Geboren für die großen Chancen - Ullrich Fichtner - E-Book
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Geboren für die großen Chancen E-Book

Ullrich Fichtner

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Beschreibung

Endlich ein Buch, das wieder Lust auf die Zukunft macht! Machen, verbessern, Menschsein: Argumente gegen den Pessimismus unserer Zeit

Die Angst vor dem Klimawandel, wirtschaftlichem Niedergang oder unberechenbaren Technologien beherrscht zu oft unser Denken. Statt mit dem Besten rechnen wir mit dem Schlimmsten und unterschätzen dabei die Kraft, mit der laufend gewaltige Fortschritte gemacht werden. Nicht als Verhängnis, sondern als Möglichkeit erzählt Ullrich Fichtner, einer der renommiertesten Journalisten des Landes, was uns in den kommenden Jahrzehnten erwartet. Was darf ein Kind, das heute geboren wird, im Laufe seines Lebens an Wandlungen erwarten? Auf welche Paradigmenwechsel muss es sich gefasst machen, welche neuen Horizonte werden sich ihm eröffnen? Basierend auf aktuellen Forschungen und Recherchen entwirft Ullrich Fichtner ein so realistisches wie faszinierendes Bild der Zukunft, das endlich wieder Lust auf die Welt von morgen macht.

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Seitenzahl: 350

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Ullrich Fichtner

Geboren für die großen Chancen

Über die Welt, die unsere Kinder und uns in Zukunft erwartet

Inhalt

Vorwort

I. Willkommen in der Wirklichkeit

1. »Gefühlte« und reale Gegenwart

1.1 Ich weiß (nicht), dass ich nichts weiß

1.2 Ein neuer Mantel der Geschichte

1.3 Liebling, ich habe die Kinder vergiftet

2. Über neue Energie für neue Zeiten

2.1 Grüne Gigawattstunden ohne Ende

2.2 Atomkraft? Jein, danke!

2.3 Vom Kirschbaum lernen, heißt leben lernen

II. An der Grenze zwischen Heute und Morgen

3. Die drei Revolutionen des 21. Jahrhunderts

3.1 Solo 8 übt Salto rückwärts im Isaac Gym

3.2 Was die Welt im Innersten zusammenhält

3.3 Sag mir, wo die Platten sind

III. Auf Wiedersehen in der Zukunft!

4. Lebenswelten des heute geborenen Kindes

4.1 Das Kind in der Stadt: Mehr Barcelona wagen!

4.2 Das Kind auf dem Land: Heimat, deine Drohnen

4.3 Das Kind im Netz: Schlaflos im Metaverse

4.4 Das Kind ist krank: Dr. Data war schon da

4.5 Das Kind bei der Arbeit: Mach meinen Roboter nicht an!

4.6 Das Kind und die Politik: Mehr Größe wagen

5. Des Kindes Gespür für Schnee

Epilog

Der Mann, der die Wüste besiegte, nein: begrünte

Verzeichnis zitierter oder konsultierter Bücher, Schriften und Websites

Anmerkungen

Für Victor und Simon

Was die Zukunft betrifft, geht es nicht darum, sie vorherzusehen, sondern sie möglich zu machen.

Antoine de Saint-Exupéry

Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.

Václav Havel

Das »Wunder« besteht darin, dass überhaupt Menschen geboren werden, und mit ihnen der Neuanfang, den sie handelnd verwirklichen können kraft ihres Geborenseins.

Hannah Arendt

Zur Summe meines Lebens gehört im Übrigen, dass es Ausweglosigkeit nicht gibt.

Willy Brandt

Solange ich lebe, muss ich damit rechnen, dass ich weiterlebe.

Karl Valentin

Vorwort

In diesem Buch, das ist ein Versprechen, wird weder schöngefärbt noch gejammert, obwohl es um die Zukunft geht, um unsere Aussichten und die unserer Kinder. Die Welt wird genommen, so gebrechlich, wie sie eben ist, Gefahren werden nicht ausgespart, aber ein guter Verlauf für alle und alles wird trotzdem für möglich gehalten.

Anders als offen ist Zukunft nicht zu haben, mit Umbrüchen ist jederzeit zu rechnen, mit schrecklichen und glücklichen Zufällen auch, die Geschichte ist von ihnen voll. Wäre im 20. Jahrhundert ein Atomkrieg ausgebrochen, wer weiß, was von der Welt noch übrig wäre. Und wären die Dinosaurier am Ende der Kreidezeit nicht ausgestorben, dann hätte es uns heute nie gegeben.

Stattdessen wird nach dem Menschen ein neues Erdzeitalter benannt: Das Anthropozän ist gekommen, um zu bleiben, und sogleich verbreitet sich große Furcht. Viele Zeitgenossinnen und Zeitgenossen können es sich nur als tragische Endstufe einer furchtbaren Fehlentwicklung vorstellen, die mit der Industrialisierung im 18. Jahrhundert irgendwann einsetzte und in deren Verlauf der Mensch jedes Maß und Ziel verlor und die Erde zu zerstören sich aufmachte.

Das ist die jetzt von vielen Menschen – und gerade von jungen – fraglos geglaubte Erzählung: Die Welt ist im Eimer und der Mensch ist der Schurke, und der Niedergang, der jederzeit in den Untergang umschlagen kann, ist eine ausgemachte Sache.

Ich erlaube mir, anderer Meinung zu sein.

Die verdrießliche, bisweilen hysterische Grundstimmung unserer Zeit verkennt die Verhältnisse, in denen wir leben, und sie unterschätzt die Wandlungen, Umbrüche, Disruptionen, mit denen die Geschichte noch jede neue Generation überrascht hat. Ich will Gegenwart und Zukunft in diesem Buch anders erzählen. Nicht als Verhängnisse, sondern als Möglichkeiten.

Ja, der Mensch hat drei Viertel der bewohnbaren Erdoberfläche irgendwie »überformt«, und damit gehen häufig ein Raubbau an der Natur und eine empörende Taubheit für das Leben und die Lebensräume von Tieren und Pflanzen und sonst wertvollen Organismen und Ökosystemen einher. Ja, das bewusstlose Verfeuern und Verbrauchen fossiler Brenn- und Grundstoffe in unvorstellbarem Ausmaß hat uns die Erderwärmung und viele andere Probleme beschert. Und doch wirkt die Idee, der Mensch habe sich in eine Art übergenerationelle Kollektivschuld verstrickt, wie aus einem alten Kirchenbuch abgeschrieben. Als hätte sich die Menschheit mit bösem Eifer gegen die Schöpfung gewendet und sich an ihr versündigt für alle Zeit …

Es fühlt sich aus vielen Gründen falsch an, im Menschen den einen großen Störfaktor in einer eigentlich heilen Welt zu sehen. Der vielfach beschlagene Erfinder, Ökophilosoph und Autor James Lovelock hat in seinen Büchern zum Erdsystem »Gaia« die viel plausiblere Ansicht vertreten, dass der Mensch, so wie er ist, schließlich auch von der Erde hervorgebracht wurde und schon allein deshalb nicht als ihr Feind verstanden werden könne. Und was die vom Menschen gestörte »heile Welt« angeht, solche Ideen kommentiert Michael Braungart, Chemiker und geistiger Vater des wegweisenden Cradle-to-Cradle-Kreislaufkonzepts, mit dem trockenen Hinweis, dass die tödlichsten Gifte auf Erden »noch immer von Mutter Natur selbst hergestellt werden«.

Wer wirklich glaubt, dem Planeten ginge es besser, wenn nur endlich die Menschheit wieder von ihm verschwände, dem fehlt ein tieferes Verständnis für das schillernde menschliche Wirken im Weltgefüge: Auch die Zitronengärten von Sorrent, die Reisterrassen von Bali und Yunnan, die Weinberge entlang der Rhône, die antiken Sumpfäcker von Papua-Neuguinea, die Almen im Allgäu, die ägyptische Flusswirtschaft entlang des Nils oder die jungen Wälder in der Sahara sind Menschenwerk. Kann es bessere Beispiele dafür geben, dass wir sehr gut im Einklang mit der Natur leben können und die Natur sehr gut mit uns?

Die vom Menschen geschaffenen Kulturlandschaften, die sich wie bunte Patchworkdecken über alle Länder legen, sind jedenfalls ein Hinweis darauf, dass das Anthropozän nicht nur als Etikett für menschliche Hybris gelesen werden kann. Es gilt auch zu sehen, dass der Mensch die Rolle spielt, die ihm dank seiner Ausstattung im Lauf der Evolution zugefallen ist, und nun wächst ihm ein neuer Auftrag zu: seine Irrtümer zu korrigieren, die Erde mit aller Macht zu bewahren und sie zu ihrem Besten zu gestalten.

Anthropozän heißt dann, und das macht ja die Vorstellung von einem neuen Erdzeitalter erst erschütternd: dass die Zukunft ein Raum ist, der von uns planvoll vorbereitet und willentlich hergerichtet werden kann und muss. Es heißt, wie Ernst Bloch in seinem Monumentalwerk über das Prinzip Hoffnung bereits seherisch formuliert hat, dass die Zukunft nicht mehr als Schicksal über den Menschen kommt, sondern »der Mensch über die Zukunft«.

Solche Vorstellungen galten lange Zeit als eitle Verblendung. Sie riefen strafende Götter auf den Plan und eine wütende Natur, die »sich wehrt«. An Europas Küsten stritten die Bewohner einst darüber, ob der Bau von Deichen womöglich Sünde sei, weil dadurch Gottes Wille durchkreuzt werde, ab und an strafende Fluten zu senden. Spielarten solchen Aberglaubens wirken bis heute fort, wenn Neuerungen jeder Art immer wieder mit ganz ähnlichen Fragen abgeklopft werden.

Hat der Mensch das Recht, sich Medikamente, Impfstoffe oder Feldfrüchte genetisch maßzuschneidern? Ist es richtig, Sonnenschirme im All aufzuspannen, um die Strahlung zu filtern oder Energie zu gewinnen? Sind »intelligente« Computer Fluch oder Segen? Bringt das Anthropozän den Geo- und Bioingenieur hervor, der als Schöpfer neuer Organismen auftritt, Wetter macht, Menschen optimiert und den Himmel bestellt wie einen Acker? Werden wir gar, wie der Physiker Michio Kaku meint, zu »Choreografen der Natur«, »so mächtig wie die Götter, die wir einst verehrten und fürchteten«? Trauen wir uns das zu? Dürfen wir es?

Jahrtausendelang war die Welt einfach nur »da« und im Wesentlichen unveränderbar gegeben, nun wird sie verstanden als ein vom Menschen hergestellter Raum und Zustand. Anthropozän heißt: Wir greifen nicht nur, wie lange gedacht, hier und da in bestehende Ökosysteme ein und »stören« sie; wir stellen sie oft überhaupt erst her. Der Mensch ist zum dominierenden Spieler des Planeten geworden, lange schon, zur treibenden Kraft im Guten wie im Schlechten. Der jüngste Sachstandsbericht des Weltklimarats vom März 2023 hat es in verlässliche Zahlen gegossen: Wir haben es in der Hand, die Erde weiter zu zerstören, aber auch, genau dies nicht zu tun. Darin liegt eine ungeheure Herausforderung, aber eben auch diese sagenhafte Chance: dass die Erde, die der Mensch die längste Zeit bewusstlos bevölkerte und ausplünderte, von ihm selbst gerettet, geformt und verbessert werden kann.

Das Rettende wächst jetzt, davon berichtet dieses Buch. Ins Wimmelbild der Welt ist Bewegung geraten. In Forschung und Wissenschaft, in Wirtschaft und Gesellschaft, in der Politik, in der Staatenwelt herrscht vielerorts Aufbruchstimmung, es werden Anfänge gefunden, bis vor Kurzem undenkbare Ansätze, es werden Säcke endlich zugemacht. Kurz vor Weihnachten 2022 und dann im März 2023 schlossen die fast 200 Staaten der Vereinten Nationen nach teils jahrzehntelangen Verhandlungen historische Verträge über den Schutz der Meere und der Artenvielfalt auf Erden, die auch von nichtstaatlichen Umweltschutzorganisationen als Durchbrüche gefeiert wurden.

Das epochale Klima-Abkommen von Paris aus dem Jahr 2015, das größte politische Experiment aller Zeiten, entfaltet nach und nach seine Wirkungen bis in die hintersten Winkel des Planeten. Die größten, reichsten, schmutzigsten Staaten der Erde haben einen unerhörten Umbau gestartet, um bis 2030, 2040, 2050 ehrgeizige Klimaziele zu erreichen, um die Erderwärmung einzuhegen. Volkswirtschaften in Entwicklung verlassen die alte Logik des »erst reich, dann sauber werden« und suchen auf dem Weg zum Wohlstand von vorneherein die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie.

Ein Land wie Kenia bezieht seine Energie schon heute zu über 90 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Der Weltklimarat erkennt an, dass sich in 170 Ländern Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf den Weg gemacht haben, die Erderwärmung in Schach zu halten. Das gewaltige China ist heute nicht mehr nur der größte CO2-Emittent der Erde, sondern zugleich der mit weitem Abstand größte Investor in erneuerbare Energiequellen aller Art, Weltmeister im Zubau von Wind-, Wasser-, Sonnenkraft. Die nicht minder gewaltigen Vereinigten Staaten von Amerika haben – über tiefe innenpolitische Gräben hinweg – ein »grünes« Investitionsprogramm in nie gekannter Größenordnung auf den Weg gebracht, das sogar den ambitionierten »Green Deal« der Europäischen Union noch übertrifft.

Überall auf der Welt ist eine neue Generation junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Werk, die die energetischen, ökologischen, ethischen Konsequenzen ihrer Arbeit von Beginn an selbstverständlich mitdenkt. An Universitäten weltweit werden in schnellem Takt Hunderte, Tausende neue Lehrstühle eingerichtet, die ihre Forschungsarbeit und Lehrtätigkeit auf alle Aspekte der existenziellen Zukunftsfragen konzentrieren. Es ist, als überzöge sich die Welt gerade mit einem neuen Netzwerk des Wissens und der Wissensweitergabe, an dem auch Unternehmerinnen, Gründerinnen, Investoren, Ingenieure und Industrielle teilhaben.

Es ist nicht nur so hingesagt, dass das Rettende wächst. Ein Paradigmenwechsel vollzieht sich, das ist ein großes Wort, aber es geht auch um große Vorgänge. In Jahrzehnten der internationalen Klimaforschung und -diplomatie, nach Jahren steigender Temperaturen und sich offenkundig häufender Wetterkatastrophen, nicht zuletzt auch dank des Engagements mehrerer Generationen von Natur- und Umweltschützern sind zwei wirklich globale Erkenntnisse gereift: Erstens, dass die Erderwärmung, wenn nicht entschlossene Gegenmaßnahmen ergriffen werden, alles Leben auf Erden bedroht, und zweitens, dass die Zeiten des »Rette sich, wer kann« zu Ende sind.

Es muss jetzt tatsächlich die Menschheit als Ganzes zusammenstehen und zusammenarbeiten, um ihre Lebensgrundlagen zu erhalten. Diese Erkenntnis, und die Gewissheit, dass heute viele Menschen auf der ganzen Welt dieses Zeitgefühl teilen, sind der Treibstoff des hier konstatierten Paradigmenwechsels. Er verändert bereits machtvoll und grundlegend die ganze Welt.

Hinzu tritt eine außergewöhnliche Konstellation, ein glücklicher historischer Zufall: Es ergibt sich, dass der Umbruch im Bewusstsein, das neue Paradigma, auf die unerhörten neuen Möglichkeiten exponentiell fortschreitender Wissenschaften trifft, die aller Wahrscheinlichkeit nach eine multiple industrielle Revolution einläuten werden. Allein die neuen Maschinen und Programme, die in Ermangelung besserer Sprachbilder heute »neuronale Computer« und »künstliche Intelligenz« genannt werden, stellen die Welt auf den Kopf. Die Computerwissenschaft stößt mit ihren Konzepten des »maschinellen Lernens« und der »natürlichen Sprachverarbeitung« Türen auf, hinter denen aufregende neue Welten liegen, deren Existenz bis vor Kurzem unvorstellbar war.

Auch in vielen anderen Zweigen der Naturwissenschaften herrschen Aufbruchstimmung und Gründerzeitengeist: Mediziner und Biotechnologen glauben an epochale Durchbrüche im Kampf gegen Krankheiten aller Art, fantastische Hypothesen über die Verlängerung der menschlichen Lebenszeit oder die Herstellung von Werkstoffen aus Mikroorganismen und Pflanzen machen die Runde. Die Digitalisierung erreicht und durchwirkt jetzt alle Großbaustellen unserer Zeit: Energiegewinnung und Städtebau, Verkehr und Infrastruktur, Industrieproduktion, Landwirtschaft, Arbeit, Alltag und auch die Kunst – alles ist in wilder Bewegung.

Womöglich kann sich, wie einst in der Renaissance, wie im Zeitalter der Aufklärung, eine Situation einstellen, in der ein neues Bewusstsein für die Voraussetzungen und Bedingungen des Lebens auf Erden, ein neues menschliches Selbstbild auch, mit sprunghaften Fortschritten im Technischen und Materiellen Hand in Hand gehen. Dann ereignet sich »Konvergenz«, Zusammenfluss, die epochale Ausrichtung zuvor verstreuter Kräfte auf ein gemeinsames Ziel.

Ein heute geborenes Kind wird jedenfalls, davon bin ich überzeugt, am Silvesterabend 2099 auf den Beginn des 21. Jahrhunderts so blicken, wie die Kinder des 20. ins 19. Jahrhundert zurückgeschaut haben: fasziniert davon, wie stürmisch und grundlegend sich die Welt geändert hat, wie schnell ihm die Lebenswelten und -weisen der Vorfahren fremd geworden sind. Wie amüsant die Irrtümer über Gefahren in der Rückschau waren; wie verblüffend die Blindheit für tatsächliche Risiken.

Das Kind von heute wird mit medizinischen Möglichkeiten hantieren, mit biotechnologischen Maschinen arbeiten, mit Geräten in Symbiose leben, die selbst für seine eigenen Eltern noch völlig undenkbar waren. Ich weiß, diese euphorische Rede wird seit Jahren ständig irgendwo gehalten, gern in Lifestyle-Magazinen, aber sie führte bislang allzu regelmäßig zu den immergleichen einfältigen Visionen in Pastell, von Flugtaxis zwischen Wolkenkratzern, veganen Speiseplänen aus der Smartwatch, lustigen Servicerobotern, Salat vom Dach und dem allseits bekannten Kühlschrank, der eigenständig Milch bestellt. Das soll hier anders sein.

Der große Paradigmenwechsel bringt es mit sich, dass Erfinderinnen, Wissenschaftler und Entdecker von heute neue Prioritäten setzen. Wie die meisten Forschenden vor ihnen wollen sie, im Großen, die Menschheit voranbringen und von alten Geißeln befreien, aber sie gehen dabei andere Wege: Sie arbeiten in der Regel »open source«, das heißt, sie teilen von Anfang an ihre Erkenntnisse und Ergebnisse, was die Chancen auf Fortschritte noch potenziert. Sie denken heute, bei aller Spezialisierung, holistisch, das heißt, sie behalten das Ganze stets im Blick, das Große, das Kleine, das Abseitige, Unscheinbare: Sie sind sich nicht zu schade dafür, über Bauschutt, Kanalsysteme, Zementrezepturen, Küchenabfälle neu nachzudenken. Sie erkennen im Bestehenden überall heilbare Schwächen, Möglichkeiten zum Spurwechsel und teils revolutionäre Potenziale, die im alten Paradigma schlicht unsichtbar waren.

Es ist noch nicht einmal ausgeschlossen, dass sich selbst das CO2-Problem auf absehbare Zeit wieder in Luft auflöst, weil es einer gerade neu entstehenden Industrie gelingt, das wichtigste Treibhausgas in großem Stil aus der Atmosphäre zurückzuholen und im Zuge »industrieller Photosynthese« unschädlich und nutzbar zu machen. Das kann nicht sein? Es findet schon statt: Mercedes-Benz hat in einem Pilotprojekt die Lenksäulenverkleidung seiner B-Klasse aus einem Kunststoff gefertigt, dessen Kohlenstofffasern aus aufbereitetem CO2 gewonnen wurden. Dutzende Unternehmen versuchen sich bereits an ähnlichen Verfahren. Die Erwartungen an die Technologie sind groß.

Darum geht es hier, um erstaunliche Funde und schlagende Ideen jeder Art, nicht nur rund ums Klima: Es geht um Betondrucker und Mülltrennungscomputer und metallfressende Pflanzen zur Entgiftung von Böden, um Schaumstoff aus Blumenabfällen und mörtelfreie Ziegelwände, um kompostierbare Batterien, kleine Atomkraftwerke und große Quantencomputer, um Meeresbodenkartierung und synthetisches Flugbenzin, um CO2-Verflüssigung, Brennstoffzellen und »Upcycling«, um photovoltaisch nutzbare Gewächshausfolien und stromerzeugende Fenster, um Hochhäuser und T-Shirts aus Holz und um einen neuartigen Beton für Unterwasserbauten, der Krustentiere und Korallen in seinen Poren zur Ansiedlung einlädt, statt sie, wie bislang, abzustoßen und zu vergiften.

Es geht um unser fortschreitendes Verschmelzen mit den Mobiltelefonen, »Wearables«, Trackern, Brillen, Headsets, um unser Leben mit, im und vom Internet. Um die Plaudertasche ChatGPT und den unerschöpflichen Designmeister Dall-E, die in rasend schneller Folge Nachfolger und Konkurrenten bekommen. Es geht um die Tatsache, dass auf Erden heute schon an die 10 Milliarden »vernetzte« Geräte im Einsatz sind, dass es 2030 schon 30 Milliarden sein sollen und die meisten Leute trotzdem nicht wissen, was »Internet of Things« überhaupt heißen soll. Es geht um das Metaversum, unsere zweite Heimat von morgen. Um Roboter. Genscheren. Nanotechnologie. »Monoklonale Antikörper«. Organe-auf-einem-Chip. Um digitale Zwillinge. Humanoide Influencer. Es geht um den Traum vom ewigen Leben, wie immer. Um Menschlichkeit. Um Glück.

Ja, es gibt Rückschläge und es wird sie weiterhin geben, viele und furchtbare. Aber sie können die Arbeit an der Zukunft nicht stoppen. Die Geschichte denkt nicht in Tagen und Monaten, sondern in Jahrzehnten und Jahrhunderten, sie übersteht Diktatoren und Kriegsherren, Revolten und Regime. Wäre es anders, wären wir nicht hier und nicht in der Lage, in der wir sind, und diese Lage ist, mit wenigen Ausnahmen: besser als gestern, viel besser als vor 50 Jahren, unvergleichlich viel besser als vor 100 Jahren.

Fortschritt ereignet sich nicht nur im Technischen, sondern auch im Menschlichen. Neun von zehn Kindern weltweit, Jungen wie Mädchen, beginnen heute eine Schulausbildung. Der Analphabetismus wird in zäher Kleinarbeit immer weiter zurückgedrängt. Fast 40 Prozent aller bezahlten Arbeit wird heute von Frauen erledigt. Seit 1990 hat sich die Müttersterblichkeit halbiert, ebenso die Zahl der Kinder, die ihren fünften Geburtstag nicht erleben. Die Sterberate von Malariakranken liegt im Vergleich zum Jahr 2000 um fast 60 Prozent niedriger. Seit 1990 haben 2,6 Milliarden Menschen zusätzlich Zugang zu sauberem Trinkwasser bekommen. Hätte das Coronavirus die Welt nicht vorübergehend angehalten, wäre die extreme Armut so gut wie ausgerottet. Hätte Russland die »Kornkammer« Ukraine in Frieden gelassen, gäbe es auf der Welt noch weniger Hunger.

Das Weitermachen, Wiederaufbauen, Entwerfen, Anpassen, Bessern, Vorsorgen und Vorangehen endet nie. Der Prozess der Zivilisation schreitet fort, trotz allem, darum geht es in diesem Buch: um die Chancen in einer stets prekären Welt, um den Aufbruch in eine gute Zukunft, die selbstverständlich möglich ist und die nun in unseren eigenen Händen liegt.

Worum es nicht geht: um billigen Optimismus, der grundlos meint, dass schon alles irgendwie von ganz alleine gut werden wird. Ich will das kurz erklären, weil es auf einer wiederkehrenden Erfahrung beruht und den Grundton dieses Buches betrifft. In mehr als zwanzig Jahren als Reporter des SPIEGEL habe ich die Welt in vielen, häufig verheerenden Zuständen erlebt. Erdbeben, Waldbrände, Überflutungen, Tsunamis, Terror, Massaker, Kriege standen jahrelang auf meiner Tagesordnung. Die zugehörigen Reiseziele hießen Bagdad, Kabul, Beslan, Banda Aceh, Gaza, Gugulethu, Sichuan. Ich weiß aus eigener Anschauung, dass nicht alles gut ist auf Erden.

Was mir in Kriegs- und Krisengebieten aber nie begegnet ist, weder bei den Opfern und ihren Angehörigen noch bei Helfern, Rettern, Sanitätern oder bei sonstigen Beteiligten und Betroffenen, waren: Optimismus oder Pessimismus. Sie spielten einfach überhaupt keine Rolle. Beide Haltungen erwiesen sich im Leben, wenn es wirklich darauf ankam, als überflüssig, ja, unpassend und sogar als hinderlich. Sie lenkten nur ab von dem, was konkret zu geschehen hatte. Sie passten nie zum Ernst der Lage, die nach konzentrierter Arbeit verlangte und nicht nach irgendwelchen Gefühlen darüber, ob in den nächsten Stunden, Tagen, Jahren »alles gut« oder alles noch schlimmer würde.

Den französischen Intellektuellen Jacques Attali hat dieses Problem offenkundig auch beschäftigt, er hat es jedenfalls in einer Rede vor der Uno-Kulturorganisation UNESCO vor Jahren einmal anschaulich erläutert. Optimisten und Pessimisten, sagte Attali, verhielten sich im Leben wie Zuschauer bei einem Fußballspiel. Sie säßen auf der Tribüne, letztlich unbeteiligt, und hofften oder bangten für ihre Mannschaft. Die Spieler drunten auf dem Platz könnten sich indes mit Hoffen und Bangen nicht aufhalten, sie erledigten einfach sachlich ihre Aufgaben, ohne Gedanken daran, wie es am Ende ausgeht. Und selbst wenn es zur Halbzeit schon 0:6 gegen sie stünde, müssten sie doch bis zum Abpfiff weitermachen.

Attalis Pointe aus diesem Bild lässt sich erraten, sie deckt sich mit meinen Erfahrungen: Wir Menschen sind nicht die Zuschauer, sondern die Spieler auf dem Feld des Lebens. Solange wir »auf dem Platz« stehen, ist uns aufgetragen zu handeln, weiterzumachen, Dinge zu versuchen, Sportsgeist zu zeigen und wenigstens die zu unterstützen, die das Gute und Richtige ins Werk setzen wollen. Das Wort des tschechischen Schriftstellers und einstigen Präsidenten seines Landes, Václav Havel, das als ein Motto diesem Buch vorangestellt ist, hilft: »Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.«

Es hat zweifellos Sinn, der Zukunft und den Nachkommen als »guter Vorfahr« zuzuarbeiten, wie es der amerikanische Ökologe, Publizist und langjährige Wired-Chefredakteur Kevin Kelly formuliert hat, aber das hat unendlich viele Facetten. Die Klimafragen sind nur eine davon. Ich werde sie ausführlich erörtern, aber ich möchte dabei trotzdem ein Denken pflegen, das die Zukunft »nicht auf das Klima reduziert«, wie der Historiker Mike Hume gefordert hat.

Nur wer die Möglichkeit eines Weltuntergangs ausblendet, ganz egal, für wie groß oder klein man sie halten mag, kann sich um Abhilfe und Vorsorge und also um die nötige Untergangsverhinderung kümmern. So erklärt sich übrigens die schäumende Wut auf jene Aktivisten, die als »Klima-Kleber« im Berufsverkehr vieler Länder zuletzt für so viel Ärger sorgten: Sie ernten die allergischen Reaktionen einer Gesellschaft, die mit der eingeforderten Veränderung ja längst begonnen hat. Die Menschen im Stau gleichen, um das Bild noch einmal zu bemühen, Attalis tapferen Fußballspielern, während die Demonstranten die Rolle von verzweifelt pessimistischen Zuschauern spielen, die schon in der 70. Minute den Platz stürmen, um gegen eine Niederlage zu wüten, die noch gar nicht eingetreten ist.

Denn ein (Fußball-) Spiel hat bekanntlich 90 Minuten, und der ökonomisch-ökologische Umbau wird Jahrzehnte dauern, weil Fehlentwicklungen aus Jahrhunderten zu korrigieren sind. Es braucht, obwohl alles schnell gehen muss, trotzdem auch Geduld. Solche Widersprüche gilt es in den kommenden Jahren auszuhalten.

Ein heute geborenes Kind, das war eine wesentliche Motivation für die Arbeit an diesem Buch, wächst in den kommenden Jahren häufig mit Eltern auf, die nicht mehr daran glauben, dass es ihm im Leben einmal besser gehen wird als ihnen selbst. Jedenfalls beantworteten im Oktober 2021 drei Viertel der heute 25- bis 49-jährigen Deutschen eine der lange Zeit wichtigsten Fragen, wichtig als Richtschnur für die Politik, wichtig als Treiber ganzer Gesellschaften, mit Nein: Wird es den Kindern einmal besser gehen als der Elterngeneration? Nein, sagten darauf drei Viertel der Befragten. Nein, sagten 84 Prozent der über 50-Jährigen, nein, sagten 91 Prozent der Teilnehmer, die in ländlichen Gegenden zu Hause waren.

Diese Zahlen, vom Opaschowski Institut für Zukunftsfragen erhoben, sind ein düsterer, ein skandalöser Willkommensgruß an die Babys unserer Zeit, und es werden in vielen wohlhabenden Ländern ganz ähnliche Zahlen ermittelt. Spricht hier bereits die mürrisch alternde Gesellschaft? Äußert sich darin die Stimmung einer saturierten Bürgerschaft, die sich in einer »freudlosen Gegenwart« einrichtet, wie Rutger Bregmann in seinem Buch Utopien für Realisten geschrieben hat? Auch darüber wird zu reden sein. Für mich steht fest: Wer die Zukunft abschreibt, ist auch für die Gegenwart verloren und läuft Gefahr, sich in einem schlechten Gestern einzusperren, gefangen in Nostalgie.

Aber die Hoffnung, so formulierte der bereits zitierte Ernst Bloch mit der ihm eigenen Wucht, »verlangt Menschen, die sich ins Werdende tätig hineinwerfen«. Hoffnung heißt, den Blick zu heben über das aktuelle Getümmel hinaus und weiterzumachen, gerade, wenn die Widerstände groß sind. Der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen, entscheidend daran beteiligt, dass wir heute vom »Anthropozän« sprechen, hat dafür plädiert, die enormen Errungenschaften der Menschheit immer wieder hervorzuheben, »damit wir ein besseres Gefühl dafür bekommen, dass wir nicht dem Schicksal ausgeliefert sind, sondern kluge Entscheidungen für eine gute Zukunft treffen können«. In diesem Geist ist dieses Buch verfasst.

Ein Kind, das in unseren Breiten heute auf die Welt kommt, im wohlhabenden »Globalen Norden«, hat reichlich Zukunft vor sich, 80, 90 Jahre, vielleicht 100, wer weiß. Wenn kein Weltuntergang dazwischenkommt, können heute Geborene selbst vom 22. Jahrhundert noch ein, zwei Jahrzehnte miterleben. Sie werden also wissen, allein das ist eine faszinierende Vorstellung, um wie viel Grad genau sich die Erde bis 2100 erwärmt haben wird – 1,4? 2,7? 4,4? –, und davon wird für ihr Leben viel abhängig gewesen sein, aber längst nicht alles.

Die Kinder von heute werden auch Antworten auf andere bange Fragen kennen, nicht minder schwerwiegende, die sich Eltern und Großeltern in den 2020er Jahren gestellt haben: Ist mit weiteren Pandemien zu rechnen? Kehrt mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine eine neue Ära des Krieges zurück? Wird im Pazifik die Schlacht um Taiwan losbrechen? Übernehmen tanzende Roboter die Macht? Ruinieren Hacker unser Leben? Wird Migration in Massen, die Flucht vor Hitze und Dürre, die Wasserknappheit vielerorts das heutige Gefüge der Staaten durcheinanderwirbeln?

Das heute geborene Kind wird es wissen. Und es wird dabei, wie alle Kinder vor ihm, Bekanntschaft gemacht haben mit einem unauflösbaren Widerspruch des menschlichen Lebens: Die Zukunft wird trotz aller Bemühungen um Prognosen »ein Nebel des Ungewissen und Nichtwissbaren« bleiben, wie Hannah Arendt einst schrieb, unvorhersehbar im Kleinen wie im Großen, und doch ist der Mensch gezwungen, sich immerfort auf sie vorzubereiten.

Das ist ein starkes Paradox: Ständig müssen wir vorsorgen für eine Zeit, von der wenig bis nichts bekannt ist, noch nicht einmal, ob wir selbst überhaupt Teil von ihr sein werden. Wir besorgen Brot für das Abendessen in der letztlich prekären Gewissheit, dass auf dem Weg schon nichts schiefgehen wird. Wir kaufen Vorräte ein für eine Woche, wir planen einen Urlaub in sechs Monaten, wir schließen Verträge mit 10 Jahren Laufzeit, nehmen Kredite auf für 20 Jahre, legen Geld zur Seite für die Rente in 30 Jahren. Wir bauen Häuser, die uns überdauern sollen, wir zeugen Kinder in der selbstverständlichen Hoffnung, dass sie uns um Jahrzehnte überleben.

Wer sich so verhält, als in die Welt geworfener Mensch so verhalten muss, ist zur pragmatischen Zuversicht verurteilt. Das wird, im neuen Paradigma des Anthropozäns, einem adäquateren »Mindset« leichter fallen. Indem der Mensch heute im vollen Bewusstsein für eine Hauptrolle im Weltgefüge geboren wird, muss er nicht mehr, wie das im alten Paradigma gängig war, zweckpessimistisch agieren und stets das Schlimmste befürchten, um verantwortlich handeln zu können. Das war die gültige Lehre, weltweit rezipiert und weiterhin wirkmächtig, des Philosophen Hans Jonas, der nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts von Hoffnung nichts mehr wissen wollte und sein »Prinzip Verantwortung« dagegensetzte.

Aber hier wird ein wichtiger Aspekt des Paradigmenwechsels sichtbar: Der heutige Mensch kommt in die Lage, äußere Anlässe zum Handeln nicht mehr zu brauchen, nicht die Knute der Furcht, die Jonas 1970 noch ganz selbstverständlich schwang. Im Anthropozän ist dem Menschen die Verantwortung für alle und alles sowieso in die Wiege gelegt. Diese Erkenntnis sickert nun überall ins Bewusstsein ein.

Ich weiß, das haben mir Leserbriefe in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es manche Menschen regelrecht wütend macht, wenn vom Guten und Gelingenden die Rede ist. Sie klagen das Schlechte und das Scheiternde ein, und wenn man es ihnen ausnahmsweise einmal verweigert, wird man als blauäugig, unpolitisch, verantwortungslos und dergleichen angegriffen. Ich kann damit wenig anfangen und nur entgegnen: Wer immerfort die Hände ringt, weil angeblich alles immer schlimmer wird, hat nie eine Hand frei, um die Ärmel aufzukrempeln. Und: Wer sich Zukunft nur als Schauermärchen vorstellen kann, möge zur Seite treten, um jene, die an einer besseren Welt bauen wollen, wenigstens nicht aufzuhalten.

Das vorliegende Buch ist in drei Kapitel gegliedert, die sich wiederum in Abschnitte teilen. Das erste Kapitel versteht sich als Einladung, einen anderen Blick auf unsere Gegenwart zu werfen, gängige Denkmuster zu überprüfen und sich davon überraschen zu lassen, wie aufregend anders alles wirkt, wenn man die Trampelpfade der konventionellen Griesgrämigkeit einmal verlässt.

Zu lernen ist dabei, dass unser vermeintliches Wissen über die Welt doch erstaunlich unzuverlässig ist. Wir hängen falschen Gewissheiten an, und zwar sowohl was die Fortschritte angeht als auch was die Gefahren betrifft. Die Welt entwickelt sich, das möchte ich im ersten Kapitel zeigen, einerseits viel besser, als wir häufig meinen, aber zugleich ist andererseits die Herausforderung durch die Erderwärmung, die Dringlichkeit von Systemveränderungen noch viel größer als gedacht. Das ist keine besonders erfreuliche Lektüre, denn es geht darum, wie krass die Missstände sind, die es zu beheben gilt, wie groß das Beharrungsvermögen des »alten Regimes« und wie schwach die ökologischen Bewegungen, denen es nicht gelingt, mehrheitsfähige Politikangebote zu machen.

Es geht in den Abschnitten des ersten Kapitels viel um die Erderwärmung, das ist unvermeidlich, aber ich möchte auch hier zeigen, dass wir den Ist-Zustand der Welt schlechter kennen, als wir meinen. Wir sehen oft den Wald vor lauter Bäumen nicht. Dass zum Beispiel die entscheidende Frage unserer Zeit, die nach der Energieversorgung, im Prinzip beantwortet ist, geht im Getümmel ständig unter. Dass die Kreislaufwirtschaft eine Antwort darauf gibt, wie die Produktionssysteme und Warenkreisläufe der Welt zu gestalten sind, setzt sich als Erkenntnis viel zu langsam durch, deshalb widme ich ihr noch einmal einen ganzen Abschnitt. Sie gehört zum Rettenden, das in der Welt, an allen Ecken, wächst.

Eine wesentliche These dieses Buches ist, dass das alte, falsche Paradigma des mörderischen Anthropozäns gerade endet und ein neues Zeitalter beginnt. Es wird dem Menschen jetzt zum ersten Mal möglich, sich als Teil der Menschheit zu begreifen, das war vorher nicht der Fall, oder es war lediglich ein theoretischer Gedanke. Jetzt wird es ein einigendes Gefühl. Für diese These versammele ich Beobachtungen und Argumente, die natürlich der weiteren Diskussion bedürfen. Das vorliegende Buch ist eine essayistische Verarbeitung vieler Themen, und Essay heißt ja nichts anderes als: Versuch. Aber dass gerade eine Zeit endet und eine andere beginnt, mit diesem Eindruck bin ich gewiss nicht allein.

Kapitel zwei beschreibt die drei wesentlichen technologischen Revolutionen unserer Zeit, deren Wirkungen umso ausgeprägter sind, als sie nun auf vielen Feldern auch noch miteinander verfließen. Die »Konvergenz« bahnbrechender Erfindungen wird in den kommenden Jahren alles verändern. Diesen Satz, dass sich gerade »alles« verändert, habe ich während meiner Recherchen häufig gehört, von Wissenschaftlerinnen, von Unternehmern, von Ingenieuren. Nicht nur die industriellen und kommunikativen Prozesse, die Medizin, die Bildung, die Kunst, das Alltagsleben verändern sich, sondern das menschliche Selbstbild. Die zugehörigen Stichworte lauten Digitalisierung und Datafizierung, Robotik, »Sprachmodelle«, »künstliche Intelligenz«, Gen- und Biotechnologie. Ich möchte im zweiten Kapitel beim Sortieren dieser gewaltigen Themenfelder helfen.

Das dritte Kapitel befasst sich konkreter mit den künftigen Lebenswelten eines heute geborenen Kindes, das der heimliche Held dieses Buches ist. Ich stelle mir vor, wie sich seine Lebensorte verändern, die Städte, das Land. Wie der Umgang mit neuen Technologien aussehen wird, die Ankunft in »immersiven« Computerwelten ist Thema, aber auch die Zukunft der Arbeit, der Gesundheit, die Frage, wie sich Politik verändert und verändern muss, welche Themen groß werden könnten, wie sich die Sicht auf die Dinge verändert.

Dieses Kapitel endet mit der Frage danach, welches Rüstzeug gebraucht wird, die vielen kommenden Herausforderungen mit Menschlichkeit zu bestehen. Wie Schule aussehen muss, um Kindern und Jugendlichen weiterhin die Chance auf ein gelingendes Leben zu geben. Und was das alles damit zu tun haben könnte, was der Soziologe Hartmut Rosa »Unverfügbarkeit« nennt.

Im Epilog erzähle ich die Geschichte von Yacouba Sawadogo, einem Bauern aus Burkina Faso, der vorgelebt hat, was Anthropozän bedeuten kann und soll. Jeder und jede sollte sie kennen, sie ist ein bedeutendes Gleichnis für unsere Zeit.

In den kommenden Jahren und Jahrzehnten werden Menschen gebraucht, die sich nicht fürchten vor der Welt und ihren Wandlungen. Es wird darum gehen, die Probleme der eigenen Zeit und der Zukunft mit Weitblick zu bewerten und mit Beharrlichkeit zu bearbeiten, auf der Grundlage von Wissenschaft, Werten und Wünschen. Gleichzeitig gilt es, mit Schocks jederzeit zu rechnen. Wir brechen auf in eine Maschinenwelt, in eine Bio-Maschinenwelt, allein das wird aufregend, und manchmal wird es gewiss auch unheimlich sein.

Es muss sich aber fürs Erste kein Mensch vor Maschinen fürchten, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass sie bald »die Macht übernehmen«. Das Wettrennen zwischen Mensch und Maschine, von den genialen, aber gern auch großspurigen Pionieren des Silicon Valley immer wieder behauptet, gibt es bei Licht betrachtet nicht. Die ganze Idee, ein Computer könne »intelligenter« sein als der Mensch, ergibt keinen Sinn.

Mensch und Maschine spielen nicht in einer Liga, sie spielen nicht einmal dasselbe Spiel. Die Computer sind uns in vielen Einzeldisziplinen sowieso längst meilenweit überlegen, in anderen werden sie immer hoffnungslos unterlegen bleiben. Was dem Menschen schwerfällt, schafft die Maschine spielend. Woran die Maschine scheitert, ist für den Menschen ein Klacks. So gesehen könnten sie ein perfektes Team werden. Und das Wunder der Menschlichkeit wird davon so oder so nicht berührt.

Auch die Programme, die sich binnen Stunden selbstständig zu Schachgroßmeistern trainieren oder die am Ende besser Go spielen als der beste Mensch, wurden von Menschen entworfen – und sie wären nie »auf die Idee gekommen«, die schönen Spiele zu erfinden. Automaten sind, letztlich, chronisch antriebsschwach. Ohne den Menschen bleiben sie ein Nichts. Und wenn ein Programm schöne Musik komponiert, weil es mit den Werken von Bach gefüttert wurde, dann gilt die Bewunderung, wie der österreichische Forscher Viktor Mayer-Schönberger zu Recht sagt, weiterhin Bach und nicht dem Algorithmus, der ihn so gut nachäffen kann.

Der Mensch erschöpft sich nicht im »intelligent sein«. Yann LeCun, der für künstliche Intelligenz zuständige Chefdesigner bei Meta/Facebook, hat sich dazu kürzlich philosophisch eingelassen. Bei einer Podiumsdiskussion des MIT Technology Review sprach er über die Unmöglichkeit, den Entwicklungsprozess eines Kindes mit dem Computer zu simulieren.

Die menschliche Weltwahrnehmung, sagte LeCun, sei bislang selbst in den leistungsstärksten Rechnerarchitekturen nicht nachzubilden. Die evolutionären Antriebe seien schlichtweg nicht programmierbar. »Ein Kind fängt im achten oder neunten Monat an zu laufen, und das beginnt nicht mit Laufen, sondern mit Aufstehen – aber warum?«, fragte LeCun. »Warum weiß das Kind mit acht, neun Monaten, dass es Zeit ist, aufzustehen? Und warum hat es so viel Freude daran, obwohl es dauernd hinfällt?«

Im Menschen, in jedem einzelnen Kind, das heute irgendwo auf der Welt geboren wird, wohnt diese unauslotbare, einzigartige Tiefe, eine physiologische und psychologische Verfeinerung, die von sehr weit herkommt, aus Millionen Jahren, aus Evolution und Erdgeschichte.

Anders als all die Apparate und Programme und die kommenden biotechnologischen »Intelligenzen« kann der Mensch träumen, spielen, Erotik spüren, das Leben lieben und lachen ohne Grund. Er tanzt und singt, weil er Lust dazu hat, er weint, weil die Musik so schön ist, und manchmal isst und trinkt er unvernünftig viel oder vergisst zu schlafen, einfach, weil es sich mit Freunden und Familien so ergibt.

Und wenn er hinfällt, steht er wieder auf, immer wieder. Und hat sogar Freude daran. Bis ans Ende aller Tage.

I. Willkommen in der Wirklichkeit

1. »Gefühlte« und reale Gegenwart

1.1 Ich weiß (nicht), dass ich nichts weiß

Die Welt wird immer besser, aber keinen interessiert’s: Von falschen Gewissheiten, lesenden Mongolinnen und der gut gemeinten Irreführung durch die Medien

Das Umfrage-Institut Ipsos veröffentlicht regelmäßig große Umfragedossiers unter dem Titel »Perils of Perception«, auf Deutsch ist das ungefähr: Die Fallen der Wahrnehmung. Die Demoskopen nehmen sich Themengebiete vor, zu denen sie weltweit Menschen befragen, um herauszufinden, wie gut sie sich in der Gegenwart auskennen.

In den Jahren 2021 und 2023 widmete sich Ipsos dem Wissensstand über die Möglichkeiten, als Privatmensch seinen Beitrag gegen die Erderwärmung zu leisten. In 30 über die Welt gewürfelten Ländern wurden die Teilnehmer als Erstes gefragt, ob sie wüssten, wie sie konkret im Alltag Klimaschutz betreiben könnten. Im Durchschnitt der 30 Länder – unter ihnen so unterschiedliche wie Argentinien, Australien, Ungarn, Italien, Mexiko, Russland, die USA, China, Deutschland, Kanada, Frankreich, Südkorea – wurde das mit großer Mehrheit bejaht. 70 Prozent der Befragten meinten selbstbewusst, ja, sie wüssten, was zu tun sei.

Die weitere Befragung ergab dann dies: Wichtigster Beitrag des Einzelnen, da waren sich satte Mehrheiten rund um den Globus einig, sind Mülltrennung und Recycling. Energiesparlampen und LED-Leuchten wurden als wichtiger Beitrag genannt, außerdem der Verzicht auf allzu viel Verpackung, mehr Dachbegrünung und, ganz allgemein: Konsumverzicht und die Bevorzugung haltbarer Güter. Das Problem mit dieser Liste ist, man ahnt es, dass die Antworten praktisch durchweg falsch sind, in dem Sinne, dass es weit wichtigere Handlungsfelder gäbe, um den berühmten »CO2-Fußabdruck« des Einzelnen zu verringern.

Nur jeder Zehnte kam etwa auf die Idee, dass es helfen könnte, auf ein eigenes Auto zu verzichten oder die Zahl von Flugreisen zu reduzieren. Nur wenige Teilnehmer hielten es für wichtig, ihren Fleischkonsum zu überdenken, Heizungen zu modernisieren oder ihre Häuser besser zu dämmen. Dass die größte private CO2-Einsparung – theoretisch – darin bestünde, auf Kinder zu verzichten, wussten nur wenige der Beteiligten. Überspitzt ausgedrückt war das Ergebnis der Befragung, dass alles Unwichtige für wichtig gehalten wurde und fast alles Wichtige für unwichtig. Und doch hatten die Teilnehmer ihre Antworten in der festen Überzeugung gegeben, gut Bescheid zu wissen.

Wer diese Art Humor mag, sollte sich den Spaß gönnen, den Grad des eigenen Unwissens auf Websites wie »ourworldindata.org« oder »gapminder.org« zu messen. Gapminder ist eine seit 2005 gepflegte, stets aktuelle Datenbank, zu deren Gründern der weithin berühmte, aber immer noch zu wenig bekannte Schwede Hans Rosling zählte. Seine Erklärvideos wurden auf YouTube millionenfach gesehen, und sein Bestseller Factfulness zählt weiterhin zu den Pflichtlektüren für moderne Erdenbewohner; zu Rosling, der leider schon gestorben ist, gleich noch mehr.

Gapminder ist wie ein Quiz aufgebaut, Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, ihr Wissen über die Welt zu testen – und wer nicht seit Jahren als Entwicklungshelfer bei der Uno arbeitet, wird als Erstes die Erfahrung machen, wie erstaunlich gering dieses eigene Wissen ist. Die zweite, noch unangenehmere Erkenntnis ist, dass das ganze Nichtwissen auch noch ein klares Muster hat: Es basiert auf einem Weltbild, das ständig nur vom Schlimmsten ausgeht, das Schlechteste für das Wahrscheinlichste hält und das Gelingende für praktisch ausgeschlossen. Zudem unterlaufen einem Europäer wie mir grotesk falsche Antworten, die eindeutig in Stereotypen wurzeln, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie hatte, Annahmen über ferne Weltgegenden, die entweder nie gestimmt haben oder von der Realität längst überrollt worden sind.

Beispiel: Im Jahr 1980 lebten 40 Prozent der Weltbevölkerung in extremer Armut – wie viel sind es heute? 10 Prozent? 30? 50? Von den Befragten tippen 92 Prozent auf eine falsche Antwort, die richtige lautet: 10 Prozent. Anderes Beispiel: Wie groß ist der Anteil der internationalen Flüchtlinge an der Weltbevölkerung? 0,5 Prozent? 5,5 Prozent? 15,5? Auch bei dieser Frage liegen fast alle Antwortgeber daneben, richtig ist: 0,5 Prozent. Das ist, angesichts der alltäglichen Bilder von gekenterten Schlauchbooten, Elend unter Zeltplanen, traurigen Kindern im Matsch, schwer zu glauben. Nur 0,5 Prozent? Es müssten doch – folgt man dem medialen Wirbel – viel mehr sein? Aber es sind nicht viel mehr. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk liegt die aktuelle Zahl der Menschen, die aus ihren Ländern geflohen sind, derzeit bei 42 Millionen, die vielen Ukrainer eingeschlossen. Das sind natürlich viele Menschen, und in der Zahl stecken unendliches Leid und Elend; aber auf eine Weltbevölkerung von acht Milliarden bezogen sind eben doch »nur« 0,5 Prozent der Menschheit auf der Flucht.

Die von vielen Leuten vor allem in wohlhabenden Ländern gepflegte Vorstellung, die halbe Welt befände sich irgendwie auf Wanderschaft, liegt meilenweit neben der Realität. Solche Irrtümer häufen sich auch deshalb gern, weil wir Menschen mit großen Zahlen schlechter umgehen können, als wir denken. Wir meinen zwar mittlerweile, an die abstrakten Summen gewaltiger Staatsausgaben gewöhnt, mit Milliarden- und Millionenrechnungen selbstverständlich vertraut zu sein, aber das gehört in die Reihe der humanen Selbstüberschätzungen.

Und übrigens: Die Menschen auf der Flucht wollen nicht alle nach Schweden oder Deutschland oder Großbritannien, keineswegs! Die meisten retten sich in ihre Nachbarländer, bleiben dort und hoffen auf baldige Rückkehr in die Heimat. Auf der Liste der Länder, die derzeit die meisten Flüchtlinge beherbergen, liegen auf den ersten drei Plätzen: die Türkei, Kolumbien und Uganda. Und fragt man nach den meisten Geflüchteten pro 1000 Einwohner, dann liegen ganz vorne: Aruba (eine niederländische Insel vor der Küste Venezuelas), der Libanon und Curaçao.

So zerplatzen die falschen Weltbilder eines nach dem anderen: Wie groß ist der Anteil der Menschen an der Weltbevölkerung, die in Megacitys mit mehr als 10 Millionen Einwohnern leben? 48 Prozent? 28? Korrekt ist: 8 Prozent. Wie viele Frauen in der Mongolei können lesen und schreiben? Mehr als 99 Prozent. Welches Land hat die meisten an internationalen Börsen gelisteten Unternehmen? Die USA, logisch! Ist aber falsch, auf Platz eins liegt Indien. Und, ein letztes Beispiel, weil es so schön mit muffigen kolonialen Mustern spielt: Womit hat Costa Rica im Jahr 2020 am meisten Geld verdient? Mit IT-Anlagen? Kaffee? Oder Bananen? Man ahnt es: Es waren die IT-Anlagen – aber fast 80 Prozent der Befragten tippten auf Kaffee und Bananen.

Ich denke, der Sinn der Demonstration wird deutlich: Unser Wissen über die Welt ist begrenzt, um es freundlich zu sagen, und es unterliegt auch noch dem, was Amerikaner einen »bias« nennen, einer Voreingenommenheit, die den Blick auf die Wirklichkeit verzerrt. Der erwähnte Hans Rosling, ein positiv denkender Arzt, lange Jahre in Diensten der Uno in den ärmsten Regionen der Welt, zog gegen diese Verzerrungen zeitlebens zu Felde, vor allem gegen den negativen Grundzug, der sich in unserem Denken eingenistet hat.

Auf seine amüsante Weise hat er die gröbsten Wahrnehmungsfehler beschrieben, darunter den »Instinkt der geraden Linie«, der viele Menschen zum Beispiel glauben lässt, die Weltbevölkerung wachse »einfach immer weiter« oder diverse Missstände würden, linear, »immer schlimmer«. Bei Rosling, der zeitlebens auch als Schwertschlucker auftrat und die Bezeichnung Optimist für sich ablehnte, lässt sich lernen, dass das Fehlschlüsse sind. Gestützt auf massenweise Fakten und offizielle Berichte, zeigte er, dass sich die Welt keineswegs ständig verschlechtert, sondern dass sie sich, im Gegenteil, auf geradezu erstaunliche Weise immer weiter bessert, nicht zuletzt deshalb, weil der Mensch aktiv wird und die Welt nicht einfach lässt, wie sie ist, sondern eingreift.

Kindersterblichkeit, Kinderarbeit, Kriegstote, Opfer bei Flugzeugabstürzen, Hunger, Feinstaub – wer einen Schritt zurücktritt und die längeren Linien in den Blick nimmt, erkennt Verbesserungen überall. Im Lauf der Zeiten haben immer mehr Menschen Zugang zu elektrischem Strom, zu sauberem Wasser, zu medizinischer Versorgung bekommen, sie leben gesünder, länger, besser.

Die Getreideerträge sind weltweit von 1,4 Tonnen pro Hektar vor 50 Jahren auf heute 4 Tonnen pro Hektar gestiegen. Mehr als 90 Prozent aller Mädchen werden heute eingeschult, 1970 waren es kaum zwei Drittel. An Masern, Tetanus, Hirnhautentzündung, Atemwegsinfektionen starben noch im Jahr 2000 weltweit fast 4 Millionen Kinder jährlich, diese Zahl ist auf etwa 1,5 Millionen gesunken.

Mit die beste Nachricht ist: Wenn in armen Ländern der Wohlstand steigt, und je gleichberechtigter und besser gebildet die Frauen sind, desto deutlicher sinkt die Zahl der Kinder, die geboren werden – tatsächlich sind die Geburtenziffern nur noch in einem guten Dutzend Länder besorgniserregend. Ja, es gibt noch Weltregionen – im Tschad, in Somalia, in Niger –, in denen Frauen sechs Kinder und mehr gebären; aber es gibt deren nicht mehr viele. Die Fantastereien über kommende Bevölkerungsexplosionen entbehren jeder Grundlage. Das ist der Forschungsstand.