Gegen die Zeit - Sascha Reh - E-Book

Gegen die Zeit E-Book

Sascha Reh

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Beschreibung

Anfang der siebziger Jahre herrscht Aufbruchsstimmung in Santiago de Chile: Der sozialistische Präsident Salvador Allende ist fest entschlossen, das Land aus seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit zu führen und die Not der verarmten Bevölkerung zu mildern. Dafür setzt er auf ein kühnes Projekt: Die Fabriken des unwegsamen Andenstaates sollen vernetzt und von einem zentralen Rechner gesteuert werden. Ein internationales Team, unter ihnen der junge deutsche Industriedesigner Hans Everding, wird beauftragt, das Datennetzwerk aufzubauen. Begeistert ergreift Hans die Chance, an der Revolution mitzuwirken und für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen. Der Putsch des Militärs setzt diesem Traum jäh ein Ende. Alle, die an dem Netzwerk mitgearbeitet haben, geraten in Lebensgefahr. Niemand weiß, wer Freund und wer Feind ist, und die gesammelten Daten dürfen keinesfalls in falsche Hände geraten. "Gegen die Zeit" erinnert an ein historisches Experiment mit überraschender Aktualität: eine dramatische Geschichte von Aufbruch und Enttäuschung, von Vertrauen und Verrat.

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Seitenzahl: 369

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INHALT

[Cover]

Titel

Widmung

NULL: STROM AUS

0000: 11. SEPTEMBER 1973

0001: DER DRITTE WEG

0010: ANA

0011: ENTSCHEIDUNGSMASCHINE

0100: FALSCHE FREUNDE

0101: MÁXIMO LÍDER

0110: PLAN Z

0111: KOMMUNIZIERENDE RÖHREN

1000: BLINDER FLECK

EINS: STROM AN

1001: OPSROOM

1010: DER STEUERMANN

1011: DIE GRENZEN DES WACHSTUMS

1100: ALGEDONISCHE SCHLEIFE

1101: DER STREIK

1110: AN ODER AUS

1111: ECHTZEIT

NACHWORT UND DANK

Autorenporträt

Über das Buch

Impressum

Den Opfern der chilenischen Diktatur 1973 bis 1989 gewidmet

Gegen die Zeit

NULL

STROM AUS

Dann bedachte ich, dass alle Dinge einen genau treffen, genau jetzt.

Jahrhunderte um Jahrhunderte, und alles geschieht nur in der Gegenwart; zahllose Menschen in der Luft, am Boden und auf See, und doch geschieht alles, was wirklich geschieht, mir …

Jorge Luis Borges: Der Garten der Pfade, die sich verzweigen

0000

11. SEPTEMBER 1973

Während draußen geschossen wurde, blieb ich in meinem Zimmer, hungrig, in dumpfer Sorge vor einer Infektion, in Gedanken bei Ana. Ich tat nichts als darauf zu warten, dass sie mich holten.

Es würde sich nicht ankündigen. Die Soldaten würden in der Nacht kommen oder am frühen Morgen, sie würden nicht klopfen. Ich malte mir aus, wie sie mich aus dem Haus schleifen und auf die Ladefläche eines ihrer Trucks prügeln würden. Ich stellte mir vor, wie ein Gewehrkolben meinen Kiefer bräche, fuhr mit der Zungenspitze über die Stelle, wo ein Zahn gewesen sein würde. Versuchte, mich vorgreifend an den Verlust von Dingen zu gewöhnen, die mir bislang selbstverständlich und teuer gewesen waren. Dachte an meine Freunde, für die meine Gedankenspiele womöglich in diesen Augenblicken Wirklichkeit wurden, an Óscar, unser Team im CORFO und bei INTEC. Meine Sorge lähmte jedes Handeln, betäubte mein Wollen, sogar den Hunger.

Señora Lorca, meine Vermieterin, hatte weder Telefon noch Fernseher, im Radio waren nur schnarrende Anweisungen zu hören, ansonsten Arbeiterlieder oder preußische Märsche, je nach Sender. Ich wusste und erfuhr nichts über die Lage draußen, konnte sie nur am Kreisen der Helikopter ermessen, mit denen man die Einhaltung der Ausgangssperre kontrollierte, und an der Häufigkeit der Feuergarben. Die Ereignisse schienen mich zu verhöhnen: Ich hatte im CORFO an der Beschleunigung unserer Informationen gearbeitet, an einem System, das alles erfährt und nichts vergisst, einem rauschenden Strom allen Wissens. Mit einem Mal war dieser Strom versiegt.

Señora Lorca hatte das Haus schon vor Monaten in Richtung Punta Arenas verlassen, wo ihr Bruder wohnte. Ich wusste, das war ein schlechtes Zeichen. Sie hatte am »Marsch der leeren Töpfe« teilgenommen, den scheinheiligen Protesten gegen die Mangelwirtschaft, vorgebracht von jenen, die die Lebensmittel in ihren eigenen Kellern und Garagen horteten: den Momios. Sie hatte sich aus dem Staub gemacht, weil sie wusste, dass etwas bevorstand.

Die Stimme Pinochets im Radio war verzerrt, Frequenzen pfiffen und knarzten, doch ich verstand alles, worauf es ankam. Ich redete mir ein, das Regime sei lediglich ein Provisorium, gültig für eine, vielleicht zwei Wochen, Diktatur auf Zeit. Ich dachte es, ohne daran zu glauben; mein Körper, von Panik vergiftet bis in die zitternden Nervenspitzen, wusste es besser.

Warum hatte ich das Land nicht verlassen?

Chile ist am Ende der Welt eingekeilt zwischen den Anden im Osten und dem Pazifik im Westen. Nördlich von Santiago beginnt, nach einem kargen letzten Aufbäumen von Vegetation im Kleinen Norden, die brüllende Leere der Atacama-Wüste. Bleibt der Süden. Dort gibt es allerdings keine Länder mehr, keinen Fluchtpunkt, nichts, worauf die Hoffnung lohnte, nur die Pracht souveräner Geografie und schließlich das ewige Eis. Der Flughafen war geschlossen.

Selbst wenn es die Möglichkeit gegeben hätte: Ich war paralysiert. Es kam einem klinischen Zustand gleich. Man ist zur Entscheidung unfähig, obwohl man am Brennen seiner Nerven fühlt, dass man eine treffen muss, sofort, noch in diesem Augenblick. Gleichzeitig ist da die Furcht, es könne die falsche und letzte sein. Man hasst sich für die Schwäche, sich mit dem Vermeiden einer Entscheidung gegen seine Überzeugungen zu entscheiden.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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