Opfer einer Familienfehde - Myra Myrenburg - E-Book

Opfer einer Familienfehde E-Book

Myra Myrenburg

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. Nr. »Jetzt mal ehrlich«, sagte Jill Ferrer und blickte ihrer Freundin offen ins Gesicht. »Wer hat dir gestern abend auf dem Studentenball am besten gefallen?« Veruschka seufzte tief. »Das kann ich beim besten Willen nicht verraten, Jillie.« »Warum denn nicht? Wir beide haben doch noch nie ein Geheimnis voreinander gehabt.« »Es ist nicht deswegen, es ist nur, weil der Name desjenigen, der mir leider am besten gefallen hat, nicht ausgesprochen werden darf.« Jills himmelblaue Augen weiteten sich vor Verwunderung. »Nicht ausgesprochen werden darf?« echote sie völlig verständnislos. »Aber warum denn nicht? Hängt ein Fluch darüber? Oder sonst irgendwas Unheimliches?« »So ähnlich«, murmelte Veruschka tonlos und zog sich die Stola um die Schultern. Die beiden Mädchen saßen auf der offenen Veranda des vornehmen Pensionats Claire Steinhoff. Es war Frühsommer, und die gläserne Front war heruntergekurbelt. Im Winter wurde der Raum geheizt und diente als Wintergarten.

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Fürstenkrone Classic – 57 –

Opfer einer Familienfehde

Als eine alte Geschichte eine junge Liebe in Gefahr brachte

Myra Myrenburg

»Jetzt mal ehrlich«, sagte Jill Ferrer und blickte ihrer Freundin offen ins Gesicht. »Wer hat dir gestern abend auf dem Studentenball am besten gefallen?«

Veruschka seufzte tief.

»Das kann ich beim besten Willen nicht verraten, Jillie.«

»Warum denn nicht? Wir beide haben doch noch nie ein Geheimnis voreinander gehabt.«

»Es ist nicht deswegen, es ist nur, weil der Name desjenigen, der mir leider am besten gefallen hat, nicht ausgesprochen werden darf.«

Jills himmelblaue Augen weiteten sich vor Verwunderung.

»Nicht ausgesprochen werden darf?« echote sie völlig verständnislos. »Aber warum denn nicht? Hängt ein Fluch darüber? Oder sonst irgendwas Unheimliches?«

»So ähnlich«, murmelte Veruschka tonlos und zog sich die Stola um die Schultern.

Die beiden Mädchen saßen auf der offenen Veranda des vornehmen Pensionats Claire Steinhoff. Es war Frühsommer, und die gläserne Front war heruntergekurbelt.

Im Winter wurde der Raum geheizt und diente als Wintergarten.

Veruschka und Jill waren am selben Apriltag vor vier Jahren in

Madame Steinhoffs verwinkeltem, verschnörkeltem, von Disziplin und Ordnung erfülltem Haus eingeführt worden. Seitdem bewohnten sie dasselbe große, luftige Zimmer im ersten Stock, besuchten sie dieselben Schulkurse und dieselben Sportstunden.

Sie trennten sich nur in den Ferien, wenn Jill nach Hause nach Amerika flog und Veruschka ins Schloß ihrer Eltern zurückkehrte.

Aber selbst das taten sie in letzter Zeit nicht immer. Einmal hatten sie zusammen einen Skikurs in den Schweizer Bergen besucht, und ein anderes mal war Jill mit ins Schloß gekommen.

Es gab von Herkunft und Erziehung her keine größeren Gegensätze als Veruschka Prinzessin von Ma­krewina und Jill Ferrer aus Baltimore, USA.

Aber es stimmte, wenn Jill sagte, sie hätten doch normalerweise keine Geheimnisse voreinander.

Das hatten sie wirklich nicht.

»Also, Veruschka«, begann Jill nach einer Weile tiefen Nachdenkens, »du brauchst mir den Namen desjenigen, der dir am besten gefallen hat, nicht zu nennen, wenn das nicht geschehen darf. Aber vielleicht kannst du mir erklären, warum das so ist.«

Veruschka seufzte tief.

»Wenn ich wüßte, warum, wäre mir ja schon bedeutend wohler. Aber ich habe das nie herausbringen können. Zwischen seiner und meiner Familie besteht so etwas wie eine uralte Fehde, und niemand hat je ein einziges Wort darüber gesprochen.«

»Himmel!« entfuhr es Jill, und sie schüttelte die hellblonden Locken. »Das gibt es noch im zwanzigsten Jahrhundert?«

»Du siehst es ja.«

Veruschka von Makrewina hob die Schultern und ließ sie wieder sinken.

»Du bist doch sonst so modern«, bemerkte Jill.

»Das hat damit gar nichts zu tun.«

»Womit denn sonst?«

»Nun, einfach mit…, ich weiß nicht…, mit Pietät oder Geschmack oder so was.«

»Aber wenn vielleicht das Glück deines Lebens davon abhängt! Da pfeife ich doch auf Pietät und Geschmack und alles andere!«

Veruschka mußte lachen. Das war so echt Jill!

»Das Glück meines Lebens, Jill, ist ein großes Wort! Ob er nun gerade das für mich wäre, weiß ich nicht. Schließlich habe ich ja nur mit ihm getanzt.«

Jill starrte in den Fliederbaum und riß die Augen wieder ganz weit auf.

»Ich weiß, wer es ist! Und wenn du den Namen nicht aussprechen darfst, ich darf es bestimmt! Bela von Bosny!«

Veruschka zuckte zusammen, zog die Stola ganz fest um ihre Schultern und schwieg eisern.

»Da haben wir’s!« klagte Jill. »Du willst nicht mal mehr ja oder nein sagen! Unsere ganze schöne Freundschaft wird draufgehen, nur wegen einer alten Blutrache oder sonst einem Blödsinn!«

»Ach, Jillie!«

»Nichts da! Ich weiß schon, wovon ich rede, und wenn du…«

»Pst! Da kommt Madame Claire!«

Madame Claire, Vorsteherin der vornehmsten Mädchenerziehungsanstalt in ganz Europa, wie sie gern zu verstehen gab, war eine hochgewachsene, sehr schlanke Erscheinung mit schwarzem, schnurgerade gescheiteltem Haar, melancholischen dunklen Augen und einer betont leisen Stimme.

Sie gab sich, von wenigen Gelegenheiten abgesehen, gern verständnisvoll.

»Nun, Ballgespräche?« erkundigte sie sich denn auch teilnehmend.

Veruschka senkte sofort unsicher den Blick. Jill dagegen schaute offen in das schmale, ein wenig vogelartige Gesicht der Vorsteherin und erwiderte:

»Ja, Madame Claire, wir haben uns gerade über die Vorzüge und Nachteile der Studenten unterhalten. Es gibt so viele verschiedene Menschen auf der Welt, nicht wahr?«

»Das ist nicht zu leugnen«, lächelte Madame Claire. »Die Hauptsache ist, daß es euch gestern abend gefallen hat. Ihr seid jetzt in der letzten Klasse, und wie ihr wißt, werden zweimal im letzten Jahr diese Bälle veranstaltet, damit ihr nicht ins Leben hinaustretet, ohne eine Ahnung zu haben, wie man einem jungen Mann gegenübertritt.«

»Das ist eine weise Entscheidung«, murmelte Jill, und man wußte nicht, ob das ironisch oder ernsthaft gemeint war.

Aber Madame Claire war entschlossen, es positiv zu nehmen.

»Nicht wahr, Jill? So sehe ich es auch. Schließlich kommt ihr aus Kreisen, in denen gesellschaftlicher Verkehr großgeschrieben wird.«

Jill streifte Veruschka mit einem langen Blick. Was sie betraf, so stimmte zweifellos, was Madame Claire sagte.

Aber sie selbst, Jill Ferrer aus Baltimore, gehörte nicht zur Creme de la Creme, zur oberen Gesellschaft.

»Sie war nichts als die Tochter einer gut verdienenden Journalistin, die zu wenig Zeit hatte, sich genügend um ihre einzige Tochter zu kümmern.

Aus diesem Grunde und weil Jills Mutter oft in Europa zu tun hatte, war Jill in diesem vornehmen Pensionat gelandet.

Keine Frage, manchmal war es so langweilig, daß man am liebsten ausgebrochen wäre. Aber da Jill auch andere Internate kannte, in denen es keineswegs besser zuging, brach sie nicht aus, sondern blieb, wo sie war.

Hier hatte man wenigstens eine gepflegte Umgebung, absolute Gerechtigkeit – niemand wurde jemals bevorzugt –, eine gute Schulausbildung und – was Jill am meisten schätzte – eine gute Freundin.

»Nun, ich denke, es ist Zeit zum Abendessen«, meinte Madame Claire und schloß eine Seite der Fensterverglasung, »gleich wird es läuten.«

Sie hatte recht, wie immer. Der Gong ertönte, und gleich darauf war an den trippelnden Füßen in Fluren und Treppenhäusern das Echo zu vernehmen.

Junge Leute haben meistens Hunger, und wenn der Gong ertönte, dann kam Bewegung in alle.

Madame Claire verschwand, und Jill zog Veruschka mit sich hinaus.

»Weiß sie nichts von dem Fluch?« fragte sie flüsternd.

»Wer? Von welchem Fluch?«

»Madame Claire! Ich meine, warum du den Namen der Bosnys nicht aussprechen darfst.«

»Pscht!« machte Veruschka unwillkürlich.

»Ach, hör doch auf! Ich komme aus Baltimore in USA, und es gibt keinen Namen auf dieser Welt, den ich nicht aussprechen dürfte! Also tue ich’s. Weiß sie’s, oder weiß sie’s nicht?«

»Wahrscheinlich nicht. Sonst hätte sie mich nicht hingehen lassen.«

»Aber das wäre nicht ihre Art. Das würde gegen ihr Prinzip verstoßen. Entweder wir fehlen alle auf dem Ball oder keine. Sie würde dich niemals hier allein sitzen lassen, während wir lustig tanzen gehen.«

»Das stimmt. Aber vielleicht hat sie keine Ahnung. Es ist bestimmt nur so eine Familiengeschichte, die nie an die Öffentlichkeit dringt.«

»Richtig!« Plötzlich blieb Jill auf der Treppe so abrupt stehen, daß Ve­ruschka fast über sie gefallen wäre. »Familiengeschichte, sagst du. Dann müßte Bela es doch auch gehört haben. Ich meine, dann müßte er doch auch deinen Namen nicht aussprechen dürfen.«

»Eigentlich nicht.«

»Hat er dich angesprochen?«

»Jetzt, wo du mich fragst, kann ich mich gar nicht darauf besinnen.«

»Aber er muß dir doch irgend etwas gesagt haben. Ihr habt mindestens fünfmal zusammen getanzt.«

»Ja, schon, aber ich weiß nicht, worüber wir geredet haben. Nichts Besonderes, wie das so ist –«

Veruschka sah ganz verwirrt aus.

»Na, laß nur«, meinte Jill gönnerhaft und schob sie die letzten Stufen hinunter, »ich mache das schon. Mir sind ja keine Grenzen gesetzt. Verlaß dich nur auf mich, ich finde das alles heraus.«

Wenn Jill Ferrer sich in den Kopf gesetzt hatte, etwas herauszubringen, dann ließ ihr das keine Ruhe.

So, wie ihre Mutter eine der besten Journalistinnen geworden war, weil sie jeder Spur nachging, auf die man sie setzte, so war Jill gleichermaßen hartnäckig.

Aber das Unternehmen sollte sich schwieriger gestalten, als sie angenommen hatte.

Denn zwei Tage später, als sie unter dem Vorwand, zur Post gehen zu müssen, um Sondermarken für ihre Sammlung zu erstehen, im Studentenheim nach Bela von Bosny fragte, bekam sie eine merkwürdige Antwort.

Bela, hieß es, sei nach Hause gerufen worden.

Nein, man wisse nichts Näheres. Sicherlich, ja doch, er müsse wohl demnächst wiederkommen, da er ja noch keinen Examensabschluß habe.

Manchmal, dachte Jill zähneknirschend und warf das hellblonde Haar entschieden zurück, könnte man meinen, man lebe hier noch im vorigen Jahrhundert. Wenn man nicht zufällig die Flugzeuge sähe und die Autos, könnte man echte Zweifel kriegen.

Nach Hause gerufen! Warum wohl? Dreimal darfst du raten, Jill Ferrer!

*

Bela von Bosny, im Barockzimmer seines Vaters auf einem ebenso antiken wie harten Stuhl sitzend, fühlte sich denkbar unbehaglich.

Seit zehn Minuten wartete er nun schon auf den alten Herrn.

Die Uhr auf dem Sims schlug acht. Bald wurde gegessen. Was um alles in der Welt hatte diese plötzliche Abberufung aus dem Studentenheim zu bedeuten?

Er hatte sich schon den ganzen Tag den Kopf zerbrochen, ohne daß ihm eine befriedigende Lösung eingefallen wäre.

Gewiß, seine Noten in den letzten Semestern waren nicht gerade ergreifend gewesen. Sie hätten besser sein können, aber sie hätten auch schlechter sein können, wie er sich trotzig immer wieder sagte.

Bela von Bosny war guter Durchschnitt in seinem Fach als Wirtschaftswissenschaftler, und mehr brauchte er auch nicht zu sein, da er sich wissenschaftlich nie betätigen würde, sondern ausschließlich praktisch. Und darin war er den meisten anderen seines Alters überlegen, das wußte er.

Keiner konnte die Klafter Holz im Wald mit dem Auge so abmessen wir er, keiner konnte auf Anhieb sagen, ob sich ein Betrieb lohnte, mochte es nun ein Milch- oder Viehbetrieb oder einer mit Ackerbau sein, keiner, nur er.

Das hatte er seinem Vater und seinen Brüdern voraus, das wußte er besser als alle Studenten in der Stadt. Wozu also noch auf besonders gute Noten hinarbeiten, wenn er das Wesentlichste besaß, worauf es ankam: einen gesunden Menschenverstand und die Liebe zum Landwirtschaftlichen.

Trotzdem rückte er immer nervöser auf seinem Stuhl hin und her.

Bela mochte seinen Vater sehr. Er mochte auch seine Mutter. Er mochte seine Großmutter, seinen Großvater, seine Geschwister.

Er hatte es gern friedlich, harmonisch, freundlich. Er machte sich nichts aus Krach und Szenen.

»Da bist du ja!« hörte er die Stimme seines Vaters.

Gleichzeitig sah er ihn im Türrahmen auftauchen, einen großen, breitschultrigen, gediegenen Familienvater, wie aus dem Bilderbuch.

Er trug sich immer ein wenig altväterlich, mit Weste und Uhrkette, und das störte auch niemanden an Bosny.

Jeder war, wie er nun einmal war, und die meisten waren nett.

»Ja, da bin ich«, sagte Bela und stand sofort auf, um seinen Vater zu begrüßen.

Die Umarmung fiel um keine Spur kühler aus als sonst, und Bela sank um einiges erleichtert wieder auf seinen Stuhl.

»Es ist doch nichts passiert?« erkundigte er sich vorsichtig.

»Noch nicht«, erwiderte der Vater, und das fand Bela so rätselhaft, daß er wieder anfing, herumzurücken. »Sitz still! Ich habe mit dir zu reden, bevor Mama kommt«, sagte sein Vater rasch.

Er zündete sich eine dicke Zigarre an, was seine Frau vor dem Abendessen bestimmt nicht geschätzt hätte. Sie war sehr streng, was Gesundheit und die dazugehörigen Sitten betraf.

Bela starrte seinem Vater in das backenbärtige Gesicht und wartete.

Was um Gottes willen konnte er bloß mit ihm zu reden haben?

»Es geht«, sagte Stefan von Bosny und paffte wild drauflos, »es geht, um es ganz kurz zu machen, um eine gewisse Prinzessin Veruschka von Makrewina. Sie ist…«

»Sehr nett«, beeilte sich Bela ihm behilflich zu sein.

Aber sein Vater winkte sofort mitsamt der dicken Zigarre heftig ab.

»Eben nicht!«

»Aber Papa, du kennst sie ja gar nicht! Wie kannst du dann sagen, sie ist nicht nett?«

»Sie hat nicht nett zu sein, Bela, jedenfalls nicht zu dir, und du nicht zu ihr, verstanden?«

»Kein Wort!«

»Aber Bela«, rief der alte Herr und knöpfte sich die Weste auf, »das ist doch nicht so schwer zu verstehen!«

»Doch, das ist es, Papa!«

»Du warst immer schon ein eigensinniger Bursche! Ich gebe ja zu, daß du nie Schwierigkeiten machst, aber man kann dich immer so schwer überzeugen!«

»Mit guten Argumenten immer, Papa!«

»Nun, ich habe ein Argument, eines, das unschlagbar ist, mein Junge. Die Familien sind zerstritten, deine Familie und ihre Familie. Kapiert? Es gibt keine Kontakte, es wird nie Kontakte geben. Wie nett sie also objektiv auch immer sein mag, du wirst es jedenfalls nicht weiter herauszufinden haben. Du wirst dich mit dieser jungen Dame nicht mehr beschäftigen. Du wirst weder mit ihr tanzen noch mit ihr reden, und ich sage dir, Bela, es ist besser, wenn du dich daran hältst. Schließlich liegt dir an deines Großvaters ganzem Besitz, nicht wahr?«

»An dem Land draußen und den Wäldern? Natürlich! Keiner sonst will es haben, nur ich.«

»Eben.«

»Ja, was soll er denn sonst damit machen, wenn er es nicht mir vererben will?«

»Keine Ahnung. Vielleicht verkauft er es.«

»Unsinn, Papa! Er würde niemals kriegen, was es wert ist. Heutzutage gibt es keine Interessenten für Landwirtschaft, und für Industrieprojekte ist es eine schlechte Lage draußen.«

»Du hast darin allerdings völlig recht, Junge, in diesen Dingen denkst du klarer als wir alle. Deshalb sollst du das Land ja auch haben. Aber ich warne dich! Solltest du dich näher mit der Prinzessin von Makrewina einlassen, wird es dein Großvater eher verschleudern als dir geben. Das ist mein Ernst, Bela, kein schlechte Witz!«

»Es klingt aber wie ein schlechter Witz, Papa.«

Stefan von Bosny seufzte, verschluckte sich, zog erneut an seiner Zigarre und fing an zu husten.

»Natürlich tut es das. Ich weiß selbst nicht, was hinter dieser Feindschaft steckt. Frag nicht mich, frag ihn! Aber du wirst nichts aus ihm herausholen, das sage ich dir gleich. Ich habe das selbst schon zehnmal versucht. Er sagt es nicht. Nicht um alles in der Welt. Aber er ist entschlossen.«

»Entschlossen? Wozu entschlossen?«

»Dich zu enterben, falls du noch einmal mit der Kleinen tanzen solltest.«

»Gott im Himmel! Mehr habe ich aber auch wirklich nicht getan, Papa!«

»Ich glaube es dir, Bela.«

»Und was ist daran so schändlich, daß ich enterbt werden muß, wenn ich es noch einmal tue?«

»Nichts ist schändlich daran, Bela. Es könnte nur dazu führen, daß du den Wunsch hegst, die junge Dame näher kennenzulernen, denn tanzen ist meist der erste Schritt auf diesem Wege. Und dein Großvater wünscht keine solchen Schritte.«

»Herrje!« entfuhr es Bela. »Und sie ist wirklich ein besonders nettes Mädchen, Papa.«

»Das tut mir aufrichtig leid, mein Junge.«

»Kannst du gar nichts dagegen tun?«

»Ich?« Stefan Bosny lache. »Ich habe noch nie etwas gegen deinen Großvater tun können, mein Sohn, und ich kenne auch niemanden, der es je vermocht hätte, außer vielleicht deiner Großmutter. Aber die ist genauso eisern in diesem einen Punkt. Schließlich war sie es auch, die erfahren hat, mit wem du auf dem Studentenball hauptsächlich getanzt hast.«

»Großmama?«

»Genau!«

»Ich konnte mir auch gar nicht vorstellen, daß es dich interessieren würde, Papa!«

»Weder ich noch deine Mutter hätte es besonders interessiert. Du bist vierundzwanzig Jahr alt, Bela, und wir haben insgesamt vier Kinder.

Wenn ich mich um die jeweiligen Tanzpartnerinnen deiner Brüder jedesmal so eifrig kümmern müßte wie um diese eine, mein Junge, dann käme ich bald zu nichts mehr. Aber es ist schon so, wie ich es sage, es gibt keinen Pardon in diesem speziellen Fall.«