aufgabe übertragen, Frau Gräfin«, sagte er, von der Ungeduld der alten Frau ungerührt. »Und nur unter dem Einsatz meiner ganzen Mittel und Möglichkeiten …«

»Unter Zuhilfenahme meiner nicht unbeträchtlichen Honorarvorauszahlung«, unterbrach ihn die alte Gräfin trocken und hob die Hand. »Bitte keine lange Einleitung, Verehrtester! Ihr Eigenlob können Sie sich sparen. Für gute Arbeit zahle ich gut, aber spannen Sie mich jetzt gefälligst nicht auf die Folter und sagen Sie klipp und klar, was Sie recherchiert haben!«

Der hochmütig energische Ton seiner Auftraggeberin ließ den Mann seine selbstbewusste Haltung ändern. Er setzte die Füße wieder nebeneinander und griff zu seiner Aktentasche, die er mit etwas gekränkter Miene öffnete.

Er hatte sich mithilfe eines großen Auftritts ein Erfolgshonorar versprochen, aber die alte Frau machte nicht den Eindruck, als würde seine Mitteilung etwas an ihren Vereinbarungen ändern. Bei ihr versagte diese Taktik offenbar. Er entnahm der Tasche ein Blatt und reichte es ihr.

»Die Geburtsurkunde Ihrer Enkelin, Frau Melanie Oswald«, sagte er dennoch nicht ohne Pathos.

Die Gräfin nahm das Blatt, setzte ihre Brille auf und studierte es eingehend.

Ihr Gesicht blieb unbewegt, bis auf ein leises Zucken um die Mundwinkel.

Geboren am 3. Dezember in Heidelberg, las sie. Als Mutter war Elisabeth Oswald eingetragen. Vater unbekannt.

Unbekannt? Hatte diese Frau bewusst darauf verzichtet, den Namen von Harald eintragen zu lassen?

So etwas wie Hochachtung überkam die alte Frau, doch diese Regung verflog schnell.

»Und wer will beweisen, dass mein Sohn der Vater dieses Mädchens ist?«, fragte sie scharf.

»Frau Oswald hat Briefe, aus denen eindeutig hervorgeht, dass Graf Harald sich zu dieser Vaterschaft bekannte.«

»Sie haben sie hoffentlich mitgebracht?«

»Nein, Frau Oswald wollte sie nicht aus den Händen geben, aber sie hat mir erlaubt, Fotokopien anfertigen zu lassen, jedenfalls von zwei Briefen. Bitte sehr.«

Er übergab ihr auch diese Schriftstücke. Sie trugen eindeutig die Schriftzüge ihres Sohnes, Gräfin Bergheim erkannte es auf den ersten Blick, und sie fühlte einen scharfen Schmerz in der Herzgegend, presste sekundenlang die Rechte auf die Brust.

Sie brachte es nicht fertig, die Briefe in Gegenwart des Mannes zu lesen, der sie so lauernd ansah und nur darauf wartete, dass sie sentimentalen Gefühlen nachgab.

Nein – sie ließ die Hand wieder sinken – die Gräfin zu Bergheim war ihr Leben lang nüchtern und unsentimental gewesen, und niemand sollte ihr nachsagen können, dass sie sich im Alter geändert hatte!

»Ich werde sie später lesen«, erklärte sie ruhig. »Berichten Sie mir jetzt bitte, unter welchen Lebensumständen Sie meine Enkelin angetroffen haben.«

»In schlechten«, erwiderte der Detektiv sofort. »Frau Oswald ist ziemlich krank, es geht ihr schon seit Jahren nicht gut, wie sie sagte. Ihren Beruf als Krankenschwester kann sie schon lange nicht mehr ausüben, Frau Melanie hat deshalb mit sechzehn Jahren die Schule verlassen müssen und eine Ausbildung als Kindergärtnerin begonnen, die sie demnächst beenden wird. Ich nehme an, auch das war bereits ein Opfer für ihre Mutter, die nur von einer kleinen Rente lebt.«

»Sie haben meine Enkelin gesehen?« Die Gräfin überging die Andeutung von Kritik, die sie aus den Worten des Mannes herauszuhören glaubte, kühl.

»Ja.« Der Detektiv nickte.

»Wie sieht sie aus?«

»Sie ist sehr hübsch, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, überdurchschnittlich hübsch, möchte ich sagen.«

»Hm! Und Sie haben ihrer Mutter gesagt, in wessen Auftrag Sie diese Ermittlungen vornahmen?«

»Sie hatten es mir nicht untersagt, Frau Gräfin!«, fuhr der Mann auf, doch sie winkte sogleich ab.

»Es war nicht als Vorwurf gemeint. Ich möchte nur wissen, wie … Frau Oswald darauf reagiert hat.«

»Zunächst war sie sehr befremdet und wollte gar nichts sagen. Ich glaube, nur in Anbetracht dessen, dass sie sehr krank ist und wohl kaum noch eine lange Lebenserwartung hat, entschloss sie sich schließlich zum Reden.«

»Sie wusste, dass mein Sohn im vergangenen Jahr tödlich verunglückt ist?«

»Ja, sie hat es in den Zeitungen gelesen.«

»Gut. Ihre Adresse haben Sie mir aufgeschrieben? Dann schicken Sie mir noch Ihre Abrechnung, oder sagen Sie mir gleich, was ich Ihnen noch schuldig bin, dann gebe ich Ihnen einen Scheck.«

Der Detektiv nannte einen Betrag, der den, welchen er vor Beginn seiner Recherchen genannt hatte, um einiges überschritt.

Die Gräfin sah ihn groß an, als wollte sie protestieren, doch dann schrieb sie, ohne mit der Wimper zu zucken, den Scheck aus und schob ihn dem Mann hin.

»An Ihre Schweigepflicht brauche ich Sie wohl nicht zu erinnern!«

Der Detektiv nahm den Scheck und steckte ihn sorgfältig in seine Brieftasche.

»Selbstverständlich nicht, Frau Gräfin.« Er erhob sich langsam. »Sollten Sie meiner wieder einmal bedürfen, ich stehe Ihnen jederzeit gern zur Verfügung.«

»Ich glaube kaum, dass es noch einmal der Fall sein wird, aber wenn, dann werde ich mich an Sie wenden«, murmelte die Gräfin, und der Detektiv sah sich verabschiedet.

Während er nicht unzufrieden Schloss Buchenhain verließ, griff die Gräfin nach den Fotokopien der Briefe, die er ihr dagelassen hatte.

Jetzt zitterten die Greisenhände ein wenig, und sie musste sie beim Lesen auf dem Tisch aufstützen.

Beide Briefe waren nur kurz, aber nachdem sie sie gelesen hatte, erstand die Vergangenheit wieder vor den Augen der alten Frau.

Ihr einziger Sohn Harald war damals Student gewesen, und er hatte in Heidelberg studiert. Ach, sie waren so stolz auf ihren Einzigen gewesen, Friedrich und sie! Harald war ein stattlicher, begabter junger Mann gewesen, hatte ihnen niemals auch nur die geringsten Sorgen bereitet. Bis er dann in der romantischen Universitätsstadt jenes Mädchen kennenlernte, bei dessen Mutter er ein Zimmer gemietet hatte. Die klassische Studentenliebe entwickelte sich zwischen den beiden jungen Leuten: Student und Wirtstöchterlein.

Sie, seine Mutter, hatte es ihm sofort angemerkt. Sein verträumter Blick und seine seltener werdenden Besuche daheim sagten ihr genug. Aber sie hatte geglaubt, dass es nichts weiter als eine vorübergehende Liebelei sei, und war nicht weiter in ihn gedrungen. Ein junger Mann hatte seine Amouren, das musste man ihm zubilligen.

Doch eines Tages war er gekommen und hatte seinen Eltern erklärt, dass er dieses Mädchen heiraten wolle.

Sie waren entsetzt gewesen, denn dieses Mädchen aus kleinbürgerlichen Verhältnissen war in ihren Augen zielstrebig darauf aus gewesen, sich einen wohlhabenden Mann zu angeln, der in diesem Fall noch dazu aus adeligem Haus kam. Mit ihrem hübschen Lächeln hatte sie Harald betört, ganz klar!

Es hatte eine schreckliche Szene zwischen Harald und seinen Eltern gegeben. Klipp und klar erklärten sie ihm, dass sie ihn zu enterben gedachten, wenn er seine Heiratspläne nicht aufgeben würde. Wenn er schon heiraten wolle, so hatte Graf Friedrich grollend verkündet, dann eine Frau aus ihren Kreisen. Wie zum Beispiel Eleonore von Aichingen, die Tochter des Barons von Aichingen, der mit Graf Friedrich befreundet war.

»Eleonore ist drei Jahre älter als ich«, hatte Harald protestiert, »und außerdem liebe ich sie nicht!«

»Liebe kommt in der Ehe, mein Junge«, hatte sie, seine Mutter, erwidert. »Was du jetzt für dieses Mädchen empfindest, ist doch nur Begehren und Leidenschaft, glaube mir! Eines Tages würden dir die Augen aufgehen, und du müsstest erkennen, dass du mit dieser Heirat einen großen Fehler gemacht hast. Bedenke doch, dass dieses Mädchen nicht die geringsten Voraussetzungen für die Stellung einer Gräfin zu Bergheim besitzt. Wir verkehren schließlich im europäischen Hochadel und können niemandem zumuten, sie zu akzeptieren.«

»Aber, Mama, das ist doch ein alter Zopf, der endlich abgeschnitten gehört!«, hatte Harald erregt gesagt. »Und du vergisst, dass heutzutage sogar in noch regierende Königshäuser Bürgerliche einheiraten.«

»Was auch meistens schiefgeht«, hatte sie trocken entgegnet.

»Und gerade von meiner Mutter hatte ich mir Verständnis erhofft«, hatte Harald bemerkt, und sein trauriger Blick war ihr doch ans Herz gegangen.

»Mein Gott, du brauchst ja nicht gleich mit dem Mädchen zu brechen, nur heiraten sollst du es nicht«, hatte sie erwidert.

»Ach was, mache besser gleich Schluss«, hatte Graf Friedrich polternd erklärt. »Hast dich ohnehin schon genug da hineingesteigert. Also, ich sage nein, und das ist mein letztes Wort! Wenn du dich nicht danach richtest, so kannst du sehen, wo du bleibst, denn ich werde dir keinen Cent mehr zukommen lassen, verlass dich drauf! Dann sieh zu, wer dir dein Studium finanziert, oder verdinge dich als Hilfsarbeiter, damit du erkennen lernst, was für ein Glück du hast, in einem Elternhaus aufzuwachsen, das dir alle Privilegien bieten kann, von denen andere ihr Leben lang träumen!«

»Was nutzt mir dies, wenn ich die Frau, die ich liebe, nicht heiraten darf«, hatte Harald trotzig erwidert. »Dann pfeife ich darauf, Papa!«

Daraufhin hatte sich Graf Friedrich dermaßen erregt, dass ihn der Schlag traf und er bewusstlos zusammensank.

Tagelang zitterten sie um sein Leben, und als er sich schließlich ein wenig erholt hatte, rang er seinem Sohn das Versprechen ab, Elisabeth Oswald aufzugeben, denn die Vorstellung, das Leben seines Vaters aufs Spiel zu setzen, war unerträglich.

So hatte er unter dem Druck der Verhältnisse nachgegeben und die Beziehung zu Elisabeth gelöst.

Einige Zeit später musste sie ihm mitgeteilt haben, dass sie ein Kind von ihm erwartete, denn der erste seiner Briefe war die verzweifelte Reaktion darauf, die Bitte um eine Aussprache. Wie diese verlaufen war, konnte die Gräfin jetzt nur ahnen.

Du bestehst darauf, dass ich das meinem Vater gegebene Wort halte, so schrieb er in ein seinem zweiten Brief. Also muss ich mich dem fügen. Aber frage nicht, wie es in mir aussieht und wie unglücklich ich bin. Wenigstens musst Du mir zugestehen, dass ich finanziell für unser Kind sorge, wenn ich ihm schon nicht Vater sein darf.

Wieder konnte die alte Gräfin nicht umhin, ihre Meinung über Elisabeth Oswald zu revidieren. Wenn sie Harald an sein Sohnes Wort gemahnt hatte, so sprach das wirklich nicht dafür, dass sie ihn um jeden Preis hatte kapern wollen.

Harald hatte seinen Eltern von dem Kind nie etwas erzählt. Erst nach seinem Tod hatte Eleonore, seine Frau, Bankunterlagen gefunden, die besagten, dass er all die Jahre monatlich einen gewissen Betrag auf das Konto einer Elisabeth Oswald hatte überweisen lassen. Eleonore war damit zu ihrer Schwiegermutter gekommen und hatte gefragt, ob sie wisse, um was es sich handeln könne.

Für Gräfin Mathilda kam nur eine Möglichkeit infrage, wenn sie recht überlegte und zwei und zwei zusammenzählte. Und sie war wie benommen gewesen bei der Vorstellung, ein Enkelkind zu besitzen, denn – und das empfanden alle als Tragik– die Ehe von Harald und Eleonore von Aichingen war kinderlos geblieben!

Jahrelang hatte man vergebens gehofft und hatte schließlich die berühmtesten Ärzte konsultiert, doch alle hatten nur bestätigen können, dass die junge Frau keine Kinder würde bekommen können.

Heute erst konnte die Gräfin sich erklären, warum Harald sich verhältnismäßig ruhig damit abgefunden hatte.

Er wusste ja, dass er ein Kind hatte, und sicher hatte er auch vorgehabt, dieses Kind eines Tages anzuerkennen. Vielleicht erst nach dem Tod seiner Mutter? Hatte er sein Kind gekannt und gelegentlich besucht?

Jedenfalls stand für die Gräfin zu Bergheim fest, dass der letzte Spross der alten Familie hierher gehörte. Dieser Gedanke ließ ihr keine Ruhe mehr, und es war ihr gleichgültig, wie sich Eleonore dazu stellen mochte.

Von der Bank hatten sie Elisabeth Oswalds Anschrift nicht bekommen können, das fiel unter das Bankgeheimnis, und so hatte sie einen Detektiv beauftragt, diese herauszufinden. Durch ihre Behinderung – sie war vor fast einem Jahrzehnt bei einem Reitunfall schwer gestürzt – konnte sie ja selbst nichts unternehmen, obwohl sie es am liebsten getan hätte.

Nach Haralds tödlichem Unfall war es ihr gesundheitlich sehr schlecht gegangen, aber der Gedanke an sein Kind gab ihr nun neuen Lebenswillen.

Sie streckte die Hand nach der Klingel aus.

»Bitten Sie die Gräfin sofort zu mir«, befahl sie dem Mädchen, das nach dem Schellen eingetreten war.

Es würde keine leichte Aussprache werden, darüber war sie sich im Klaren, aber noch war sie die Herrin auf Schloss Buchenhain und nicht Eleonore, noch bestimmte sie allein hier!

Wenig später klopfte es, und auf Gräfin Mathildas energisches »Herein!«, trat eine große schlanke Frau ein, deren ehemals blondes Haar jetzt mit Silberfäden durchzogen war, was von einem geschickten Coiffeur durch eine Tönung apart betont wurde.

Das gut geschnittene Gesicht war zwar etwas blass und ließ erkennen, dass Gräfin Eleonore die Mitte der Vierzig erreicht hatte, zeigte aber, dass sie früher einmal nicht unhübsch gewesen sein musste, wenn auch vielleicht etwas langweilig, ohne die gewisse Ausstrahlung, die Männer bei Frauen suchen.

»Du hast mich rufen lassen, Mama?« Ihre Stimme klang sanft, vielleicht ein wenig zu sanft, um echt zu wirken.

Man merkte ihr an, dass sie vor ihrer Schwiegermutter großen Respekt hatte, denn ihre fast devote Art ihr gegenüber ließ das deutlich erkennen.

»Ich muss etwas außerordentlich Wichtiges mit dir besprechen«, eröffnete Gräfin Mathilda die Unterhaltung und lehnte sich in ihrem Rollstuhl zurück.

»Ah ja?« Eleonores Gesicht blieb unbewegt, verriet keinerlei Neugier.

»Du hast mich vor einiger Zeit, nachdem du in Haralds Schreibtisch gewisse Bankbelege gefunden hast, gefragt, ob ich wüsste, welche Bewandtnis es mit diesen Zahlungen habe.«

»Das stimmt. Und du weißt es jetzt?«, fragte Eleonore, jetzt Aufmerksamkeit zeigend.

»Ganz recht. Es waren Unterhaltszahlungen für Haralds uneheliche Tochter«, sagte Gräfin Mathilda ohne Umschweife, und fast schien es, als würde sie es genießen, die Schwiegertochter zu schockieren.

Tatsächlich fuhr Eleonore auf wie von der Tarantel gebissen.

»Was sagst du da?«, stieß sie hervor und verlor ihre untadelige Haltung. Ihre regelmäßigen Züge verzerrten sich.

»Es ist so! Harald hatte eine Tochter. Sie wurde kurz vor eurer Heirat geboren. Es handelte sich also nicht um einen Seitensprung, vielmehr um eine voreheliche Beziehung. Wir wussten seinerzeit übrigens davon, denn er wollte dieses Mädchen heiraten. Als dein Schwiegervater daraufhin einen Schlaganfall erlitt, sah er uns zuliebe davon ab und trennte sich von ihr. Später erfuhr er dann von dem Kind. Er hat wohl dem Mädchen noch einmal die Ehe angetragen, doch es wies ihn zurück. Hochherzigerweise, muss ich heute sagen und damit meine frühere Meinung revidieren. Für dieses Kind waren die Zahlungen bestimmt.«

»Er hat es mir nie gesagt«, murmelte Eleonore fassungslos.

»Warum auch? Es hätte deinen Kummer über eure Kinderlosigkeit doch nur vergrößert.«

Eleonore schwieg, und ihre Lippen waren ganz schmal geworden.

»Und woher weißt du das alles jetzt?«, fragte sie schließlich mit spröder Stimme.

»Ich erinnerte mich, dass der Name auf den Bankauszügen mit dem seiner früheren Geliebten identisch war, und ließ Nachforschungen über ihren Verbleib anstellen. Soeben war der Detektiv bei mir und hat mir Bericht erstattet.«

»Nun wissen wir es also, aber was soll es?«, fragte Eleonore scharf. »Was haben wir mit diesem Mädchen zu schaffen?«

»Es ist meine Enkelin, der letzte Spross unserer alten Familie«, erwiderte die alte Gräfin geradezu feierlich, und ihr Ton ließ in Eleonore eine schreckliche Ahnung aufsteigen. Ihre Augen weiteten sich.

»Du willst sie doch nicht etwa anerkennen?«, fragte sie entsetzt.

»Genau das habe ich vor. Ich werde sie adoptieren, damit sie unseren alten Namen weiterführen kann, und wenn sie einmal heiratet, wird ihrem späteren Ehemann zur Auflage gemacht, unseren Namen anzunehmen, damit er nicht ausstirbt.« Die Gräfin sprach so bestimmt, als sei alles beschlossene Sache.

»Du – du verlangst von mir, dass ich hier mit dem Kind der Geliebten meines Mannes zusammenlebe?« Eleonores Stimme bebte.

»Lieber Himmel, vergiss doch bitte nicht, dass die Kleine auch Haralds Tochter ist! Natürlich, ich gebe ja zu, dass dir die Vorstellung zunächst nicht angenehm ist, aber du musst dich damit abfinden. Ich bin fest entschlossen, das Mädchen hierherzuholen.«

Eleonores Gesicht versteinerte. »Und wenn ihre Mutter sie nicht hergibt?«, fragte sie nach einer Weile.

»Sie tut es, verlass dich drauf. Wer vergibt schon so eine Chance für sein Kind, noch dazu, wenn man in ärmlichen Verhältnissen lebt und nicht gesund ist, wie Elisabeth Oswald. Sie wird eher froh sein, ihr Kind versorgt zu wissen, denke ich.«

Eleonores letzte stille Hoffnung fiel in sich zusammen. Seit es ihrer Schwiegermutter nicht so gut ging, hatte sie gehofft, in absehbarer Zeit hier alleinige Schlossherrin sein und endlich ein Leben führen zu können, das sie die öden, leeren Jahre vergessen lassen würde. Sie hätte ja immer hinter der alten Frau zurückstehen und sich nach deren Wünschen richten müssen.

Sie träumte von großen Reisen, von Festen und von vielen schönen Dingen, die sie sich kaufen würde. Das viele Geld, das sie geerbt hätte, hatte sie mit vollen Händen ausgeben wollen, und nun sollte da so ein fremdes junges Ding daherkommen, ihr das alles vermasseln und noch die Erbin spielen?

»Und wenn ich meine Zustimmung verweigere?«, sagte sie und zeigte zum ersten Mal, seit die Gräfin sie kannte, Zorn.

»Das wird kaum etwas nützen, liebe Eleonore, denn dann müsste ich dich bitten, Schloss Buchenhain zu verlassen. Wenn ich meinen Sohn noch nach seinem Tod enterbe, steht dir überhaupt nichts zu, wie du weißt. Es wäre sehr unklug von dir, denn das kleine Vermögen, das deine Eltern dir hinterlassen haben, wird kaum weit reichen.«

»Mama, wie kannst du mir das vorhalten! Wir haben nie ein Hehl daraus gemacht, dass Vater durch die Verluste im Osten kein begüterter Mann mehr war. Die Entschädigung betrug ja nur einen Bruchteil dessen, was …«

»Errege dich doch nicht, meine Liebe, so war es ja gar nicht gemeint, das war uns ja bekannt. Harald hat dich doch nicht aus finanziellen Gründen geheiratet, sondern weil du ein untadeliges, nettes Mädchen aus bestem Hause warst und …«

»… das ihr ihm ausgesucht und das er nie geliebt hat«, wandte Eleonore bitter ein.

»Das kannst du uns nicht vorwerfen, meine Liebe. Als du seinen Heiratsantrag annahmst, konnte dir unmöglich entgangen sein, dass du für ihn nicht die große Liebe warst. Und ihr habt schließlich keine schlechte Ehe geführt, oder?«

»Du musst blind und taub gewesen sein, wenn du das annimmst«, murmelte Eleonore und verzog den Mund. »Wir waren uns fremd bis zuletzt, all die Jahre hindurch. Ich glaube, manchmal hat Harald mich regelrecht gehasst.«

»Unsinn, jetzt wirst du theatralisch«, sagte die Gräfin unwillig, und doch war da ein leises Schuldbewusstsein in ihr.

Wie unglücklich musste Harald gewesen sein, der doch so viel empfindsamer und sensibler gewesen war als Eleonore! Und schon sie behauptete nun, dass ihre Ehe ein Fiasko gewesen sei.