Gefährliche Liebschaften. Band 2 - Pierre Ambroise Choderlos de Laclos - E-Book

Gefährliche Liebschaften. Band 2 E-Book

Pierre Ambroise Choderlos de Laclos

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Beschreibung

Der Vicomte de Valmont und die Marquise de Merteuil, einst Geliebte, sind nun Rivalen in einem Spiel um Eroberung, Liebe und Zerstörung. Mit Intrigen und Manipulation versuchen sie, sich gegenseitig in der Verführung ihrer ahnungslosen Opfer zu überbieten. In perfiden Briefen teilen sie sich ihre Eroberungspläne mit. Die Marquise verfolgt die Absicht, die junge Cecile de Volanges zu verderben, die in einem Kloster lebt, während der Vicomte die tugendhafte Präsidentin de Tourvel verführen will. Sie sind in ihren Bemühungen zugleich Verbündete und Konkurrenten, eine unheilige Allianz. Immer darauf bedacht, ihren eigenen guten Ruf zu bewahren, täuschen und manipulieren sie, wo sie nur können. Was daraus entsteht, sind Betrug, Eifersucht und Scham. Doch irgendwann sind die Grenzen des Spiels überschritten… Die in Form des Briefromans geschriebene Geschichte ahmt kunstvoll die Art und Weise nach, in der die französische Aristokratie des 18. Jahrhunderts miteinander zu kommunizieren pflegte. Es ist ein Schlüsselroman seiner Zeit und zugleich eine brillante Komposition, die auf virtuose Weise die illusionistische Macht der Sprache demonstriert. Es entfaltet sich ein Sittenbild der Verderbtheit des französischen Adels, das dieses Buch seinerzeit zu einem der kontroversesten und skandalösten Romane der europäischen Literatur machte. Dies ist der zweite von insgesamt drei Bänden in der Übersetzung von Franz Blei, geschmückt mit einigen Illustrationen von Marguerite Gérard.

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Seitenzahl: 311

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Pierre-Ambroise-François

CHODERLOS DE LACLOS

 

 

GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN

 

ROMAN

IN DREI BÄNDEN

 

BAND 2

 

In der Übersetzung

von

Franz Blei

 

 

 

 

Mit Illustrationen

von

Marguerite Gérard

 

 

 

 

Cécile Volanges

von K. Somov

 

GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN wurde im französischen Original zuerst veröffentlicht im Jahr 1782 in Paris.

Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von

© apebook Verlag, Essen (Germany)

www.apebook.de

2023

 

V 1.0

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

Band 2

ISBN 978-3-96130-589-6

Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Gefährliche Liebschaften. Band 2

Impressum

Zweiter Teil

60. Brief

61. Brief

62. Brief

63. Brief

64. Brief

65. Brief

66. Brief

67. Brief

68. Brief

69. Brief

70. Brief

71. Brief

72. Brief

73. Brief

74. Brief

75. Brief

76. Brief

77. Brief

78. Brief

79. Brief

80. Brief

81. Brief

82. Brief

83. Brief

84. Brief

85. Brief

86. Brief

87. Brief

88. Brief

89. Brief

90. Brief

91. Brief

92. Brief

93. Brief

94. Brief

95. Brief

96. Brief

97. Brief

98. Brief

99. Brief

100. Brief

101. Brief

102. Brief

103. Brief

104. Brief

105. Brief

106. Brief

107. Brief

108. Brief

109. Brief

110. Brief

111. Brief

112. Brief

113. Brief

114. Brief

115. Brief

116. Brief

117. Brief

118. Brief

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Zu guter Letzt

 

ZWEITER TEIL

60. BRIEF

Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil.

Wenn Sie es wissen, schreiben Sie mir doch, was alles das mit Danceny bedeutet. Was ist denn geschehen und was hat er verloren? Hat sich seine Geliebte vielleicht über seinen Respekt ohne Ende geärgert? Was soll ich ihm heute abend bei unserer Zusammenkunft, um die er mich bat, sagen? Ich werde meine Zeit gewiß nicht damit verlieren, seine Klagegesänge anzuhören, wenn uns das zu nichts führen soll. Liebesklagen sind nur als obligates Rezitativ oder als große Arie anzuhören. Unterrichten Sie mich also darüber, was los ist und was ich tun soll, oder ich reiße aus vor der Langweile, die ich voraussehe. Kann ich diesen Vormittag mit Ihnen sprechen? Wenn Sie beschäftigt sind, so schreiben Sie mir wenigstens ein Wort, mein Stichwort.

Wo waren Sie denn gestern? Es gelingt mir nicht mehr, Sie zu sehen. Es lohnt sich wahrhaftig nicht, deshalb den September in Paris zu bleiben. Entschließen Sie sich rasch, denn ich habe eine sehr dringende Einladung von der Komtesse B***, sie auf dem Lande zu besuchen, was sie mir sehr hübsch damit empfiehlt, »daß ihr Gemahl die schönste Jagd der Welt hat, die er sorgfältig für das Vergnügen seiner Freunde reserviert«. Sie wissen ja, daß ich einiges Recht auf diese Jagd habe, auf die ich mich begebe, wenn ich Ihnen nicht dienlich sein kann. Adieu! Vergessen Sie nicht, daß Danceny gegen vier Uhr bei mir sein wird.

 

Paris, den 8. September 17 . .

61. BRIEF

Der Chevalier Danceny an den Vicomte von Valmont.

(Beilage zu Vorhergehendem.)

Verehrter Herr! Ich bin verzweifelt, ich habe alles verloren. Ich wage es nicht, dem Papier das Geheimnis meiner Schmerzen anzuvertrauen: ich habe das Bedürfnis, es an dem Busen eines treuen und sicheren Freundes auszuweinen. Wann kann ich Sie sehen und bei Ihnen Trost und Rat holen? Ich war an dem Tage, an dem ich Ihnen mein Innerstes eröffnete, so glücklich! Und jetzt – welch ein Unterschied! Alles hat sich geändert! Was ich erdulde, ist noch der kleinste Teil meiner Qualen, aber meine Angst, meine Sorge um ein mir teures Wesen ist es, was ich nicht ertragen kann. Sie sind glücklicher als ich, Sie können sie sehen, und ich erwarte von Ihrer Freundschaft, daß Sie mir eine Zusammenkunft mit Ihnen nicht abschlagen. Ich muß Sie sprechen, muß Sie von allem unterrichten. Sie werden mich bedauern und mir beistehen; Sie sind meine letzte Hoffnung. Sie kennen die Liebe und Sie sind der einzige, dem ich mich anvertrauen kann; entziehen Sie mir nicht Ihre Hilfe.

Die einzige Erleichterung, die ich in meinem Schmerz empfinde, ist zu denken, daß mir ein Freund bleibt wie Sie. Lassen Sie mich bitte wissen, zu welcher Zeit ich Sie treffen kann. Wenn es diesen Vormittag nicht möglich ist, dann vielleicht früh am Nachmittag. Auf Wiedersehen!

 

Den 8. September 17 ..

62. BRIEF

Cécile Volanges an Sophie Carney.

Meine liebe Sophie, bedaure Deine Cécile, Deine arme Cécile –sie ist sehr unglücklich! Mama weiß alles. Ich begreife nicht, wie sie das alles nur hat erraten können und doch weiß sie alles. Gestern abend kam's mir so vor, als ob Mama etwas schlechter Laune wäre, aber ich gab nicht weiter acht darauf; währenddem sie sich Patience legte, unterhielt ich mich noch mit Frau von Merteuil, die bei uns zu Abend gegessen hatte, viel über Danceny. Ich glaube aber nicht, daß man uns hören konnte. Sie ging fort und ich auf mein Zimmer.

Ich war gerade beim Ausziehen, als Mama eintrat und meine Kammerjungfer hinausschickte; sie verlangte den Schlüssel zu meinem Schreibtisch! Der Ton, mit dem sie mir das sagte, machte mich so zittern, daß ich mich nur mit Mühe aufrecht erhalten konnte. Ich tat, als wenn ich den Schlüssel nicht finden könnte; aber endlich mußte ich ihn ja doch hergeben. Und gleich im ersten Schubfach, das sie öffnete, waren die Briefe von Danceny. Ich war so bestürzt, daß ich auf ihre Frage, was das wäre, nichts anderes sagen konnte als daß es nichts wäre: ich sah noch, wie sie den ersten, den sie fand, zu lesen anfing, wankte zu einem Stuhl und fiel in Ohnmacht. Sobald ich wieder bei Besinnung war, hatte meine Mutter das Zimmermädchen hereingerufen und sagte, ich solle sofort zu Bett gehen. Sie ging und nahm alle Briefe von Danceny mit. Ich zittere, wenn ich daran denke, ihr wieder unter die Augen zu treten. Ich habe die ganze Nacht hindurch geweint.

Ich schreibe jetzt bei Tagesgrauen, in der Hoffnung, daß Josephine bald kommt. Wenn ich allein mit ihr sprechen kann, werde ich sie bitten, Frau von Merteuil ein kurzes Billet zu überbringen, das ich ihr schreiben will; geht es nicht, so lege ich es Deinem Briefe bei und Du wirst so gut sein, es ihr zu geben so als ob es von Dir käme. Nur von ihr kann ich einigen Trost erwarten. Wenigstens werden wir von ihm sprechen, denn ich kann nicht hoffen, ihn je wiederzusehen. Ich bin so unglücklich! Vielleicht ist sie so gut und bestellt einen Brief an Danceny. Ich darf mich dafür nicht Josephine anvertrauen und noch weniger meiner Kammerfrau; die hat es vielleicht gerade meiner Mutter gesagt, daß ich Briefe in meinem Schreibtische habe.

Ich kann Dir nicht länger schreiben, denn ich muß noch an Frau von Merteuil und an Danceny schreiben. Dann lege ich mich wieder ins Bett, damit man nichts merkt, wenn jemand ins Zimmer kommt. Ich werde sagen, daß ich krank bin, um der Zusammenkunft mit Mama zu entgehen. Und lüge dabei nicht einmal viel, denn ich leide wirklich mehr als wenn ich das Fieber hätte. Meine Augen tun mir weh vor lauter Weinen; und auf dem Magen liegt es mir wie ein Gewicht, das mich nicht atmen läßt. Wenn ich nur daran denke, daß ich Danceny nicht mehr sehen soll, möchte ich am liebsten gleich tot sein.

Adieu, meine liebe Sophie. Ich kann nicht mehr, meine Tränen ersticken mich.

 

Den 7. September 17 ..

[Nota: Der Brief Cécile Volanges an die Marquise von Merteuil enthält, was diese an Sophie Carnay meldet, mit noch weniger Details. Der Brief an den Chevalier Danceny hat sich nicht wiedergefunden – der Grund dafür findet sich im 64. Briefe der Frau von Merteuil an den Vicomte.]

63. BRIEF

Frau von Volanges an den Chevalier Danceny.

Nachdem Sie, mein Herr, das Vertrauen einer Mutter ebenso mißbraucht haben wie die Unschuld eines Kindes, werden Sie wohl nicht erstaunt sein, in einem Hause nicht mehr empfangen zu werden, wo Sie die aufrichtigste Freundschaft, die man Ihnen entgegenbrachte, mit völligem Vergessen jeder Lebensart erwidert haben.

Ich ziehe es vor, Sie zu bitten, nicht mehr zu mir zu kommen, als der Dienerschaft Order zu geben, was uns beide kompromittieren würde, und hoffe, daß Sie mich nicht zu diesem äußersten Mittel zwingen werden. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß, wenn Sie den geringsten Versuch machen sollten, meine Tochter weiter zu belästigen, eine dauernde und sichere Abschließung mein Kind vor Ihren Verfolgungen schützen wird. Es steht also bei Ihnen, mein Herr, ob Sie ebensowenig davor zurückschrecken, ihr Unglück zu veranlassen, als Sie sich fürchteten, ihre Ehre zu vernichten. Was mich betrifft, so ist mein Entschluß gefaßt und ich habe Cécile davon Mitteilung gemacht.

Beiliegend Ihre Briefe; ich rechne darauf, daß Sie mir dagegen alle Briefe meiner Tochter zurückschicken, und daß Sie sich bemühen werden, keine Spuren dieses Ereignisses zurückzulassen, an das wir uns nur, ich mit Abscheu, meine Tochter mit Schande und Sie mit Reue erinnern würden.

 

Den 7. September 17 . .

64. BRIEF

Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont.

Ich will Ihnen Dancenys Billett erklären. Was ihn den Brief zu schreiben veranlaßte, ist mein Werk, und ist, wie ich glaube, mein Meisterstück. Ich habe seit Ihrem letzten Brief meine Zeit nicht verloren.

Er braucht Hindernisse, dieser schöne Romanheld, wenn er nicht im Glück einschlafen soll. Ich machte ihm, wenn ich nicht irre, seinen Schlaf ein bißchen unruhig. Man mußte ihm den Wert der Zeit beibringen, und es ist mein Verdienst, daß er jetzt schon diejenige bedauert, die er verloren hat. Er brauchte, wie Sie sagen, auch etwas mehr Heimliches, Geheimnishaftes –es wird ihm nicht mehr fehlen. Sie sehen, man braucht mich nur auf meine Fehler aufmerksam zu machen und ich lasse mir keine Ruhe, bis ich nicht alles wieder in gute Ordnung gebracht habe.

Als ich vorgestern morgen nach Hause kam, las ich Ihren Brief, der mir alles klar machte. Sie haben ganz richtig die Ursache des Übels gefunden, und ich beschäftige mich mit nichts sonst, als das Mittel für die Kur zu finden. An fing ich aber damit, daß ich mich zu Bett legte, denn der unermüdliche Chevalier hat mich kein Auge zumachen lassen, und es kam mir vor, als hätte ich Schlaf. Aber es war nicht. Ganz mit diesem Danceny beschäftigt, ihn aus seiner Indolenz herauszureißen, oder ihn dafür zu strafen, ging aller Schlaf zuschanden. Erst als ich mit meinem Plan völlig im Klaren war, fand ich für ein paar Stunden die ach so nötige Ruhe.

Abends ging ich zu Frau von Volanges und sagte ihr ganz im Vertrauen, daß ich fast sicher wäre, zwischen ihrer Tochter und Danceny bestünde ein gefährliches Verhältnis. Diese Frau, die Sie doch so gut durchschaut, war in dieser Hinsicht so blind, daß sie zuerst bestimmt meinte, ich täuschte mich, ihre Tochter wäre ein Kind usw. Ich sagte ihr natürlich nicht alles, was ich darüber weiß und erzählte nur von Blicken, Worten, die meine Tugendhaftigkeit und meine Freundschaft alarmiert hätten. Kurz und gut, ich redete wie eine fromme Betschwester und um endlich den sicheren Schlag zu führen, sagte ich, daß ich gesehen zu haben glaube, wie Briefe ausgetauscht wurden und ließ mir ganz zufällig einfallen, daß Cécile eines Tages, die Schublade ihres Schreibtisches vor mir öffnete, in dem ich viele Briefschaften sah, die sie da aufbewahrt. Aber vielleicht führt sie mit sonst jemandem eine rege Korrespondenz, wenn ich auch nicht wüßte usw. Hier wurde das Gesicht der guten Frau von Volanges etwas merklich anders, und ich sah Tränen in ihre Augen kommen. – Ich danke Ihnen, meine teure Freundin, sagte sie und drückte mir die Hand – ich werde Licht in die Sache bringen. Ich bat sie noch, mich ihrer Tochter gegenüber nicht zu verraten, was sie mir um so leichter versprach, als ich sie darauf aufmerksam machte, daß es ja nur um so besser wäre, wenn das Kind Vertrauen zu mir habe, mir ihr Herz zu eröffnen, und es mir so möglich mache, ihr meinen guten Rat zu geben. Daß sie mir dieses ihr Versprechen halten wird, ist sicher, denn sie wird sich bei ihrer Tochter etwas mit ihrem Scharfblick inszenieren wollen. Und ich kann des jungen Mädchens Freundin markieren, ohne daß mich deshalb die Mutter für falsch und unredlich hält. Und ich profitierte in der Folge auch noch dies, daß ich so oft und so lang es mir paßt mit der Kleinen zusammen sein kann, ohne daß es der Mutter verdächtig auffällt.

Noch an demselben Abend machte ich Gebrauch davon; nachdem wir unseren Whist gespielt hatten, zog ich die Kleine in eine Ecke und sprach mit ihr über Danceny, ein Thema, zu dem sie immer Lust hat. Ich amüsierte mich damit, sie ein bißchen aufzuregen, indem ich ihr das Vergnügen, ihn am nächsten Tage zu sehen, gehörig ausmalte – keine Torheit, die ich sie nicht sagen ließ. Ich mußte ihr wohl in der Hoffnung das wiedergeben, was ich ihr in Wirklichkeit genommen hatte, und dann wohl auch, um sie gegen den Schlag, der kommen sollte, empfindlicher zu machen; denn ich bin überzeugt, je mehr sie davon gelitten haben wird, um so eiliger wird sie es haben, sich bei der nächsten Gelegenheit dafür zu entschädigen. Es ist übrigens ganz gut, denjenigen an große Ereignisse zu gewöhnen, den man zu großen Abenteuern bestimmt.

Übrigens kann sie wohl das Vergnügen, ihren Danceny wiederzuhaben, mit einigen Tränen bezahlen. Sie ist ja ganz verrückt auf ihn. Ich werde ihr also versprechen, daß sie ihn haben soll, und schneller als sie ihn ohne dieses Gewitter gehabt hätte. Ein böser Traum, aus dem zu erwachen um so entzückender sein wird – wofür sie mir alles in allem nur dankbar sein sollte. Und dann – wenn auch etwas Malice dabei ist, man will sich doch amüsieren!

Ich ging sehr zufrieden mit mir. Denn ich sagte mir, entweder wird Danceny nach all diesen Schwierigkeiten seine Liebe verdoppeln, und dann werde ich ihm mit aller Macht helfen, oder, wenn er ein Dummkopf ist, wie ich manchmal glaube, wird er verzweifelt sein und alles für verloren halten – und in diesem Falle habe ich mich wenigstens an ihm gerächt, so viel es in meiner Kraft stand. Jedenfalls habe ich dann die Achtung der Mutter gegen mich vermehrt wie die Freundschaft der Tochter und das Vertrauen beider. Und was Gercourt betrifft, meine Hauptsorge, so müßte ich schon sehr viel Pech haben oder sehr ungeschickt sein, wenn ich in meiner Macht über seine künftige Frau nicht tausend Mittel fände, ihn das werden zu lassen, was ich ihn werden lassen will. Mit diesen angenehmen Gedanken schlief ich ein und schlief ich gut und erwachte sehr spät.

Da fand ich zwei kleine Briefe – einen von der Mutter, den andern von der Tochter. Ich mußte lachen, als ich in beiden Briefen wörtlich denselben Satz las: »Von Ihnen allein erwarte ich einigen Trost.« Es ist wirklich amüsant, für und gegen zu trösten und der einzige Vertreter zweier Interessen zu sein, die sich direkt gegenüberstehen. Ich komme mir wie Gott vor, da ich die entgegengesetzten Wünsche der blinden Sterblichen empfange und nichts in meinen unbeweglichen Ratschlüssen ändere. Ich gab jedoch diese göttliche Rolle auf, um die des tröstenden Engels zu spielen und machte, wie man wünschte, bei meinen trostlosen Freundinnen Besuch.

Ich fing bei der Mutter an und fand sie in einer Traurigkeit, die Sie schon einigermaßen für alle Widerwärtigkeiten, die sie Ihnen in Sachen der schönen Präsidentin bereitet hat, entschädigen könnte. Alles ging vortrefflich. Meine einzige Sorge war, Frau von Volanges zu verhindern, das Vertrauen ihrer Tochter zu gewinnen, was nicht schwer gewesen wäre, denn sie brauchte zu dem Mädel nur sanft und freundlich zu reden, die Vernunftgründe in gütige und zärtliche Worte einzuwickeln. Glücklicherweise war sie streng und unerbittlich bis dort hinaus und benahm sich überhaupt so ungeschickt als möglich, daß ich uns dazu nur gratulieren konnte. Erst war sie fest entschlossen, alle unsere hübschen Pläne zu zerstören: ihre Tochter in ein Kloster zu stecken. Davon brachte ich sie nun glücklich ab, indem ich ihr riet, nur damit zu drohen für den Fall, daß Danceny seine Geschichten fortsetzen würde, womit ich das Liebespaar zu einer Vorsicht zwinge, die mir für den Erfolg nötig scheint.

Von der Mutter ging ich zur Tochter. Sie glauben nicht, wie gut ihr der Schmerz steht! Wenn sie sich einmal auf die Koketterie verstehen wird, weint sie sicher öfter. Diesmal weinte sie aber noch ganz gewöhnlich ehrlich. Erst war ich von dieser mir ganz neuen Sache so frappiert, daß ich sie mit nicht geringem Vergnügen genoß und nur so ganz dürftig tröstete, was ihren Schmerz eher vermehrte als erleichterte; und damit brachte ich sie an den kritischen Punkt: Sie weinte nicht mehr, und ich fürchtete schon einen Augenblick das Schlimmste. Ich riet ihr sich schlafen zu legen, was sie auch tat. Ich war ihre Kammerfrau, und bald fiel ihr das Haar offen über die Schultern und die entblößte Brust. Ich küßte sie, nahm sie in die Arme und sie ließ mich gewähren; und nun kamen ihre Tränen wieder, leise, zwanglos. Gott, wie war sie schön! War Magdalena so, dann war sie als Büßerin gefährlicher denn als Sünderin.

Als die schöne Untröstliche im Bette lag, tröstete ich sie mit wirklichem Trost. Ich beruhigte sie erst einmal über ihre Furcht vor dem Kloster. Ich gab ihr die Hoffnung, Danceny im Geheimen wiedersehen zu können. Ich setzte mich zu ihr auf's Bett und sagte: »Nicht wahr, wenn er jetzt hier wäre«; ich blieb bei Danceny, ich führte sie von einem zum andern in der Lust vorgenossener Freuden, bis sie gar nicht mehr daran dachte, daß sie traurig war. Wir hätten uns sehr zufrieden miteinander getrennt, wäre sie mir nicht mit einem Briefe an Danceny gekommen, den ich bestellen sollte, worauf ich nicht einging. Die Gründe werden Sie mir billigen, lieber Vicomte.

Erst der, daß es mich vor Danceny kompromittieren könnte. Und wenn das der einzige Grund der Kleinen gegenüber war, so gibt es noch andere mehr, die mich und Sie angehen.

Wäre die Mühe meiner Arbeit nicht verscherzt, wenn wir dem Paar ein so leichtes Mittel gäben, sich ihre Schmerzen zu mindern? Dann täte es mir gar nicht leid, wenn auch einige Dienstboten in diese Liebesgeschichte eingeweiht werden müßten; denn benimmt sich, wie ich hoffe, die Kleine nach unserem Wunsch, so muß die Geschichte gleich nach der Hochzeit herauskommen, und dafür sind die Dienstboten das beste Mittel. Und halten die, was ein Wunder wäre, den Mund, so sagten wir es eben und könnten es bequem auf die Dienstboten schieben.

Darauf müssen Sie heute Danceny bringen. Da ich der Kammerfrau der kleinen Volanges nicht ganz sicher bin – sie selbst scheint ihr nicht zu trauen – raten Sie ihm die meinige, meine durchaus treue Viktoria. Ich werde schon dafür sorgen, daß die Sache geht. Dieses Arrangement gefällt mir um so mehr, als es nur uns nützen wird und ihnen gar nicht. Aber ich bin mit meinem Bericht noch nicht zu Ende.

Während ich also gegen die Überbringung des Briefes der Kleinen protestiere, fürchtete ich immer, sie müsse darauf kommen, daß ich ihn der Post übergebe, was ich ihr nicht hätte abschlagen können. Glücklicherweise sprach sie nicht davon, vielleicht weil sie es nicht wußte, oder weil sie weniger an den Brief als an die Antwort darauf dachte, die sie durch die Post doch nicht hätte haben können; und um zu vermeiden, daß ihr diese Idee doch noch käme, machte ich sofort meine Pläne. Ich überredete die Mama, ihre Tochter für einige Zeit aufs Land zu schicken – raten Sie wohin? Und schlägt Ihnen nicht das Herz vor Freude? Zu Ihrer Tante! Zur alten Rosemonde! Was für Sie so viel bedeutet, als daß Sie zu Ihrer frommen Dame zurückkehren können, die Ihnen nun nicht mehr mit dem Skandal, den das Zusammensein zu zweien mache, kommen kann. So wird durch mich Frau von Volanges das Unrecht wieder gutmachen, das sie an Ihnen begangen hat.

Aber passen Sie auf und beschäftigen Sie sich nicht gar zu sehr mit Ihren eigenen Angelegenheiten, daß Sie diese andere darüber versäumen. Ich will also, daß Sie die Korrespondenz der jungen Leute vermitteln. Machen Sie Danceny Mitteilung von Ihrer Reise und bieten Sie ihm Ihre Dienste an. Finden Sie – angeblich – nur darin eine Schwierigkeit, den ersten Brief, das Beglaubigungsschreiben, in die Hände der Kleinen zu bringen, und heben Sie diese Schwierigkeit damit, daß Sie ihm meine Kammerfrau empfehlen. Zweifellos wird er's annehmen, und als Lohn für Ihre Mühe werden Sie das Vertrauen eines naiven unschuldigen Kindes genießen, was immer interessant ist. Die arme Kleine! Wie wird sie rot werden, wenn sie Ihnen den ersten Brief übergibt! Diese Rolle des Vertrauten ist zu Unrecht zu einer dummen Rolle gemacht worden – ich finde, sie ist eine angenehme Entlastung, wenn man anderweitig stark beschäftigt ist – und das werden Sie ja sein!

Bei Ihnen steht nun die ganze Entwicklung dieser Sache. Sie haben alle Fäden in der Hand. Das Leben auf dem Lande gibt ja tausend Gelegenheiten, und Danceny kommt auf das erste Zeichen von Ihnen. Eine Nacht, eine Verkleidung, ein Fenster – was weiß ich? Wenn aber das kleine Mädchen so zurückkommt wie sie jetzt fortgeht, dann halte ich mich an Sie. Wenn Sie glauben, daß sie von meiner Seite irgendwelches Encouragement braucht, so schreiben Sie es mir. Ich glaube, ich gab ihr eine genügende Lektion über die Gefahr aufbewahrter Briefe, daß ich es jetzt wohl wagen kann, ihr zu schreiben – und ich will doch meine Schülerin aus ihr machen!

Vielleicht vergaß ich noch Ihnen zu sagen, daß sie zuerst Ihre Kammerjungfer wegen der Briefsache im Verdacht hatte, – ich habe ihn auf ihren Beichtvater gelenkt. So trifft man zwei Fliegen mit einem Schlag.

Adieu Vicomte! Jetzt habe ich Ihnen einen langen Brief geschrieben und habe darüber mein Diner verspätet. Aber Eitelkeit und Freundschaft, die ihn diktierten, sind schwatzhaft.

Jetzt beklagen Sie sich über mich, wenn Sie sich trauen; und gehen Sie, wenn Sie jetzt noch Lust haben, in das Revier des Grafen B**, das er, wie Sie sagen, dem Vergnügen seiner Freunde reserviert. Ist denn dieser Mann jedermanns Freund? Aber Adieu, ich bin hungrig.

 

Paris, den 9. September 17..

65. BRIEF

Der Chevalier Danceny an Frau von Volanges.

(Dem Briefe des Vicomte an die Marquise beigelegt.)

Gnädige Frau! Ohne mein Betragen rechtfertigen zu wollen, noch mich über das Ihrige zu beklagen, kann ich nur tief das Ereignis bedauern, das Unglück über drei Menschen gebracht hat, die eines glücklicheren Loses würdig wären. Empfindlicher davon getroffen, die Ursache dieses Kummers zu sein als dessen Opfer, habe ich gestern öfter versucht, Ihnen zu schreiben und fand die Kraft nicht dazu. Ich habe Ihnen jedoch so vieles zu sagen, daß ich meine Schwäche zwingen muß; und wenn dieser Brief wenig Ordnung und Folge hat, müssen Sie das aus der schmerzlichen Situation erklären, in der ich mich befinde, und nachsichtig entschuldigen.

Erlauben Sie, daß ich zuerst ein Wort gegen den ersten Satz Ihres Briefes sage. Denn dies darf ich aussprechen: ich habe weder mit Ihrem Vertrauen noch mit der Unschuld von Fräulein von Volanges sträflich gespielt und habe beides in dem, was ich tat, durchaus respektiert. Und allein das, was ich tue, habe ich in meiner Gewalt, und wenn Sie mich für ein Gefühl verantwortlich machen, über das wir keine Macht haben, so muß ich sagen, daß das Gefühl, das mir Ihr Fräulein Tochter einflößte, Ihnen vielleicht mißfallen, nie Sie aber beleidigen kann. Über diese Sache, die mir näher geht, als ich Ihnen sagen kann, sollen Sie allein richten und meine Briefe sollen Zeugen sein.

Sie verbieten mir, mich in Zukunft bei Ihnen zu zeigen, und ich werde nicht verfehlen, mich in dieser Angelegenheit ganz Ihren Befehlen unterzuordnen; aber dieses völlige und plötzliche Fernbleiben wird ebensoviel Anlaß zu Bemerkungen geben wie der Befehl, den Sie aus diesem Grunde Ihrer Dienerschaft nicht erteilen wollten. Ich lege um so mehr Wert auf dieses Detail, weil es für Fräulein von Volanges wichtiger ist als für mich. Und deshalb bitte ich Sie inständig, alle Ihre Vorkehrungen genau zu überlegen und Ihre Vorsicht nicht von Ihrer Strenge Schaden leiden zu lassen. Überzeugt, daß allein das Interesse Ihres Fräulein Tochter Ihre Maßnahmen bestimmt, erwarte ich von Ihnen neue Befehle, was ich tun soll und was nicht.

Für den Fall jedoch, daß Sie mir erlaubten, von Zeit zu Zeit meine Aufwartung zu machen, verpflichte ich mich, gnädige Frau (und Sie können sich an mein Versprechen halten), keine dieser Gelegenheiten zu mißbrauchen; ich werde nie den Versuch machen, Fräulein von Volanges allein zu sprechen oder ihr einen Brief zukommen zu lassen. Die Furcht, daß das ihrem guten Ruf schaden könnte, zwingt mich zu diesem Opfer, und das Glück, sie doch wenigstens manchmal zu sehen, wird mich entschädigen.

Das ist alles, was ich Ihnen auf Ihre mir mitgeteilte Absicht mit Fräulein von Volanges antworten kann, deren wirkliche Tatwerdung Sie von meinem Betragen abhängig machen wollen. Es wäre Betrug, verspräche ich Ihnen mehr. Ein gemeiner Verführer kann seine Pläne nach den Umständen richten und mit den Umständen rechnen – die Liebe aber, die mich beseelt, kennt nur zwei Gefühle: den Mut und die Beständigkeit.

Wie? Ich sollte darein willigen, von Fräulein von Volanges vergessen zu werden, sollte selbst sie vergessen? Nein, niemals! Ich werde ihr treu bleiben. Sie hat meinen Schwur und ich wiederhole ihn zu dieser Stunde. Verzeihen Sie, gnädige Frau, daß ich mich hinreißen lasse – ich will wieder auf Ihren Brief kommen.

Es ist noch etwas, worüber ich mit Ihnen sprechen muß; es betrifft die Briefe, die Sie von mir verlangen. Es tut mir sehr weh, zu all dem Unrecht, das Sie schon an mir finden, auch noch dieses fügen zu müssen: ich kann die Briefe nicht zurückgeben. Aber hören Sie meine Gründe, ich bitte Sie darum. Habe ich auch schon Ihre Freundschaft verloren, so ist die Hoffnung, mir Ihre Achtung zu erhalten, mein einziger Trost.

Die Briefe von Fräulein von Volanges sind mir in diesem Augenblick noch kostbarer als sie es schon waren. Sie sind das einzige, was mir von ihr bleibt, und Zeugen einer Liebe, die das Glück meines Lebens ausmacht. Doch dürfen Sie mir glauben, daß ich keinen Augenblick zögern würde, Ihnen das Opfer zu bringen; der Schmerz, mich von den Briefen trennen zu müssen, würde dem Wunsche weichen, Ihnen einen Beweis meiner Ergebenheit zu geben: und doch kann ich die Briefe nicht zurückgeben und bin überzeugt, Sie werden die Gründe, die mich dazu bestimmen, nicht mißbilligen.

Es ist wahr, Sie wissen nun das Geheimnis durch Fräulein von Volanges; aber ich fühle mich zu dem Glauben berechtigt, daß Sie Ihr Wissen um diese Angelegenheit der Überraschung verdanken und nicht dem Vertrauen. Ich kann ein Vorgehen nicht tadeln, zu dem vielleicht die mütterliche Autorität ein Recht gibt, und dieses Ihr Recht respektiere ich. Es reicht aber nicht so weit, mich von meinen Pflichten zu entbinden, deren heiligste die ist, nie ein bewiesenes Vertrauen zu verraten. Und ein solcher Verrat wäre es, die Geheimnisse eines Herzens vor einem anderen zu enthüllen, für den sie nicht bestimmt waren. Wenn Ihr Fräulein Tochter wünscht, daß ich Ihnen die Briefe übergebe, so möge sie es sagen; will sie aber selbst ihr Geheimnis bewahren, so werden Sie doch nicht von mir erwarten, daß ich es Ihnen anvertraue.

Was Ihren Wunsch betrifft, daß diese Angelegenheit im Schweigen begraben bleiben möge, so können Sie, gnädige Frau, darüber beruhigt sein. Über alles, was Fräulein von Volanges angeht, kann ich selbst das Herz einer Mutter beruhigen. Um Ihnen jede Unruhe zu nehmen, habe ich alles getan. Das kleine Paket der kostbaren Briefe, das zur Aufschrift hatte »Zu verbrennen«, zeigt jetzt: »Eigentum der Frau von Volanges« – was Ihnen noch beweisen kann, daß Sie in diesen Briefen nichts finden würden, worüber Sie sich persönlich beklagen könnten.

Dieser lange Brief, gnädige Frau, wäre noch nicht lang genug, ließe er in Ihnen auch nur einen einzigen Zweifel über die Ehrlichkeit meiner Gefühle übrig, über das aufrichtige Bedauern, Ihr Mißfallen erregt zu haben und der tiefsten Hochachtung Ihres sehr ergebenen Danceny.

 

Paris, den 9. September 17..

66. BRIEF

Der Chevalier Danceny an Cécile Volanges.

(Der Marquise von Merteuil offen im 67. Brief durch den Vicomte geschickt.)

Ach, meine Cécile, was soll aus uns werden? Welcher Gott wird uns aus dem Unglück retten, das uns verfolgt? Die Liebe möge wenigstens die Kraft geben, es zu ertragen! Wie soll ich Ihnen meinen Schrecken ausdrücken, meine Verzweiflung, als ich das Billett Ihrer Mama las! Wer hat uns verraten können? Auf wen haben Sie Verdacht? Sollten Sie eine Unvorsichtigkeit begangen haben? Was machen Sie jetzt? Was hat man Ihnen gesagt? Alles möchte ich wissen und weiß nichts. Aber vielleicht wissen Sie selbst nicht mehr als ich.

Ich schicke Ihnen hier das Billett Ihrer Mama und eine Abschrift meiner Antwort. Ich hoffe, Sie bestätigen, was ich darin sage. Ich muß auch wissen, ob Sie gutheißen, was ich seit jenem unseligen Ereignis unternommen habe, um Nachricht von Ihnen zu bekommen und von mir zu geben, und Sie vielleicht – wer kann's wissen – wiederzusehen und das besser, günstiger als bisher.

Ach, meine Cécile, wieder beisammen sein, und aufs neue ewige Liebe schwören, in die Augen sehen, in unsern Herzen fühlen, daß diese Schwüre treu und wahr und ewig sind, – was für Schmerzen würde ein solch süßer Moment nicht vergessen machen! Und ich hoffe, nein, ich weiß, dieser Moment wird sein, ich habe alles getan, um ihn möglich zu machen, und was ich tat, bedarf nur Ihrer Zustimmung. Die Hoffnung verdanke ich der tröstenden Sorge eines lieben Freundes, und meine einzige Bitte ist, Sie möchten erlauben, daß dieser Freund auch der Ihrige werde.

Vielleicht hätte ich mich ihm ohne Ihre Erlaubnis nicht anvertrauen sollen, aber mich entschuldigt das Unglück und die Notwendigkeit. Die Liebe hat mich dabei geleitet, und die Liebe verlangt Ihre Nachsicht, bittet um Verzeihung dafür, daß ich unser Geheimnis einem Dritten preisgab, ohne welchen notwendigen Schritt wir vielleicht auf ewig getrennt blieben. Sie kennen den Freund, von dem ich Ihnen spreche, er ist auch der der Frau, die Sie am meisten lieben, der Vicomte von Valmont.

Als ich mich an ihn wandte, war meine Absicht vor allem diese, ihn dafür zu gewinnen, daß er Frau von Merteuil bitte, einen für Sie bestimmten Brief zu übernehmen. Er meinte, daß das nicht gelingen würde, aber empfahl mir für die Herrin deren Kammerjungfer, die ihm verpflichtet ist. Sie wird Ihnen also den Brief überbringen und ihr können Sie die Antwort geben.

Diese Aushilfe wird uns nun allerdings gar nichts nützen, wenn Sie, wie Herr von Valmont glaubt, sofort abreisen müssen. In dem Falle aber will er uns selbst dienen. Die Dame, zu der Sie gehen, ist seine Verwandte. Er wird diesen Umstand benutzen, um zur selben Zeit wie Sie dahin abzureisen, und durch ihn wird dann unsere gegenseitige Korrespondenz gehen. Er gab mir sogar die Versicherung, daß er es uns, wenn Sie sich ihm anvertrauten, möglich machen würde, uns dort wiederzusehen, ohne zu riskieren, daß Sie sich irgendwie kompromittieren.

Wenn Sie mich lieben, Cécile, wenn Sie Mitleid mit meinem Unglück haben und mit mir leiden, dann werden Sie einem Manne, der unser Schutzgeist sein will, Ihr Vertrauen nicht versagen können. Ohne ihn bin ich der Verzweiflung verfallen und außerstande, den Schmerz, den ich Ihnen bereite, zu lindern. Ich hoffe, er wird enden, aber versprechen Sie mir, Cécile, sich ihm nicht allzusehr hinzugeben, sich nicht ganz von ihm niederdrücken zu lassen. Der Gedanke, daß Sie leiden, ist mir unerträglich. Ich würde mein Leben darum geben, Sie glücklich zu machen! Sie wissen es. Möge die Gewißheit, daß ich Sie anbete, einigen Trost in Ihr Herz bringen! Das meine hat die Versicherung nötig, daß Sie der Liebe die Schmerzen verzeihen, die sie Ihnen zu leiden gibt.

Adieu, meine Cécile, meine Geliebte!

 

Den 9. September 17 . .

67. BRIEF

Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil.

Meine schöne Freundin! Aus den beiden beiliegenden Briefen werden Sie ersehen, daß ich Ihre Pläne gewissenhaft ausgeführt habe. Obschon beide Briefe von heute datiert sind, wurden sie doch gestern geschrieben, und zwar unter meinen Augen: der an das kleine Mädchen sagt alles, was wir gesagt haben wollten. Man kann nicht anders als vor Ihrer genialen Strategie eine Verbeugung machen, wenn man nach deren Erfolg urteilt. Danceny ist ganz Feuer und Brand, und werden Sie bei der nächsten Gelegenheit keine Vorwürfe mehr zu machen haben, sicher nicht. Wenn seine schöne Naive gelehrig ist, ist kurze Zeit nach seiner Ankunft hier die Sache gemacht und geschehen – ich habe hundert Mittel bereit.

Er ist wirklich noch sehr jung, dieser Danceny! Werden Sie es glauben, daß ich von ihm nicht erreichen konnte, der Mutter zu erklären, daß er die Liebe zu ihrer Tochter aufgebe? Als ob es irgendwie lästig wäre, etwas zu versprechen, wenn man entschlossen ist, es nicht zu halten! Das wäre ja Betrug, erwidert er mir jedesmal – ist diese Gewissenhaftigkeit nicht erbaulich, besonders wenn man die Tochter verführen will? Aber so sind wir Männer! Alle ganz gleich Verbrecher in unseren Absichten, und wo wir uns zu schwach zur Tat finden, nennen wir diese Schwäche Anständigkeit.

Es ist Ihre Sache, dafür zu sorgen, daß Frau von Volanges nicht wild wird über die kleinen Eschapaden, die sich der junge Mann in seinem Briefe erlaubt hat. Schützen Sie uns vorm Kloster und sehen Sie zu, daß man auf der Herausgabe der Briefe nicht weiter besteht. Danceny will sie nicht zurückgeben, und ich gebe ihm darin ganz recht: Liebe und Verstand sind hier gleicher Meinung. Ich habe übrigens diese höchst langweiligen Briefe gelesen. Sie können uns nützlich sein. Nämlich: Trotz der Vorsicht, mit der wir die Sache inszenieren, kann es doch dabei zu einem Eklat kommen, der die Heirat und damit alle unsere Absichten mit Gercourt unmöglich machen könnte. Da ich nun aber an der Mutter meine kleine Privatrache haben muß, so reserviere ich für diesen Fall das Recht, die Tochter zu entehren. Man kann aus der Korrespondenz ganz hübsche Stücke wählen; und wenn man nur die vorzeigt, ist es die kleine Volanges, die angefangen und sich einem an den Hals geworfen hat. Ein paar von den Briefen könnten sogar die Mama kompromittieren, oder mindestens in den Verdacht unverzeihlicher Nachlässigkeit bringen. Ich fühle wohl, der sehr gewissenhafte Danceny wäre anfangs ja gegen eine solche Verwertung der Briefe; aber da er persönlich angegriffen wäre, meine ich, käme man schon ans Ziel mit ihm. Man kann übrigens tausend gegen eins wetten, daß die Sache diese Wendung nicht bekommt, aber man muß schließlich auf alles vorbereitet sein.

Adieu, meine schöne Freundin. Es wäre sehr lieb von Ihnen, wenn Sie morgen bei der Marschallin von ** soupieren wollten; ich konnte nicht abschlagen.

Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen: Kein Wort zu Frau von Volanges über meine Abreise. Sie wäre imstande, die Kleine in der Stadt zu behalten oder gleich nach ihrer Ankunft wieder zurückzuholen. Habe ich sie nur acht Tage, stehe ich für alles.

Ihr Valmont.

 

Paris, den 9. September 17..

 

68. BRIEF

Frau von Tourvel an den Vicomte von Valmont.

Mein Herr! Ich wollte Ihnen nicht mehr antworten, und die Verlegenheit, die ich in diesem Augenblick empfinde, ist wohl ein Beweis, daß ich es nicht tun sollte; aber ich will Ihnen keinen Grund zur Klage über mich geben und will Sie überzeugen, daß ich für Sie tat, was ich konnte.