Gefährliche Liebschaften. Gesamtausgabe - Pierre Ambroise Choderlos de Laclos - E-Book

Gefährliche Liebschaften. Gesamtausgabe E-Book

Pierre Ambroise Choderlos de Laclos

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Beschreibung

Der Vicomte de Valmont und die Marquise de Merteuil, einst Geliebte, sind nun Rivalen in einem Spiel um Eroberung, Liebe und Zerstörung. Mit Intrigen und Manipulation versuchen sie, sich gegenseitig in der Verführung ihrer ahnungslosen Opfer zu überbieten. In perfiden Briefen teilen sie sich ihre Eroberungspläne mit. Die Marquise verfolgt die Absicht, die junge Cecile de Volanges zu verderben, die in einem Kloster lebt, während der Vicomte die tugendhafte Präsidentin de Tourvel verführen will. Sie sind in ihren Bemühungen zugleich Verbündete und Konkurrenten, eine unheilige Allianz. Immer darauf bedacht, ihren eigenen guten Ruf zu bewahren, täuschen und manipulieren sie, wo sie nur können. Was daraus entsteht, sind Betrug, Eifersucht und Scham. Doch irgendwann sind die Grenzen des Spiels überschritten… Die in Form des Briefromans geschriebene Geschichte ahmt kunstvoll die Art und Weise nach, in der die französische Aristokratie des 18. Jahrhunderts miteinander zu kommunizieren pflegte. Es ist ein Schlüsselroman seiner Zeit und zugleich eine brillante Komposition, die auf virtuose Weise die illusionistische Macht der Sprache demonstriert. Es entfaltet sich ein Sittenbild der Verderbtheit des französischen Adels, das dieses Buch seinerzeit zu einem der kontroversesten und skandalösten Romane der europäischen Literatur machte. Dies ist die Gesamtausgabe aller drei Bände in der Übersetzung von Franz Blei, geschmückt mit einigen Illustrationen von Marguerite Gérard.

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Seitenzahl: 723

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Pierre-Ambroise-François

CHODERLOS DE LACLOS

 

 

GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN

 

ROMAN

GESAMTAUSGABE

 

 

In der Übersetzung

von

Franz Blei

 

 

 

 

Mit Illustrationen

von

Marguerite Gérard

 

 

 

 

Cécile Volanges

von K. Somov

GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN wurde im französischen Original zuerst veröffentlicht im Jahr 1782 in Paris.

Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von

© apebook Verlag, Essen (Germany)

www.apebook.de

2023

 

V 1.0

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.

 

Dieses Buch ist Teil der ApeBook Classics: Klassische Meisterwerke der Literatur als Paperback und eBook. Weitere Informationen am Ende des Buches und unter: www.apebook.de

 

Gesamtausgabe

ISBN 978-3-96130-587-2

Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Gefährliche Liebschaften. Gesamtausgabe

Impressum

Vorbemerkung des Herausgebers

Vorwort des Sammlers dieser Briefe

Erster Teil

1. Brief

2. Brief

3. Brief

4. Brief

5. Brief

6. Brief

7. Brief

8. Brief

9. Brief

10. Brief

11. Brief

12. Brief

13. Brief

14. Brief

15. Brief

16. Brief

17. Brief

18. Brief

19. Brief

20. Brief

21. Brief

22. Brief

23. Brief

24. Brief

25. Brief

26. Brief

27. Brief

28. Brief

29. Brief

30. Brief

31. Brief

32. Brief

33. Brief

34. Brief

35. Brief

36. Brief

37. Brief

38. Brief

39. Brief

40. Brief

41. Brief

42. Brief

43. Brief

44. Brief

45. Brief

46. Brief

47. Brief

48. Brief

49. Brief

50. Brief

51. Brief

52. Brief

53. Brief

54. Brief

55. Brief

56. Brief

57. Brief

58. Brief

59. Brief

Zweiter Teil

60. Brief

61. Brief

62. Brief

63. Brief

64. Brief

65. Brief

66. Brief

67. Brief

68. Brief

69. Brief

70. Brief

71. Brief

72. Brief

73. Brief

74. Brief

75. Brief

76. Brief

77. Brief

78. Brief

79. Brief

80. Brief

81. Brief

82. Brief

83. Brief

84. Brief

85. Brief

86. Brief

87. Brief

88. Brief

89. Brief

90. Brief

91. Brief

92. Brief

93. Brief

94. Brief

95. Brief

96. Brief

97. Brief

98. Brief

99. Brief

100. Brief

101. Brief

102. Brief

103. Brief

104. Brief

105. Brief

106. Brief

107. Brief

108. Brief

109. Brief

110. Brief

111. Brief

112. Brief

113. Brief

114. Brief

115. Brief

116. Brief

117. Brief

118. Brief

Dritter Teil

119. Brief

120. Brief

121. Brief

122. Brief

123. Brief

124. Brief

125. Brief

126. Brief

127. Brief

128. Brief

129. Brief

130. Brief

131. Brief

132. Brief

133. Brief

134. Brief

135. Brief

136. Brief

137. Brief

138. Brief

139. Brief

140. Brief

141. Brief

142. Brief

143. Brief

144. Brief

145. Brief

146. Brief

147. Brief

148. Brief

149. Brief

150. Brief

151. Brief

152. Brief

153. Brief

154. Brief

155. Brief

156. Brief

157. Brief

158. Brief

159. Brief

160. Brief

161. Brief

162. Brief

163. Brief

164. Brief

165. Brief

166. Brief

167. Brief

168. Brief

169. Brief

170. Brief

171. Brief

172. Brief

173. Brief

174. Brief

175. Brief

176. Brief

Nachwort des Herausgebers

Eine kleine Bitte

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Zu guter Letzt

VORBEMERKUNG DES HERAUSGEBERS

Wir glauben den Leser aufmerksam machen zu müssen, daß wir ungeachtet des Titels des Buches und dem, was der Sammler dieser Briefe in seiner Vorrede darüber versichert, für die Echtheit dieser Sammlung nicht gut stehen, und daß wir selbst gewichtige Gründe haben, anzunehmen, daß das Ganze nur ein Roman ist.

Überdies kommt uns vor, als ob der Verfasser, der doch nach Wahrscheinlichkeit gesucht zu haben scheint, diese recht ungeschickt durch die Zeit zerstört hat, in die er die erzählten Ereignisse setzt. Einige der handelnden Personen sind in der Tat so sittenlos und verderbt, daß sie unmöglich in unserm Jahrhundert gelebt haben können, in diesem unsern Jahrhundert der Philosophie und Aufklärung, die alle Männer, wie man weiß, so ehrenhaft und alle Frauen so bescheiden und sittsam gemacht hat. Beruhen die in diesem Buche erzählten Begebenheiten wirklich auf Wahrheit, so ist es unsere Meinung, daß sie nur anderswo oder anderswann sich begeben haben können, und wir tadeln sehr den Autor, der sichtlich von der Hoffnung, mehr zu interessieren, verlockt, sie in seine Zeit und sein Land zu verlegen, und unter unserer Tracht und in unsern Gebräuchen Sittenbilder zu zeichnen wagte, die uns durchaus fremd sind.

Wenigstens wollen wir, soweit es in unserer Macht liegt, den allzu leichtgläubigen Leser vor jeder Überraschung bewahren und werden uns dabei auf eine Logik stützen, die wir dem Leser als sehr überzeugend und einwandfrei vortragen, denn zweifellos würden gleiche Ursachen gleiche Wirkungen hervorzubringen nicht verfehlen: wir sehen nämlich in unsern Tagen kein Fräulein mit 60000 Francs Rente Nonne werden, und erleben es in unserer Zeit nicht, daß eine junge und schöne Frau sich zu Tode grämt.

C. D. L.

VORWORT DES SAMMLERS DIESER BRIEFE

Dieses Werk oder vielmehr diese Zusammenstellung, die der Leser vielleicht noch zu umfangreich finden wird, enthält doch nur die kleinere Anzahl der Briefe, welche die gesamte Korrespondenz bilden.

Von den Personen, an die diese Briefe gerichtet waren, mit deren Ordnung beauftragt, habe ich als Lohn für meine Mühe nur die Erlaubnis verlangt, alles, was mir unwichtig erschien, weglassen zu dürfen, und ich habe mich bemüht, nur jene Briefe zu geben, die mir zum Verständnis der Handlung oder der Charaktere wichtig erschienen. Dazu noch einige Daten und einige kurze Anmerkungen, die zumeist keinen andern Zweck haben, als die Quellen einiger Zitate anzugeben oder einige Kürzungen zu motivieren, die ich mir vorzunehmen erlaubt habe – dies ist mein ganzer Anteil an dieser Arbeit. Alle Namen der Personen, von denen in den Briefen die Rede ist, habe ich unterdrückt oder geändert.

Ich hatte größere Änderungen beabsichtigt, die sich meist auf Sprache oder Stil bezogen hätten, in welch beiden man manche Fehler finden wird. Ich hätte auch gewünscht, die Vollmacht zu haben, einige allzu lange Briefe zu kürzen, von denen mehrere weder unter sich noch mit dem Ganzen in rechtem Zusammenhange stehen. Diese Arbeit wurde mir jedoch nicht gestattet; sie hätte gewiß dem Buche keinen neuen Wert hinzugefügt, aber sie hätte zum mindesten einige seiner Mängel beseitigt.

Es wurde mir erklärt, die Beteiligten wollten die Briefe, wie sie sind, veröffentlicht haben, nicht aber ein Werk, das auf Grund dieser Briefe verfaßt sei; daß es ebenso gegen die Wahrscheinlichkeit wie gegen die Wahrheit selbst verstoßen würde, daß die acht bis zehn Personen, die diese Briefe schrieben, den gleichen korrekten Stil hätten. Und auf den Einwand, daß unter den Briefen kein einziger sei, der nicht grobe Fehler enthalte, und daß die Kritik nicht ausbleiben würde, bekam ich die Antwort, daß jeder verständige und wohlgesinnte Leser erwarten werde, Fehler in einer Sammlung von Briefen zu finden, die Privatpersonen einander schrieben, und daß sämtliche bisher veröffentlichten Briefe – selbst jene geschätzter Autoren und Mitglieder der Akademie nicht ausgenommen – in dieser Beziehung nicht einwandfrei wären. Diese Gründe haben mich nun keineswegs überzeugt; ich finde sie leichter vorgebracht, als sie gebilligt werden können; aber ich war nicht Herr dieser Angelegenheit und gab nach. Ich habe mir nur vorbehalten, dagegen Einspruch zu tun und zu erklären, daß ich die Ansicht meiner Auftraggeber nicht teile, was hiermit geschieht.

Was den Wert betrifft, den dieses Buch haben kann, so kommt es mir vielleicht nicht zu, mit meiner Ansicht die anderer zu beeinflussen. Die vor Beginn einer Lektüre wissen wollen, was sie von ihr erwarten können, mögen hier weiterlesen; die andern tun besser, an die Briefe selbst zu gehen, von denen sie nun ja genug wissen.

Dies muß ich noch sagen: Wenn ich auch diese Briefe herausgab, so bin ich doch weit entfernt, ihren Erfolg zu hoffen, und ist diese meine Aufrichtigkeit keine falsche Bescheidenheit des Autors; denn ebenso aufrichtig erkläre ich: hielte ich diese Arbeit nicht der Veröffentlichung wert, hätte ich mich nicht mit ihr abgegeben. Das scheint ein Widerspruch; ich will ihn zu lösen versuchen.

Ein Brief ist nützlich oder unterhaltend oder er vereint beides. Aber der Erfolg, der nicht immer den Wert beweist, ist oft mehr abhängig vom Gegenständlichen als von dessen Gestaltung, mehr vom Inhalt als von dessen Form. Diese Sammlung enthält Briefe verschiedener Personen mit verschiedenen Interessen, welche Verschiedenheit vielleicht das eine Interesse des Lesers nicht erhöht. Dann sind auch die Gefühle und Empfindungen, die diese Briefe aussprechen, gefälscht, geheuchelt oder verstellt, und können sie so wohl die Neugier reizen, aber das Herz nicht fesseln und rühren. Und das Bedürfnis des Herzens steht über der Neugierde, und das Herz ist ein nachsichtigerer Richter als die Neugierde, die leichter die Fehler bemerkt, die sie in ihrer Befriedigung stören.

Die Fehler werden vielleicht von einer Eigenschaft des Buches aufgewogen, die in seiner Natur liegt: ich meine die Wahrheit seines Ausdrucks, ein Verdienst, das sich hier von selbst einstellte und das die Langweile der Einförmigkeit nicht aufkommen lassen wird. Der eine und andere Leser wird auch durch die neuen oder wenig bekannten Beobachtungen, die dort und da in den Briefen sind, auf seine Kosten kommen, – das ist aber auch alles Vergnügen, das man von dem Buch erwarten darf, auch dann, wenn man es mit größter Gunst hinnimmt.

Den Nutzen des Buches wird man vielleicht noch stärker in Zweifel ziehen als dessen Annehmlichkeit, aber er scheint mir doch leichter zu beweisen. Mich dünkt, man erweist der Sittlichkeit einen Dienst, wenn man die Mittel bekannt gibt, deren sich die Sittenlosen bedienen, um die Sittlichen zu verderben; diese Briefe können sich Wohl in diesen Dienst stellen. Man wird in ihnen auch den Beweis zweier wichtiger Wahrheiten finden, die man verkannt glauben möchte, so wenig werden sie geübt: die eine ist, daß jede Frau, die einen schlechten Menschen in ihrer Gesellschaft duldet, sicher früher oder später dessen Opfer wird. Die andere ist: daß es zum mindesten eine Unvorsichtigkeit der Mutter bedeutet, wenn sie duldet, daß eine andere als sie selber das Vertrauen ihrer Tochter besitzt. Auch können die jungen Männer und Mädchen hier lernen, daß die Freundschaft, die ihnen schlechte Individuen gern und reichlich zu schenken scheinen, immer nur eine gefährliche Falle ist, gleich verhängnisvoll für ihr Glück wie für ihre Tugend.

Jedoch: der Mißbrauch des Guten ist dem Guten sehr nahe und er scheint mir hier zu befürchten. Weit davon, dieses Buch der Jugend zu empfehlen, scheint, es mir vielmehr nötig, es von ihr fernzuhalten. Der Zeitpunkt, da dieses und ähnliche Bücher aufhören, gefährlich zu sein und nützlich werden, scheint mir von einer vortrefflichen Mutter, die Geist und rechten Geist hatte, sehr richtig bestimmt worden zu sein. Sie hatte das Manuskript dieses Buches gelesen und sagte: »Ich würde meiner Tochter einen großen Dienst damit zu erweisen glauben, daß ich ihr dieses Buch an ihrem Hochzeitstag gebe.« Dächten alle Mütter so, würde ich mich immer glücklich schätzen, diese Briefe veröffentlicht zu haben.

Doch alle diese günstigen Voraussetzungen angenommen, dürfte das Buch doch wenigen gefallen. Die depravierte Gesellschaft wird ein Interesse daran haben, ein Buch zu verlästern, das ihr schaden kann; und da es ihnen in diesem Stücke an Geschicklichkeit nicht fehlt, so bekommen sie am Ende auch die rigorosen Leute in ihr Lager, deren Eifer darüber aufgebracht ist, daß man solche Dinge darzustellen sich nicht scheute.

Was aber die angeblichen starken Geister betrifft, so werden sie sich kaum für eine fromme Frau interessieren, die ihnen eben deshalb höchst albern vorkommen wird, während die Frommen sich daran stoßen werden, die Tugend unterliegen zu sehen; und sie werden sich auch darüber aufhalten, daß die Religion sich mit zu wenig Macht zeige.

Die Leute von feinem Geschmack werden den Stil mancher Briefe zu simpel und fehlerhaft finden, und die Mehrzahl der Leser wird, von dem Gedanken verführt, daß alles Gedruckte Erfindung sei, in andern Briefen wieder eine Maniriertheit des Verfassers zu erkennen meinen, der sich hinter den Personen, die er sprechen läßt, verberge.

Schließlich ist es vielleicht das allgemeine Urteil, jede Sache gelte nur an ihrer rechten Stelle was; und wenn auch der allzu gefeilte Stil der Autoren privaten Briefen ihren Reiz raube, dieser Briefe Nachlässigkeiten doch zu wirklichen Fehlern würden, die sie im Drucke unerträglich machten.

Ich gebe ehrlich zu, daß alle diese Vorwürfe ihr Recht haben mögen, wenn ich auch glaube, ihnen antworten zu können, auch ohne die gewöhnliche Länge eines Vorwortes zu überschreiten. Aber man wird meine Meinung teilen, daß ein Buch, das allen gerecht würde, keinem taugen könne. Hätte ich allen nach Gefallen schreiben wollen, hätte ich so Buch als Vorrede nicht geschrieben.

 

ERSTER TEIL

1. BRIEF

Cécile Volanges an Sophie Carnay, bei den Ursulinerinnen zu …

Du siehst, liebe Freundin, daß ich Wort halte und daß der Toilettentisch mir nicht meine ganze Zeit raubt, – er wird mir immer welche für Dich übrig lassen. Ich habe an diesem einzigen Tag mehr Schmuck gesehen, als in den vier Jahren, die wir zusammen verlebt haben, und ich hoffe, daß die eingebildete Tanville, meine Mitpensionärin, sich bei meinem nächsten ersten Besuche mehr ärgern wird als sie annahm, daß wir uns ärgern, jedesmal wenn sie uns in ihrem vollen Staat besuchte. Mama spricht jetzt über alles mit mir: ich werde gar nicht mehr wie ein Schulmädchen behandelt. Ich habe meine eigene Kammerzofe, meine zwei eigenen Räume und einen sehr hübschen Schreibtisch, an dem ich Dir schreibe, und dessen Schlüssel ich habe, und alles darin einsperren kann, was mir beliebt. Mama sagt mir, daß ich sie jeden Tag am Morgen sehen werde, daß es genügt, wenn ich bis zum Diner frisiert bin, weil wir beide immer allein sein werden, und dann wird sie mir die Stunde jedesmal angeben, zu der ich am Nachmittag mit ihr ausgehe. Die übrige Zeit gehört mir allein. Ich habe meine Harfe, meine Zeichensachen und die Bücher ganz wie im Kloster, nur ist Mutter Perpetua nicht hier, um mich auszuzanken, und ich kann faulenzen so viel ich will: aber da meine Sophie nicht bei mir ist, um mit mir zu lachen und zu schwatzen, so ist's mir lieber, mich zu beschäftigen.

Es ist noch nicht fünf Uhr und ich soll erst um sieben Uhr mit Mama zusammensein, hab also Zeit genug, wenn ich Dir etwas zu erzählen hätte. Aber man hat noch über gar nichts mit mir gesprochen; und wenn ich nicht all die Vorbereitungen sehen würde und das Massenaufgebot von Schneiderinnen, die meinetwegen bestellt sind, ich würde nicht glauben, daß man mich verheiraten will, sondern daß das ganze nur so ein Geschwätz von unserer guten Pförtnerin Josephine war. Aber meine Mama sagte oft, daß ein junges Mädchen bis zu ihrer Verheiratung im Kloster bleiben soll; da sie mich herausgenommen hat, so muß doch Schwester Josephine Recht gehabt haben.

Soeben hält ein Wagen unten am Tor, und Mama läßt mich bitten zu ihr zu kommen. Ich bin nicht angezogen, – wenn es dieser Herr wäre!? Mein Herz klopft stark, und meine Hand zittert! Als ich meine Zofe fragte, wer bei Mama wäre, lachte sie und sagte: Herr G …

O! ganz bestimmt, er ist es. Ich werde Dir dann alles erzählen, – jetzt kennst Du immerhin schon seinen Namen, und ich will nicht länger auf mich warten lassen. Adieu, bis nachher!

Wie wirst Du Dich über die arme Cécile lustig machen! O wie war ich auch dumm! Aber sicher wäre es Dir genau so gegangen. Also wie ich bei Mama eintrat, stand dicht neben ihr ein Herr ganz in Schwarz. Ich begrüßte ihn so artig wie ich konnte und blieb, ohne mich vom Platz zu rühren, stehen. Du kannst Dir denken, wie ich ihn mir anschaute! »Gnädige Frau«, sagte er zu meiner Mutter und grüßte mich, »sie ist entzückend, und ich fühle vollauf den Wert Ihrer Güte.« Das klang so bestimmt, und ich begann zu zittern, daß ich mich nicht mehr aufrecht halten konnte; ich fand einen Stuhl in meiner Nähe, auf den ich mich verwirrt und ganz rot geworden niederließ. Kaum saß ich, so lag dieser Mann auch schon zu meinen Füßen. Ich verlor nun völlig den Kopf und war, wie Mama behauptete, ganz verwirrt. Ich stand auf mit einem Schrei, ganz so einem Schrei, wie damals, weißt Du, als das starke Donnerwetter anhub. Mama lachte laut und sagte: »Was hast du denn? setz dich nieder und reiche dem Herrn deinen Fuß.« Und wirklich, meine liebe Freundin, – der Herr war ein Schuster! Es ist mir nicht möglich, Dir zu beschreiben, wie beschämt ich mich fühlte, – glücklicherweise war nur Mama anwesend. Wenn ich verheiratet bin, werde ich gewiß nicht mehr bei diesem Schuster arbeiten lassen.

Jetzt sind wir, ich und Du, nicht klüger als zuvor! Lebe wohl, – meine Kammerzofe sagt, ich müsse mich jetzt anziehen, es ist bald sechs Uhr. Adieu, ich liebe Dich noch gleich stark wie im Kloster, meine liebe, liebe Sophie.

 

P. S. Da ich nicht weiß, durch wen ich meinen Brief schicken soll, werde ich warten bis Josephine kommt.

 

Paris, den 3. August 17..

2. BRIEF

Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont im Schlosse zu …

Kommen Sie, mein lieber Vicomte, kommen Sie zurück! Was machen Sie, was können Sie denn bei einer alten Tante machen, deren Vermögen Ihnen doch schon sicher ist? Ich brauche Sie, reisen Sie also unverzüglich. Ich habe eine vortreffliche Idee, mit deren Ausführung ich Sie betrauen will. Diese wenigen Worte sollten Ihnen genügen, und Sie sollten sich von meiner Wahl so sehr geehrt fühlen, daß Sie herbeieilen müßten und kniend meine Befehle entgegen nehmen. Aber Sie mißbrauchen meine Güte, selbst seitdem Sie sie nicht mehr brauchen. Zwischen einem ewigen Haß und einer übergroßen Güte trägt zu Ihrem Glücke doch wieder meine Güte den Sieg davon. Ich will Sie nun von meinem Projekte unterrichten. Aber schwören Sie mir zum voraus, daß Sie als mein treuer Kavalier sich in kein anderes Abenteuer einlassen, ehe dieses nicht zu Ende geführt ist, – es ist eines Helden würdig: Sie werden dabei der Liebe und der Rache dienen, und Sie werden sich seiner in Ihren Memoiren rühmen können, in diesen Memoiren, von denen ich möchte, daß sie einst gedruckt werden – ich will es auf mich nehmen, sie zu schreiben. Aber zu unserer Sache!

Frau von Volanges verheiratet ihre Tochter: es ist noch ein Geheimnis, das ich aber gestern von ihr selbst erfuhr. Wen glauben Sie wohl, daß sie sich zum Schwiegersohne aussuchte? Den Grafen Gercourt! Wer hätte mir gesagt, daß ich die Cousine von Gercourt werden würde! Ich bin wütend darüber – und – aber erraten Sie denn immer noch nicht? Was sind Sie schwerfällig! Haben Sie ihm das Abenteuer mit der Intendantin verziehen? Und vergessen, wie ich mich über ihn zu beklagen habe? Ich muß sagen, die Hoffnung, mich nun endlich rächen zu können, beruhigt und erheitert mich sehr.

Wie oft hat uns Gercourt mit der Wichtigtuerei gelangweilt, mit der er von der Wahl seiner künftigen Frau sprach, und mit seiner lächerlichen Einbildung, er würde dem unvermeidlichen Schicksal, düpiert zu werden, entgehen. Erinnern Sie sich seiner albernen Vorliebe für die klösterliche Erziehung der Mädchen und seines lächerlichen Vorurteils, daß die Blondinen sittsamer wären? Ich wette, er würde die Ehe mit Fräulein Volanges niemals eingehen, trotz ihrer sechzigtausend Francs Rente, wenn sie nicht blond und nicht im Kloster erzogen worden wäre. Beweisen wir ihm, daß er nur ein Idiot ist, und daß er es sicher eines Tages sein wird, dafür stehe ich. Aber ich möchte, daß er als Idiot debütiert. Wie würde er am Tage nach der Hochzeit prahlen, und wie würden wir lachen! Denn prahlen wird er! Und es müßte wunderbar zugehen, sollte Gercourt nicht Tagesgespräch in Paris werden, nachdem die Kleine erst einmal in Ihrer Schule war.

Die Heldin dieses Romanes verdient übrigens Ihre größte Aufmerksamkeit, denn sie ist wirklich hübsch; erst fünfzehn Jahre alt und wie eine Rosenknospe; gar nicht geziert, aber dumm und lächerlich naiv, wovor ihr Männer ja keine Angst habt. Im übrigen noch einen vielversprechenden Ausdruck in den Augen. Kurz und gut: ich empfehle sie Ihnen, und so brauchen Sie sich nur noch bei mir zu bedanken und zu gehorchen.

Dieser Brief ist morgen früh in Ihren Händen. Ich erwarte, daß Sie morgen Abend um sieben Uhr bei mir sind. Bis acht Uhr empfange ich niemand, nicht einmal den zur Zeit regierenden Chevalier – er hat nicht genug Verstand für eine so wichtige und große Sache.

Wie Sie sehen, macht mich die Liebe nicht blind. Um acht Uhr haben Sie Ihre Freiheit – um zehn Uhr kommen Sie wieder, um zusammen mit der Schönen bei mir zu soupieren, denn Mama und Tochter werden bei mir zu Tisch sein.

Adieu, es ist über zwölf Uhr: bald werde ich mich nicht mehr mit Ihnen beschäftigen.

 

Paris, den 4. August 17 ..

3. BRIEF

Cécile Volanges an Sophie Carnay.

Ich kann Dir immer noch nichts mitteilen. Bei Mama waren gestern viele Gäste zum Abendessen. Trotzdem ich mit großem Interesse die anwesenden Herren beobachtete, so habe ich mich doch gelangweilt. Herren und Damen, alle schauten mich an, dann sprachen sie sich leise in die Ohren, und ich merkte, daß von mir die Rede war: gegen meinen Willen wurde ich ganz rot. Ich wollte es nicht, denn ich bemerkte, daß die andern Frauen, wenn man sie ansah, nicht rot wurden. Vielleicht auch sieht man es unter der Schminke nicht; denn es muß doch sehr schwer sein, nicht zu erröten, wenn einen ein Mann so fest ansieht.

Was mich am meisten beunruhigte, war, was man wohl über mich dachte. Mir war, als wenn ich zwei- oder dreimal das Wort »hübsch« verstanden hätte; das Wort »ungeschickt« hörte ich ganz deutlich, und es muß wahr sein, denn die Frau, die das sagte, war eine Verwandte und Freundin meiner Mutter; sie schien sogar sofort Freundschaft für mich zu empfinden. Das war auch die einzige Person, die am ganzen Abend ein wenig mit mir sprach. Morgen werden wir bei ihr zu Abend essen.

Außerdem hörte ich noch nach dem Diner einen Herrn zu einem andern sagen – und ich bin überzeugt, es ging auf mich: »Das muß man erst reif werden lassen, wir werden ja in diesem Winter sehen.« Vielleicht war es sogar der, der mich heiraten soll, das wäre aber dann ja erst in vier Monaten! Ach, ich möchte so gerne wissen, was wahres an all dem ist!

Gerade kommt Josephine und sie sagt, daß sie sehr in Eile wäre. Ich will Dir aber doch noch eine große Ungeschicklichkeit von mir erzählen. Die Dame, die das sagte, hat doch wohl recht, glaub ich. Also nach Tisch wurde gespielt. Ich setzte mich neben Mama und war sofort eingeschlafen, ohne daß ich merkte, wie das geschah.

Eine Lachsalve weckte mich auf. Gewiß hat man über mich gelacht, aber ich bin dessen nicht ganz sicher. Mama erlaubte mir, mich zurückzuziehen, was mir sehr recht war. Denke, es war schon nach elf Uhr! Adieu, meine liebe Sophie, und hab Deine Cécile immer recht lieb. Ich versichere Dir, daß die große Welt nicht halb so amüsant ist, wie wir uns das immer vorstellten.

 

Paris, den 4. August 17..

4. BRIEF

Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil in Paris.

Ihre Befehle entzücken mich, die Art und Weise, wie Sie sie geben, noch mehr: Sie machen einen das unbedingte Gehorchen lieben. Sie wissen, es ist nicht das erstemal, daß ich bedaure, nicht mehr Ihr Sklave zu sein. Und wenn Sie mich auch ein Ungeheuer nennen, so erinnere ich mich doch immer mit großem Vergnügen der Zeiten, da Sie mich mit süßeren Kosenamen bedachten. Oft wünsche ich mir, ich könnte sie wieder verdienen und der Welt mit Ihnen zusammen ein Beispiel ewiger Treue geben.

Aber größere Dinge erwarten uns. Erobern, das ist unsere Bestimmung, und man muß ihr folgen: vielleicht treffen wir uns am Ende dieser Carriere wieder. Denn, ohne Sie kränken zu wollen, meine schöne Marquise, muß man zugeben, daß Sie mit mir Schritt halten. Seitdem wir uns für das Glück der Mitmenschen trennten, predigen wir jeder seinerseits die Treue und den Glauben, und mir scheint, daß Sie in dieser Liebesmission mehr Proselyten machten als ich. Ich kenne ja Ihren Eifer, Ihre hingebende Inbrunst; und wenn jener Gott uns nach unsern Werken beurteilen würde, müßten Sie die Schutzpatronin einer großen Stadt werden, während Ihr Freund nur der Heilige eines Dorfes würde. Diese Sprache erstaunt Sie, nicht wahr? Aber seit acht Tagen höre und spreche ich keine andere; nur um mich darin noch zu vervollkommnen, muß ich Ihnen ungehorsam sein.

Aber werden Sie nicht böse und hören Sie mich an. Als Mitwisserin meiner Herzensgeheimnisse will ich Ihnen den größten Plan anvertrauen, den ich je gehabt habe. Was schlagen Sie mir vor? Ein junges Mädchen zu verführen, das weder was kennt, noch irgend etwas gesehen hat, das mir gewissermaßen ohne Gegenwehr preisgegeben ist, das einem ersten verliebten Sturm erliegen wird und das dabei mehr von der Neugierde geleitet ist als von der Liebe. Zwanzig andere können dasselbe ausrichten. Nein – mein Plan ist ein andrer: sein Erfolg wird mir ebensoviel Ruhm wie Vergnügen bereiten. Die Liebe, die mir meinen Kranz windet, schwankt noch zwischen Myrte und Lorbeer, oder sie wird vielmehr beides vereinigen. Sie werden, meine schöne Freundin, von heiligem Respekt vor mir erfüllt werden und mit Enthusiasmus ausrufen: »Das ist der Mann meines Herzens.«

Sie kennen doch die Präsidentin von Tourvel, ihre Frömmigkeit, ihre eheliche Treue und ihre strengen Grundsätze. Das ist mein Gegner und ein Feind meiner würdig, und das ist das Ziel, das ich erreichen will.

»Bleibt auch in diesem Kampf der Siegespreis nicht mein, Daß ich den Kampf gewagt, wird Ruhm genug mir sein.«

Man darf schlechte Verse zitieren, sie müssen nur von einem großen Dichter sein.

Sie müssen also wissen, daß sich der Präsident in Burgund aufhält, eines Prozesses wegen – ich hoffe ihn aber einen wichtigeren verlieren zu lassen – seine untröstliche andere Hälfte aber soll ihre betrübende Zeit der Witwenschaft hier verbringen. Jeden Tag eine Messe, einige Besuche bei den Bezirkskranken, Gebete des Morgens und des Abends, fromme Unterhaltungen mit meiner alten Tante, und manchesmal einen trübseligen Whist, das sollen ihre einzigen Zerstreuungen sein. Mein guter Genius hat mich hierher geführt, zu ihrem und zu meinem Glück. Vierundzwanzig Stunden habe ich zu bereuen, die ich konventionellem Gerede opferte. Welche Strafe, zwänge man mich nach Paris zurückzukehren! Glücklicherweise spielt man Whist zu viert, und weil hier nur ein Dorfgeistlicher existiert, so hat meine gottesfürchtige Tante in mich gedrängt, ihr einige Tage zu opfern. Sie können sich denken, wie ich bereit war! Aber Sie können sich keinen Begriff davon machen, wie meine Tante mich seitdem verhätschelt, wie sie darüber erbaut ist, mich so regelmäßig beim Beten und in der Messe zu sehen! Sie hat keine Ahnung von der Gottheit, die ich in der Kirche anbete.

Seit vier Tagen bin ich also an eine heftige Leidenschaft gebunden. Sie kennen mein Temperament und wie ich Hindernisse nehme, aber Sie wissen nicht, wie köstlich die Einsamkeit meine Begierde steigert. Ich kenne nur noch dieses eine, ich denke daran am Tage und träume davon des Nachts: Ich muß diese Frau haben, um nicht der Lächerlichkeit zu verfallen, verliebt zu sein. Verliebt – wohin führt uns nicht ein ungestilltes Verlangen! Köstliches Verlangen – ich beschwöre dich um meines Glückes und besonders um meiner Ruhe willen! Wie glücklich sind wir, daß sich die Frauen so schlecht verteidigen, – wir wären sonst schüchterne Sklaven neben ihnen. Ich verspüre jetzt eine Art Dankbarkeit für die gefälligen, leichten Frauen, ein Gefühl, das mich natürlich vor Ihre Füße führt. Da knie ich nieder, bitte um Verzeihung und endige dort meinen allzu langen Brief. Adieu, meine sehr schöne Freundin und – keinen Groll.

 

Auf Schloß …, den 5. August 17..

5. BRIEF

Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont.

Wissen Sie, Vicomte, daß Ihr Brief unverschämt ist, und daß ich ihn Ihnen sehr übel nehmen könnte, gäbe er mir nicht zugleich den Beweis, daß Sie ganz und gar den Kopf verloren haben? Und das bewahrt Sie vor meiner Ungnade. Als Ihre gefühlvolle und großmütige Freundin vergesse ich Ihre Beleidigung und kümmere mich um die Gefahr, in der Sie schweben; mag es auch dumm sein, darüber zu räsonieren, so will ich Ihnen doch in diesem Augenblick beistehen. Sie wollen die Präsidentin von Tourvel haben? Was für eine lächerliche Laune! Ich erkenne daran ganz Ihren Eigensinn, der nur das wünscht, was er glaubt, nicht erreichen zu können. Was hat denn diese Frau? Vielleicht sehr regelmäßige Züge, aber sie sind ohne Ausdruck; sie ist recht gut gebaut, aber ohne Grazie, und angezogen ist sie, zum Lachen! Ganze Pakete Stoff hat sie bis zum Hals hinauf, daß ihr der Leib bis zum Kinn reicht. Als Freundin sage ich Ihnen: zwei solche Frauen genügen, Sie um Ihr ganzes Ansehen zu bringen. Erinnern Sie sich noch des Tages in Saint-Roche, wo sie für die Armen sammelte, was Sie veranlaßte, mir für das Schauspiel zu danken, das ich Ihnen damit bereitete? Ich sehe sie noch, wie sie diesem einer Hopfenstange ähnlichen Herrn mit den langen Haaren die Hand gab, der bei jedem Schritte umzufallen drohte, und wie sie ihren vier Ellen langen Reifrock immer jemandem an den Kopf schwang bei jeder Verbeugung und errötete. Wenn man Ihnen damals gesagt hätte, daß Sie diese Frau verlangten! Nun, Vicomte, erröten Sie Ihrerseits und besinnen Sie sich auf sich selber. Ich verspreche Ihnen Diskretion.

Bedenken Sie doch auch alle die Unannehmlichkeiten, die Sie dabei erwarten. Und was für Rivalen haben Sie? Einen Gatten! Sind Sie bei diesem einen Wort nicht schon ganz klein? Welche Schande, wenn es mißlingt! Und wie wenig Ruhm beim Erfolg! Ich sage noch mehr: versprechen Sie sich kein Vergnügen. Gibt es denn eines mit prüden Frauen? Ich meine mit den ehrlichen Prüden, die selbst auf dem Höhepunkt des Vergnügens noch zurückhaltend sind und so nur halben Genuß geben. Dieses völlige Sichselbstvergessen, diesen Rausch der Wollust, der das Vergnügen durch sein Übermaß läutert, diese Wohltaten der Liebe kennen sie nicht. Ich prophezeie Ihnen, daß im günstigsten Fall Ihre Präsidentin glauben wird, alles für Sie getan zu haben, indem sie Sie wie ihren Ehegemahl behandelt, und im engsten und zärtlichsten ehelichen Zusammensein bleibt man immer – zu zweit. In Ihrem Falle steht es noch schlimmer. Ihre keusche Dame ist fromm und von jener Frömmigkeit, welche die gute Frau zu einer ewigen Kindlichkeit verurteilt. Vielleicht überwinden Sie dieses Hindernis, schmeicheln Sie sich aber nicht, es zu zerstören; wenn auch Sieger, über die Liebe Gottes, so sind Sie es doch nicht über die Furcht vor dem Teufel; wenn Sie Ihre Geliebte in Ihren Armen erschauern fühlen, so ist das nicht Liebe, sondern Angst. Wenn Sie diese Frau früher gekannt hätten, vielleicht hätten Sie etwas aus ihr machen können; aber sie ist jetzt zweiundzwanzig Jahre alt und bald zwei Jahre verheiratet. Glauben Sie mir, Vicomte, wenn eine Frau schon so in diese tugendsamen Vorurteile hineingewachsen ist, soll man sie ihrem Schicksale überlassen, – sie wird immer nur ein Gattungswesen sein.

Und um dieses schönen Gegenstandes willen wollen Sie mir nicht folgen, wollen Sie sich in das Grab Ihrer Tante vergraben und dem schönsten und köstlichsten Abenteuer entsagen, das Ihnen Ehre gebracht hätte. Durch welches Schicksal muß denn Gercourt immer und überall vor Ihnen etwas voraus haben? Ich spreche ganz ohne Ironie, aber jetzt glaube ich wirklich, daß Sie Ihren Ruf nicht verdienen; und daß ich mich versucht fühle, Ihnen mein Vertrauen zu entziehen. Ich würde mich nie dazu verstehen, meine Geheimnisse dem Geliebten einer Frau von Tourvel anzuvertrauen.

Ich will Ihnen dennoch erzählen, daß die kleine Volanges schon einen Kopf verdreht hat. Der junge Danceny liebt sie. Er hat mit ihr gesungen, und sie singt wirklich besser, als man von einem Pensionskind erwartet. Sie werden Duette miteinander üben, und ich glaube, sie würde nichts gegen ein Unisono haben. Aber dieser Danceny ist noch ein Kind, der seine Zeit mit Hofmachen verliert und zu keinem Ende kommt. Die kleine Person ist ihrerseits auch sehr kindisch. Aber wie es auch kommen mag, Sie hätten die Sache jedenfalls viel lustiger gestaltet. Ich bin übler Laune und werde mich mit dem Chevalier zanken, wenn er kommt. Ich werde ihm raten recht artig zu sein, denn es würde mich momentan nichts kosten, mit ihm zu brechen. Ich bin überzeugt, er würde verzweifeln, wenn ich vernünftig genug wäre, ihn jetzt aufzugeben, und nichts amüsiert mich so sehr, wie ein verzweifelter Liebhaber. Er würde mich perfid nennen, und dieses Wort hat mir immer Spaß gemacht; nach dem Worte »Grausame« ist es das süßeste Wort für das Ohr einer Frau, und weniger schwierig, es sich zu verdienen. Ich will mich ganz ernsthaft mit diesem Bruche beschäftigen; und daran werden Sie Schuld sein; ich lege es ihrem Gewissen zur Last. Adieu. Empfehlen Sie mich dem Gebete Ihrer Präsidentin.

 

Paris, den 7. August 17..

6. BRIEF

Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil.

Gibt es also wirklich keine Frau, welche die Macht nicht mißbraucht, die sie über uns hat? Selbst Sie, die ich so oft meine nachsichtige Freundin nannte, sind es nicht mehr, denn Sie scheuen sich nicht, mich in dem Gegenstand meiner Zuneigung anzugreifen! Mit welchen Zügen wagen Sie es, Frau von Tourvel zu zeichnen! Welcher Mann hätte eine solche Vermessenheit nicht mit dem Leben büßen müssen! Keine andere Frau außer Ihnen hätte sich das ungestraft erlauben dürfen. Setzen Sie mich, ich bitte, nicht wieder einer so harten Probe aus; ich könnte nicht mehr dafür gut stehen. Im Namen der Freundschaft: warten Sie, bis ich diese Frau besessen habe, wenn Sie sie schmähen wollen. Wissen Sie denn nicht, daß bloß die Wollust das Recht hat, die Liebe sehend zu machen?

Aber was rede ich da. Hat denn Frau von Tourvel nötig, daß man sich um sie Illusionen macht? Ihr genügt es, sie selbst zu sein, daß man sie anbetet. Sie werfen ihr vor, daß sie sich schlecht kleidet und mit Recht, denn die Pracht steht ihr nicht; alles, was sie verhüllt, verunstaltet sie. Nur in der Ungebundenheit des Hauskleides ist sie wirklich entzückend. Dank der jetzt herrschenden schwülen Hitze läßt ein einfaches Leinennegligé die runde und weiche Linie ihres Körpers erkennen. Ein dünner Musseline bedeckt den Hals, und meine heimlichen aber durchdringenden Blicke sahen schon die entzückendsten Formen. Sie sagen, ihr Gesicht habe keinen Ausdruck. Was soll es ausdrücken in Momenten, wo nichts zu ihrem Herzen spricht? Nein, ohne Zweifel hat sie nicht jenen lügenhaften Blick unserer koketten Frauen, der uns manchmal verführt, aber immer betrügt. Sie versteht es nicht, die Leere einer Phrase durch ein einstudiertes Lächeln zu verbergen, und gleichviel sie die schönsten Zähne von der Welt hat, so lacht sie doch nur, wenn sie etwas darüber zu lachen findet. Sie sollten sehen, wie sie in mutwilligen Spielen offen und naiv heiter ist! Wie ihr Blick reine Freude und teilnehmende Güte ausdrückt, wenn sie einem Unglücklichen hilft! Ja, man muß sehen, wie beim kleinsten Wort des Lobes oder der Schmeichelei sich auf ihrem himmlischen Gesicht eine rührende Verlegenheit der Bescheidenheit malt, die so ganz echt ist! … Sie ist spröde und fromm, und deshalb Ihr Urteil, sie wäre kalt und seelenlos und ohne Liebe. Ich denke ganz anders. Welch erstaunliche Sensibilität muß sie doch haben, daß sie sich bis auf ihren Mann erstreckt, und den zu lieben, der immer abwesend ist? Was für stärkere Beweise verlangen Sie noch? Ich wußte mir aber auch noch einen andern zu verschaffen.

Ich richtete es auf einem Spaziergang so ein, daß wir einen Graben zu überspringen hatten, und obschon sie sehr flink ist, so ist sie doch noch schüchterner. Sie können sich denken, daß eine prüde Frau sich scheut, über einen Graben zu springen. Sie mußte sich mir anvertrauen, und ich hielt diese bescheidene Frau in meinen Armen. Die Vorbereitungen und das Hinüberbefördern meiner alten Tante hatten die mutwillige fromme Tourvel laut lachen machen; nun hielt ich sie, und infolge einer absichtlichen Ungeschicklichkeit mußten wir uns umarmen.

Ich preßte ihre Brust an die meine, und ich fühlte ihr Herz schneller schlagen. Eine süße Röte färbte ihr Gesicht, und ihre bescheidene Verlegenheit lehrte mich, daß ihr Herz aus Liebe zitterte und nicht aus Furcht. Meine Tante irrte sich natürlich – so wie Sie, – als sie sagte: »Das Kind hat Angst bekommen.« Aber die reizende Offenheit des »Kindes« erlaubte ihr nicht die Lüge, und sie antwortete ganz naiv: »O nein, aber . . .« Dies eine Wort machte mir alles klar. In dem Augenblick hat die süße Hoffnung die grausame Ungewißheit verdrängt. Ich werde diese Frau besitzen. Ich werde sie dem Manne wegnehmen, der sie profaniert, ja selbst dem Gotte, den sie anbetet, werde ich sie rauben. Welche Lust, abwechselnd Gegenstand und Besieger ihrer Gewissensbisse zu sein! Es sei fern von mir, ihre Vorurteile zu zerstören; sie werden mein Glück und meinen Ruhm erhöhen. Sie soll nur und an nichts als an die Tugend glauben, sie mir aber opfern; ihr Fehltritt soll sie entsetzen, aber sie soll ihm auch keinen Einhalt gebieten können, und von tausend Ängsten geplagt soll sie ihn nur in meinen Armen vergessen und unterdrücken. Dann muß sie mir sagen: »Ich bete dich an,« und sie allein unter allen Frauen wird würdig sein, dies Wort auszusprechen. Ich werde der Gott sein, den sie dem andern vorgezogen hat.

Seien wir aufrichtig: in unseren Arrangements, die ebenso kalt wie frivol sind, ist das was wir Glück nennen kaum ein Vergnügen. Soll ich es Ihnen sagen? Ich glaubte mein Herz wäre abgewelkt; und da ich nur noch meine Sinnlichkeit fühlte, beklagte ich mich über ein vorzeitiges Alter. Frau von Tourvel hat mir die schönen Illusionen der Jugend wiedergegeben. Neben dieser Frau habe ich nicht den Genuß nötig, um glücklich zu sein. Das einzige, was mich dabei etwas erschreckt, ist die Zeit, die mich dieses Abenteuer kosten wird; denn ich wage nichts dem Zufall zu überlassen. Ich mag mich immer all meiner glückgefolgten Frechheiten erinnern, – ich kann mich nicht entschließen, sie hier zu brauchen. Damit ich wahrhaft glücklich bin, muß sie sich mir geben; und das ist keine Kleinigkeit.

Sie würden meine Vorsicht bewundern. Ich habe das Wort Liebe noch nicht ausgesprochen, aber wir sind schon bei jenen gewissen Worten des Vertrauens und Interesses. Um sie so wenig als möglich zu betrügen, und um dem Gerede zuvorzukommen, das ihr zugebracht werden könnte, habe ich selbst, und wie in Reue, ihr meine bekanntesten Geschichten erzählt. Sie würden darüber lachen, wenn Sie sähen, mit welcher Unschuld sie mir Besserung predigt. Sie sagte, sie wollte mich bekehren. Noch weiß sie nicht, wieviel sie diese versuchte Bekehrung kosten wird. Sie denkt nicht daran, daß sie, während sie »für die Unglücklichen, die ich zu Fall brachte«, redet, im voraus ihre eigene Angelegenheit plaidiert. Das fiel mir gestern inmitten einer ihrer Predigten ein, und ich konnte mir das Vergnügen nicht entsagen, sie zu unterbrechen, um ihr zu versichern, daß sie wie ein Prophet spräche. Adieu, meine sehr schöne Freundin. Sie sehen, ich bin noch nicht rettungslos verloren.

 

P. S. Hat sich übrigens der arme Chevalier aus Verzweiflung schon umgebracht? Sie sind doch tausendmal schlechter als ich, und Sie würden mich ganz klein machen, wenn ich eigensüchtig wäre.

 

Auf Schloß …, den 9. August 17 . .

7. BRIEF

Cécile Volanges an Sophie Carnay.

Ich konnte Dir über meine Heirat nichts schreiben, denn ich bin noch immer nicht klüger als am ersten Tag. Ich gewöhne mich daran, nicht mehr daran zu denken und befinde mich, wie ich jetzt lebe, sehr wohl dabei. Ich treibe viel Gesang und Harfe, und mir scheint, daß ich beides mehr liebe, seitdem ich keinen Lehrer mehr habe oder vielmehr seitdem ich einen bessern gefunden.

Der Chevalier Danceny, dieser Herr, weißt Du, von dem ich Dir erzählte, daß ich mit ihm bei Frau von Merteuil gesungen habe, hat die Güte, jeden Tag zu mir zu kommen und stundenlang mit mir zu singen. Er ist sehr nett. Er singt wie ein Engel und komponiert Lieder, zu denen er die Worte selbst macht. Es ist wirklich schade, daß er Malteserritter ist! Es scheint mir, seine Frau könnte sehr glücklich sein, wenn er heiratete … Er ist von einer entzückenden Aufmerksamkeit. Es sieht nie aus, als ob er Komplimente machte und trotzdem schmeichelt alles was er sagt. Er korrigiert mich immer, sei es über die Musik oder über andere Dinge; seine Kritik ist aber so interessant und lustig, daß man ihm unmöglich böse sein kann. Wenn er einen ansieht, scheint er immer etwas Hübsches zu sagen. Und dabei ist er so gefällig. Gestern abend zum Beispiel war er zu einem großen Konzert eingeladen; aber er hat es vorgezogen, den ganzen Abend bei Mama zu bleiben. Das hat mir viel Freude gemacht; denn wenn er nicht da ist, spricht niemand mit mir und ich langweile mich; wenn er aber da ist, plaudern und singen wir zusammen. Und er weiß mir immer etwas zu erzählen. Er und Frau von Merteuil sind die einzigen Personen, die ich lieb und nett finde. Nun adieu, meine liebe Freundin. Ich versprach, daß ich heute eine Arie geläufig können würde, deren Begleitung sehr schwer ist, und ich will mein Wort halten. Ich will mich ans Lernen machen, bis er kommt.

 

Paris, den 7. August 17 . .

8. BRIEF

Die Präsidentin von Tourvel an Frau von Volanges.

Ich danke Ihnen, gnädige Frau, sehr für das Vertrauen, das Sie mir bewiesen haben; niemand kann mehr Interesse an der Verheiratung von Fräulein von Volanges nehmen als ich. Von ganzer Seele wünsche ich ihr ein Glück, dessen sie einzig und zweifellos würdig ist, und ich vertraue dabei ganz Ihrer Klugheit. Ich kenne den Grafen Gercourt nicht, da Sie ihn jedoch mit Ihrer Wahl beehren, kann ich nicht anders als eine vorteilhafte Meinung von ihm haben. Ich beschränke mich darauf, gnädige Frau, dieser Ehe ebensoviel Erfolg zu wünschen wie ihn die meine hat, die ja ebenfalls Ihr Werk ist, für das ich Ihnen täglich dankbarer bin. Das Glück Ihrer Tochter möge die Belohnung für das Glück sein, das Sie mir gegeben haben, und möge die beste der Freundinnen auch die glücklichste Mutter werden!

Es tut mir wirklich leid, Ihnen nicht mündlich meine aufrichtigsten Wünsche darbringen zu können und so auch, wie ich es wünschte, Fräulein von Volanges persönlich kennen zu lernen. Wie ich Ihre wahrhaft mütterliche Liebe erfuhr, glaube ich berechtigt zu sein, von Cécile die zärtliche Freundschaft einer Schwester zu erhoffen. Ich bitte, gnädige Frau, diese Freundschaft gütigst für mich verlangen zu wollen, in der Erwartung, sie zu verdienen.

Ich gedenke die ganze Zeit, da Herr von Tourvel abwesend ist, auf dem Lande zu bleiben. Ich benütze die Zeit, mir die Gesellschaft der vortrefflichen Frau von Rosemonde zunutze zu machen. Diese Frau ist immer noch gleich liebenswürdig und verliert nichts durch ihr hohes Alter; sie hat ihr volles Gedächtnis und ihre jugendliche Heiterkeit bewahrt. Nur ihr Körper ist vierundachtzig Jahre alt.

Unsere Einsamkeit erheitert ihr Neffe, der Vicomte von Valmont, der uns einige Tage opfern wollte. Ich kannte ihn nur dem Rufe nach, und dieser ließ nicht den Wunsch aufkommen, den Herrn persönlich kennen zu wollen; aber mir scheint, er ist besser als sein Ruf. Hier, wo ihn der Welttrubel nicht mit fortreißt, spricht er erstaunlich vernünftig und klagt sich selbst seiner Verirrungen mit einer seltenen Aufrichtigkeit an. Er spricht voller Vertrauen mit mir, und ich predige ihm mit viel Strenge. Sie, die Sie ihn kennen, werden zugeben, daß das wirklich eine schöne Bekehrung wäre; aber ich zweifle doch nicht daran, daß acht Tage Paris genügten, ihn trotz all seiner Versprechungen alle meine Predigten vergessen zu lassen. Sein Aufenthalt hier wird ihm wohl einige Änderungen seiner gewöhnlichen Lebensweise bedeuten, aber ich glaube, daß das Beste, was er tun kann, ist, zu leben wie er gewohnt ist: Nichts tun. Er weiß, daß ich Ihnen schreibe und beauftragte mich, Ihnen seine ergebensten Empfehlungen zu vermitteln. Nehmen Sie auch die meinen entgegen mit jener Güte, die ich an Ihnen kenne, und bezweifeln Sie niemals meine aufrichtigsten Gefühle, mit denen ich die Ehre habe zu sein usw.

 

Schloß . . ., den 9. August 17 . .

9. BRIEF

Frau von Volanges an die Präsidentin von Tourvel.

Ich habe nie an der Freundschaft gezweifelt, die Sie für mich haben, meine junge und schöne Freundin, ebensowenig an dem Interesse, das Sie an allem nehmen, was mich betrifft. Nicht um feststehende Tatsachen unter uns zu diskutieren, antworte ich auf Ihren Brief; aber ich glaube, mich nicht enthalten zu können, mit Ihnen in der Angelegenheit des Vicomte von Valmont zu plaudern.

Ich gestehe offen, ich hatte nie erwartet, jemals diesen Namen in Ihren Briefen zu lesen. Was kann es auch Gemeinsames geben zwischen ihm und Ihnen? Sie kennen diesen Mann nicht, und wo hätten Sie sich je die Seele eines Wüstlings vorstellen können? Sie erzählen mir von seiner merkwürdigen Aufrichtigkeit; allerdings, die Aufrichtigkeit eines Valmont muß in Wirklichkeit merkwürdig sein. Er ist noch falscher und gefährlicher als liebenswürdig und verführerisch – seit seiner frühesten Kindheit tat er weder einen Schritt noch sprach er ein Wort ohne ganz bestimmte Absichten, und niemals hatte er eine Absicht, die nicht unanständig oder verbrecherisch gewesen wäre. Liebe Freundin, Sie kennen mich, und Sie wissen, wie gerade die Nachsicht unter den Tugenden, die ich mir aneignen möchte, jene ist, die ich am meisten schätze. Ja, wenn Valmont von ungestümer Leidenschaft mit fortgerissen würde! Wenn er wie tausend andere durch die Irrungen seines Alters verleitet würde, ich würde sein Betragen bedauern und ein gutes Wort für ihn einlegen und stillschweigend die Zeit erwarten, wo die glückliche Umkehr ihm die Achtung der ehrlichen Leute wieder einbrächte. Aber Valmont ist nicht so; sein Betragen ist das Resultat seiner Prinzipien. Er versteht genau auszurechnen, was sich ein Mensch erlauben darf, ohne sich zu kompromittieren; und um ohne Gefahr grausam und böse zu sein, suchte er sich die Frauen zum Opfer. Ich halte mich nicht damit auf, diejenigen zu zählen, die er verführte; aber wie viele sind es, die er verdorben hat!

In das zurückgezogene und beschauliche Leben, das Sie führen, sind seine skandalösen Abenteuer nicht gedrungen. Ich könnte Ihnen welche erzählen, die Sie erschauern machten, aber Ihr Blick, so rein wie Ihre Seele, würde durch solche Bilder besudelt. Gewiß wird Valmont niemals gefährlich für Sie werden und Sie brauchen keine Waffen seiner Art zu Ihrer Verteidigung. Das einzige, was ich Ihnen zu sagen habe, ist, daß unter allen Frauen, um die er sich gekümmert hat, sei es mit oder ohne Erfolg, daß keine darunter ist, die sich nicht um ihn zu beklagen hätte.

Die Marquise von Merteuil ist die einzige Ausnahme von dieser Regel: sie allein verstand es, ihm und seiner Schlechtigkeit zu widerstehen. Ich muß bekennen, daß ihr dies in meinen Augen zur größten Ehre gereicht; und es genügte, sie in den Augen aller von einigen zweifelhaften Geschichten zu reinigen, die man im Anfang ihrer Witwenschaft ihr vorwarf.

Wie dem auch sei, meine schöne Freundin, es ermächtigt mich mein Alter, die Erfahrung und besonders die Freundschaft dazu, Ihnen vorzustellen, daß man in der Gesellschaft Valmonts Abwesenheit bemerkt; und sobald man erfahren haben wird, daß er einige Zeit in Gesellschaft seiner Tante und der Ihren verbrachte, ist Ihr Ruf in seinen Händen, und das ist das größte Unglück, das einer Frau begegnen kann. Ich rate Ihnen deshalb, seine Tante zu veranlassen, ihn nicht länger bei sich zu behalten; wenn er sich darauf kapriziert, zu bleiben, so glaube ich, dürfen Sie nicht länger zögern, ihm den Platz zu räumen. Aber warum sollte er denn bleiben? Was macht er denn auf dem Lande? Wenn Sie seine Schritte verfolgen ließen, so bin ich überzeugt, Sie würden entdecken, daß er nur ein bequemes Versteck gesucht hat für irgendeine tolle Sache, die er in der Umgebung vorhat. Aber in der Unmöglichkeit, dem Übel abzuhelfen, begnügen wir uns, uns selber davor zu schützen. Adieu, meine schöne Freundin. Nun hat sich die Heirat meiner Tochter doch etwas hinausgeschoben. Graf Gercourt, den wir jeden Tag erwarteten, schickt mir Nachricht, daß sein Regiment nach Korsika geht, weil noch Kriegsunruhen dort unten sind, und daß es ihm unmöglich wäre, da vor dem Winter wegzukommen. Das ist mir nicht recht; aber gleichzeitig hege ich die Hoffnung, daß wir Sie so sicher zur Hochzeit hier sehen werden, denn es wäre mir leid gewesen, wenn sie ohne Sie hätte stattfinden müssen. Adieu, und ehrlich und aufrichtig ganz die Ihre.

 

P. S. Bitte mich Frau von Rosemonde in Erinnerung zu bringen, die ich liebe, wie sie es verdient.

 

Paris, II, August 17 . .

10. BRIEF

Die Marquise von Merteuil an den Vicomte von Valmont.

 

 

 

Sind Sie mir böse, Vicomte? Oder gar gestorben? Oder – was beinah dasselbe ist – leben Sie nur noch für Ihre Präsidentin? Diese Frau, die Ihnen die Illusionen Ihrer Jugend wiedergegeben hat, wird Ihnen auch bald deren lächerliche Vorurteile geben. Schüchtern und unterwürfig sind Sie bereits – gerade so gut könnten Sie verliebt sein. Sie verzichten auf Ihre glücklichen Frechheiten, das heißt, Sie handeln ohne Prinzipien, überlassen alles dem Zufall oder vielmehr der Laune. Haben Sie vergessen, daß die Liebe, wie die Medizin, nichts als eine Kunst ist, die der Natur nachhilft? Sie sehen, ich schlage Sie mit Ihren eigenen Waffen. Das macht mich aber nicht eitel, denn ich schlage einen Wehrlosen. Sie sagen mir: »sie muß sich mir geben« – aber gewiß muß sie das, gerade so wie die andern, nur mit dem Unterschied, daß sie es nicht gern tun wird. Aber damit sie sich endlich ergibt, wäre doch das beste Mittel dieses, damit anzufangen, sie zu nehmen. Diese lächerliche Unterscheidung ist doch nichts als Unverstand der Liebe. Ich sage Liebe; denn Sie sind verliebt. Anders mit Ihnen zu reden wäre lügen und Ihnen Ihre Krankheit verheimlichen.

Sagen Sie mir doch, Sie schmachtender Liebhaber, glauben Sie denn, jene Frauen, die Sie besaßen, genotzüchtigt zu haben? Wie groß die Lust sich hinzugeben auch immer sein mag, so sehr es uns auch damit eilt, – man muß doch immer noch einen Vorwand haben, und gibt es denn einen bequemeren für uns als den, so zu tun, als ob man der Gewalt wiche? Ich bekenne, daß ein schnell und geschickt ausgeführter Angriff das ist, was mir am meisten schmeichelt; ein Angriff, wo alles der Reihe nach kommt, aber auch mit jener Schnelligkeit, die uns nie in diese peinliche Verlegenheit setzt, eine Ungeschicklichkeit wieder gut machen zu müssen, von der wir im Gegenteil profitieren sollen; ein Angriff, der auch bis in die Dinge hinein, die wir gewähren, den Anschein der brutalen Überwältigung behält und so geschickt unsern zwei Hauptpassionen schmeichelt –: dem Ruhm der Verteidigung und dem Vergnügen des Unterliegens. Ich gebe zu, daß dieses Talent der Attacke bei den Männern seltener ist, als man denken sollte, und daß es mir immer Freude machte, auch da, wo es mich nicht verführt hat; es ist mir passiert, daß ich mich ergab nur aus dem Gefühl der Belohnung heraus. So gab bei unsern alten Turnieren die Schönheit der Tapferkeit und Geschicklichkeit den Preis.

Sie sind nicht mehr derselbe. Sie benehmen sich, als ob Sie Angst hätten vor dem Erfolg. Seit wann reisen Sie mit der Schneckenpost? Aber lassen wir diese Sache, die mich in ebenso schlechte Laune bringt, als sie mir das Vergnügen raubt, Sie zu sehen. Schreiben Sie mir wenigstens öfter als bisher und halten Sie mich mit Ihren Fortschritten auf dem Laufenden. Wissen

Sie, daß es jetzt schon über vierzehn Tage her ist, seitdem Sie dieses lächerliche Abenteuer beschäftigt, und daß Sie darüber jedermann vernachlässigen?

Übrigens: Vernachlässigung. Sie kommen mir vor wie Leute, welche regelmäßig Nachrichten über ihre kranken Freunde einholen, aber nie auf die Antwort warten. Sie schließen Ihren letzten Brief mit der Frage, ob der Chevalier tot wäre. Haben Sie vergessen, daß mein Geliebter Ihr intimster Freund ist? Seien Sie unbesorgt, er ist nicht tot; und wenn er es wäre, so durch allzuviel des Glückes. Dieser arme Chevalier ist so lieb und so geschaffen für die Liebe! Und wie lebhaft seine Zärtlichkeit ist – es verdreht mir ganz den Kopf. Aber im Ernst: das unerhörte Glück, das er empfindet, von mir geliebt zu sein, bindet mich an ihn.

Denselben Tag, an dem ich Ihnen schrieb, daß ich mich mit dem Gedanken an unsern Bruch trage, habe ich ihn doch so ganz glücklich gemacht! Und ich hatte mir schon alle Mittel zurechtgelegt, ihn zur Verzweiflung zu bringen, als er mir gemeldet wurde. War es nur Laune oder war es Wahrheit, nie war er mir so schön vorgekommen, und trotzdem habe ich ihn doch recht launenhaft empfangen. Er dachte, zwei Stunden mit mir allein zu verbringen, ehe sich die Türen für jedermann öffneten. Aber ich sagte ihm, daß ich ausgehen würde; er wollte wissen wohin, und ich wollte es ihm nicht sagen. Als er darauf drang, sagte ich etwas scharf: »Dahin, wo Sie nicht sein werden.« Zum Glück für ihn machte ihn diese Antwort stumm; hätte er nur ein Wort darauf gesagt, wäre es unabweislich zu einer Auseinandersetzung gekommen und zum beabsichtigten Bruch. Erstaunt über sein Schweigen schaute ich nach ihm, aus keinem anderen Grunde, als um das Gesicht zu sehen, das er machte. Und ich sah auf diesem hübschen Gesichte jene zärtliche und tiefe Traurigkeit, von der Sie selbst sagten, daß sie unwiderstehlich wäre. Gleiche Ursache, gleiche Wirkung: ich war ein zweitesmal entwaffnet. Und so tat ich denn alles, um ihn nichts Schlechtes von mir glauben zu lassen. Ich gehe in Geschäften aus, sagte ich ihm schon etwas sanfter, und diese Geschäfte gehen Sie an; fragen Sie aber nichts weiter. Ich werde zu Hause zu Abend essen; kommen Sie zurück, und ich werde Ihnen alles erklären.

Dann erst fand er wieder Worte. Ich erlaubte ihm aber nicht, daß er Gebrauch davon machte und sagte schnell: »Ich habe große Eile.« Und: »Bis heute Abend.« Er küßte meine Hand und ging.

Gleich darauf, um ihn – und vielleicht auch mich – zu entschädigen, kam mir der Einfall, ihm mein kleines Haus zu zeigen, von dessen Existenz er keine Ahnung hat. Ich rufe also meine treue Viktoria.

Ich habe meine Migräne und lege mich – für meine Leute – zu Bett; und allein mit meiner Vertrauten, ziehe ich mich als Kammerzofe an, während sie sich als Lakai verkleidet. Darauf läßt sie einen Wagen an die hintere Gartentür kommen und fort geht es. Nach der Ankunft in meinem heimlichen Liebestempel zog ich das galanteste Negligé an, das man sich denken kann, und das wirklich entzückend ist und ganz meine Erfindung: es läßt nichts sehen und doch alles erraten. Ich verspreche Ihnen das Modell für Ihre Präsidentin, sobald Sie sie würdig gefunden haben werden, es zu tragen.

Nach all diesen Vorbereitungen und während Viktoria sich um die andern Details kümmert, lese ich ein Kapitel aus dem »Sopha« unseres Crébillon, einen Brief der Heloise und zwei Erzählungen von La Fontaine, um mich in Stimmung zu bringen. Da erscheint auch schon der Chevalier mit der ihm gewohnten Zuvorkommenheit. Mein Schweizer sagt ihm, ich wäre krank, läßt ihn nicht ein und übergibt ihm gleichzeitig ein Billett von mir, aber nicht mit meiner Handschrift. Er öffnet es und findet von der Hand Viktorias geschrieben: »Punkt 9 Uhr auf dem Boulevard vor den Cafés.« Er begibt sich dorthin und findet da einen kleinen Lakai, den er nicht zu kennen scheint, – natürlich wieder Viktoria, die ihm sagte, er möge nur seinen Wagen fortschicken und ihr folgen. Die ganze romantische Geschichte macht ihm einen heißen Kopf, und ein heißer Kopf ist immer gut. Endlich kommt er an: Liebe und Überraschung machen ihn ganz trunken, und er ist entzückend. Die Zeit, die ihn wieder ein wenig restaurieren soll, gehen wir im Garten spazieren, und dann bringe ich ihn ins Haus zurück, wo er zwei Gedecke und das offene Bett sieht. Im Boudoir, das in all seinem Glanze strahlte, schlinge ich halb bedacht und halb gedrängt meine Arme um seinen Hals und lasse mich zu seinen Füßen niedersinken: »Um dir, mein Lieber, die Überraschung dieses Augenblickes zu bereiten, habe ich die schlechte Laune geheuchelt und dich damit betrübt; verzeih mir, ich will alles durch die Macht meiner Liebe wieder gut machen.« Sie können sich die Wirkung dieser zärtlichen Rede wohl vorstellen. Der glückliche Chevalier hob mich auf, und wir besiegelten unsere Versöhnung auf derselben Ottomane, auf der wir beide, Sie und ich, in der gleichen Weise unsere ewige Trennung beschlossen haben.

Sechs Stunden hatten wir vor uns; ich hatte mir vorgenommen, daß diese Zeit ihm immer gleich entzückend bleiben sollte, und mäßigte daher seine Stürme mit liebenswürdiger Koketterie. Niemals, glaube ich, habe ich so viel Sorge darauf verwandt, zu gefallen, und ich war wirklich sehr zufrieden mit mir. Nach dem Souper spielte ich abwechselnd das Kind und die vernünftige Frau, war bald übermütig, bald empfindsam, manchmal sogar ausschweifend – es machte mir Spaß, ihn wie einen Sultan in seinem Harem zu nehmen, in dem ich die verschiedenen Favoritinnen spielte. Alles kam von einer und derselben Frau und mußte ihm doch scheinen, als käme jedes Vergnügen von einer neuen Geliebten. Der Tag brach an und wir mußten uns trennen; und was er auch tat und sagte, um mich vom Gegenteil zu überzeugen, er bedurfte doch der Ruhe ebenso stark, als ihm die Lust dazu fehlte. Wir gingen, und zum Abschied übergab ich ihm den Schlüssel zu diesem glücklichen Ort der Liebe und sagte ihm noch: »Ich hatte ihn allein für Sie, und es ist nur gerecht, daß Sie Herr darüber sind: der Opferpriester gebietet über den Tempel.« Dadurch kam ich geschickt seinen Nachgedanken zuvor, wie ich wohl in den verdächtigen Besitz eines solchen kleinen Hauses komme. Ich kenne ihn zur Genüge, um dessen sicher zu sein, daß er nur für mich von dem Schlüssel Gebrauch macht; und wenn meine Laune mir gebieten sollte, ohne den Chevalier hinzugehen, habe ich immer noch einen zweiten Schlüssel. Er wollte gleich wieder einen bestimmten Tag für das nächste mal haben, aber ich liebe ihn noch zu sehr, um ihn so rasch abzunützen. Man soll sich ein Übermaß nur mit jenen Männern erlauben, die man rasch wieder aufgeben will. Er weiß das nicht, aber zum Glück für ihn weiß ich das für uns beide.

Eben bemerke ich, daß es drei Uhr in der Früh ist, und ich einen Band schreibe, wo ich nur ein paar Worte schreiben wollte. Das ist der Reiz der mitteilsamen Freundschaft; und die macht es, daß Sie immer derjenige sind, den ich am meisten liebe; in Wirklichkeit aber ist es der Chevalier, der mir besser gefällt.

 

Paris, den 12. August 17..

11. BRIEF

Die Präsidentin von Tourvel an Frau von Volanges.