Fern von der Uhlenburg - Corinna Volkner - E-Book

Fern von der Uhlenburg E-Book

Corinna Volkner

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Mit strahlenden Augen und heiter gelöster Miene eilte Britta von Tongau über den langen weißgetünchten Gang, flog fast in die Arme des jungen Arztes. »Geschafft, Rüdiger! Ich habe mein Staatsexamen in der Tasche!« Noch atemlos, überglücklich und in Eile, umschlang die junge Baroneß ihren Verlobten mit beiden Armen, küßte ihn verstohlen auf die Wange. Lächelnd drückte Dr. Rüdiger von Hettling die schlanke Gestalt flüchtig an sich. »Gratuliere, Britta! Doch eigentlich habe ich keinen Augenblick daran gezweifelt, daß du es beim ersten Anlauf schaffst.« Abwehrend hob Britta die rechte Hand, wedelte leicht damit in der Luft und meinte: »Nana! So einfach war das aber nicht. Doch paß auf, Rüdiger, das Beste kommt erst noch.« Triumphierend hob Britta ihre kleine eigenwillige Nase und verkündete stolz: »Die frisch examinierte Lehrerin hat bereits eine Anstellung in der Tasche. Sogar eine ausgesprochen interessante.« Nun blickte der junge Arzt, der in einer großen Hamburger Klinik tätig war, seiner Verlobten überrascht in die rehbraunen lustigen Augen. »Alle Achtung, Britta! Davon hast du ja kein Wort erzählt. An welcher Schule bist du denn angestellt …?« Doch abwehrend hob Britta von Tongau die Hände, hakte sich bei Rüdiger unter, zog ihn langsam mit sich zum Ende des Ganges. »Schule! Keine Schule, mein Lieber.

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Fürstenkrone – 256 –

Fern von der Uhlenburg

Unveröffentlichter Roman

Corinna Volkner

Mit strahlenden Augen und heiter gelöster Miene eilte Britta von Tongau über den langen weißgetünchten Gang, flog fast in die Arme des jungen Arztes.

»Geschafft, Rüdiger! Ich habe mein Staatsexamen in der Tasche!« Noch atemlos, überglücklich und in Eile, umschlang die junge Baroneß ihren Verlobten mit beiden Armen, küßte ihn verstohlen auf die Wange.

Lächelnd drückte Dr. Rüdiger von Hettling die schlanke Gestalt flüchtig an sich. »Gratuliere, Britta! Doch eigentlich habe ich keinen Augenblick daran gezweifelt, daß du es beim ersten Anlauf schaffst.«

Abwehrend hob Britta die rechte Hand, wedelte leicht damit in der Luft und meinte: »Nana! So einfach war das aber nicht. Doch paß auf, Rüdiger, das Beste kommt erst noch.«

Triumphierend hob Britta ihre kleine eigenwillige Nase und verkündete stolz: »Die frisch examinierte Lehrerin hat bereits eine Anstellung in der Tasche. Sogar eine ausgesprochen interessante.«

Nun blickte der junge Arzt, der in einer großen Hamburger Klinik tätig war, seiner Verlobten überrascht in die rehbraunen lustigen Augen. »Alle Achtung, Britta! Davon hast du ja kein Wort erzählt. An welcher Schule bist du denn angestellt …?«

Doch abwehrend hob Britta von Tongau die Hände, hakte sich bei Rüdiger unter, zog ihn langsam mit sich zum Ende des Ganges. »Schule! Keine Schule, mein Lieber. Ich habe eine Stellung als Privatlehrerin angenommen. Und nun rate mal bei wem?«

Dabei blieb die temperamentvolle Baroneß stehen und warf Dr. von Hettling einen bedeutsamen Blick zu. »Ich wette, das rätst du nicht so bald.«

Seufzend hob Rüdiger die Schulter. »So spanne mich doch nicht länger auf die Folter, du Tausendsassa. Ich muß in wenigen Minuten zur Visite.«

Tief holte die Baroneß Luft, ehe sie herausplatzte: »Ich gehe auf die Uhlenburg als Privatlehrerin der kleinen Komteß Joana von Uhlenburg.«

Das war allerdings eine Überraschung. Und keine angenehme. Dr. Rüdiger von Hettling runzelte die Brauen, starrte aus seinen hellblauen wachen Augen zweifelnd in das nette Gesicht der Baroneß, die er schon von der Kindheit her kannte. Aus dem einfachen Grund, weil die Güter ihrer Väter aneinandergrenzten.

Die Familien Tongau und Hettling waren zu allen Zeiten in Freundschaft verbunden, und so war es fast zwangsläufig zu der Verlobung der jungen Menschen gekommen.

Beide gingen zwar nach Hamburg, studierten dort an verschiedenen Universitäten, verloren sich jedoch nie aus den Augen.

Immer fuhren sie über das Wochenende heim nach Holstein, ritten zusammen über die grünen Weiden der elterlichen Besitztümer, um neue Kräfte für den Hamburger Alltag zu sammeln.

Dr. von Hettling promovierte, nachdem er sein Medizinstudium abgeschlossen hatte und begann an der Hamburger Klinik, während Britta von Tongau sich auf das Lehrerexamen vorbereitete.

Doch nun diese Eröffnung!

»Das kannst du doch nicht tun«, rief Dr. von Hettling nun besorgt aus. »Weißt du denn nicht, daß auf der Burg die Lehrerinnen wechseln wie – wie ich meine weißen Arztkittel?«

Achselzuckend gab Britta zurück: »Natürlich ist mir das bekannt, aber das bestärkt mich noch in meinem Entschluß, die kleine Komteß zu unterrichten.«

Sie hatten nun das Ende des Ganges erreicht, und Dr. von Hettling warf einen raschen Blick auf seine Armbanduhr.

»Höchste Zeit für mich, Britta«, meinte er und fügte eindringlich hinzu: »Überdenke deinen Entschluß noch einmal, Liebling. Ich – bin angehender Psychiater und weiß um die Schwierigkeiten, mit denen du gleich auf deiner ersten Stellung konfrontiert würdest. Meiner Meinung nach gehört Joana von Uhlenburg in ein gutes Internat. Das müßte dem Grafen mittlerweile selber als die beste Lösung erscheinen.«

Britta runzelte ärgerlich die Brauen. »Ich werde dir beweisen, daß in mir das Zeug zu einer guten Pädagogin steckt. Außerdem glaube ich einfach nicht an all das gräuliche Gerede, das man über die Uhlenburg verbreitet. Die kleine Komteß ist in meinen Augen nur ein bedauernswert-einsames Kind, das zwar vom Vater sehr geliebt, doch sicherlich nicht recht verstanden wird. Der Kleinen fehlt die Mutter, so wird es wohl sein.«

Ernsthaft hatte Dr. Rüdiger von Hettling seiner Verlobten zugehört. »Ich hoffe für dich, daß du es schaffst, Britta«, sagte er nun warm und legte den Arm um deren schmale Schultern.

»Wir sehen uns dann ja übermorgen daheim, Liebling. Nun muß ich aber schnell fort. Hör nur, da kommt die Schwadron der Jungschwestern angetrippelt.«

Dabei wandte Rüdiger kurz das Gesicht zurück, näherte seinen Mund dann rasch dem der Baroneß.

Ihre Lippen fanden sich zu einem kurzen, zärtlichen Kuß. »Tschüß, Lieber«, hauchte Britta leise und entschwand eiligst die Treppe hinunter.

Dr. von Hettlings Miene wurde schlagartig tiefernst. Er sorgte sich um Britta. Diese Anstellung gefiel ihm ganz und gar nicht.

*

Noch acht Tage weilte Britta von Tongau auf dem kleinen Schloß ihrer Eltern in Holstein.

Tage der Harmonie. Ausgefüllt mit Ausritten an der Seite Rüdiger von Hettlings, der zum Wochenende gleichfalls aus Hamburg herausgefahren kam.

Während die jungen Leute hoch zu Pferde über die Weiden trabten, saßen die beiden alten Ehepaare Tongau und Hettling im Schatten der Eichenbäume, die das nahegelegene Forsthaus umsäumten, beim Kaffee.

Ihr liebstes Thema galt hingegen Britta und Rüdiger.

Genauer gesagt dem Heiratstermin der beiden.

»Warum überhaupt noch diese Anstellung?« brummte der alte Baron von Hettling, der lieber heute als morgen Britta in seinem Schloß als Schwiegertochter willkommen heißen würde.

»Nun, Horst, das mußt du verstehen«, gab Baron von Tongau zurück und brannte sich bedächtig eine Zigarre an, »das Kind hat sich schließlich nicht umsonst jahrelang abgeplagt. Studiert! Nun will sie auch eine Zeitlang ihren Beruf ausüben. Danach – haha –!« Er lachte aus vollem Hals. »Danach kommen wir schon zu unseren Enkelkindern, mein alter Freund.«

Die Baroninnen lächelten verstohlen bekamen freudig erregte Gesichter. Nun ja, ihre Gedanken gingen solche Wege. Enkelkinder! Zwei – drei vielleicht. Britta und Rüdiger waren ein gesundes, lebenshejahendes Paar. Und zum Glück lebte man nahe beieinander, so daß jeder zu seinem Recht käme.

Doch zunächst – leider – ging Britta auf die Burg des Grafen, von dem man sich keine allzu erfreulichen Dinge erzählte. Dazu kam noch jenes sonderbare Kind.

»Ob Britta es schafft?« sagte nun Henriette von Tongau sorgenvoll.

»Natürlich schafft sie es, meine Liebe«, entgegnete der Baron vergnüglich und stieß Rauchkringel in die warme Sommerluft. »Es wäre das erstemal, daß meine Tochter etwas nicht schafft. Britta ist ein Teufelsmädel, wenn es drauf ankommt. Nur eines macht mir Sorgen –«

Der Baron schwieg, blickte nun angestrengt dem jungen Paar entgegen, das durch die Waldschneise herangetrabt kam und vor dem Forsthaus die Pferde anhielt.

»Hallo! Habt ihr noch Kaffee für uns übriggelassen?« rief Britta fröhlich aus und sprang von ihrer Stute.

»Natürlich, Kinder! Kommt nur, ihr müßt ja schrecklich durstig sein.« Margaret von Hettling schenkte den beiden ein und legte auch noch Apfelkuchcn auf die Teller vor ihnen.

Während Britta und Rüdiger sich mit gutem Appetit darüber hermachten blickte Henriette von Tongau fragend in die Augen ihres Mannes. Sich ihm leicht zuneigend, fragte sie mit gedämpftem Ton: »Worüber machst du dir Sorgen, Werner?«

Dieser runzelte die weißen Brauen, so daß seine Augen kaum noch unter den dichten Haarbüscheln sichtbar waren. Scharf und wachsam hielt der alte Herr den Blick auf Britta und Rüdiger gerichtet, während er leise erwiderte: »Der Graf von Uhlenburg ist ein äußerst interessanter, gutaussehender Bursche, meine Liebe, und unsere Tochter noch ein relativ unbescholtenes junges Mädchen. Dazu kommt die unvermeidbare längerwährende Trennung von Rüdiger, und die Tatsache, daß Britta nicht allzu leidenschaftlich verliebt in ihren Verlobten zu sein scheint. Hoffentlich gibt es da keine Enttäuschung für uns.«

»Oh – Werner! Bloß nicht!« stieß Henriette von Tongau hervor und warf einen raschen Blick auf die beiden jungen Menschen.

Nicht auszudenken, wenn alle schönen Zukunftspläne an einer aussichtslosen Schwärmerei Brittas für den Grafen von Uhlenburg scheitern würden.

Doch eigentlich hatte Werner recht. Sehr verliebt sahen Britta und Rüdiger nicht aus. Eher wie zwei gute Kameraden lachten und scherzten sie miteinander.

Nun ja, mußte die Baronin denken, sie waren ja auch niemals für längere Zeit getrennt. So gesehen, kann es auch von Nutzen für ihre Gefühle sein, wenn sich die beiden mal eine Zeitlang nicht ständig begegneten.

*

Mit dem Zug gelangte man schnell von Holstein nach Bad Uhlenburg.

Britta von Tongau, die noch keinen eignen Wagen besaß, kam am späten Nachmittag an, schleppte ihre beiden Koffer selber vor das Bahnhofgebäude und blickte sich nach einer Taxe um.

Es herrschte reger Urlaubsbetrieb in der schönen kleinen Stadt, und einige Neuankömrnlinge waren schneller als die Baroneß.

Ehe Britta sich versah, waren die wenigen Taxifahrer abgebraust in alle HirnmeIsrichtungen.

Seufzend strich sich Britta ihr Haar zurück, schob die Sonnenbrille uber die Stirn und hielt Ausschau.

Ein alter Mann mit seiner Pferdekutsche wartete ganz in der Nähe, winkte ihr nun zu und rief quer über die Straße: »Hallo, Fräuleinchen! Wohin soll es denn gehen? Kann Sie auch ans Ziel bringen, wenn Sie Zeit genug aufbringen für uns.«

Damit wies er gemütlich lachend auf seine beiden Pferde, die mit hängenden Köpfen dastanden.

Na, warum eigentlich nicht, dachte sich Britta amüsiert. Bis zum Abend würde sie auch auf diese Weise die Burg erreicht haben.

»Ich will zur Uhlenburg!« rief sie zurück.

Da fiel dem alten Kutscher vor Schreck fast die Stummelpfeife aus dem Mundwinkel.

»Ach Gott, schon wieder eine! Na, denn mal los!« Erstaunlich flink schwang er sich vom Kutschbock und kam auf die Baroneß zugelaufen.

»Sind das Ihre?« Damit nahm er schon die beiden Koffer und schleppte sie zu seiner Kutsche.

Verwirrt folgte Britta dem Alten. Was sollte dieser Ausruf vorhin? Schon wieder eine? Ob es tatsächlich so schlimm war mit den Lehrerinnen der neunjährigen Komteß.

»Wie lange brauchen Sie denn bis zur Burg?« fragte sie vorsichtshalber noch, schon halb in der vorsintflutlichen Kutsche versinkend.

»Ungefähr zwei Stunden, wenn meine Pferde sich strecken«, brummte der Alte fröhlich zurück. Die Koffer hatte er irgendwo unter die Sitze verstaut, und nun bestieg er den Kutschbock, knallte mit der Peitsche und ab ging es!

Eigentlich saß man ganz bequem hier. Brittas Stimmung hob sich, und sie betrachtete die hübschen Häuser, die blumengeschmückten Hotelanlagen der freundlichen kleinen Stadt im Schatten der mächtigen Burg.

Ja, diese Burg erhob sich nun auf einem waldumsäumten Hügel vor Britta auf. Die Uhlenburg.

Es gab zwei kurze und zwei längere Gebäudeflügel, die mehrere, zu weiten Terrassen ausgebaute Vorsprünge besaßen.

All dies konnte Britta von Tongau nun schon deutlich erkennen in der klaren Nachmittagsluft.

Die untergehende Sonne warf ihre letzten Strahlen über die Uhlenburg und tauchte die Barockhauben der Türme in Goldstaub.

Doch dann war der märchenhafte Anblick vorbei, denn der Kutscher lenkte sein Gefährt in den dichten Waldweg ein, der sich wie eine einzige Serpentine durch hohe Tannen und mächtige Laubbäume zur Burg hochstreckte.

Hier war schon leichte Dämmerung, blieb das Heitere zurück. Keine Menschenseele begegnete ihnen, kein flotter Wagen kurvte um die nächste Biegung.

»Alles Sperrgebiet«, meinte der Alte und zog heftig an seiner Pfeife.

»Warum nur?« Britta neigte sich vor und suchte im runzligen Gesicht des Mannes zu lesen. »Das war doch nicht immer so, nicht wahr.«

Ein Kopfschütteln, dann die mürrische Antwort:

»Beileibe nein, Fräuleinchen. Unser Graf war früher ja auch kein Sonderling. Das Unglück hat ihn dazu gemacht. Und dann, als die Leute hier hochpilgerten, um ihre Neugierde zu befriedigen, da ließ der Graf den Aufstieg zu Burg sperren, die Besichtigungen wurden gestrichen. Die Uhlenburg verkroch sich vor der Welt.«

Tief bewegt hörte Britta dem alten Kutscher zu, dessen Stimme bitter und zornig klang, der sie nun aus seinen hellen, scharfblickenden Augen anstarrte, wobei er den Kopf leicht wenden mußte. Doch seinem Pferdegespann machte das nichts aus. Die Tiere trabten weiter den altgewohnten Pfad.

»Sie kommen zu der kleinen Komteß? Wie lange denn wohl, he? Türmen wohl auch gleich beim ersten kleinen Schrecken, den Ihnen Joana zufügt, weil sie es nicht anders kann, das arme Ding. Ist nun mal der Fluch einer Erbkrankheit. Doch umgebracht hat es weiß Gott noch niemanden, unser Komteßchen.«

Das klang so grollend, wobei der Alte heftig mit seiner Peitsche in die Luft hieb, daß Britta erschreckt zusammenfuhr.

»So rasch bringt mich keiner fort von der Uhlenburg«, entgegnete sie schnell, bemüht, ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen.

Doch der Alte lachte nur hart auf und schob seinen ausgebeulten Filzhut in den Nacken. »Werde es ja sehen! Stehe ja alle Tage vor dem Bahnhof drunten. Erst vor einigen Tagen habe ich die vorherige Erzieherin ankommen sehen. Per Taxe natürlich. Hat es ja brandeilig gehabt, die dumme Ziege.«

Jetzt mußte Britta unwillkürlich lachen, wobei sie fragte: »Sie scheinen die kleine Komteß ins Herz geschlossen zu haben, Alterchen, die armen Gouvernanten hingegen allesamt zum Teufel zu wünschen. Schade! Ein bißchen Glück könnte ich schon brauchen. Wollen Sie mir kein Glück wünschen bei meiner Aufgabe, der kleinen Joana etwas beizubringen?«

Wieder traf sie ein langer, forschender Blick aus den listigen Augen, dann meinte der Alte versonnen: »Ja, fast glaube ich es schon, daß Sie kein Angsthase sind, schönes Fräulein. Na, denn mal viel Glück auf der Uhlenburg. Und – falls sie mir erlauben, einen guten Rat.«

Wieder neigte sich der Alte vor und raunte eindringlich: »Dort droben auf der Burg werden Sie einem – bösen Geist begegnen. Einem Teufel in Menschengestalt. Hüten Sie sich vor ihm und seinem bösen Blick, mit dem er unsere arme Gräfin und das Kind verzaubert hat. Dem Grafen kann man ja damit nicht kommen. Er hofft und hofft und macht doch alles verkehrt in seiner Sorge. Er durchschaut das teuflische Spiel nicht. Wieso auch? Er ist gegen jene bösen Blicke gefeit. Drum glaubt er nicht an sie.«

Abrupt schwieg der alte Mann, fuhr sich wie erwachend mit der Hand über das Gesicht, schob den Hut zurück in seine Stirn und knallte heftig mit der Peitsche.

Fröstelnd hatte Britta zugehört. Ihr schauderte fast. Nun stieß sie die Luft aus, lehnte sich zurück und überlegte, was sie zu diesen Orakellauten sagen sollte. Einfach vergessen all die beschwörenden Worte?

»Ich werde Ihre Warnung beherzigen, Alterchen«, sagte sie ernsthaft, »und ich danke Ihnen dafür.«

Ein Hochziehen der Schultern, ein geknurrtes »schon gut, ist vielleicht alles Unsinn«, dann trabten die Pferde schneller, trabten um die letzte Windung dem mächtigen Schloßtor entgegen.

Die Sonne war da schon längst untergetaucht, und Schatten breiteten sich im weit angelegten Burginnenhof aus.

Mächtige uralte Bäume standen hier, der Rasen war gepflegt, die schmalen Pfade dazwischen aus feinem weißen Kies.

Das Hauptportal erreichte man von einer weitgeschwungenen Freitreppe, her, an deren untersten Stufen auf hohen Granitsäulen steinerne Uhus hockten. Sie waren im Wappen der Burg wieder zufinden als Wahrzeichen der Uhlenburg.

Dicht vor der Freitreppe hielt der Kutscher sein Gespann an, stieg vom Kutschbock und holte die Koffer hervor. Britta entlohnte den Alten reichlich und bedankte sich noch einmal herzlich.

Dieser zog seinen Hut, verneigte sich und schielte dabei zum Portal hinauf. »Aha, man erwartet Sie schon. Alles Gute!«

Schnell erklomm er den Bock, lenkte seine Pferde herum und rollte aus dem Burghof davon.

Am liebsten wäre Britta wieder mit ihm gefahren. Sie fühlte sich plötzlich sehr verloren. Doch da kam schon die Hausdame in Begleitung eines livrierten Dieners die Freitreppe herab.

»Baroneß von Tongau? Ich freue mich, Sie auf der Uhlenburg begrüßen zu dürfen.«

Brittas Schüchternheit wuchs noch angesichts der eleganten, mit sicherem Charme auftretenden Frau. die etwa dreißig Jahre alt sein mußte.

»Ich freue mich gleichfalls«, entgegnete sie mit heftig pochendem Herzen. »Es ist sehr schön hier. Ja, wirklich! Ich hatte mir die Uhlenburg längst nicht so – so romantisch vorgestellt.«

Ein kühler, abwägender Blick traf sie aus nachtschwarzen langbewimperten Augen. »Nun ja! Romantisch! Warten wir es ab, ob es Ihnen nicht ein wenig zu romantisch hier erscheint. Franz, nimm bitte das Gepäck der Baroneß. Ach richtig? Habe mich Ihnen ja noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Lady Chester. Ann Chester. Ich bin gebürtige Engländerin.

Seit jenem schrecklichen Geschehen im vorigen Jahr führe ich dem Grafen den Haushalt. Ich tue es mehr aus Gefälligkeit, Sie verstehen?!«

Kein Wort verstand Britta. Nur soviel, diese Lady hier hatte wahrlich das Auftreten einer echten Burgfrau. Stolz und kühl bis ans Herz.

Ist sie der Teufel mit dem bösen Blick, durchfuhr es Britta.

»Das Kind hat keine Ruhe gegeben und will Sie unbedingt noch vor dem Einschlafen sehen, verehrte Baroneß. Es macht Ihnen hoffentlich nichts aus, Joana noch gute Nacht zu wünschen?«

Überrascht und erleichtert entgegnete Britta: »Das finde ich nett. Wo ist sie denn, die kleine Komteß?«

*

Später sollte sich Britta von Tongau noch oft an diese erste Begegnung mit der kleinen Komteß Joana von Uhlenburg zurückerinnern.

Das war gut so! Denn nur so fand Britta die Kraft durchzuhalten, an das wirklich Gute in dem Kind zu glau-ben.

Obwohl gerade das manchmal ihr Einfühlungsvermögen überstieg. Denn es schien tatsächlich, als sei die kleine Komteß von einem bösen Geist befallen, der sie so unglaubliche Dinge tun ließ.

Doch davon wußte Britta zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Sie folgte der Hausdame, Lady Chester, die Freitreppe hinauf, betrat das weite Vestibül, das einen anheimelnden Eindruck machte durch die kostbare Wandtäfelung und das geschwungene, reichgeschnitzte Treppengeländer des gleichen edlen Holzes.

Über der Wandtäfelung spannte sich eine rundliche hohe Decke, bemalt mit herrlichen Jagdszenen. Einige Gemälde mit ähnlichen Motiven zierten die Wände des Treppenaufgangs.

Dämmerung herrschte in dem weiten Vestibül, nur von einigen schmalen Fenstern fiel sanftes Abendlicht hoch zur Empore.