Geburt und Leiden von Jesus Christus - Johann Meierlohr - E-Book

Geburt und Leiden von Jesus Christus E-Book

Johann Meierlohr

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Beschreibung

Die üblichen Darstellungen von der Geburt Jesu sind zu sehr vom Evangelium nach Lukas geprägt, welches zu locker mit den historischen Tatsachen umgeht. Anhand eines Bühnenstückes versucht der Autor, eine realistischere Sichtweise anzubieten. Vom Leiden Jesu gibt es diverse Darstellungen, die entweder sehr feierlich oder zu steif ausfallen. Das Buch enthält dazu neun ausführliche Szenen im vitaleren Stil für eher kleinere Theatergruppen.

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Seitenzahl: 293

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Johann Meierlohr

Geburt und Leiden von Jesus Christus

Zwei klassische Bühnenstücke über das Leben von Jesus Christus

© 2023 Johann Meierlohr

ISBN Softcover:    978-3-347-99177-4

ISBN Hardcover:  978-3-347-99178-1

ISBN E-Book:       978-3-347-99179-8

Druck und Distribution

im Auftrag des Autors:

tredition GmbH,

Heinz-Beusen-Stieg 5,

22926 Ahrensburg

Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile,

ist urheberrechtlich geschützt.

Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich.

Jede Verwertung ist ohne seine

Zustimmung unzulässig.

Die Publikation und Verbreitung

erfolgen im Auftrag des Autors,

zu erreichen unter

tredition GmbH,

Abteilung „Impressumservice“,

Heinz-Beusen-Stieg 5,

22926 Ahrensburg,

Deutschland

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort

Historischer Hintergrund

Die Heilige Familie

Erster Akt, Szene Eins: Brautschau

Erster Akt, Szene Zwei: Verkündigung

Erster Akt, Szene Drei: Familienzwist

Erster Akt, Szene Vier: Base Elisabeth

Erster Akt, Szene Fünf: Johannes der Täufer

Erster Akt, Szene sechs: Versöhnung

Zweiter Akt, Szene Eins: Neue Wohnung

Zweiter Akt, Szene Zwei: Die Sternforscher

Zweiter Akt, Szene Drei: Erscheinung der Engel

Zweiter Akt, Szene Vier: Geburt Christi

Zweiter Akt, Szene Fünf: Besuch der Hirten

Dritter Akt, Szene Eins: Die Magier bei Herodes

Dritter Akt, Szene Zwei: Die Schriftgelehrten bei Herodes

Dritter Akt, Szene Drei: Die Magier in Bethlehem

Dritter Akt, Szene Vier: Darstellung im Tempel

Dritter Akt, Szene Fünf: Exil in Ägypten

Dritter Akt, Szene Sechs: Die Kopfsteuer

Das Leiden Jesu Christi

Das letzte Abendmahl

Im Garten Gethsemane

Vor dem Hohen Rat

Anklage bei Pilatus

Jesus vor Herodes

Geißelung

Das Todesurteil

Kreuzweg und Kreuzigung

Kreuzabnahme und Grablegung

Nachwort

Geburt und Leiden von Jesus Christus

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort

Nachwort

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Vorwort

Dieses Buch enthält zwei Bühnenstücke über den Beginn und das Ende des Lebens von Jesus Christus im Stil des klassischen Theaters. Anlass für deren Erstellung war die Erkenntnis des Autors, dass es bislang keine derartigen Werke in der bekannten Literatur gibt. Die Gründe für diese Enthaltsamkeit sind unklar. Ist es der Respekt vor der Thematik mit dem göttlichen Hintergrund? Auch die Eigengesetzlichkeit von Bühnenstücken stellt ein Hindernis dar, da sie die Ausdrucksmöglichkeiten des Autors einschränkt.

Von dieser Zurückhaltung sollte man endlich abrücken. Die Menschen von heute, allen voran Kinder und Jugendliche, sind es gewohnt, etwas zu sehen. Das Fernsehen bietet für Jung und Alt eine Fülle von Darstellungen, die das Vorstellungsvermögen stark beeinflussen. Bei Kleinkindern spielen Zeichentrickfilme eine große Rolle in Form von Spielen oder Filmen. Vor hundert Jahren waren noch die Märchen interessant, welche die Eltern zu erzählen wussten. Sie förderten die Entwicklung der Fantasie und den Sinn für virtuelle Welten. Die Märchen in der verbalen Form haben ausgedient. Das hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung geistiger Werte und abstrakter Inhalte. Kein Wunder, dass die theologisch geprägten Predigten der Amtskirche auf unfruchtbaren Boden fallen. Viele Zuhörer kennen ja die Begriffe kaum, auf die sich solche Reden stützen. Das visuell geprägte Denken ist dominant geworden. Dieser Erkenntnis geht die Amtskirche fast schon konsequent aus dem Weg. Ihre Vertreter hören sich gerne reden und genießen bis zu einem gewissen Grad den religiösen Personenkult, welcher der höheren Geistlichkeit von den treuen Gläubigen entgegen gebracht wird. Eine Visualisierung biblischer Inhalte in Form von Videos könnte das Ansehen beeinträchtigen und den Einfluss der Priesterschaft schmälern.

Die Möglichkeiten der bildbasierten Informationspraxis kommen den geistlichen Würdenträgern nur in Umrissen zum Bewusstsein, etwa bei Übertragungen öffentlicher Auftritte des Papstes. Weit nützlicher wären Videos oder Filme über das religiöse Geschehen oder biblische Inhalte. Sie müssten nicht unbedingt von hochwertiger Ausführung sein wie bei den frommen Monumentalfilmen. Die sind ohnehin für viele Zuschauer zu pathetisch geraten. Bei Kleinkindern sind Zeichentrickfilme beliebt. Sie wären ungemein wichtig für die Ausbildung der geistigen Grundstrukturen, auf die sich alles Denken stützt. Das geschieht nämlich schon in den ersten Jahren der Kindheit dank der Eigenschaft des menschlichen Gehirns, Erlebtes und Gesehenes in stark komprimierter Form zu speichern, wie man es in der EDV nennen würde. Noch immer gilt: Was Hänschen nicht lernt, lernt der Hans nimmermehr. Dank des Fernsehens und der Computertechnik hat sich dieser angeborene Mechanismus in der Praxis verändert hin zur medialen Wahrnehmung. Die Abhängigkeit vom unmittelbaren Umfeld hat stark nachgelassen zur Enttäuschung vieler Eltern, da diese technischen Errungenschaften enorme Auswirkungen für die geistige Entwicklung der Kinder haben. Die Amtskirche lässt das kalt. Sie schwelgt lieber in göttlichen und allerlei anderen Mysterien, als sich dem Trend der Zeit anzupassen. Der „Zeitgeist“ war ihr schon immer suspekt, spätestens seit der Zeit von Galilei und Newton.

Die beiden Bühnenstücke dieses Buches sind ein stiller Protest gegen die Schlafmützigkeit der kirchlichen Würdenträger. Sie sind in der tendenziell einfachen Sprache des Alltags geschrieben wie das bei Film und Fernsehen heute üblich ist. Die Szenen mögen manchem Leser etwas langatmig erscheinen. Der Autor muss mit wenigen Szenen auskommen, die nicht zu kurz sein dürfen.

Historischer Hintergrund

Matthäus und Lukas nennen zu Beginn ihrer Evangelien mehrere historische Personen und Ereignisse, die mit der Geburt Jesu Christi zeitlich zusammen hängen. Leider sind ihnen bei der Aufzählung Fehler unterlaufen. Das wird schnell klar, wenn man die objektive Geschichtsschreibung zurate zieht. Die ist nämlich verlässlicher als die Ausführungen der beiden Evangelisten. Das werden linientreue Vertreter der Amtskirche und viele überzeugte Christen nicht wahr haben wollen. Für sie sind die Darstellungen in den Evangelien unantastbar, obwohl Widersprüche erkennbar sind.

Trotz dieser Fehler sind die Ausführungen von Matthäus und Lukas die wichtigste Quelle, um die Geburt von Jesus Christus geschichtlich zuordnen zu können. Sie fiel in die Amtszeit von Kaiser Augustus. König Herodes war auch noch am Leben. Der starb aber vier Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung. Christus muss zwei Jahre früher geboren worden sein. Das ergibt sich aus den Angaben des Evangelisten Matthäus über den Kindermord in Bethlehem. Der stößt bei einem Teil der Historiker auf Skepsis, weil er in den antiken Schriften nicht erwähnt wird. Dafür gibt es eine simple Erklärung. Die verdächtigen Kinder wurden nach und nach in einer Geheimoperation umgebracht. Im Römischen Reich galt nämlich das Gesetz der Friedenspflicht, die Pax Romana. Auf sie musste Herodes Rücksicht nehmen. Diese geheime Aktion zog sich zwei Jahre hin bis zum Tod des Herrschers.

Daraus schließt der Autor, dass Christus im Jahre 6 oder 7 v. Chr. zur Welt gekommen sein muss. Für diese Annahme spricht auch die Erwähnung des Sterns von Bethlehem, der bei Matthäus eine ziemliche Rolle spielt. Wegen dieser Himmelserscheinung reisten mehrere Sterndeuter an die tausend Meilen durch überwiegend wasserloses Gebiet. Sie fassten diesen Plan, weil sich die beiden Planeten Jupiter und Saturn so sehr annäherten, dass sie wie einziges Objekt am Himmel leuchteten mit erstaunlicher Helligkeit. Das erkannte als erster ein deutscher Astronom im 16. Jahrhundert, als er eine dreifache Konjunktion dieser beiden Planeten beobachtete, die ziemlich selten auftritt. Er kam zu der Erkenntnis, dass sich im Winter 7 auf 6 v. Chr. ebenfalls eine mehrfache Konjunktion dieser beiden Planeten zugetragen hatte. Sie fand dreimal kurz hintereinander statt, nämlich in der ersten Oktoberhälfte, im letzten Dezemberdrittel und Anfang Januar. Die Sterndeuter scheinen sich bei der letzten dieser Annäherungen in Bethlehem aufgehalten zu haben. Matthäus schreibt nämlich, der Stern von Bethlehem habe bei dieser Gelegenheit zum Erstaunen der Magier geleuchtet. Die Geburt des Gottessohnes hat aller Wahrscheinlichkeit nach während der zweiten Konjunktion stattgefunden, da von der kalten Jahreszeit die Rede ist und die Darstellung im Tempel nach dem Auftritt der Magier stattfand. Die Handlung dieses Bühnenstückes über die Heilige Familie basiert auf diesen Erkenntnissen.

Ein heikles Thema ist die Herbergssuche, die alle Jahre wieder in vielen Kirchen am Heiligen Abend gespielt wird, meistens von Kindern. Sie hat damals gar nicht stattgefunden und ist die Folge eines Missverständnisses aus dem Mittelalter, als man unter einer Herberge ein Wirtshaus mit Übernachtungsmöglichkeit verstand. Vor zweitausend Jahren benannte man mit Herberge in Israel jenen Raum, den man heute als Wohnküche bezeichnen würde. Die Heilige Familie hatte nur einen einzigen Raum zur Verfügung. Er war so klein, dass Maria das Kind in eine Futterkrippe legte, die aus dem Kalkstein gehauen war wie auch der Wohnraum. Maria und Josef hausten nämlich in einer Höhlenwohnung, die Generationen früher in den weichen Kalkstein gemeißelt worden war. Solche Wohnungen gab es damals häufiger. Im Sommer waren sie angenehm kühl und im Winter kamen sie ohne Heizung aus. Leider war es in ihnen recht dunkel.

Lukas nennt eine Steuerliste als Grund, warum Maria und Josef von Nazareth nach Bethlehem marschiert sein sollen wenige Tage vor der Geburt des Kindes. Sie soll erstmals im ganzen Römischen Reich erstellt worden sein. Diese Darstellung ist eindeutig übertrieben. Steuerlisten gab es schon seit Jahrhunderten in Rom und Umgebung. Zur Ehrenrettung des Evangelisten muss gesagt werden, dass tatsächlich eine solche Liste erstellt wurde, aber nur im Süden der Provinz Palästina. Dort hatte einer der Söhne von Herodes nach dessen Tod die Herrschaft inne. Er führte sich derart brutal auf, dass ihn schon bald die Römer vertrieben und fortan die Gegend um Jerusalem selber regierten. Sie führten die Kopfsteuer ein, da Palästina zu den kaiserlichen Provinzen zählte. Zu diesem Zeitpunkt war Jesus drei bis vier Jahre alt. Offenbar hielt sich die Heilige Familie damals eine Zeit lang in Bethlehem auf, weil sie dort für die Kopfsteuer erfasst wurde. Unklar ist, wann sie aus dem Exil in Ägypten zurückkehrte. Matthäus berichtet, dass der Sohn Archelaos von Herodes zu dieser Zeit Judäa regierte. Aus Angst vor diesem brutalen Herrscher habe sich Josef für einen neuen Wohnort entschieden, nämlich Nazareth im Gebiet von Galiläa, wo der Bruder von Archelaos die Herrschaft ausübte. Also steht die Legende von der Herbergsuche auf wackligen Füßen. Sie ist eine „Erfindung“ von Lukas. Der glaubte offenbar, Maria und Josef hätten schon vor der Geburt Jesu in Nazareth gewohnt. Die Steuerliste diente ihm als Begründung, warum Jesus trotzdem in Bethlehem geboren wurde. Ihre Datierung durch Lukas ist deshalb mit Vorsicht zu genießen.

Linientreue Mitglieder der Priesterschaft werden nur widerwillig von der Vorstellung lassen, Maria und Josef seien von Nazareth nach Bethlehem marschiert kurz vor der Geburt des „Herrn“, wie sie Christus gern nennen. Gegen diese Version spricht nicht nur die Logik, wonach die Steuern immer vor Ort zu bezahlen sind. Die Steuerliste wurde aus einem einfachen Grund erstellt. Palästina war dem Kaiser selbst unterstellt. Nur in den wenigen kaiserlichen Provinzen gab es die Kopfsteuer. Herodes und sein Sohn Archelaos hielten sehr wahrscheinlich an der alten Steuerpraxis fest. Erst als die Römer die Herrschaft über Judäa ausübten, wurde die Kopfsteuer dort eingeführt.

Leider hat es die Amtskirche versäumt, die Angaben von Matthäus und Lukas in den geschichtlichen Kontext zu stellen. Der Autor dieses Buches will dieses Versäumnis aus der Welt schaffen in Form eines Bühnenstückes. Im Streitfall kann er sich so auf die dichterische Freiheit eines Poeten berufen. Dieses Genre der Literatur hat es in sich. Die Ausdrucksmöglichkeiten sind nämlich beschränkt. Das zwang den Autor in einigen Szenen zu Kompromissen oder Tricklösungen.

Lässt sich die Jugendzeit von Christus noch recht gut in den geschichtlichen Kontext stellen, so ist das mit dem Tod von Christus schon schwieriger. Die Amtskirche geht noch immer davon aus, dass der Erlöser im Alter von 33 Jahren das Martyrium erlitt. Auch da liegt sie falsch. Der Evangelist Lukas datiert das Auftreten von Johannes dem Täufer auf eines der Jahre Jahr 28 oder 29 n. Chr. Er spricht vom fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius. Dieser kam 14 n. Chr. auf den Thron als Stiefsohn von Kaiser Augustus, der eine Witwe geheiratet und keine eigenen Kinder hatte. Johannes dürfte zwei bis drei Jahre gepredigt haben, ehe er verhaftet wurde. Erst dann trat Jesus Christus öffentlich auf, drei Jahre lang. Sein Tod müsste also in das Jahr 33 oder 34 n. Chr. fallen. Da war der Messias etwa vierzig Jahre alt. Seine Mutter stand unter dem Kreuz und dürfte zwischen 55 und 60 Jahre alt gewesen sein.

Die Heilige Familie

Vorwort

Weihnachtslektüre gibt es in einer kaum mehr überschaubaren Fülle. Die meisten Anekdoten und Darstellungen sind stark romantisch geprägt und sollen vor allem Gefühle wecken. Begünstigt wird diese Flut von gefühlsträchtigen Geschichten durch die Ausführungen in den Evangelien von Matthäus und Lukas. Diese Evangelisten nennen eine Reihe historischer Fakten zum Zeitpunkt der Geburt Christi. Leider gingen sie mit ihnen etwas sorglos um, weshalb sich der geschichtlich korrekte Ablauf der Ereignisse nur mit Mühe erkennen lässt. Lukas kannte sie wohl nur vom Hörensagen. Er glaubte allen Ernstes, die Heilige Familie habe schon vor der Geburt des Erlösers in Nazareth gelebt. Diese Ansicht wird im Kapitel über den historischen Hintergrund widerlegt. Die Theologen interessiert das nicht. Jedenfalls folgen sie geradezu blindlings den Ausführungen in der Bibel. Zieht man die Geschichtsschreibung zurate, dann lassen sich diese Denkfehler erkennen und mit ziemlicher Sicherheit der korrekte Ablauf der Ereignisse rekonstruieren.

Dieses Bühnenstück verfolgt die Absicht, das Geschehen vor gut zweitausend Jahren einigermaßen treffsicher dem Betrachter vor Augen zu führen. Dies geschieht weitgehend in Form von Dialogen. Zu Beginn vieler Szenen sorgt ein einleitender Text für die Beziehung zum geschichtlichen oder zeitlichen Ablauf. Die Szenen sind so gehalten, dass sie mit mäßigem Aufwand und einer begrenzten Zahl an Darstellern zur Aufführung gelangen können.

Erster Akt, Szene Eins

Brautschau

Eheschließungen waren vor zweitausend Jahren in Israel Familienangelegenheit. Eine freie Partnerwahl, wie sie heutzutage hier in Deutschland üblich ist, war damals die Ausnahme. Sehr wahrscheinlich wurden auch Josef und Maria durch Vermittlung zusammengeführt. Für diese Tatsache spricht schon die starke religiöse Ausprägung der beiden. Sie dürften zum Zeitpunkt der Verlobung zwischen fünfzehn und zwanzig Jahre alt gewesen sein. Eine standesgemäße Eheschließung fand nie statt, jedenfalls wird sie in der Bibel nicht erwähnt. Der Legende nach soll Maria eine Zeit lang Tempeljungfrau gewesen sein, doch gibt es dafür in den Evangelien keine Anhaltspunkte. Es handelt sich wohl um eine Erfindung des Mittelalters, das nach frommen Zutaten lechzte. Vermutlich war Maria ein sehr frommes Mädchen, das sein Handeln ganz nach dem mosaischen Gesetz ausrichtete, wie es in der Familie üblich war und in der Synagoge gelehrt wurde. Vom Wesen her dürfte sie zurückhaltend gewesen sein. Weltfremd war sie aber nicht. Dieser Irrtum ist ziemlich weit verbreitet. Josef war wohl nicht ganz so sehr von der Frömmigkeit geprägt, die damals in Israel weit verbreitet war. Auch er tendierte zu einem ruhigen Charakter. Dank seiner handwerklichen Ausbildung als Zimmermann gehörte er zu den lebenstüchtigen Naturen.

Als solcher hatte er häufig Kontakt zu den Menschen in seiner Umgebung. Die Eltern Mariens stuften ihn als gute Partie für ihre Tochter ein. Deshalb nahmen sie Kontakt mit den Eltern des tüchtigen Handwerksburschen auf und arrangierten ein Treffen beider Familien mit dem Ziel, die Zustimmung der beiden Ehekandidaten für eine spätere Heirat zu erlangen. Ihr sollte eine Verlobungsfeier folgen. Vermutlich im Januar oder Februar des Jahres 7 v. Chr. traf man sich im Haus der Eltern von Maria, schließlich musste der Bräutigam um die Hand der Auserwählten anhalten und nicht umgekehrt.

Es klopft an der Tür. Die Mutter von Maria öffnet sie.

Mar.-Mut.

Schalom, ihr seid mir willkommene Gäste.

Mar.-Vat.

Tretet ein und fühlt euch wie zuhause.

Jos.-Vat.

Der Segen möge auf diesem Haus ruhen.

Jos.-Mut.

Hier lässt es sich gut wohnen.

Josef

Mein Gruß gilt auch der Tochter des Hauses.

Maria

Der schmeichelt mir und ich will ihn erwidern.

Mar.-Vat.

Hoffentlich war der Weg nicht zu beschwerlich?

Jos.-Mut.

Der Wind war lästig, den ich nicht vertrage.

Jos.-Vat.

Zum Glück scheint im Winter die Sonne nicht so stark und die Temperatur ist angenehm.

Mar.-Mut.

Sicher seid ihr jetzt ein wenig müde. Wollt ihr euch nicht setzen?

Jos.-Vat.

Dieser Vorschlag ist nicht schlecht. Meine Füße schmerzen, weil der Weg recht uneben war.

Jos.-Mut.

Seid einem Sturz im letzten Jahr klagt er öfters über Beschwerden.

Mar.-Mut.

Dieses Missgeschick tut uns leid. Sind die Behinderungen stark ausgeprägt?

Jos.-Vat.

Die Einschränkungen halten sich in Grenzen, nur das Bücken fällt mir schwerer als früher.

Jos.-Mut.

Ich gratuliere zu eurer Tochter. Sie hat sich gut entwickelt. Was sagst du dazu, Josef?

Josef

Ich kann dir nur zustimmen, Mutter. Man erkennt sofort, dass sie wohl erzogen ist.

Jos.-Vat.

Sie wird einmal eine tüchtige Hausfrau sein.

Mar.-Mut.

Nehmt endlich Platz, willkommene Gäste! Die jungen Leute sollten sich gegenüber sitzen. Dann können sie leichter miteinander plaudern.

Jos.-Vat.

Es wird hoffentlich nicht das letzte Treffen unserer beiden Familien sein. Das läge in unserem Interesse.

Mar.-Vat.

Wir Väter haben in dieser Angelegenheit bereits ein Gespräch geführt. Was sagen die beiden Mütter zu unseren Vorstellungen?

Mar.-Mut.

Natürlich ist die Meinung der Kinder von Bedeutung. Sicher sind sie nicht ahnungslos.

Jos.-Mut.

Mein Sohn verspürt eine starke Zuneigung zu eurer Tochter. Sie hat vortreffliche Eigenschaften. Eure Nachbarn sind voll des Lobes über sie.

Jos.-Vat.

Ihre Tugendhaftigkeit ist uns mehrmals zu Ohren gekommen und über jeden Zweifel erhaben.

Mar.-Vat.

Das hört man gern. Die Lehren der Väter und Propheten bedeuten ihr viel.

Jos.-Mut.

In diesem Punkt ähneln sich unsere Kinder.

Jos.-Vat.

Kinder ist nicht der richtige Ausdruck. Die Beiden sind doch schon erwachsen.

Mar.-Vat.

So allmählich müssen sie an einen eigenen Hausstand denken.

Mar.-Mut.

Wir wissen nicht, wie viele Jahre uns Eltern noch bleiben? Das Dasein währt meistens nur kurz.

Jos.-Vat.

Josef, mein geliebter Sohn, findest du Gefallen an der Jungfrau Maria?

Josef

Ich sehe sie zum ersten Mal. Es gibt an ihr nichts auszusetzen. Auch das Äußere spricht mich an.

Mar.-Vat.

Wir haben sie streng im Glauben der Väter und zu hausfraulichen Tugenden erzogen.

Jos.-Mut.

Das sieht man auf Anhieb und ein bescheidenes Wesen hat sie auch.

Jos.-Vat.

Josef, es dürfte dir schwerfallen, eine bessere Wahl zu treffen.

Josef

Ihr habt wohl recht, fürsorgliche Eltern. Maria ist an Tugendhaftigkeit kaum zu überbieten.

Mar.-Mut.

Eine Zuneigung sollte natürlich vorhanden sein. Die Bewunderung der Tugenden reicht auf die Dauer nicht aus für eine innige Beziehung.

Mar.-Vat.

Wir haben unsere Tochter noch gar nicht um ihre Meinung gefragt.

Jos.-Mut.

Diesen Mangel sollte man schnell beseitigen.

Mar.-Mut.

Liebe Tochter, du bist mir sehr ans Herz gewachsen in all den Jahren. Trotzdem ist es an der Zeit, an eine eigene Familie zu denken. Vielleicht hast du darüber auch schon nachgedacht.

Maria

Im Prinzip schon, das Thema kommt jetzt etwas überraschend für mich zur Sprache.

Mar.-Vat.

Bedenke, es gibt einen jungen Mann, der großes Interesse an dir hat. Darüber sollte man nicht leichtfertig hinweggehen.

Jos.-Vat.

Das Interesse unseres Sohnes ist nicht nur groß, sondern auch aufrichtig.

Jos.-Mut.

Unseren Segen hätte Josef und er wäre eine gute Partie für euere Tochter.

Mar.-Vat.

Wie ist das zu verstehen?

Jos.-Vat.

Er hat ein solides Handwerk erlernt. Zimmerleute genießen ein gewisses Ansehen im Volk. Der unbeliebte Herodes beschäftigt viele von ihnen.

Mar.-Vat.

Der tut sich als übereifriger Baumeister hervor. Ohne Handwerker würde die Bautätigkeit schnell zum Erliegen kommen.

Mar.-Mut.

Die Baustellen unseres Herrschers sind alle weit entfernt. Will euer Sohn Josef in die Ferne ziehen, sobald er eine Familie gegründet hat?

Josef

Nein, ich will hier in der Gegend bleiben. In die Arbeitersiedlungen am Meer und am See Genezareth zieht es mich nicht. Da herrscht ein zu großer Trubel, der unserem gemeinsamen Glück schaden würde.

Mar.-Vat.

Da hörst du es, Tochter! Du würdest uns auch in Zukunft nahe sein. Möglicherweise sind wir im Alter hilfsbedürftig. Deshalb würden wir dich nur ungern ziehen lassen.

Mar.-Mut.

Für einen tüchtigen Zimmermann gibt es immer Arbeit. Außerdem lässt unser ehrgeiziger Regent nicht weit von hier eine Festung bauen.

Jos.-Vat.

Er hat Angst, das Volk könnte sich eines Tages gegen ihn auflehnen.

Jos.-Mut.

Danach sieht es nicht aus, aber misstrauisch ist Herodes doch. Viel hat er nicht zu befürchten, solange ihm die Pharisäer die Stange halten.

Mar.-Vat.

Dem Hohen Rat liegt der Tempel mehr am Herzen als die Meinung des Volkes. König Herodes hat ihn zu einer prächtigen Anlage erweitert.

Jos.-Vat.

Sie haben deshalb Grund zur Dankbarkeit. Sogar die Römer sind vom Tempel beeindruckt.

Jos.-Mut.

Schweifen wir nicht länger vom Thema ab! Wir sind hierher gekommen, weil unser Sohn um die Hand eurer Tochter anhalten will. Ist sie wirklich so ahnungslos, wie es den Anschein hat?

Mar.-Mut.

Wir sind alle davon überzeugt, dass euer Besuch kein Zufall ist.

Jos.-Vat.

Dann hatte eure Tochter also Zeit, über eine Liaison mit Josef nachzudenken.

Jos.-Mut.

Sie scheint noch damit beschäftigt zu sein. Dürfen wir den Grund erfahren, warum sie zögert?

Mar.-Mut.

Will euer Sohn heute ganz offiziell um die Hand unserer Tochter anhalten?

Jos.-Vat.

Wir sind deswegen angereist, nicht wahr, Josef?

Josef

Du sprichst mir aus dem Herzen, Vater. Maria hat es mir angetan, auch wenn sie ihren Charme zu wenig aufblitzen lässt.

Maria

Ich danke für deine Komplimente. Eine derart weitreichende Entscheidung fällt einem eher nachdenklichen Mädchen wie mir schwerer als ihrem Freier.

Mar.-Vat.

Das läuft wohl auf eine Bedenkzeit hinaus. Hoffentlich ist Josef darüber nicht allzu enttäuscht.

Jos.-Mut.

Mir ist damals die Entscheidung auch schwergefallen, habe sie aber später nie bereut.

Jos.-Vat.

In der Tat ist die Ehe harmonisch verlaufen.

Josef

So stelle ich mir unsere Zukunft auch vor.

Maria

Die Harmonie zwischen den Partnern ist beim Bund für das Leben das Wichtigste. Wenn man sich oft ärgern muss, bleibt man besser allein.

Mar.-Mut.

Wie stellst du dir das vor? Alleinstehende Frauen sind in unserer Gesellschaft eine Rarität und nagen fast immer am Hungertuch.

Mar.-Vat.

Wir würden dich gern versorgt sehen. Josef ist eine gute Partie. Du wirst dich doch nicht nach dem Hirten in der Nachbarschaft sehnen, der dir oft Komplimente macht? Der ist nichts für dich.

Jos.-Vat.

Gibt es da vielleicht eine heimliche Beziehung?

Maria

Aber nein! Er lächelt mich halt jedes Mal an, wenn ich ihm begegne.

Mar.-Mut.

Ich weiß, dieser Bursche hat ein sympathisches Wesen. Aber die Hirten gehören zur Unterschicht unseres Landes und werden deshalb von der besseren Gesellschaft gemieden.

Mar.-Vat.

Willst du vielleicht den Rest des Lebens Ziegen melken und am Käsetrog werkeln? Josef kann dir ein wesentlich besseres Dasein bieten.

Jos.-Vat.

Wir haben auch ein wenig Geld gespart, um dem Paar den Start ins Familienleben zu erleichtern.

Jos.-Mut.

Allzu viel können wir natürlich nicht bieten, weil die Steuern so hoch sind.

Mar.-Vat.

Das kennen wir. Uns geht es auch nicht besser.

Mar.-Mut.

Auch wir haben an die Zukunft des Paares gedacht. Es gibt einen kleinen Vorrat an Wäsche und Gegenständen für die Küche.

Jos.-Vat.

Dann steht einer Verbindung unserer Kinder eigentlich nichts mehr im Wege.

Jos.-Mut.

Josef, du musst dir schon ein wenig mehr Mühe geben. Junge Frauen wollen umworben sein.

Josef

Das ist mir bekannt, Mutter. Ich würde gern mit Maria allein sein, um mit ihr zu sprechen.

Mar.-Mut.

Diesem Wunsch wollen wir Eltern nicht im Weg stehen. Deshalb gehen wir jetzt spazieren.

Die Eltern verlassen den Raum. Josef rückt ein wenig näher.

Josef

Maria, du siehst mich heute zum ersten Mal. Deshalb kann ich deine Zurückhaltung verstehen.

Maria

Vielleicht bist du ein wenig enttäuscht. Man hat mir von dir erzählt. Die Kunden schwärmen von der Tüchtigkeit deiner Hände.

Josef

Es sind meistens kleinere Aufträge, weil die Viehhüter nur wenig Geld haben. Deshalb zahlen viele von ihnen mit Naturalien. Da sind sie dann eher etwas großzügig.

Maria

Fast alle Hirten sind dankbar und gastfreundlich. Nur schade, dass sie einen schlechten Ruf haben.

Josef

Man tut ihnen unrecht. Empfindest du eine Zuneigung zu diesem Hirten aus der Nachbarschaft?

Maria

Er ist ein netter Kerl, aber es verbindet mich nichts mit ihm. Ich weiß, dass ihn das schmerzt. Aber Ziegen melken, das wäre nichts für mich. Butter und Käse sind wichtig für die Ernährung. Aber sie selbst herstellen, damit kann ich mich nicht anfreunden.

Josef

Dann kommt mein Besuch also nicht ungelegen.

Maria

Ich war neugierig auf dich trotz meiner Nervosität.

Josef

Die Eltern haben sich ziemlich stark vorgedrängt, wie das bei solchen Anlässen üblich ist.

Maria

Sie meinen es gut mit uns beiden, nicht wahr?

Josef

Offenbar sind sie entschlussfreudiger als wir.

Maria

Das scheint dich zu bedrücken.

Josef

Ich wüsste gern, ob mein Interesse an dir auf fruchtbaren Boden fällt.

Maria

Meine Mutter meint, ich sollte der Umgebung mehr Aufmerksamkeit schenken und nicht gar so nachdenklich sein. Vielleicht hat sie recht.

Josef

Das kann ich nicht beurteilen. Man hat mir erzählt, es sei schwierig, dein Wohlwollen zu gewinnen.

Maria

Wer redet so über mich?

Josef

Eure Nachbarschaft ist geschwätzig wie unsere.

Maria

Sie hat ja nicht ganz unrecht. Ich mache mir wohl zu viele Gedanken und versäume womöglich so die Chance meines Lebens.

Josef

Dann darf ich mir also Hoffnung machen, deine Zuneigung zu gewinnen?

Maria

Wie steht es mit deinen Gefühlen? Manche Männer wollen in erster Linie versorgt sein.

Josef

Du denkst also, dass ich anspruchsvoll bin. Das hat mir meine Mutter schon früh abgewöhnt.

Maria

Das mühsame Wäschewaschen überlasst ihr Herren der Schöpfung lieber den Frauen.

Josef

Diese Arbeit könnten wir uns teilen.

Maria

Ich sehe schon, du machst dir große Hoffnungen.

Josef

Fällt es dir so schwer, deinem Herzen ein Stoß zu geben? Wir werden uns bestimmt gut vertragen.

Maria

Wenn du nicht streitsüchtig bist, dann würde dieser Zustand eintreten.

Josef

Wir können die Eltern nicht länger warten lassen. Bist du traurig, wenn ich um deine Hand anhalten würde, oder bestehst du auf einer Bedenkzeit?

Maria

Ist das jetzt ein Antrag oder nicht?

Josef

Soll ich ihn jetzt machen oder erst später in Gegenwart der Eltern?

Maria

Ich glaube, die warten schon ungeduldig vor der Tür. Rufe sie herein!

Josef öffnet die Tür und bittet die neugierigen Eltern herein.

Jos.-Mut.

Ich hoffe, ihr habt euch gut unterhalten.

Josef

Es besteht kein Grund zur Klage.

Jos.-Vat.

Wie ist das zu verstehen?

Josef

Ich möchte um die Hand von Maria anhalten in der Hoffnung, nicht enttäuscht zu werden.

Mar.-Mut.

Kind, du machst bestimmt keinen Fehler, wenn du Josef die liebende Hand reichst.

Maria

Ich will Josef nicht enttäuschen, weder heute noch später im Leben.

Josef

Du empfindest also Sympathien für mich?

Maria

Oh ja, deine Nähe ist eine Genugtuung für mich.

Jos.-Mut.

Mein Herz jubelt, weil unser Sohn eine so vorzügliche Lebensgefährtin gefunden hat.

Jos.-Vat.

Er wird ihr ein fürsorglicher Ehemann sein.

Mar.-Mut.

Mir fällt ein Stein vom Herzen, weil ich unsere Tochter in guten Händen weiß.

Mar.-Vat.

Auch ich gebe meinen Segen. Das Glück möge den Beiden auf ihrem gemeinsamen Lebensweg hold sein!

Nach dieser Einwilligung folgte eine Verlobungsfeier, bei der sich alle Speis und Trank schmecken ließen. Die Eltern waren sogar eher glücklicher als das junge Paar, das sich erst noch aneinander gewöhnen musste.

Danach trennten sich die Wege der Verlobten, wie es damals üblich war. Es lag nun an Josef, eine Wohnung zu suchen und den gemeinsamen Hausstand vorzubereiten.

Man einigte sich darauf, bis dahin alle zwei Wochen ein Wiedersehen bei einem der beiden Elternpaare vorzunehmen. Das würde die noch recht zarten Bande festigen.

Erster Akt, Szene Zwei:

Verkündigung

Etwa vier bis acht Wochen nach der Verlobung verändert ein ungewöhnliches Ereignis das Leben der Braut. Der Evangelist beschreibt es mit eher knappen Worten, die das Bild einer ebenso demütigen wie gottgläubigen jungen Frau vermitteln. In zahllosen Predigten wird sie als Vorbild der Glaubensfreude dargestellt. Doch war die Wirklichkeit so simpel, wie es in der Bibel geschildert wird? Lesen konnte vor zweitausend Jahren nur eine Minderheit und das Schreiben war eine Rarität. Es gab noch kein Papier, wie es uns selbstverständlich ist, von der modernen Textverarbeitung ganz zu schweigen. Am ehesten eigneten sich dünne Häute als Grundlage für den Text, der mit einer „Naturtinte“ mittels Federkiel geschrieben wurde, eine zeitraubende Angelegenheit. Deshalb fassten sich die Autoren meistens kurz und schrieben nur die wichtigsten Informationen nieder. Es stellt sich die Frage, ob die spätere Muttergottes wirklich so widerstandslos in den Vorschlag des Engels einwilligte, wie es die Bibel darstellt. Ein wichtiger Hinweis ist der Satz: „Fürchte dich nicht, Maria!“ Das lässt darauf schließen, dass die junge Braut durch den Auftritt des Engels ziemlich verwirrt war und es diesen einige Mühe kostete, die vom Allerhöchsten auserwählte Person von den Absichten des Himmels zu überzeugen. Diese Vermutung ist die Grundlage für den Inhalt dieser Szene.

Maria weilt an einem Tag in der 2. Märzhälfte des Jahres 7 v. Chr. allein im Haus ihrer Eltern, das vermutlich in der Umgebung von Jerusalem lag, und nicht in Nazareth, wie der Evangelist Lukas glauben machen will. Es klopft an der Tür.

Maria

Seid ihr schon zurück, liebe Eltern?

Es klopft wieder an der Tür.

Maria

Wer will die Eltern sprechen? Die sind nicht zuhause.

Ein drittes Klopfzeichen ertönt. Maria geht zur Tür und öffnet sie. Sie erblickt einen jungen Mann mit Schwert.

Maria

O Schreck lass nach. Ein Räuber überfällt das Haus, um es zu plündern. Er wird kein Geld finden. Das tragen die Eltern bei sich.

Engel

Ich interessiere mich nicht für euer Geld, auch nicht für andere Wertgegenstände.

Maria

Steht ein Soldat ohne Uniform vor mir und wieso?

Engel

Mit dem Militär habe ich nichts zu tun.

Maria.

Dann ist ein Mitglied der Geheimpolizei von Herodes unterwegs und will Steuern eintreiben.

Engel

Für diese Tätigkeit bin ich nicht zuständig.

Maria

Was sucht dann der Herr hier? Plagt ihn der Durst? Ich kann ihm nur ein Glas Wasser bieten.

Engel

Weder, noch! Ich suche eine bestimmte Person.

Maria

Außer mir weilt niemand im Haus. Suchen Sie einen Missetäter? Dann suchen sie hier vergebens.

Engel

Was bringt die Tochter des Hauses auf den Gedanken, dass ich hinter einem Verbrecher her bin?

Maria

Das Schwert lässt auf einen Soldaten oder eine Amtsperson schließen. Hier im Ort leben nur harmlose Menschen, von denen keine Gefahr ausgeht. Der Bösewicht versteckt sich wahrscheinlich anderswo.

Engel

Ich suche gar keine straffällige Person.

Maria

Dann geht es wohl um einen säumigen Steuerzahler. Vater hat in dieser Hinsicht seine Pflicht getan.

Engel

Irrtum! Ich suche eine Dame mit dem Namen Maria.

Maria

Dieser Name kommt häufig vor. Es gibt drei Frauen hier am Ort, die so heißen.

Engel

Sie ist noch Jungfrau.

Maria

Dann bleibt nur eine Möglichkeit übrig.

Engel

Habe ich das Glück, der Person gegenüberzustehen?

Maria

Wieso sprechen sie von einem Glücksfall?

Engel

Nun stehen sie endlich Rede und Antwort!

Maria

Wenn es sein muss, dann dürfen sie es wissen. Ich trage diesen Namen und bin noch nicht verheiratet.

Engel

Dann kann ich meinen Auftrag ausführen.

Maria

Aus welchem Grund soll ich verhaftet werden?

Engel

Sie erregen das Interesse meines Herrn.

Maria

Will der Unbekannte um meine Hand anhalten? Sagen sie ihm, dass ich verlobt bin und kein Interesse an einem anderen Bräutigam habe.

Engel

Das ist der Herrschaft bekannt.

Maria

Wieso ist sie dann so aufdringlich?

Engel

Eine Jungfrau wird gebraucht, die dem Allerhöchsten treu ergeben ist.

Maria

Ich will mit der königlichen Familie nichts zu tun haben und auch mit keinem Befehlshaber!

Engel

Die Jungfrau versteht mich falsch. Ich komme im Auftrag des himmlischen Herrschers.

Maria

Ihr dient also dem Kaiser in Rom. Der lässt sich gern als Göttlicher Augustus anreden.

Engel

Ich komme vom Himmel und nicht aus Rom.

Maria

Seit wann laufen im Himmel leibhaftige Soldaten herum? Dort wohnen doch nur Engel, die uns als Vorbild dienen sollen, und mit Hingabe Gott preisen.

Engel

Da hast du recht. Eine unüberschaubare Schar von ihnen jubelt dem Allmächtigen zu.

Maria

Und für diesen frommen Zweck brauchen sie Schwerter? Davon höre ich zum ersten Mal.

Engel

Nur die vier Erzengel dürfen es als Zeichen ihrer erhabenen Stellung tragen.

Maria

Der Eindringling wird mir immer unheimlicher. Ein bewaffneter Himmelsbote soll sich hier auf der Erde herumtreiben? Wurde er ausgestoßen wie Luzifer?

Engel

So viel Misstrauen habe ich nicht erwartet.

Maria

Ich habe noch nie von bewaffneten Engeln gehört.

Engel

Du weißt nichts vom Erzengel Gabriel und seinem Erkennungszeichen?

Maria

Der Rabbiner hat einmal von ihm etwas erzählt.

Engel

Fürchte dich nicht, Jungfrau Maria, denn die Gunst des Himmels ruht auf dir.

Maria

Das höre ich gern. Schließlich gebe ich mir alle Mühe, dem Allmächtigen die Ehre zu erweisen und seine Gebote einzuhalten. Das tun doch andere auch.

Engel

Stimmt, aber meine Mission gilt nur dir.

Maria

Bin ich nicht fromm genug?

Engel