Gefährliche Leidenschaft - Faye Donaghue - E-Book

Gefährliche Leidenschaft E-Book

Faye Donaghue

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Beschreibung

Andrew und Juliette kennen und lieben sich seit ihrer Kindheit, doch ihre Lebenswege trennen sich. Bis Andrew, als ehemaliger SEAL zum Bodyguard für Juliette und ihre kleine Tochter wird. Entflammt die alte Leidenschaft erneut oder wird sie die Politikertochter und ihren Beschützer verbrennen?

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Prolog
1 Juliette
2 Snake
3 Juliette
4 Snake
5 Juliette
6 Snake
7 Juliette
8 Snake
9 Juliette
10 Snake
11 Juliette
12 Snake
13 Juliette
14 Snake
15 Juliette
16 Snake
17 Juliette
18 Snake
19 Juliette
20 Snake
21 Juliette
22 Snake
23 Juliette
24 Snake
25 Juliette
26 Snake
27 Juliette
28 Snake
29 Juliette
30 Epilog
Ende
Danksagungen
Wo du mich findest
Leseproben
Rosa Post-it I – Einsame Wut
Zuckerwatteküsse
Seven Devils

Gefährliche Leidenschaft

 

 

Über das Buch:

 

Andrew „Snake“ Johnson hat gerade erst bei KSI angefangen, als er einen brisanten Auftrag erhält. Er soll die Tochter des Bürgermeisters beschützen: seine Jugendliebe Juliette.

Von Anfang an brennt die Leidenschaft in ihm, aber auch der Verrat, denn sie brach ihm einst das Herz.

 

Juliette kann es nicht fassen!. Der Leibwächter, den ihr Vater für sie engagiert hat, ist ausgerechnet Andrew. Dabei hat sie dringendere Probleme zu lösen, als die alten Gefühle für ihren Ex-Freund. Jemand erpresst sie. Und je näher sie dem Täter kommt, desto gefährlicher wird es für sie.

 

 

 

 

 

Faye Donaghue

 

Rosa post-it II – Gefährliche Leidenschaft

 

 

 

2019 Copyright © Faye Donaghue

 

Die Buch- und Coverrechte liegen allein bei der Autorin. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung und Vervielfältigung (auch auszugsweise) ist nur mit der ausdrücklichen, schriftlichen Genehmigung der Autorin gestattet. Alle Rechte, inklusive Übersetzungs-, Film- und Medienrechte liegen allein bei der Autorin.

Zuwiderhandlungen sind strafbar und verpflichten zu entsprechendem Schadenersatz.

 

 

Solvig Schneeberg

Am Waldesrand 2

99427 Weimar

 

Umschlaggestaltung: Double A Coverworld

Bildquelle: de.123rf.com/photo_71442309

Lektorat: T. K. Moon

 

 

Dieses Werk ist rein fiktiv.

Ähnlichkeiten zu lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

Für

 

Die Liebe meines Lebens.

 

 

All die wundervollen Frauen der Wortkunst, die mir um jede Tages- und Nachtzeit mit ihrem Rat zur Seite stehen.

 

Für Tanja.

Danke für deine Ehrlichkeit. Deine Treue.

Deine Freundschaft.

 

 

 

 

Prolog

 

„Dürfen wir das wirklich tun?“

Julies leise Stimme ließ ihn grinsen. Sie hatte Angst, war aber auch aufgeregt. Gut so.

Die kleine, brave Tochter des Bürgermeisters von Black Creek, North Carolina, wollte ein wenig Abenteuer und Andrew würde ihr genau das geben.

Er saß auf der hohen Steinmauer, die den edlen Diamond Head Golfplatz umgab, aber er war ganz sicher nicht hier, um Golf zu spielen.

Juliette war Mitglied im Country Club, sie hätten sich also auch einfach so Zutritt verschaffen können. Aber Andrew war nicht zwangsläufig das Klientel, das hier gerne gesehen wurde. Außerdem war es so spannender.

„Natürlich nicht.“

Andrew grinste frech und wollte ihr helfen den Zaun zu überwinden. Aber die kleine Wildkatze begann selbstständig den Aufstieg. Respekt.

Einmal rutschte sie ab und schrammte sich die Handfläche auf. Er war sich sicher, dass sie sich auch einen Nagel abbrach, aber sie beschwerte sich nicht.

„Und jetzt?“

„Jetzt spielen wir.“

Er hüpfte von der Mauer und ermutigte sie, zu springen. Natürlich fing er sie auf. Immer.

Zu dem künstlich angelegten See war es nicht weit. Sie hätten auch einfach in den Pool hinter Julies Haus springen können. Aber wo bliebe da der Spaß?

Er hatte sich schon eine geeignete Stelle ausgesucht, an der das Ufer sanft abfiel.

Juliette zögerte, als er sein Shirt und anschließend seine verschlissene Jeans auszog. Eigentlich hatte er vorgehabt, nackt baden zu gehen, doch das war vielleicht zu viel für sie, dachte er. Und lag absolut daneben.

Julie streifte sich die schmalen Riemchensandalen von den Füßen und anschließend das dünne Sommerkleid vom Körper. Jetzt stand sie nur noch in verführerischer Unterwäsche vor ihm. Als er dachte, sie würde in den See springen, griff sie hinter sich und öffnete den BH. Scheiße. Er sollte ganz dringend Abstand zwischen sie bringen. Eine Sichtbarriere erschaffen.

Sie sah das offenbar anders, denn im nächsten Moment stand sie vollkommen nackt vor ihm. Und sie besaß doch tatsächlich die Frechheit, ihn herausfordernd anzugrinsen. Okay, sie hatte es so gewollt. Er hatte kein Problem mit seinem nackten Körper, die ein oder andere Narbe hatte er sich redlich verdient. Und dass Juliette ihn antörnte, konnte sie ruhig wissen.

Plötzlich hatte sie es eilig ins Wasser zu kommen. Als ob sie ihm da entkommen könnte.

Keine Chance.

Er war ein SEAL. Wasser war sein Element.

Julie konnte das nicht wissen. Woher auch. Sie waren vielleicht in der gleichen Stadt groß geworden, aber sie kamen aus unterschiedlichen Welten.

Andrew war in einem heruntergekommen Wohnwagen aufgewachsen. Seine Mutter war alkohol- und drogenabhängig, sein Vater noch vor seiner Geburt verschwunden.

Juliette – nun, was sollte er noch dazu sagen? Schönheitsköniginnenpotenzial durch und durch. Politischer Landadel eben.

Er blieb noch eine Weile am Ufer stehen, bevor er langsam ins Wasser schritt. Julie schwamm rücklings von ihm weg. Für einen Moment ließ er sie in dem Glauben, dass sie entkommen könnte, bevor er untertauchte und trotz der Dunkelheit sein Ziel ausfindig machte.

Sie drehte sich mehrmals im Kreis, offensichtlich auf der Suche nach ihm. Andrew beschloss sie zu erlösen. Er tauchte leise hinter ihr auf.

„Verdammt, Andrew!“

Fluchend spritzte sie ihn mit Wasser voll, weil er sie erschreckt hatte. Er hingegen lachte nur und schwamm näher. Ohne auf ihre Proteste zu achten, zog er sie an sich. Sie krallte sich in seine Schulter, legte die Beine um seine Hüfte. Ob ihr wohl auffiel, in welche Position sie sich brachte? Im wahrsten Sinne des Wortes.

„Julie“, warnte er, weil sie sich auffällig an seine Bewegungen anpasste. Er versuchte nur, sie beide über Wasser zu halten – und sie? Sie hatte definitiv andere Sachen im Sinn.

„Ja? Was denn?“

Spielte sie jetzt tatsächlich das Unschuldslamm? Nicht mit ihm.

„Wenn du nicht willst, dass - “

Sie unterbrach ihn, indem sie ihm den Zeigefinger auf die Lippen legte.

„Wenn ich nicht wollte, wären wir nicht hier“, flüsterte sie und küsste ihn. Mehr Einladung brauchte er nicht. Er wartete auch nicht auf mehr. Stattdessen ging er sicher, dass sie ihre Hände in seinem Nacken verschränkte. Nicht, dass sie ihm unterging, während er ihren herrlichen Körper erkundete. Und er würde jeden einzelnen Zentimeter erkunden, kosten und verschlingen.

Sie bog den Rücken durch und biss sich auf die Unterlippe, als er mit ihren vollen Brüsten spielte. Er löste ihre Beine von seiner Hüfte und, noch bevor Julie entrüstet protestieren konnte, hatte er sie in die Horizontale gebracht. Sie schwebte wie eine Nixe auf der Wasseroberfläche. Vertraute ihm, dass er sie hielt, während er mit der Hand eine unsichtbare Spur verfolgte. In dem fahlen Mondlicht glänzten ihre schwarzen Haare wie flüssiger Obsidian. Sie hatte die Augen geschlossen. Biss sich auf die Unterlippe.

So, es gefiel ihr also, wie die kühle Nachtluft über ihre harten Nippel strich? Wie das Wasser über ihre Haut glitt?

Wenn er nicht schon hart wäre, hätte dieser Anblick ihm den Rest gegeben.

Fuck. Diese Frau würde einmal sein Ruin sein.

Er hob ihre Hüfte gerade weit genug aus dem Wasser, dass die Wellen sich zwischen ihren geöffneten Beinen brachen. Wieder unterdrückte sie das Stöhnen. Wenn ihr nichts Besseres mit ihren Lippen einfiel, hätte er da die ein oder andere reizvolle Idee. Aber für den Moment genoss er das Spiel mit ihr.

Dummerweise musste er für seinen Plan näher ans Ufer, denn sonst würde sie ihm tatsächlich untergehen. Er trieb ihren Körper Richtung Böschung und half ihr, sich auf das kühle Gras zu setzen. Sie verstand ihn allerdings falsch. Als sie ihre Beine aus dem Wasser ziehen wollte, riss er sie zurück. Erschrocken quietschte sie auf, als nicht nur das kalte Seewasser, sondern auch seine Zunge auf ihren empfindlichsten Punkt traf.

Schnell verklang der hohe Ton zu einem lustvollen Seufzer.

„Andrew, was machst du? Das gehört sich … oh Gott, hör nicht auf! Hör nicht auf!“

Aufhören? Selbst wenn sein Leben davon abhinge, wäre er dazu nicht im Stande gewesen!

Ihre schlanken Beine spannten sich an. Die Atmung kam in abgehackten Stößen, bis sie unter ihrem Orgasmus erzitterte. Und Andrew stolz grinste.

Er schob sich aus dem Wasser, legte sich über sie. Nasse Haut auf erhitzter. Sie waren noch lange nicht fertig. Hatte er zumindest vorgehabt, aber daraus wurde nichts. Aus der Nähe erklang das laute Lachen einer Gruppe. Andrew erkannte vier verschiedene Stimmlagen. Und sie näherten sich.

Fluchend erhob er sich und zog Julie mit sich. Ihre Sachen lagen bei einem Baum in der Nähe.

„Andrew, was -?“

„Pscht!“

Er legte ihr eine Hand auf den Mund und konnte deutlich spüren, wann sie die Anderen hörte.

„Anziehen“, flüsterte er lautlos und nickte auf ihre Klamotten. Julie bewegte sich nicht. Vor Schreck war sie wie erstarrt. Na super.

Er gab ihr einen kleinen Klaps auf den Hintern, der ihm zwar einen entrüsteten Blick einbrachte, aber auch das erwünschte Resultat. Ihren runden Hintern mit den Händen bedeckend, eilte sie zur Eiche und klaubte ihre Sachen zusammen. Sie wollte in ihre Unterwäsche schlüpfen.

„Keine Zeit.“

Auch Andrew zog seine Jeans ohne Boxershorts an und dieses Mal zögerte Julie nicht, seiner Aufforderung nachzukommen. Sie musste hören, dass sich die Gruppe schnell näherte.

Er half ihr, auf die Mauer zu klettern, die sie in die sichere Zone, genannt Parkplatz, brachte. Sein Jeep stand direkt dahinter.

Kaum, dass Julie drüben war, sprang er hinterher. Und bereute es noch im selben Augenblick. Sobald seine Füße den Boden berührten, flammte grelles Scheinwerferlicht auf. Aus drei verschiedenen Richtungen.

Sofort vermutete er einen Hinterhalt, einen Angriff.

„Juliette, hierher.“

Und vorbei war der Gedanke. Denn ihm gegenüber stand nicht etwa eine Talibanmiliz, sondern Bürgermeister Marc Matthews. Wenn Andrew ehrlich war, dann waren ihm die Taliban gerade lieber. Der gute Bürgermeister schätzte es nämlich gar nicht, dass Andrew und Julie befreundet waren.

„Daddy, das ist unnötig.“

Julie hob eine Hand und schirmte ihren Blick gegen das helle Licht ab. In der anderen hielt sie noch ihre Unterwäsche. Ihre nassen Haare durchweichten das weiße Kleid. Ausgerechnet.

Andrew erkannte genau, wann Marc es bemerkte. Und mit ihm seine Leibwächter.

Wortlos tat Andrew, wozu keiner der Anwesenden fähig war. Er reichte Julie seine Jacke, damit sie ihre Blöße bedecken konnte. Zuerst war sie unsicher, was die Geste zu bedeuten hatte, dann fiel es auch ihr auf. Hastig zog sie die Jacke über und hielt sie vorne zusammen.

„Steig ins Auto, Juliette.“

Marcs Stimme glich einem Knurren.

„Daddy“, protestierte sie, doch ein weiterer Blick von ihrem Vater ließ sie gehorchen.

Ein bulliger Typ hielt ihr die Wagentür auf und versuchte doch tatsächlich, einen weiteren Blick auf ihr nasses Kleid zu erhaschen.

Verdammter Penner!

„Hey!“

Andrew trat vor, wurde aber augenblicklich von zwei Gorillas festgehalten. Ein Dritter stand hinter ihm und hielt ihm eine Waffe in die Nieren. Feiges Pack. Wollten sie ihn etwa hinterrücks erschießen?

„Daddy, bitte!“

Julie stieg wieder aus. So halb jedenfalls. Der Gaffer wollte sie zurück ins Auto schieben.

„Lass ihn in Ruhe! Er hat nichts gemacht. Wir waren nur schwimmen. Ehrlich!“

Langsam drehte sich Bürgermeister Matthews zu seiner Tochter um. Mit einem Nicken befahl er ihr, einzusteigen, bevor er sich direkt neben sie setzte. Eine weitere Handbewegung genügte und die versammelten Gorillas zogen sich ebenfalls zurück. Bis auf die drei Idioten neben und hinter ihm.

Sie warteten, bis der Bürgermeister samt Eskorte abgefahren und außer Sichtweite war, bevor ihm einer der Kerle die Faust in den Magen rammte.

„Wirklich? Ein Schlagring? Feigling.“

Andrew spuckte Blut. Dafür kassierte er einen Schlag ins Gesicht. Das Knacken kam von seiner Nase.

„Und ihr? Traut euch wohl nicht? Müsst mich festhalten, damit euer Kumpel hier die Drecksarbeit macht.“

Keine Ahnung, wo der Bürgermeister seine Schläger her hatte, aber von einer Eliteuni sicherlich nicht. Dumm wie Brot – wobei selbst Brot intelligenter war.

Eine kleine Provokation und zwei von ihnen gingen auf ihn los. Andrew war vorbereitet.

Er war ein gottverdammter SEAL! Drei Halbstarke stellten für ihn kein Problem dar.

Nummer eins ging geräuschlos zu Boden, nachdem Andrew ihm einen Schlag gegen den Kehlkopf verpasst hatte und Nummer zwei entging seinem Schicksal nur, weil der Depp mit der Waffe, sich daran erinnerte, die Glock auch zu benutzen.

Andrew handelte geistesgegenwärtig und riss Nummer zwei vor sich. Nicht schnell genug. Die Kugel traf ihn in die Seite. Aber den Großteil der Kraft hatte Nummer zwei eingesteckt, der sofort bewusstlos in sich zusammensackte.

Der Schreck saß dem Schützen in den Gliedern. Wahrscheinlich hatte der … verdammt! Andrew sah erst jetzt, wie jung der Kerl eigentlich war. Vermutlich keine zwanzig.

„Hey. Hey, sieh mich an“, forderte er und hob beide Hände, um zu signalisieren, dass von ihm keine Gefahr ausging. Nicht solange, wie er es mit einem nervösen Schützen zu tun hatte. Der Junge fuhr sich über den Kopf. Mit der Hand, in der er immer noch die ungesicherte Waffe hielt.

„Wie heißt du?“

„Leo“, antworte er leise und richtete die Waffe wieder auf ihn.

„Leg die Waffe weg, Leo.“

„Ich – ich … Ich habe ihn getötet! Ich habe meinen Bruder getötet!“

Langsam kniete sich Andrew neben den Bewusstlosen und suchte dessen Puls. Ein schwaches Pulsieren unter seinen Fingerspitzen.

„Noch nicht. Aber er muss in ein Krankenhaus.“

Andrew verkniff sich das Stöhnen, als er sich erhob. Die Schusswunde brannte. Warmes Blut lief an seiner Seite herab. Er versuchte die Blutung mit seinem zusammengeballten Shirt zu stillen. Recht erfolglos, wie er meinte.

„Leo, hör mir zu. Ich steige jetzt in mein Auto und anstatt mich aufzuhalten oder mir zu folgen, wirst du deinen Bruder in ein Krankenhaus bringen!“

Er näherte sich rückwärts seinem Wagen.

„Ich hole jetzt meine Schlüssel aus der Hose, okay? Kein Grund zur Besorgnis.“

Wäre es im Normalfall schon gewesen, denn Andrew war immer bewaffnet. Der Junge zitterte am ganzen Körper. Jetzt eine weitere Schusswaffe ins Spiel zu bringen, wäre gefährlich und dumm. Also achtete er darauf, sich langsam zu bewegen und ein trügerisches Gefühl der Sicherheit auszustrahlen.

Selbst als er längst in seinem alten Jeep saß, achtete er darauf, dass der Junge sehen konnte, was er tat. Zumindest so weit das möglich war. Dann fuhr er langsam vom Parkplatz.

Er überlegte, wohin er zuerst fahren sollte.

Das örtliche Krankenhaus fiel aus. Die waren verpflichtet, Schusswunden zu melden und das konnte sich Andrew nicht leisten. Die Verletzung nicht zu versorgen, wäre aber fahrlässig. Und seine gebrochene Nase sollte vielleicht auch gerichtet werden.

Sein Ziel war die Hütte eines langjährigen Freundes, bei dem er immer unterkam, wenn er in der Stadt war.

Cole Dunn war der uneheliche Sohn von Marc und Julies Halbbruder. Er lebte in einem kleinen Cottage, fernab der Stadtpolitik, zwanzig Meilen hinter der Stadtgrenze.

Andrew musste sich gar nicht anmelden. Kaum dass seine Scheinwerfer die Hauswand streiften und er den Wagen abgestellt hatte, öffnete sich die Vordertür.

Sein Gastgeber lehnte lässig in der Tür, aber seine Haltung veränderte sich, sobald Andrew schwerfällig ausstieg.

„Scheiße, was ist denn mit dir passiert?“

Cole stürzte auf ihn zu und half ihm nach drinnen.

„Was glaubst du denn?“

„Arschloch“, schnaubte Cole, der die richtigen Schlüsse zog. Der Bürgermeister hatte schon immer Wege gefunden, Snake von seiner Tochter fernzuhalten. Diese Art von Gewalt war allerdings das erste Mal.

Andrew ließ sich auf das Sofa im Wohnzimmer fallen. Neu gekauft und sicher ein Geschenk von Daddy, damit Cole weiter dichthielt. Als ob nicht jeder in Black Creek wusste, wer er war.

„Dann lass mal sehen.“

Cole zog an dem Stück Stoff, das Andrew so fest wie möglich auf und irgendwie auch in die Wunde gepresst hatte.

„Sieht nach einem Streifschuss aus.“

„Ist es auch. Die Kugel steckt nicht.“

„Bin gleich wieder da.“

Aus der Küche holte Cole ein Coolpack, das er in ein Handtuch wickelte und Andrew auf die Nase drückte. Dann verschwand er kurz im Badezimmer und kehrte mit einem riesigen Verbandskasten wieder. Cole hatte sein Medizinstudium vor ein paar Jahren abgeschlossen, aber keinen Job gefunden, als seine illegitime Herkunft publik wurde. Die Leute hier in der Gegend hatten etwas gegen Bastarde. Und seiner Schwester zuliebe war er geblieben.

„Julie?“, fragte er, während er ein Paar Plastikhandschuhe anzog.

Andrew würde auf diese Frage nicht antworten. Besonders nicht, weil Cole die Antwort bereits kannte.

Routiniert versorgte er die Wunde.

„Nicht tief, aber ausgefranst. Wird bestimmt eine Narbe bleiben.“

„Näh sie einfach zu.“

Ohne übermäßiges Feingefühl nähte Cole die Wundränder zusammen und klebte eine Kompresse drüber.

„Solltest du noch mal von deinem Sanitäter begutachten lassen.“

Er hob den Kühlbeutel von Andrews Gesicht und griff ohne Vorwarnung zu. Richtete die Nase. Hätte Andrew genug Luft gehabt, hätte er geflucht wie ein englischer Matrose. So aber lag er auf dem Rücken und schnappte nach Luft. Hustend.

„Scheiße, Cole!“

Er hätte noch mehr gesagt. Mehr geflucht, wenn nicht in dem Moment Coles Handy angesprungen wäre. Ein verdammt weiblicher Klingelton erklang. Andrew musste trotz Schmerzen grinsen. Es war ja sowas von klar, dass Julie diesen Ton eingestellt hatte.

„Ja?“ Cole nahm ab. Verdrehte die Augen und nickte dann. „Julie, hol doch mal – nein, ich mache keine – verdammt, Juliette! Halt mal die Luft an! Ich – ja, bis gleich.“

Cole sah aus, als hätte er eben nicht nur die Schlacht, sondern auch den Krieg gegen seine Schwester verloren. Das kam Andrew verdammt bekannt vor.

Trotz ihrer vierundzwanzig Jahre konnte man Julie sicherlich vieles vorwerfen: Aber leicht unterkriegen ließ sie sich nie. Und ihren Willen bekam sie sowieso.

„Ich nehme an, sie hat sich nicht davon abhalten lassen, herzukommen?“

Er würdigte Snake keiner Antwort. War auch nicht nötig. Niemand von ihnen konnte Julie etwas abschlagen. Und keiner von ihnen würde jemals so einen dummen Fehler begehen.

Cole ging schweigend in die Küche und kam mit zwei Flaschen Bier zurück.

„Auch eins?“ Er hatte ihm bereits die Flasche gereicht, bevor Andrew etwas sagen konnte. Sie kannten sich einfach zu gut.

 

Keine Stunde später klopfte es zaghaft an die Tür. Cole tippte sich an die Stirn und verschwand im Flur. Statt ihm kam Julie ins Wohnzimmer.

Sie sah zerknirscht aus. Hatte sie etwa ein schlechtes Gewissen?

„Komm her“, bat er leise und streckte die Hand nach ihr aus. Er wollte nicht, dass sie sich schlecht fühlte.

„Es tut mir so -“

„Kein Wort, Juliette. Nicht ein einziges Wort, dass es dir leid tut!“

Sie nahm seine Hand. Setzte sich neben ihn auf die Couch. Ihre Finger strichen vorsichtig über die verbundene Wunde.

„Was ist passiert?“

Ihre Stimme klang fest. Keineswegs überrascht oder verunsichert. Sie kannte ihren Vater gut genug.

„Wie bist du entkommen?“, fragte er stattdessen.

Sie grinste leicht. Entkommen traf es schließlich ganz gut. Die Villa des Bürgermeisters war gut bewacht. Sicherheitskameras und Wachpersonal inklusive. Aber es war nicht das erste Mal, dass sich Julie davonstahl. Sie kannte mittlerweile die Zeiten des Wachwechsels und die toten Winkel der Kameras. Außerdem hatte sie eine beste Freundin, die ihr mehr als einmal ein Alibi verschafft hatte.

„Spielt das eine Rolle?“

Sie tastete nach seiner Nase. Als Cole das getan hatte, war er fast durchgedreht, aber Julie? Hölle, die Frau durfte alles mit ihm machen!

„Seit wann hast du das Tattoo?“

Welches?, hätte er am liebsten gefragt. Aber ihr Blick lag auf seinem rechten Oberarm. Eine Schlange umschloss seinen Oberarm, beschützte das Budweiser. Sein SEAL Trident, das mit erstaunlicher Präzision gestochen wurde.

„Mein letzter Einsatz.“

Mehr sagte er dazu nicht. Es war nicht nur geheim, er wollte auch einfach nicht darüber reden. Das war nichts für die kleine, verwöhnte Tochter aus gutem Hause.

„Wofür steht die Schlange?“

Sie ließ einfach nicht locker, oder?

Was beschwerte er sich eigentlich. Er kannte sie nicht anders. Dass sie jetzt anfing, die Schuppen nachzufahren, ließ seinen Widerstand schneller bröckeln, als er es für möglich gehalten hatte.

Er hatte Dinge gesehen und erlebt, die ihn nicht im mindesten erschüttert hatten, aber wenn diese zarte Frau seine Haut berührte, wurde er schwach.

„Es ist mein Spitzname.“

Reichte ihr das? Wohl kaum, wenn er sah, wie sie die volle Unterlippe schmollend vorschob. Wahrscheinlich überlegte sie, wie sie die gewünschte Information am besten aus ihm herausbekam.

Geduld, Kleines. Nicht mehr lange und … er seufzte gequält.

„Mein Team hat ihn mir verpasst, weil ich so gut bin. Und mehr sage ich dazu nicht.“

Sie musste nicht wissen, dass er in seinem Team das hinterhältige Arschloch spielte, um sich bei seinen Feinden einzuschleimen. Er war derjenige, der sich in besagte Organisationen einschleuste und gewissenlos Leute betrog, um an sein Ziel zu kommen. Sein eigenes Team hatte manchmal Probleme ihm zu vertrauen, weil er seinen Job so verdammt gut machte!

Nein, sie durfte das alles nicht wissen.

Weder ihr Schmollmund, noch ihre strahlend grünen Augen würden etwas an seiner Meinung ändern.

Himmel, wenn es bekannt würde, dass sich SEALs einer Frau unterwarfen, wären alle Foltermethoden dieser Welt nutzlos.

„Ist das wirklich, was du wissen willst?“

Er hinderte sie daran, weiter seinen Arm zu streicheln.

„Ich wollte wissen, wie es dir geht“, gestand sie zögerlich. „Ich habe gewusst, dass man meinem Vater nicht trauen kann. Aber das?“ Sie nickte zu seiner Hüfte. „Was ist passiert?“

Andrew verdrehte die Augen.

„Kleines, bitte. Lass es einfach.“

Auf keinen Fall würde er ihr sagen, dass ihr Vater bewaffnete Schläger auf ihn angesetzt hatte. Es würde sie nur unnötig belasten. Und verstören.

Zugegeben, es verstörte ihn genauso.

Marc Matthews hatte schon immer etwas gegen ihn. Das war nichts Neues. Er hatte diese Freundschaft zu Julie von Anfang an kritisch beäugt und letztendlich dafür gesorgt, dass Andrew die Stadt verlassen und auf eine Militärakademie gehen musste. Sein Pech. Denn Andrew hatte dort erstmals ein geregeltes Leben kennengelernt und war später zu den SEALs gegangen. Und offensichtlich störte sich Julie nicht an seinen rauen Umgangsformen und den Narben.

„Es tut mir leid“, flüsterte sie, bevor Andrew sie daran hindern konnte.

„Julie“, drohte er. Mit einer flüssigen Bewegung zog er an ihrer Hand. Sie kam auf ihm zu liegen. Atemlos. Grinsend.

„Ja, bitte?“

Er küsste sie. Verlangend. Fordernd. Sie war es aber, die letztendlich die Kontrolle übernahm.

Sie setzte sich auf ihn und bewegte ihre Hüften in einem Takt, der ihn wahnsinnig machte. Und vollends aus dem Konzept brachte. Wenn sie nicht damit aufhörte, würde er sich blamieren. Wie ein Schuljunge, der zum ersten Mal eine nackte Frau sah. Dabei war Julie wirklich die erste Frau, die er nackt gesehen hatte. Und die Einzige.

„Julie, Kleines. Bitte.“

Heilige Scheiße, er flehte. Worum? Dass sie aufhörte? Dass sie weitermachte? Wohl eher, dass sie das an einem privateren Ort fortsetzten, als im Wohnzimmer. Er hatte zwar nicht gefragt, aber Cole hatte sicherlich etwas dagegen, wenn Andrew seine Halbschwester da flachlegte, wo er sonst Football guckte.

Dummerweise erschwerte ihm die Schussverletzung sein Vorhaben, sie einfach in sein Zimmer zu tragen. Julie musste also aufhören!

Er griff nach ihren Handgelenken.

„Kleines“, flüsterte er rau. „Dein Bruder könnte jeden Moment reinkommen.“

„Cole ist gegangen“, flüsterte sie und küsste seinen Kiefer, seinen Hals und arbeite sich weiter nach unten vor. Gott, er war gestorben und im Himmel gelandet!

Nein, erst als sie seinen Reißverschluss öffnete und seine Jeans nach unten zog. Natürlich war er für sie bereit. Für sie war er immer bereit. Egal was sie wollte.

Gut, dass sie dieses Mal etwas wollte, dass er kaum noch erwarten konnte!

Die Frage nach Verhütungsmitteln sparte er sich. Juliette nahm die Pille. Dank Cole, denn Marc würde seine beste Zuchtstute niemals -

„Andrew? Wo steckst du?“

„Leider nicht in dir“, knurrte er.

„Das müssen wir unbedingt ändern.“

Gut, dass sie ein Kleid – halleluja, sie trug immer noch keine Unterwäsche! Das erleichterte sein Vorhaben enorm. Oder ihres. Je nachdem.

Als sie sich auf ihm niederließ, stieß sie ein erleichtertes Seufzen aus. Er wollte ihr Zeit geben, aber die kleine Teufelin hatte andere Pläne.

Ohne Vorwarnung diktierte sie ihm einen Rhythmus, dem er unmöglich lange standhalten konnte. Oder wollte. Er kam ihr bei jeder Bewegung mit den Hüften entgegen. Ihre leisen Seufzer wurden lauter. Verwandelten sich in das Stöhnen, das er so liebte. Ihre helle Haut nahm diesen wunderschönen Rotton an. Mit einer Hand versuchte sie sich auf seinem Brustkorb abzustützen, die andere knetete ihre Brüste.

Gestorben und im Himmel gelandet? Am Arsch. Das hier war die Hölle! Denn was er mit Julie vorhatte, war definitiv eine Sünde.

Er strich über ihren verhüllten Körper, fuhr mit seinen Händen unter den Rock des Kleides. Sein Daumen fand den sensiblen Punkt und Juliette explodierte beinah augenblicklich. Andrew folgte ihr wenige Stöße später.

Schwer atmend kam sie auf ihm zu liegen. Er presste sie an sich. Ignorierte, dass er noch in ihr steckte und diese kleine Bewegung bereits ausreichte, um ihn wieder hart zu machen. Verdammt. Bei Julie kannte er keine Zurückhaltung.

1 Juliette

Nervös kaute sie auf ihrem teuren Füller herum. Eine schlechte Angewohnheit, die sie sich eigentlich schon vor einer Weile abgewöhnt hatte. Aber gerade konnte sie nicht anders. Sie starrte auf die kunstvoll gedruckten Einladungskarten, die nur noch ihre Unterschrift brauchten. Aber Juliette zögerte. Wollte sie wirklich wieder diesen dummen Sommerball ausrichten?

Es wäre nicht das erste Mal. Aber das erste Mal als Witwe.

Jeff war seit vier Monaten tot. Es hatte eine große Beerdigung gegeben. Einige Interviews mit der Lokalpresse. Immer an ihrer Seite: ihr Vater, der Bürgermeister von Black Creek. Er war es auch, der ihr geraten hatte, den Ball dennoch auszurichten. Um den Leuten ein Zeichen zu geben. Und welches? Dass sie ihren Mann nicht geliebt hatte? Dass vier Monate ausreichend Zeit wären, um über den Verlust ihres besten Freundes und Vater ihres Kindes hinwegzukommen?

Sie legte den Füller weg, bevor sie ihn unwiederbringlich zerstören oder Tintenflecken produzieren würde. Dann starrte sie wieder die Einladungskarten an. Wie jedes Jahr hatte sie ein schlichtes Motiv gewählt. Champagnerfarbenes Papier, tiefblaue Schrift. Das Siegel, dass ein Künstler für sie und Jeff angefertigt hatte. Ihre verschlungenen Monogramme. Sollte sie das ändern lassen? Es hatte bisher nicht auf der Liste ihrer Prioritäten gestanden.

Seufzend setzte sie ihre Unterschrift unter die erste Einladung. Dann unter die Nächste. Mechanisch arbeitete sie weiter, bis sie alle 120 Karten unterzeichnet hatte.

Ihre Assistentin Emma klopfte gegen die offene Tür und trat nach einem kurzen Augenblick ein. Sie hatte die morgendliche Post in der Hand.

„Da ist ein Brief, den Sie -“ Emma stockte und Juliette wurde hellhörig. Sie sah auf.

„Was ist los?“

Juliette streckte die Hand nach der Post aus und verstand sofort, was Emma meinte.

„Nicht noch einer“, stöhnte sie gequält.

Ein weiterer Erpresserbrief. Der Dritte in den letzten vier Wochen. Es waren wieder Fotos dabei. Und diese hier waren …

„Verdammt.“ Juliette spürte Tränen in ihren Augen. Übelkeit stieg in ihr auf. „Verdammt, verdammt, verdammt!“

Sie warf die ekelerregenden Fotos auf ihren Schreibtisch.

„Ma’am?“

Emma streckte die Hand nach den Fotos aus und Juliette hinderte sie nicht daran.

„Das ist krank“, brachte sie wütend hervor und steckte die Fotos zurück in den Umschlag. „Wir sollten die Polizei informieren.“

„Nein! Du weißt genau, dass wir das nicht tun können. Nicht in diesem Fall“, schloss sie leise.

Die Polizei hatte sie auch damals nicht eingeschaltet. Aus gutem Grund.

„Was wollen sie?“, fragte Emma und setzte sich ungefragt auf den Sessel gegenüber vom Schreibtisch.

„Nichts“, antwortete Juliette. „Sie haben keine Forderungen gestellt. Sie wollen mich quälen“, flüsterte sie.

Und es gelang ihren unbekannten Erpressern ziemlich gut. Sie fragte sich jeden Morgen, wie viele Bilder es wohl noch gab. Würden ihr die Bilder eines Tages vom Titelblatt einer Zeitung entgegensehen? Versehen mit einer reißerischen Überschrift, die nicht einmal ansatzweise die grauenvolle Wahrheit erfassen könnte.

Die Türklingel riss sie aus ihren schmerzhaften Erinnerungen.

Wildes Stimmengewirr erklang, dann hektische Schritte.

Der Haushälter Hank kam schlitternd in ihrer offenen Tür zum stehen. Er schien atemlos, obwohl er sonst nicht schnell außer Atem geriet.

„Ma’am? Da sind Polizisten … Grace!“

Juliette wartete nicht darauf, dass er sagte, was er wusste. Sie sprang auf und rannte durch den langen Flur, bis sie in der hohen Eingangshalle stand. Ihr Herz schlug heftig gegen ihre Brust und beruhigte sich erst, als sie den zerzausten Rotschopf ihrer Tochter sah.

Grace plapperte aufgeregt mit einem großen Polizisten. Ihr zierlicher Körper wurde von einer groben Decke umhüllt.

„Mommy!“

„Gracie!“

Juliette hockte sich hin und umarmte ihre Tochter fest.

Wieder brannten Tränen in ihren Augen. Sie musste sich zusammenreißen. Sie durfte ihrem Mädchen nicht zeigen, wie viel Angst sie hatte.

„Mein Schatz, geht es dir gut?“, fragte sie daher, als sie ihrer Stimme wieder traute. Schnell tastete sie das Mädchen ab, betrachtete sie genauer. Keine Verletzungen. Zumindest keine Sichtbaren. Gut. Eins nach dem Anderen. Erst einmal musste sie Grace versorgen. Ihr Sicherheit vermitteln.

„Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass Mrs. Ludwig ihren Schokoladenkuchen gemacht hat.“

Grace‘ Augen leuchteten auf.

„Geh doch bitte mit Hank in die Küche, ja? Ich komme gleich nach, wenn ich hier fertig bin.“

Die Decke umklammernd sah sie sich skeptisch um.

„Es ist alles in Ordnung, Grace. Du bist jetzt sicher.“

Es dauerte noch ein paar Sekunden, dann nickte die vierjährige widerwillig. Hank streckte die Hand aus und verließ mit ihr die Halle.

Erst dann fiel Julies Blick auf Liza. Das Kindermädchen zitterte. Ihre langen Zöpfe waren aufgelöst. Ihre Wangen voller roter Flecken. Sie hatte geweint.

„Es tut mir so leid, Ma’am! Ich habe sie nicht aus den Augen gelassen! Das schwöre ich!“

„Ganz ruhig, Liza.“

Juliette führte das Kindermädchen und die Polizisten in den Salon. Emma öffnete die Bar und goss ein Glas Whiskey ein. Sie reichte es Liza, die es mit einem Schluck leerte.

In der Zwischenzeit sah Juliette zu den Polizisten.

„Was ist passiert?“, verlangte sie zu wissen.

Bewusst vermied sie Lizas Blick. Die junge Frau hatte sich noch nicht beruhigt.

„Es gab einen Entführungsversuch“, sagte der ältere Polizist gerade und riss Juliette damit den Boden unter den Füßen weg.

„Ich habe doch nur die Zuckerwatte bezahlt“, erklärte Liza und schluchzte auf.

Zuckerwatte? Richtig! Der Jahrmarkt. Sie war mit Grace auf dem Jahrmarkt gewesen. Gracie liebte das Kettenkarussell. Und Zuckerwatte.

„Ich habe sie gebeten einen Schritt zur Seite zu gehen. Und dann war sie plötzlich weg.“

Emma schüttelte den Kopf und goss Liza noch ein Glas Whiskey ein. Normalerweise hatte Juliette etwas dagegen, wenn ihre Hausangestellten Alkohol tranken, aber in diesem Fall würde sie eine Ausnahme machen.

„Ich habe sie sofort gerufen und nach ihr gesucht.“

„Ein Kollege hat augenblicklich eine Suchmeldung herausgegeben. Die Enkeltochter vom Bürgermeister.“ Er schüttelte den Kopf. „Die Täter waren noch nicht sehr weit gekommen. Drei Blocks weiter haben wir sie aufgegriffen.“

„Sie haben die Entführer geschnappt?“

„Nein, das haben sie nicht.“

Unbemerkt von ihnen allen, hatte sich Marc Matthews zu ihnen gesellt. Juliette hasste es, dass er einen Schlüssel zu ihrem Haus hatte. Der eigentlich nur für Notfälle gedacht war!

„Vater. Was machst du hier?“

„Was glaubst du denn?“

Er trat näher und küsste sie auf die Stirn. Unwillkürlich zuckte sie zurück. Seit diesem Vorfall vor ein paar Monaten ertrug sie seine bloße Nähe nicht mehr.

„Meine kleine Prinzessin wurde entführt. Ich bin sofort gekommen. Wo ist sie?“ Suchend sah er sich um.

„In der Küche bei Mrs. Ludwig. Sie isst etwas.“

Ihr Vater nickte langsam. Dann fiel sein Blick auf Liza.

„Hältst du es für richtig, dass deine Angestellte trinkt?“

Ihr gefiel nicht, was er andeutete. Schon gar nicht, dass er es laut aussprach, so dass alle es hören konnten. Die Polizisten nickten sich zu. Als wäre dadurch alles erklärt.

War es nicht.

Sie ignorierte ihren Vater und wandte sich dem Officer zu.

„Also, was soll das heißen? Sie wurden nicht geschnappt? Warum?“

„Die Polizisten waren zu sehr mit dem Mädchen beschäftigt. Die Entführer konnten entkommen.“

„Gibt es Anhaltspunkte, wer es war?“, fragte Juliette und goss sich selber ein Glas Whiskey ein. Ihre Hände zitterten.

„Bisher haben wir keine Spur. Aber Ihr Vater meinte, es gäbe vielleicht Hinweise.“

Schwungvoll drehte sie sich um. Schüttete Whiskey über ihre Hand.

„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“

„Miss Matthews“, begann der ältere Polizist.

„Mrs. King“, korrigierte sie. Nur weil ihr Mann tot war, hieß das nicht, dass sie ihren alten Namen wieder annehmen würde.

„Mrs. King“, verbesserte er sich. „Bürgermeister Matthews meinte, dass Sie seit einiger Zeit Briefe erhalten.“

„Das hat damit nichts zu tun.“

Sie trank ihr Glas leer und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Dürfen wir die Briefe sehen?“

„Nein, das dürfen Sie nicht.“

„Sei doch nicht dumm, Kind. Deine Tochter sollte entführt werden! Und das nur, weil du -“ Er unterbrach sich, als wären ihm die Beamten jetzt erst wieder eingefallen.

Oh, sie wusste, was er sagen wollte. Und sie hasste es. Hasste ihn.

„Und was nun?“, fragte sie stattdessen.

„Ich werde mich darum kümmern“, sagte ihr Vater. Sein Ton gefiel Juliette gar nicht.

2 Snake

Sonne. Ausgerechnet. Regen und Sturm würden besser zu seiner derzeitigen Laune passen. Und zu dem Ereignis, das ihn hierher geführt hatte.

Snake stand allein am Grab.

Wie zu erwarten.

Keiner der reichen Säcke aus Black Creek würde einem Bastard schließlich die letzte Ehre erweisen. Nicht einmal Juliette war gekommen. Offensichtlich hatte sie sich in den letzten Jahren nicht nur äußerlich verändert. Was er nur wusste, weil er sich unerlaubterweise Technologien bedient hatte, um sie im Auge zu behalten. Jedes Gericht der Welt würde ihm Recht geben.

Die Worte des Priesters flogen an ihm vorbei. Die andächtige Schweigeminute übergingen sie. Es war sonst niemand hier, der seinen besten Freund ehren würde.

Regungslos beobachtete er, wie der Sarg langsam in die Erde gelassen wurde und nahm anschließend die Beileidsbekundungen des Priesters entgegen. Alles nur hohle Phrasen. Kein wahres tröstendes Wort. Aber was hatte er auch erwartet?

Er wandte sich ab. Sein Blick fiel auf den rostigen Jeep, den Snake seinem Freund vermacht hatte, als er zur Navy gegangen war. Jetzt gehörte er wieder ihm. Doch das war es nicht, was ihn innehalten ließ.

Eine hochgewachsene Frau stand neben ihrem protzigen Luxusschlitten direkt hinter seiner Karre.

Ohne näher zu kommen, wusste er, dass es Julie war.

„Du bist zu spät“, sagte er statt einer angemessenen Begrüßung.

Sie trug ihre Haare streng nach hinten zu einem Knoten gebunden. Perlen zierten ihre Ohren und den schmalen Hals. Ihr schlanker Körper steckte in einem schwarzen Kostüm: knielanger Rock zu engem Blazer. Ganz die Vorzeigetochter, die Bürgermeister Matthews immer wollte. Und die Frau, die Jeffery King gewollt hatte.

Sie zog eine perfekt gezupfte Augenbraue hoch. Sah ihn tadelnd an.

„Was willst du hier?“

„Er war auch mein Bruder“, sagte sie leise, um den Schmerz in ihrer Stimme zu verbergen. Aber es gab Dinge, die hatten sich offenbar nicht geändert. Er konnte hören, wie sehr sie der Tod von Cole mitnahm.

„Hat dich aber nicht sonderlich interessiert die letzten Jahre.“

„Wie kannst du es wagen?“, zischte sie und trat näher. „Ich habe Cole geliebt.“

Snake schnaubte nur. Natürlich würde sie das sagen. Trotzdem hatte sie sich seit ihrer Hochzeit mit diesem Politiker kaum noch bei Cole gemeldet.

„Denk doch, was du willst“, murmelte er und drängte sich an ihr vorbei zu seinem Wagen. Sie folgte ihm. Stur wie eh und je.

„Hey. Können wir, ich weiß nicht … reden?“

Er setzte sich hinters Steuer und seufzte. Reden mit Julie? Keine Chance.

„Ich halte das für keine gute Idee.“

„Andrew, bitte.“ Sie zögerte und schluckte. „Ich könnte einen Freund -“, sie schüttelte den Kopf. „Niemand redet mit mir über Cole. Ich brauche … Vergiss es.“

Sie drehte sich um und ging zu ihrem Wagen. Fluchend stieg er aus.

Er hatte nicht daran gedacht, dass sie in diesem verdammten Kaff niemanden hatte, der über Cole reden wollte.

„Heute Abend. In seiner Hütte.“

Ohne auf ihre Antwort zu warten, stieg er wieder ein und fuhr davon.

 

Coles Hütte sah immer noch genauso aus, wie vor fast vier Monaten, als er das letzte Mal hier gewesen war.

Snake parkte seinen Wagen auf dem üblichen Platz. Er traute sich nicht, auszusteigen. Von außen sah alles aus wie früher, aber er wusste, dass alles anders war.

„Verdammt!“

Fluchend schlug er auf das Lenkrad ein. Dann griff er nach seinem Seesack und stieg aus. Er hatte schon ganz andere Sachen durchgemacht. Da würde er sich nicht weigern, eine alte, abgelegene Hütte zu betreten!

Modriger Geruch schlug ihm entgegen, als er die Tür aufschloss. Vielleicht aber auch nur Einbildung. Cole war erst seit einer Woche tot. Dieses Haus dürfte gar nicht so düster wirken, wie er es empfand.

Er warf seine Tasche auf das Sofa und öffnete die Fenster und Türen. Anschließend säuberte er den Kühlschrank. Er hatte den Grund für die miese Luft gefunden. Vergammelte Lebensmittel. Auch in der Kaffeekanne schimmelte eine jämmerliche Pfütze brauner Flüssigkeit vor sich hin.

Niemand hatte sich die Mühe gemacht, nach dem Rechten zu sehen. Nicht einmal Julie war hier gewesen.

Gut, dass er auf dem Weg hierher ein paar Einkäufe erledigt hatte. Hauptsächlich Tequila. Wenn die feine Juliette etwas anderes wollte, hatte sie eben Pech.

Scheiße, er glaubte sich selber nicht! Wenn Juliette etwas anderes trinken wollte, würde er höchstpersönlich zum nächsten Supermarkt gehen und – würde er nicht. Cole hatte immer ein paar Flaschen ihres Lieblingsweines im Haus. Auch wenn sie seit einer geraumen Weile nicht mehr hier gewesen war, hatte Cole einen kleinen Vorrat des edlen Weins in der Abstellkammer stehen.

Er räumte die Lebensmittel ein und bereitete ein schnelles Abendessen vor: Marinierte die Steaks und stellte sie in den Kühlschrank, bevor er einen Salat anrichtete und ebenfalls verstaute.

Mit der Flasche Tequila in der Hand ging er durchs Haus. In seinem alten Zimmer war alles, wie er es vor vier Monaten verlassen hatte. Als er Black Creek das letzte Mal besucht hatte. Nach dem Tod von Juliettes Ehemann.

Mit der Flasche in der Hand stand er vor Coles Tür.

Nach drei kräftigen Schlucken schaffte er es, sie zumindest zu öffnen. Früher einmal hatten die Scharniere gequietscht, aber jetzt nicht mehr. Cole musste sie geölt haben.

Das breite Bett unter dem Fenster war ungemacht. Die Fenster geöffnet. Kissen und Decke waren nass. Es hatte in den letzten Tagen geregnet.

Die Schubladen zur Kommode standen offen und es herrschte das übliche Chaos in dem Zimmer.

Vier Schlucke später trat Snake über die Schwelle. Schloss das Fenster. Berührte das Kissen.

Schluck.

Er wischte das dreckige Laub von der Fensterbank.

Schluck.

Er schob die Schubladen zu. Einige der Shirts und Pullover rochen nach Coles Parfum. Nicht sehr aufdringlich, aber Cole benutzte den Duft schon sein halbes Leben. Er war Snake so vertraut wie die Tattoos auf seinem eigenen Körper.

Verdammt. Er hob die Flasche Tequila und holte aus. Nur im letzten Moment hinderte er sich daran. Der Alkohol war kostbar.

Er nahm einen tiefen Schluck und verließ Coles Zimmer. Mit einem sanften Klick fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

Auf dem Wohnzimmertisch stapelten sich ein paar Briefe und Rechnungen. Mit der Flasche in der Hand schob er die Unterlagen auseinander, sortierte die Absender. Strom und Wasserrechnung, eine Mietwagenfirma und ein Brief vom Anwalt. Gerade letzterer interessierte ihn, aber bevor er ihn öffnen konnte, klingelte sein Handy.

Es war die Titelmelodie von Hawaii Five-0.

Dieser Klingelton ertönt nur, wenn sein Boss Kyle Richmond ihn anrief. Und das hieß, dass es wichtig war.

„Was gibt’s?“

Es war ihm egal, dass er seinem neuen Chef gegenüber nicht höflicher war, aber darauf konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Darauf wollte er keine Rücksicht nehmen.

„Du bist doch gerade in Black Creek, oder?“

Keine Begrüßung. Auch okay. Und da Kyle wusste, warum und wo Snake unterwegs war, sparte er sich auch die Antwort auf diese bescheuerte Frage.

„Normalerweise würde ich dich nicht so schnell für einen neuen Auftrag einteilen, aber jemand hat einen alten Gefallen eingefordert und ich brauche dich dafür.“

Snake nahm einen Schluck Tequila.

„Worum geht es?“

„Eine Frau in Black Creek …“

Scheiße. Er trank noch einen Schluck. Wenn es jemand aus Black Creek war, dann kannte er die Person wahrscheinlich. Und sie ihn.

„Snake?“

„Anwesend.“

„Sie erhält seit einer Weile Drohbriefe und ihre Tochter wurde letzte Woche entführt. Der Bürgermeister will seine Tochter schützen.“

„Moment, was?“

Bürgermeister? Tochter?

„Ihr Name ist“, Snake hörte Papier rascheln. „Juliette King.“

3 Juliette

Sie klopfte nur zur Vorwarnung an die Tür. Andrew musste sie schließlich erwarten. Es war nicht abgeschlossen. Das war es nie. Cole hatte die Tür nie verschlossen.

Im Wohnzimmer sah sie Andrew auf dem Sofa sitzen. Eine geöffnete Tequilaflasche in der Hand. Die bedenklich leer war.

„Andrew?“

Sie legte ihre Handtasche auf dem kleinen Tisch ab. Strich den schwarzen Rock glatt. Räusperte sich.

Andrew legte einen Zeigefinger auf seine Lippen. Erst jetzt sah sie, dass er telefonierte. Er zeigte mit der Flasche in der Hand auf die andere Couch. Sie war zu perplex über seine Art, als dass sie hätte widersprechen können.

Sein bohrender Blick ließ sie unruhig auf der Stelle rutschen, bis sie sich darauf besann, wer sie war. Und sich gerade hinsetzte.

„Bist du dir sicher, dass das der Name war?“

Er lauschte. Nickte. Fuhr sich durch die kurzen Haare.

„Okay. Nein. Kein Problem. Das schaffe ich. Mach ich. Bis dann.“

Andrew legte auf und starrte sie eine ganze Weile an.

---ENDE DER LESEPROBE---