Geisel des Piraten - Keira Andrews - E-Book

Geisel des Piraten E-Book

Keira Andrews

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Beschreibung

Wird ein jungfräulicher Gefangener der sündhaften Berührung dieses Piraten widerstehen können? Nathaniel Bainbridge ist daran gewöhnt, sich zu verstellen – sei es in Bezug auf seine Schwierigkeiten beim Lesen oder im Hinblick auf sein verbotenes Verlangen nach Männern. Unter dem Druck und der Knute seines ihn kontrollierenden Vaters, des Gouverneurs von Primrose Isle, segelt er in Richtung der gerade gegründeten Kolonie. Dort soll er zugunsten des Familienvermögens eine anständige Heirat eingehen. Dann schlagen die Piraten zu und er wird vom Sea Hawk, einem legendären Schurken der Neuen Welt, entführt, um Lösegeld zu erpressen. Verbittert und erschöpft hegt Hawk den aussichtslosen Traum, die See zugunsten eines zurückgezogenen Lebens zu verlassen, aber Männer wie er verdienen keinen Frieden. Er hat mit Nathaniels Vater, eben dem Mann, dessen Betrug ihn in die Piraterie gezwungen hat, noch eine Rechnung offen, und er ist überzeugt davon, dass Nathaniel genauso verachtenswert ist wie sein Vater. Dennoch: Während die Tage auf engstem Raum vergehen, wirken Nathaniels lebhaftes Temperament und seine verlockende Unschuld bezaubernd und verführerisch. Obwohl Hawk weiß, dass er Distanz wahren muss, wächst das Verlangen danach, Nathaniel beizubringen, welche Lust Männer miteinander teilen können. Es ist allerdings auch nicht so, dass Hawk nur Lust für ihn empfinden würde …

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Seitenzahl: 488

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Keira Andrews

Geisel des Piraten

Aus dem Englischen von Julie Werner

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2021

http://www.deadsoft.de

© Keira Andrews

Originaltitel: Kidnapped by the pirate, 2017

Übersetzung: Julie Werner

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© freya-photographer – Shutterstock.com

© fergregory – Stock.adobe.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-480-3

ISBN 978-3-96089-481-0 (epub)

Anmerkung der Autorin

Ich bin Alicia, Anara, Becky, Mary, Leta Blake, Davina Jamison und Robert Winter für ihre Hilfe beim Schreiben dieses Romans so dankbar. Vielen Dank auch an die Sprachpathologin Elizabeth J. für ihre unschätzbare Hilfe.

Obwohl ich in meinen Büchern immer nach Genauigkeit strebe – historisch und auch sonst – nehme ich mir manchmal etwas kreative Freiheit heraus. So bin ich mir sicher, dass auch ihr wisst, dass Primrose Isle rein fiktiv ist.

Inhalt:

Wird ein jungfräulicher Gefangener der sündhaften Berührung dieses Piraten widerstehen können?

Nathaniel Bainbridge ist daran gewöhnt, sich zu verstellen – sei es in Bezug auf seine Schwierigkeiten beim Lesen oder im Hinblick auf sein verbotenes Verlangen nach Männern. Unter dem Druck und der Knute seines ihn kontrollierenden Vaters, des Gouverneurs von Primrose Isle, segelt er in Richtung der gerade gegründeten Kolonie. Dort soll er zugunsten des Familienvermögens eine anständige Heirat eingehen. Dann schlagen die Piraten zu und er wird vom Sea Hawk, einem legendären Schurken der Neuen Welt, entführt, um Lösegeld zu erpressen.

Verbittert und erschöpft hegt Hawk den aussichtslosen Traum, die See zugunsten eines zurückgezogenen Lebens zu verlassen, aber Männer wie er verdienen keinen Frieden. Er hat mit Nathaniels Vater, eben dem Mann, dessen Betrug ihn in die Piraterie gezwungen hat, noch eine Rechnung offen, und er ist überzeugt davon, dass Nathaniel genauso verachtenswert ist wie sein Vater. Dennoch: Während die Tage auf engstem Raum vergehen, wirken Nathaniels lebhaftes Temperament und seine verlockende Unschuld bezaubernd und verführerisch. Obwohl Hawk weiß, dass er Distanz wahren muss, wächst das Verlangen danach, Nathaniel beizubringen, welche Lust Männer miteinander teilen können. Es ist allerdings auch nicht so, dass Hawk nur Lust für ihn empfinden würde …

Widmung

Ich bin in den 80ern mit dem Lesen von Bodice Rippern (in Deutschland Nackenbeißer oder auch Miederreißer genannt)

Kapitel Eins

1710

Wenn Piraten das blutige, wilde Ende von Nathaniel Bainbridge sein sollten, dann hoffte er darauf, dass sie ihn wenigstens schnell erledigten.

Unter seinen nackten Füßen war das windumtoste Deck feucht und erinnerte ihn an das taubenetzte Gras zu Hause. Was würde er nicht alles für die Freiheit geben, über die Felder von Hollington zu laufen, mit dem Wind in seinen Ohren, der das gleichmäßige Schlagen seines Herzens übertönte, und dabei die Welt hinter sich zurückzulassen.

Stattdessen war er umgeben von der endlosen, unruhigen See, die ihn in ihrer Wildheit zu verspotten schien. In England hatte er unzählige Geschichten von niederträchtigen Seeräubern und ihren heimtückischen Taten gehört. Die Menschen sprachen von dem Ozean, als ob es dort von Piraten nur so wimmelte, aber bis jetzt hatte die Reise Meile um Meile aus… Nichts bestanden.

Nathaniel schüttelte den Kopf über seine eigene Dummheit. Natürlich wünschte er sich nicht tatsächlich, dass Piraten ihr Schiff angriffen und sie massakrierten. Wenn er sich nur bewegen könnte, würde es ihm gelingen, die Langeweile in Schach zu halten.

Er umfasste die Reling und sehnte sich dabei nach Schmutz unter seinen Fingernägeln, nach Kratzern an seinen Händen, die er sich von der Baumrinde zuzog, während er kletterte und erkundete, und nach wunderbar schmerzenden Muskeln von stundenlangem Schwimmen im See. Könnte er doch nur eine Meile weit laufen. Kaum eine Entfernung, aber gefangen auf diesem Schiff kam ihm so viel freies Land wie ein Wunder vor.

Er wischte sich die Gischt aus den Augen. Wenn doch nur die Fähigkeit, schnell zu laufen und zu schwimmen in seiner Welt irgendetwas zählte, statt als kindische Torheit betrachtet zu werden, der er längst hätte entwachsen sein sollen. Männer kletterten nicht auf Bäume und schwammen nicht stundenlang, und ganz gewiss liefen sie nicht um des reinen Vergnügens Willen, so wie er es auf Hollington getan hatte.

Natürlich gehörte ihnen das Anwesen nicht mehr. Es war verkauft worden, um die Schulden zu tilgen. Selbst wenn er eines Tages wieder nach Kent reisen würde, würde er niemals in die liebliche Hügellandschaft zurückkehren. Die sattgrünen Bäume und der runde, stille See waren jetzt die Heimstatt einer anderen Familie.

Nein, in absehbarer Zukunft würde Primrose Isle seine Heimat sein: eine junge Kolonie, die sein Vater unbedingt florieren sehen wollte. Walter Bainbridge hatte sein Glück mitnichten in England gefunden, und als Gouverneur in der Neuen Welt stand ihm nun das zur Verfügung, was er am allermeisten liebte: Macht.

Auch Nathaniels zukünftige Braut wartete dort. Elizabeth Davenports Erbe versprach ein Vermögen, und damit die Kolonie – und Walter – wachsen und gedeihen konnten, mussten Allianzen geschlossen werden. Also würde Nathaniel das einzig Nützliche beitragen, was er konnte. Und heiraten.

Er wischte sich einen frischen Spritzer des salzigen Meerwassers aus dem Gesicht und starrte hinaus in die endlose Nacht, während er die Reling weiter fest umklammerte. Sein Hemd bauschte sich im Wind und unten an den Beinen lösten sich die Verschlüsse seiner Kniehose.

Im Dunkeln gab es niemanden, der seinen halb ausgezogenen Zustand kommentierte, und er vermutete, dass es die Mannschaft sowieso einen feuchten Kehricht scherte. Die Spitzen seiner frisch geschnittenen Haare kräuselten sich in der Feuchtigkeit. Er strich sich eine Locke hinters Ohr. Es war sein ganz eigener kleiner Akt der Rebellion gewesen, es viel kürzer als die meisten Gentlemen schneiden zu lassen. Und ganz sicher würde er auch keine der gefürchteten Perücken tragen – nicht, solange er es verhindern konnte.

Die Wolken verschworen sich und verbargen die Sterne und die hauchdünne Sichel des Mondes. Er zitterte in der Kälte der Spätseptembernacht; er hätte sich doch besser für die verhassten Schuhe und die Jacke entscheiden sollen. Wenigstens hatte der Wind jetzt nicht mehr der die bittere Kälte des Atlantiks, je näher sie den Westindischen Inseln kamen. Er verlagerte sein Gewicht von einem Bein aufs andere und stampfte dann wie ein ungeduldiges Rennpferd an der Startlinie.

Die Proud William hatte eine beachtliche Größe und war ein Handelsschiff, das eine Ladung Salzfisch und geschmiedete Werkzeuge zu den Kolonien bringen sollte. Als er nur einen leichten Trab über das Hauptdeck versucht hatte, hatte die Mannschaft im besten Fall mit Verwirrung und im schlimmsten Fall mit Feindseligkeit reagiert.

Zu Laufen war seine Lieblingsbeschäftigung und das, was er im Leben am besten konnte, sehr zum Missfallen seines Vaters. Im Sommer im See zu schwimmen und mit sicheren, gleichmäßigen Schwimmzügen durch das stille Wasser zu pflügen, war ihm gleichfalls eine Freude.

Jetzt zwar meilenweit von Wasser umgeben zu sein, aber nicht darin eintauchen und die verkrampften Muskeln lockern zu können, war die größte Qual. Er hatte den Captain gefragt, ob er wenigstens auf den Mast klettern dürfe oder bis in die Segeltakelage, und war rundweg abgewiesen worden. Also stand er Steuerbord an der Reling und ging hin und wieder auf und ab, sorgfältig darauf bedacht, der Mannschaft aus dem Weg zu gehen.

Wenigstens war ihm gesagt worden, dass sie gut vorankamen und dass sie nach einem Monat Reise – um genau zu sein, einunddreißig Tage und circa dreizehn Stunden, nachdem sie England verlassen hatten – die Insel innerhalb von weiteren vierzehn Tagen erreichen würden. Wenn der Wind anhielt. Er hatte gehört, dass manche Schiffe mehrere Monate brauchten, um die Kolonien zu erreichen. Segler konnten London an ein und demselben Tag verlassen und mit einer zeitlichen Differenz von mehreren Wochen ihr gemeinsames Ziel erreichen. So war nun mal das Wesen des Meeres.

Ins Nichts starrend, hielt er plötzlich in seiner ruhelosen Bewegung inne und blinzelte. Die schwach leuchtende Sichel des Mondes war sekundenlang den Wolken tapfer entkommen, und Nathaniel glaubte, eine seltsame Bewegung zu erkennen. Die Nacht selbst schien kurz Gestalt anzunehmen und verwandelte sich dann wieder zu einer einheitlichen Schwärze. Vielleicht war es eine große Kreatur aus den Tiefen des Ozeans gewesen, die hinauf an die Oberfläche getaucht war – ein Wal oder ein gigantischer Tintenfisch oder irgendein anderes geheimnisvolles Monster. Er lachte in sich hinein. Heute Abend hatte Susanna Fabeln aus einem der ledergebundenen Folianten vorgelesen, die sie von zu Hause mitgenommen hatte, und seine Fantasie ging eindeutig mit ihm durch.

Sie war schon immer die Nachsichtigere seiner beiden älteren Schwestern gewesen, und er wusste, dass sie die Bücher eingepackt hatte, die ihm gefielen, obwohl auch sie eher eine Vorliebe für abenteuerliche Geschichten hatte als für die rührseligen Erzählungen, die Damen eigentlich lesen sollten. Sie hatten beide mit großem Vergnügen das Tagebuch eines Marinekapitäns gelesen, der auf mehreren Schiffen gedient und das Leben an Bord lebendig und ausführlich beschrieben hatte.

Gleichwohl die Kabine, die sie sich teilten, winzig war, bot sie ihnen wenigstens etwas Ungestörtheit. Er sollte sich wirklich zu ihr gesellen, um zu schlafen und einen weiteren endlosen Tag zu beenden, aber die Wände dort schienen ihn wie in einem Gefängnis einzuschließen. Susannas beinahe donnerndes Schnarchen war ebenfalls nicht besonders hilfreich, aber er gönnte ihr ihren tiefen Schlaf von Herzen.

Zum hundertsten Mal fragte er sich, wie sein Leben auf Primrose aussehen würde. Die Kolonie war erst ein paar Jahre alt, und hinter vorgehaltener Hand hatte er von Problemen mit Ackerbau und Handel gehört, Gerüchte über Korruption und über Siedler, die schon jetzt wieder ihr Hab und Gut zusammenpackten. Er würde dazu gezwungen sein, für seinen Vater zu arbeiten oder einer anderen Tätigkeit nachzugehen, die ihm zugeteilt werden würde, so wie Susannas Ehemann Bart.

Der attraktive Bart war dreißig und mittellos, aber aus einem guten Stall und von angenehmem Wesen. Er und Susanna hatten aufeinander bestanden und mehrere Jahre gewartet, bis beide Väter nachgegeben und der Verbindung zugestimmt hatten. Bart schien darüber so glücklich gewesen zu sein, dass er Vaters Geboten gefolgt war, einschließlich des frühen Aufbruchs nach Primrose vor ein paar Monaten, nicht ahnend, dass Susanna sein Kind in sich trug.

Wenn Walter Bainbridge eine Forderung stellte, wurde sie befolgt. Manchmal wunderte Nathaniel sich, wie ein Mann, den er seit seiner Kindheit nur selten gesehen hatte, eine so große Bedeutung in seinem Leben einnehmen konnte. Susanna und Bart hatten es gehasst, sich trennen zu müssen, aber sie wurde gebraucht, um den Auszug aus dem Anwesen und die Auktion der wertvolleren Stücke zu überwachen. Gewiss konnte dies nicht Nathaniel überlassen werden, der nicht mal gewusst hätte, womit er beginnen sollte, da er so viel Zeit außerhalb des verzierten Hauses verbracht hatte, wie er nur konnte.

Nathaniel hatte es in Betracht gezogen, sich zu weigern, als er und Susanna fortzitiert worden waren. Aber was sollte er tun? Wo sollte er leben? Seine Heirat mit Elizabeth war von ihren Vätern arrangiert worden, und falls er seine Pflicht nicht erfüllte, würde Walter ihn enterben. Nichts würde ihm bleiben, nicht mal ein Dach über dem Kopf. Er schmeckte bittere Galle. Nein, das würde nicht gehen. Also auf Richtung Primrose Isle, um zu heiraten, wie sein Vater es für richtig hielt.

Von Elizabeth Davenport wusste er nur, dass sie einige Jahre mit ihrer wohlhabenden Familie in Jamaika gelebt hatte, bevor ihr Vater sich mit Walter zusammengeschlossen hatte, um auf Primrose Isle eine Reederei zu gründen. Nun, er wusste auch, dass ihre Handschrift ausnahmslos ordentlich war, und durch Susannas Zusammenfassung des Briefes wusste er auch, dass sie gerne stickte und sich wahrlich darauf freute, ihr Leben mit ihm zu teilen. Er hatte ihren Brief kurz vor seinem Aufbruch aus England erhalten und ihn auf dem Kaminrost in seinem Zimmer verbrannt. Wenigstens war die Reise eine angemessene Entschuldigung dafür, ihr nicht zu antworten.

Und so sehr er sich auch wünschte, in England zu bleiben: er konnte er es nicht zulassen, dass seine geliebte Schwester Susanna den gefährlichen Atlantik allein überquerte. Obwohl – wenn man in Betracht zog, wie reibungslos die Reise bis jetzt verlaufen war, auf der ein absoluter Mangel an Seemonstern geherrscht hatte und selbst ein nennenswerter Sturm ausgeblieben war, hätte er sich keine Sorgen um sie machen müssen. Dennoch, jetzt war es so.

Schon vor Jahren hatte er akzeptiert, dass er schwachsinnig war, und obwohl er wusste, dass er dankbar für die Möglichkeit sein sollte, wenigstens eine gewisse Position in der neuen Kolonie einnehmen zu können, fürchtete er die Vorstellung, einmal mehr wirklich unter der Knute seines Vaters zu stehen. Es war ein Segen gewesen, seinen Vater jahrelang auf der anderen Seite der Welt zu wissen. Vermutlich sollte er bei solch kleinlichen Gedanken eigentlich Reue empfinden, aber es gab für ihn noch viel mehr Schuld zu tilgen. So viel mehr, in der Tat.

Er wandte sich von der Reling ab und resignierte angesichts der Vorstellung einer weiteren langen Nacht in der schaukelnden Hängematte. Susanna schlief natürlich auf dem Feldbett in der einzigen Kabine, die sein Vater sich jetzt noch leisten konnte, da er so viel Geld verprasst hatte.

Ein Schrei über ihm durchdrang die Nacht, und Nathaniel sprang vor Schreck in die Höhe.

»Segel!«

In der einsetzenden Hektik und den lauten Rufen drückte er sich an die Seite, während die Besatzung wie eine Horde Ameisen aus dem Bauch des Schiffes auftauchte. Nathaniel spähte in die Dunkelheit und wandte den Kopf hin und her, konnte aber zunächst nichts erkennen. Dann sah er es: Der Rumpf eines Schiffes tauchte aus der Nacht auf. Es war stockdunkel, kein Licht brannte dort, und es schien von der Proud William angezogen zu werden wie eine Motte vom Licht. Nathaniel wurde schlecht. Sein Magen drehte sich und ihm wurde klar, dass er jetzt wirklich ein Monster vor sich hatte, und es war direkt über ihnen.

Er stürzte hinunter zu ihrer Kabine und riss die Tür auf. Haselnussbraune Locken fielen über Susannas Schultern, als sie sich erschrocken im Bett aufsetzte. Ihr Buch fiel zu Boden. Sie drückte eine Hand auf ihren runden Bauch und rief: »Was ist denn?«

»Ich glaube, es sind Piraten!« Als er es aussprach, konnte er seinen eigenen Worten kaum glauben. Hatte er sie herbeigerufen, als er über Langeweile gemurrt hatte? Oh, welch ein Narr er gewesen war.

Das Blut wich aus Susannas lieblichen, runden Gesicht. »Piraten?«

»Ich weiß nicht, wer es sonst sein sollte.« Hastig klappte er eine Truhe auf, wühlte darin nach seinem Dolch und verwünschte sich dabei, nicht doch schon eher den Alarm ausgelöst zu haben. Seine Gedanken rasten, während er den Griff der Waffe zu fassen bekam, die Lederscheide abzog und beiseite warf. Über ihnen donnerten Schritte und ließen die Decke beben, Staub wirbelte auf und Schreie erfüllten die Luft.

Susanna sah auf ihr Nachthemd hinunter und verzweifelte. »Es bleibt keine Zeit mehr für Unterröcke und ähnlichen Unsinn.« Sie zog sich ihr fließendes grünes Kleid über den Kopf und sagte durch den Stoff gedämpft: »Mein Gott, das sind wirklich Piraten, oder? Oh, ich glaube, ich stecke fest.«

Nathaniel half ihr, das Kleid über ihren geschwollenen Bauch zu ziehen. Sie tauchte aus den Falten des weichen Stoffes auf und spähte zur Decke, als könnte sie hindurchsehen. Wieder laute Schritte und lautes Schlagen. Angespannte Stimmen schrien Befehle, die zu weit weg waren, um sie zu verstehen.

Susanna flüsterte: »Keine Gewehrschüsse. Müssen zu viele sein. Die Mannschaft wehrt sich nicht. Hilf mir, das hier zu schließen.« Sie trug ihr Korsett nicht mehr und hatte damit während ihrer Schwangerschaft die neue französische Mode übernommen.

Als er endlich so viel Stoff zusammengerafft und festgesteckt hatte, dass das Kleid irgendwie hielt, wobei er sich in seiner Hast in den Finger gestochen hatte und ein kleiner Blutstropfen hervorquoll, zog er sich hastig seine eigenen Strümpfe an, befestigte sie an seiner Kniehose und quetschte die Füße in seine Schnallenschuhe. Er würde diesen Briganten nicht nur halb bekleidet gegenübertreten. Seinen Dolch steckte er sich in den hinteren Hosenbund, dann warf er sich seine Weste über und fummelte die Knöpfe durch die Knopflöcher. Für sein Halstuch und das Jackett blieb dagegen keine Zeit mehr. Schon erklangen laute Stimmen im Korridor. Verspätet wirbelte er herum, suchte nach etwas, mit dem er die Tür verbarrikadieren konnte.

Susanna hatte anscheinend den gleichen Gedanken gehabt. »Die Koffer sind nicht schwer genug. Außerdem wird es sie nur in Rage versetzen. Es hat keinen Zweck.«

»Stell dich hinter mich.« Er drängte sie in den hinteren Bereich der Kabine, der kaum breiter war als sein ausgestreckter Arm.

»Pass auf, was du sagst«, warnte sie ihn. »Du weißt, dass deine Gedanken manchmal direkt aus deinem Kopf auf deine Zunge springen, bevor du sie noch einmal abwägst.«

Er schnaubte. »Worüber genau soll ich deiner Meinung nach mit Piraten sprechen?«

»Pst!« Sie schlug ihm auf die Schulter.

Sie warteten, lauschten. Noch mehr donnernde Fußtritte und Rufe, die eine unwiderlegbar barbarische Qualität hatten. Nathaniel standen die Haare zu Berge. Sein Mund wurde trocken. Vielleicht würden die Piraten an ihrer Kabine vorbeigehen. Vielleicht würden sie nur die Fracht plündern und sich damit zufriedengeben. Vielleicht …

Die Tür wurde aufgerissen und flog fast aus den Angeln. Nur mit Mühe konnte Nathaniel einen Schrei unterdrücken. Sein Herz klopfte so laut, dass die beiden Eindringlinge es sicher ebenfalls hören mussten. Einer der beiden strich sich sein struppiges Haar aus den Augen. Beide sahen abgerissen aus; sie trugen schmutzstarrende Hosen, die genauso sackartig wie ihre Hemden an ihnen herunterhingen, und ihre Stiefel waren abgenutzt.

Der langhaarige Mann ließ seine Knopfaugen an ihnen auf und ab wandern. Er fragte seinen gedrungenen Kumpanen: »Hast du schon mal 'ne Hündin mit 'nem Welpen drin gefickt?«

Nathaniel drehte sich der Magen um. Woher wussten sie das? Susanna versteckte sich hinter ihm. Er hob das Kinn und versuchte krampfhaft, mit kräftiger Stimme zu sprechen. »Ihr werdet meine Schwester mit euren schmutzigen Fingern nicht einmal anrühren!«

Der Gedrungene ignorierte ihn. Er lächelte anzüglich und entblößte dabei abgebrochene gelbe Zähne. »Süß und saftig, ich sag's dir.«

Hinter ihm grub Susanna ihre Finger in Nathaniels Schulter. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er zog seinen Dolch aus dem Hosenbund und schwang ihn in Richtung der Piraten. »Bleibt zurück!«

Die beiden blinzelten Nathaniel verdutzt an, dann brachen sie gleichzeitig in raues Gelächter aus. Der langhaarige Mann schnappte nach Luft und keuchte: »Oh nein, wir sind geliefert, Deeks!«

Schwere Tritte erklangen im Korridor, unverschämt und gebieterisch. Die beiden Männer strafften die Schultern und traten beiseite, als ein Mann in der Tür erschien. Seine Schultern berührten fast den Türrahmen. Er war groß genug, um sich beim Eintreten leicht bücken zu müssen. Sein scharfer Blick wanderte durch die Kabine, die noch nie so klein erschienen war.

Er trug Schwarz vom Kopf bis zu den goldenen Stiefelspitzen, ein Hemd mit offenem Kragen, eine Hose, die in die kniehohen Stiefel gestopft war, und einen langen Ledermantel, der sich hinter ihm bauschte. Eine Pistole steckte in seinem breiten Gürtel und ein Entermesser blitzte an seiner Hüfte. Die Gürtelschnalle war aus funkelndem Gold. Sie passte zu dem kleinen quadratischen Ohrring in seinem linken Ohr, den Ringen an seinen Fingern und den Spitzen dieser schwarzen Stiefel. Die Enden einer roten Schärpe hingen von seiner Hüfte herab. Abgesehen vom Gold, war das der einzige Farbtupfer an ihm. Er musste doppelt so alt sein wie Nathaniel. Sein Gesicht war wettergegerbt und eine Narbe zog sich über seine linke Schläfe. Sein dunkles Haar war ziemlich kurz geschnitten – das war überraschend, denn Nathaniel hätte eigentlich erwartet, dass alle Piraten lange, ungepflegte Haare hatten wie die Tiere, die sie nun mal waren.

Sein sorgfältig getrimmter Bart beschattete seinen ausgeprägten Kiefer. In dem gedämpften Licht konnte Nathaniel die Farbe seiner zusammen gekniffenen Augen nicht erkennen, und er stellte sich vor, dass sie so schwarz sein mussten wie die Seele des Piraten. Vielleicht war er sogar der Teufel höchstselbst.

Nathaniels Hand schwitzte am Griff seines Dolchs und beschämt wurde ihm klar, dass sein ausgestreckter Arm zitterte. Sein Hals fühlte sich schmerzhaft trocken an, als er krächzte: »Wir … wir besitzen nichts von Wert. Kein Gold oder Juwelen, die Eure Mühe wert wären.«

Susanna fügte hinzu: »Selbst mein Ehering ist nur vergoldet.«

Tully, eines der jungen Crewmitglieder der Proud William, hatte die Kabine betreten. Der Mann – ohne Zweifel der Kapitän der Piraten – sah ihn fragend an. Tully nickte. »'s stimmt. Nur Kleidung un' Kinkerlitzchen in ihr'n Koffern.« Er schnüffelte missbilligend und schüttelte seinen roten zotteligen Haarschopf. »Nichts irgendwo versteckt hier drin. Konnten nix finden, seit wir London verlassen ham.«

Nathaniel hatte eigentlich besser von der Mannschaft gedacht, aber jetzt sah er, wie naiv er gewesen war. Es musste Tully gewesen sein, der die Piraten darüber informiert hatte, dass Susanna ein Kind erwartete. »Was für ein elender Feigling du bist, Tully.«

Er schnaubte. »Sobald ich die Flagge erkannt hab, wusste ich, dass wir erledigt sind. Jeder weiß, dass der Sea Hawk dich vom Vordersteven bis zum Heck ausweidet, wenn er dich ers'ma' in den Krallen hat. Ich werd' bestimmt nich' sterben für 'ne Fracht, die mir scheißegal is', und für 'nen Käpt'n, der uns wie Dreck behandelt.«

»Euer Ziel ist Primrose Isle?« Der Pirat, dieser Sea Hawk, sprach ruhig und gelassen.

»Ja«, antwortete Nathaniel. »Es ist eine neue Kolonie.«

Tully nickte. »Ihr Ehemann is' da. Wir sollen sie da bei ihrem Vater absetzen. Der alte Mann is' da Gouverneur oder so.«

In diesem Augenblick schien Sea Hawk zusammenzuzucken, aber eine Sekunde später war er wieder ganz ruhig, furchteinflößend und leidenschaftslos. Nathaniel hatte sich das Zucken wohl nur eingebildet. Dennoch glomm jetzt ein Funken in den teuflischen Augen auf und Angst durchströmte Nathaniel. Sea Hawk kam näher, bis er sich unmittelbar vor Nathaniel auftürmte. Dann verlangte er in der gleichen bedächtigen und dennoch gebieterischen Art wie zuvor zu wissen: »Dein Name, Junge.«

Mit hämmerndem Herzen brachte er nur ein »Äh …« hervor.

»Dieser hier wird Bainbridge genannt«, sagte Tully hilfsbereit.

»Bainbridge«, wiederholte der Captain, die Stimme jetzt ein kaum hörbares Flüstern. »Wie in Walter Bainbridge?«

Seine Finger am Dolch wurden taub, aber Nathaniel nickte. Morgen würde er dort blaue Flecken haben, wo Susanna sich an ihn klammerte. Er spürte ihre hektischen Atemzüge im Nacken. Es machte keinen Sinn, es zu leugnen. »Unser Vater.«

»Du bist der Sohn, für den Walter Bainbridge seine Frau getötet hat?« So unmittelbar im Interesse des Captains zu stehen, jagte Nathaniel eine Gänsehaut über den Rücken. Er konnte ein Zusammenzucken nicht verbergen und nickte. Seine Mutter hatte ihn nicht mal mehr in den Armen halten können, bevor sie ihr Blut ganz und gar vergossen hatte. Susanna war sechs Jahre alt gewesen und hatte durch das Schlüsselloch zugesehen. Sie hatte Nathaniel nach seiner endlosen Fragerei schließlich alles gestanden, als er noch ein kleiner Junge gewesen war. Sonderbar, dass er selbst nach über achtzehn Jahren noch immer den schmerzhaften Verlust einer Berührung spüren konnte, die er in Wahrheit nie erfahren hatte.

Die Augen des Captains leuchteten auf. Gütiger Gott, der Mann war ein Riese. Nathaniel war mit einem Meter siebzig selbst ziemlich groß, aber dieses Monster überragte ihn noch und maß mindestens einen Meter fünfundachtzig. Um sich zu behaupten, blieb Nathaniel nichts anderes übrig, als standhaft auf seinem Platz stehen zu blieben und nicht nach hinten zu Susanna zurückzuweichen. Die Spitze seines Dolches bebte in seiner Hand, nur Zentimeter von dem schwarzen Herzen des Schurken entfernt.

Sea Hawk sah auf sie herab, als wären sie nur eine Art Beute für ihn, die er am liebsten sofort verschlungen hätte. »Euer Vater ist ein Lügner. Korrupt. Ein Übeltäter mit Seidenstrümpfen und feiner Lockenperücke.«

Nathaniel schluckte schwer, seine Hand zitterte. Sollte er ausholen und den Dolch in das Herz dieses bösen Mannes stoßen? Nicht, dass er besonders viel Liebe für seinen Vater empfand, aber hatte ein Pirat ihn über Übeltäter zu belehren?

Die Augen des Mannes glühten jetzt vor Hass. »Euer Vater hat mich betrogen. Er hatte die Aufgabe, für Gerechtigkeit, für Fairness zu sorgen. Stattdessen hat er eine Verschwörung angezettelt, um mich zu bestehlen. Er hat mich als Pirat gebrandmarkt, als ich ein Freibeuter war.«

»Ist das nicht ein- und dasselbe?«, platzte Nathaniel heraus.

Als die Nasenflügel von Sea Hawk sich aufblähten, grub Susanna ihre Nägel in Nathaniels Schulter. »Nein, das ist es verflucht noch mal nicht«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Freibeuter sind staatlich lizenziert. Legal. Freibeuter folgen Regeln. Gesetzen. Genauso, wie es Euer Vater als Richter am Gericht in Jamaika hätte tun sollen. Euer Vater versuchte, meinen Männern und mir alles zu nehmen, wofür wir gearbeitet und gelitten haben. Wir sind ihm entkommen, aber nach all den Jahren hat er nie dafür bezahlt.«

Furcht überfiel Nathaniel. Wieder einmal würden die Gier und Habgier seines Vaters Leid bringen. Wenn es Walters Schuldenberge nicht geben würde, wären Nathaniel und Susanna immer noch sicher zu Hause und würden bis zur Geburt des Babys warten, um die Reise zu unternehmen. Hollington müsste überhaupt nicht verkauft werden. Aber jetzt waren sie hier und sahen sich der Gnade der Piraten ausgeliefert.

Oh Gott. Bitte verschone Susanna und ihr Kind!

Bei dem Gedanken daran, dass seiner Schwester etwas zustoßen könnte, stieg ihm Galle in die Kehle, er spürte Angst klamm auf seiner Haut. Schweiß rann seine Wirbelsäule hinab. »Ich …« Er zerbrach sich den Kopf, um etwas, irgendetwas, zu sagen, einen Ausweg zu finden. Sein Dolch zitterte und er leckte sich über die trockenen Lippen. »Es tut mir leid.« Er musste das in Ordnung bringen.

Ein träges, grausames Lächeln verzog die Lippen des Teufels. »Das wird es.«

Kapitel Zwei

Hawk ignorierte den zitternden Dolch des Jungen und nickte seinen Männern zu. »Gebt diese Order an Mr. Snell weiter: Konfiszieren Sie jede Fracht, die es wert ist, mitgenommen zu werden. Lassen Sie Schiff und Besatzung unversehrt und mit genügend Nahrung und Wasser zurück, um zu überleben. Die Dame soll weiter nach Primrose Isle reisen. Unbehelligt.« Während die Männer hinaushuschten, gefolgt von dem rothaarigen Matrosen, der nur allzu freimütig alle Geheimnisse der Proud William preisgegeben hatte, blickte er auf Walter Bainbridges kostbaren Sohn herab. »Deine Reise dagegen wird sich verzögern.«

»Ver… verzögern?«, fragte Bainbridge. Er hatte ein glattes Gesicht und war schlank, langbeinig und mit gewöhnlichen braunen Augen. Seine kurzen hellbraunen Haare kräuselten sich feucht vor Schweiß. Er hatte vergessen, einen Knopf an seinem dunklen Wams zu schließen, und er hing schief über seinem weißen Hemd und der braunen Kniehose. Seine schwarzen Schuhe mit den quadratischen Spitzen waren überraschend abgewetzt, die weißen Strümpfe waren verrutscht. Rote Flecken überzogen seine blassen Wangen. Ganz sicher war er sein Leben lang, niemals mit der Verrichtung harter Arbeit belästigt worden. Äußerst unauffällig. Abgesehen von seiner Herkunft.

»Du kommst mit uns.«

Die Frau schrie auf. Hawk hätte fast gelacht, als Bainbridge all seinen Mut zusammennahm und sich auf ihn stürzte. Mit einer simplen Drehung und einem einzigen Griff befreite er ihn von seinem Dolch, der aus feinem Stahl und einem einfachen Holzgriff gefertigt war.

»Tut dir nicht weh, Junge. Dein Vater wird für eine Leiche kaum etwas zahlen.« Er erspähte die Scheide auf dem Boden und streckte eine gebieterische Hand danach aus. Bainbridge bückte sich und gab sie ihm zögernd. Hawk steckte die Waffe hinein und schob sie sich in den Gürtel.

»Zahlen?«, sprudelte Bainbridges Tochter hervor. »Aber er hat kaum Geld!«

Hawk trat auf sie zu. Eine Robe mäßigen Reichtums, aber Steine aus Strass. Er trat noch einen Schritt näher und sie wichen wie ein einziges Wesen zurück. Er fragte: »Und wie kam es dazu?« Wahrscheinlich kannte er fast die ganze Geschichte, aber vielleicht konnten seine Kinder ihn auch mit neuen Informationen versorgen.

Zögernd kam sie hinter ihrem Bruder hervor und stellte sich neben ihn, wobei sie seine Hand umklammerte. »Das Familienvermögen hat sein älterer Bruder bekommen. Er hat alles andere für seinen Traum von Primrose Isle verwendet. Es gelang ihm, das Gouverneursamt zu erreichen, aber abgesehen vom Geld der Krone für die Gründung der neuen Kolonie hat er kaum etwas.«

Der verdammte Hurensohn konnte noch nicht einmal mit meinem Geld haushalten, dass er mir gestohlen hat.

Die spanische Galeone war bis oben hin mit Gewürzen, Gold und Tonnen Rohsilber vollgeladen gewesen. Hawk krümmte sich innerlich immer noch bei dem Gedanken daran, wie stolz er gewesen war, als er mit seiner hart erarbeiteten Beute vor dem Admiralitätsgericht aufgetreten war. Bereit dazu, in Übereinstimmung mit den Regeln England seinen Anteil abzugeben, seinen Part zu leisten im Krieg gegen Spanien. Welch ein Narr er gewesen war.

Er gab vor, darüber nachzudenken. »In diesem Fall werde ich ihm die Fairness erweisen, die er mir verweigert hat.«

Die Geschwister atmeten aus, ihre Schultern senkten sich vor Erleichterung. Das Mädchen sagte: »Danke, Sir. Was immer unser Vater getan hat, ich schwöre …«

»Ich werde ihm einen Monat Zeit geben, die Mittel vor unserer Ankunft zusammenzubringen. Einhunderttausend Pfund.«

Wieder gleichzeitig fiel ihnen die Kinnlade herunter. Der Junge stieß hervor: »Das ist zu viel!«

Möglich, aber ein arroganter Mann, dem etwas an seinem Erben lag, würde einen Weg finden. Bainbridges Stolz würde ihm keine andere Wahl lassen. Außerdem hatte Hawk nicht jahrelang auf seine Rache gewartet, nur um jetzt nachsichtig mit dem Schwein zu sein. Er ignorierte ihre Bestürzung und verkündete: »Ungefähr in der Nacht des nächsten Neumonds werden wir auf Primrose Isle ankommen und uns zeigen. Euer Vater wird persönlich ein Skiff in den Hafen rudern. Und zwar allein. Er wird auf mein Schiff treffen. Ich werde seinen Sohn gegen das Lösegeld eintauschen. Ganz einfach.«

Bainbridges Kinder sahen sich an. Hoffnungslosigkeit breitete sich zwischen ihnen aus und Tränen liefen über die Wangen des Mädchens. Hawk verstand ihre Furcht, ihren Schrecken. Er erinnerte sich an seinen eigenen, nachdem er von ihrem Vater zu Unrecht verurteilt worden war, und weidete sich an ihrem Kummer.

Sie weinte: »Sir, habt Mitleid! Mein armer Bruder hat keine Sünde begangen.«

»Mitleid? Euer Vater hat mich geschaffen: den Sea Hawk. Und ich bin zu dem Monster geworden, dass er hervorgerufen hat, und zu noch so viel mehr.« Hawk fügte hinzu: »Und Euer Bruder wird nur der Erste sein, der leiden muss, wenn Bainbridge sich nicht fügt. Sagt Eurem Vater, dass seine kostbare Primrose Isleblutenund verbrennen wird, wenn er meine Forderungen nicht erfüllt.«

Sie öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, aber ihr Flehen um Gnade ermüdete Hawk und so schnitt er ihr das Wort ab.

»Kein Verrat, und Euer Bruder lebt. Aber wenn Bainbridge eine Verschwörung gegen mich anzettelt …« Er sprach leise. Eine ruhige Äußerung wirkte manchmal bedrohlicher als Anschreien. Er blickte den Sohn vielsagend an, der seinen Arm um die zitternden Schultern seiner Schwester gelegt hatte. »Wenn Euer Vater mich betrügt, stirbt dieser Junge. Schmerzhaft. Langsam. Ich werde ihn ausweiden wie einen Fisch, ihn in Scheiben schneiden und sie Eurem Vater eine nach der anderen schicken.« Er war mit seiner Rache so geduldig gewesen, und dies war sein Moment. Er ergriff ihn mit beiden Händen, hielt ihn fest und gab keinen Zentimeter nach.

Sie schnappte nach Luft und schlug eine Hand vor den Mund. Der Brustkorb vom jungen Bainbridge hob und senkte sich schnell, aber er hielt den Kopf hoch erhoben. Die Augen seiner Schwester dagegen quollen über mit noch mehr Tränen. »Bitte, ich flehe Euch an. Lasst meinen Bruder mit mir ziehen. Er wird heiraten! Wir fangen ein neues Leben an! Er hat noch nie einer Kreatur etwas zuleide getan. Er ist freundlich und gütig.«

Hawk seufzte innerlich. Genug davon.

Er bewegte überlegend seine Zunge in der Wange hin und her und lächelte sie anzüglich grinsend an. »Wenn Ihr es vorzieht, den Platz Eures Bruders einzunehmen …«

»Nein!«, schrie der Junge. Bainbridges Augen loderten mit einer Wildheit auf, die er zuvor hatte vermissen lassen. »Ich werde tun, was immer Ihr verlangt. Aber verschont meine Schwester.«

Hawks Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Wäre er ein weichherziger Mensch gewesen, hätte ihn das fast angerührt. Aber so wie die Dinge lagen, nun ja …

Schwer atmend riss Bainbridge seine Schwester an sich und umarmte sie. »Ich werde es schon schaffen. Ich liebe dich, Susie.«

Sie hing an ihm. »Geh nicht. Lass dich nicht von ihm mitnehmen.«

Mit dem Drang, die Augen zu verdrehen, zog Hawk Bainbridge aus der Kabine und zerrte ihn am Nacken heraus. Er kämpfte nicht, offensichtlich hatte er sich seinem Schicksal seiner Schwester zuliebe ergeben, oder vielleicht hatte er auch sein letztes bisschen Tapferkeit aufgebraucht.

Das Mädchen hätte für ihn keinen Nutzen gehabt. Wenn Hawk sich recht erinnerte, hatte Walter Bainbridge zwei Töchter. Aber es ging das Gerücht um, es gäbe auch einen Sohn, der seinen Namen weiterführen sollte, von dem er besessen war und den er über die Gesundheit seiner eigenen Frau gestellt hatte. Und nun war eben dieser Sohn in Hawks unmittelbarer Reichweite. Warum das Schicksal diese Nacht so vollkommen gesegnet hatte, würde er nie erfahren. Aber er würde es auch nicht hinterfragen. Nicht jeder Wind blies ihm so viel Glück in die Segel. Hier war endlich seine Chance auf Rache. Würde die Schlange das Geld aufbringen können? Vielleicht. Sogar wahrscheinlich, wenn man seine Beziehungen berücksichtigte. Aber zumindest hatte er seinen kostbaren Erben in der Gewalt. Oh, was würde er darum geben, das Gesicht des alten Mannes zu sehen, wenn er diese Neuigkeit hörte. Hawk lachte laut auf, das Wasser um ihn herum warf sein Entzücken in Wellen zurück. Er schob den Jungen zu Snell, der an der Reling stand. »Schauen Sie sich unsere Beute gut an, Herr Quartiermeister. Walter Bainbridges kostbarer Sohn.«

Snell war eine Haaresbreite größer als Bainbridge und um einiges umfangreicher; solide Muskeln verbargen sich unter den Fettschichten, die mit dem Alter gekommen waren, als er die Fünfzig überschritten hatte. Seine silbergeschmückten Finger packten Bainbridges Arm ohne Rücksicht. Dunkle Augen sahen Hawk unter schütter werdendem, blondem Haar an. Snell lachte mit weit geöffnetem Mund auf. Seine Ohrringe glänzten im Kerzenlicht. Sein schwarzes Hemd war halb aufgeknöpft und enthüllte ein Anker-Tattoo direkt unterhalb seines Halses. Er hatte sich fünf oder sechs davon in sein Fleisch stechen lassen. Hawk war mit einem zufrieden.

Nachdem er seine Befehle Snell gegenüber wiederholt hatte, gab Hawk die Lösegeldforderung an den Handelskapitän weiter, einen salzgegerbten alten Seemann, der nur mit den Schultern zuckte und nickte, wobei das Leben des Jungen offensichtlich keine große Rolle für ihn spielte. Bainbridge beobachtete den Austausch mit offensichtlicher Bestürzung.

Snell seinerseits beäugte den jungen Bainbridge mit nicht mehr als einer hochgezogenen Augenbraue auf seinem zerklüfteten Gesicht. »Dann komm schon. Rüber mit dir.«

Der Junge blinzelte und sah die lange Holzplanke an, die das Handelsschiff mit der Damned Manta verband. Er blickte über die Schulter zurück in Richtung der Treppe unter Deck, von wo das laute Schluchzen seiner Schwester widerhallte. Sein Körper krümmte sich, als wollte er davonlaufen.

»Na, na, nicht doch«, sagte Hawk lächelnd. »Wohin würdest du fliehen wollen?« Etwas Dunkles in ihm nährte sich von der Furcht des Bainbridge-Jungen. »Wenn du nicht als Futter für die Haie enden willst, gibt es nur einen Ort, an den du jetzt gehen kannst.«

Er schaute zum schattenhaften Rumpf seines Schiffes, dessen schlanke Segel vorübergehend aufgerollt waren, während die Besatzung seinen Befehlen Wort für Wort folgte. Jahrelang war dies schon sein Zuhause, doch er wurde ruhelos. Das war's. Das war es verdammt noch mal endlich. Die Rache würde endlich ihm gehören. Bis heute Nacht war ihm das Glück langsam davongelaufen. Er hatte es spüren können. Entweder würde sich sein Schicksal auf dem Meeresgrund erfüllen, oder er würde in eine Klinge laufen oder am Galgen baumeln. Aber jetzt stand er hier, der Bainbridge-Junge, wie eine lebendig gewordene atmende Chance darauf, zumindest etwas von dem wiederzugewinnen, was er verloren hatte. Vielleicht sogar die Chance auf ein neues Leben. Es war eine Torheit, aber … vielleicht.

»Hinauf mit dir.« Snell schubste den Gefangenen auf die Planke. »Captain Hawk ist kein besonders geduldiger Mann, ich warne dich. Und ich bin's auch nicht.«

Schwer atmend kletterte Bainbridge hinauf, seine Beine zitterten sichtlich. Er sah hinüber zur Manta, dann zurück zu Hawk. Dann hinab auf die Wellen.

»Denk nicht mal an ein edles Opfer«, knurrte Hawk und sprang hinter ihm auf die Planke. »Oder wir nehmen am Ende doch deine Schwester. Wenn wir mit ihr fertig sind, wird sie nicht mehr ganz so hübsch sein.« Wieder packte er den Jungen am Genick. »Beweg dich.«

Kaum hatten seine Stiefel das vertraute Deck berührt, marschierte er mit dem Gefangenen zum Heck und überwachte die Crew, wobei er Bainbridge immer noch festhielt. Als die Planke eingeholt und die Haken von der Proud William gelöst waren, gab er den Befehl zum Segelsetzen. Am Horizont dämmerte der Morgen, und mit dem Wind segelten sie los.

Selbst mit der geraubten Fracht war die Damned Manta das schnellere Schiff. Hawk blieb bewegungslos am Heck stehen und beobachtete das Handelsschiff, um sicherzugehen, dass sie keinen Versuch unternahmen, ihnen zu folgen. Es waren schon merkwürdigere Dinge passiert.

Bainbridge zitterte neben ihm, mit geballten Fäusten und aufeinandergepressten Lippen sah er zu, wie die Proud William immer kleiner wurde.

Manche Piraten bevorzugten Kriegsschiffe, aber Hawk gefiel die Beweglichkeit einer Schaluppe und ihre Crew, die sechsundvierzig Mann vergleichsweise klein war. Weniger Männer, mit denen die Beute zu teilen war. Weniger Männer, die Ärger machten.

Hawks Gedanken wirbelten. Fast schon immer, jedenfalls seit er sich erinnern konnte, hatte er von einem Leben auf dem Wasser geträumt. Aber Piraterie hatte er nie gewollt. Walter Bainbridge hatte ihm keine Wahl gelassen. Es gab keine Möglichkeit, seine ramponierte Ehre wiederherzustellen, aber vielleicht konnte er mit seinem Anteil des Lösegeldes der Brutalität entkommen. Vielleicht konnte er … einen Ort finden. Einen ruhigen Inselabschnitt außerhalb Englands Reichweite. Einen Ort, an dem er fischen und ein paar Tiere halten konnte, genug, um bequem zu leben. Frieden nach seinen eigenen Maßstäben finden konnte. Er würde allein sein, aber daran hatte er sich schon lange gewöhnt.

Wie ein weit entferntes Echo spürte er einen leichten Schmerz, der dumpf war nach all der Zeit. Vor Jahren hatte er geglaubt, einen Gefährten gefunden zu haben, einen Mann, mit dem er sein Leben teilen konnte. Er hatte sogar geglaubt, die Liebe gefunden zu haben. So eine Absurdität. Ungebeten flackerte eine Erinnerung an blonde Haare und blaue Augen voller Schalk in ihm auf und verschwand dann wieder im dunklen Morast der Vergangenheit. Für einen kurzen Moment hatte er Liebe empfunden, bevor sie ihm wieder entrissen worden war. Ach, die Narrheiten der Jugend.

Und doch stehe ich hier und träume von einem friedvollen Leben. Närrisch, in der Tat.

Hawk konzentrierte sich auf die Aufgabe, die unmittelbar neben ihm stand und spähte in die Ferne. Sie hatten eine gute Distanz zwischen sich und das andere Schiff gebracht, also zog er den Jungen mit sich unter Deck und ignorierte seinen Aufschrei. Durch das Heckfenster seiner Kabine strömte gerade genug trübes Licht, um ohne Streichholz etwas sehen zu können. Sein Schreibtisch befand sich im Heck, und sein Bett war auf der anderen Seite des offenen Raumes in die gegenüberliegende Wand eingebaut. Hier verschränkte Hawk die Arme und ließ seinen Blick an dem Gefangenen auf- und abwandern. »Junge …«

»Ich bin achtzehn Jahre alt.« Bainbridge reckte seine schmale Brust. »Ich bin ein Mann.«

Hawk musste lachen, es klang wie ein scharfes Ausatmen. »Bist du das?« Mit seinen einundvierzig Jahren konnte Hawk sich kaum noch daran erinnern, jemals so verdammt jung gewesen zu sein. »Hör zu, Junge. So wird es laufen …«

»Mein Name ist …«

»Unwichtig«, knurrte Hawk. Mit Sicherheit hatte er den Namen gehört, als er in Bainbridges Geschichte herumgestöbert hatte, aber das spielte jetzt keine Rolle. Tatsächlich war es so viel einfacher. »Du bist mir wie eine reife Pflaume in den Schoß gefallen. Mein Schatz, meine Belohnung, mein warmer Geldregen, mein Goldesel. Mehr bist du nicht, so lange, bis dein Vater das zahlt, was er mir schuldet. Ich würde dich am liebsten in den Frachtraum stecken, aber die Männer wären versucht, sich an dir zu vergreifen, und dein Vater würde das, was dann von dir übrigbliebe, nicht mehr haben wollen. Hast du das verstanden, du Junge?« Das war der einzige Name, den der Gefangene brauchte, abgesehen von seinem verfluchten Nachnamen.

Eine Antwort nicht abwartend, öffnete Hawk eine Truhe, die im Schiffsrumpf Steuerbord stand, holte eine kratzige Wolldecke heraus, die er nur selten benutzte, und warf sie zu Bainbridge. Sie traf ihn an der Brust und fiel ihm zu Füßen. Hawk nickte in Richtung einer Ecke unterhalb der Fenster. »Du schläfst da.«

Bainbridge nahm die Decke und richtete sich unbehaglich wieder auf.

»Während dein Vater im nächsten Monat das Geld zusammenbringt, wirst du diese Kabine nicht verlassen. Wasser und Essen werden dir gebracht. Du wirst den Eimer benutzen müssen, der regelmäßig geleert wird, damit dein Schmutz mir nicht die Kabine vollstinkt. Du sprichst mit niemandem aus der Crew. Sprich mich nicht an, es sei denn, du wirst angesprochen. Nicke, wenn du verstanden hast.«

»Die Kabine nicht verlassen?« Der Junge wurde blass, Angst stand ihm klar und deutlich in sein jungenhaftes Gesicht geschrieben.

»Ganz eindeutig verstehst du nicht.« Hawk machte einen Schritt auf ihn zu und registrierte zufrieden, dass der Junge zurückzuckte.

»Es … es ist nur … Bitte. Ich werde keinen Ärger machen.« Er atmete schnell, seine Brust hob und senkte sich. »Darf ich nicht mal nach oben aufs Deck? Und mir die Beine vertreten?«

»Sei dankbar, dass ich dich nicht ans Bett kette.« Wieder ließ Hawk seinen Blick auf dem Gefangenen auf und ab wandern und jagte ihm mit einem lüsternen Knurren noch mehr Angst ein. »Nackt.«

Die hellbraunen Augen des Jungen weiteten sich und richteten sich auf die Matratze.

Hawk drehte sich auf dem Absatz um und holte den Schlüssel vom Schreibtisch. Jetzt, da sie das endlich geklärt hatten, würde er …

»Ich könnte arbeiten! Oben an Deck. Der Crew helfen. Bei … bei allem. Was auch immer sie tun.«

Ungläubig richtete Hawk sich zu seiner vollen Körpergröße auf und wirbelte herum, dabei achtete er darauf, dass sein Mantel eindrucksvoll hinter ihm her wirbelte. Er hatte sich den furchteinflößenden Ruf des Sea Hawk in nur vier Jahren nicht ohne ein wenig Dramatik erarbeitet. Doch unglaublich: Bainbridge redete weiter.

»Ich würde mich freuen, zu arbeiten.« Seine Augen flehten ihn an, die Finger kneteten die Decke. »Ich würde alles tun, was Sie sagen.«

Ganz verdammt eindeutig nicht, da der Befehl, den Mund zu halten, bereits einfach ignoriert worden war. Hawk schnaubte spöttisch. »Arbeiten? Du? Sag mir: Hast du auch nur einen einzigen Tag in deinem zarten Leben gearbeitet?«

Zur Antwort starrte der Junge mit roten Wangen auf seine abgestoßenen Schuhe.

»Du wirst in dieser Kabine bleiben und du wirst nur reden, wenn du angesprochen wirst. Aber ich bin nicht ganz grausam.« Großmütig winkte er in Richtung Bücherregal. »Lies' alles, was du willst.«

Bainbridge betrachtete die Bände mit einer seltsamen Art von Verzweiflung, die an Geringschätzung grenzte, seine Schultern sanken noch tiefer.

Zorn flammte in ihm auf und Eisen grub sich in seine Hand, als er den Schlüssel noch fester packte. »Ist meine Bibliothek nicht zu Eurer Zufriedenheit, Mylord?«

»Nein, nein. Ich bin mir sicher, sie ist ganz ausgezeichnet«, antwortete der Bursche kleinlaut und wich einen Schritt zurück.

»Die meisten Männer auf diesem Schiff können noch nicht einmal ihren Namen schreiben. Ich habe Jahre gebraucht, um es zu lernen. Jahre, in denen ich mich Wort für Wort verbessert habe. Du bist ein kleines privilegiertes Stück Scheiße, und du wirst dich hinsetzen, dein Maul halten und darum beten, dass deine Schlange von Vater das Geld bezahlt, dass er mir schuldet. Oder du wirst derjenige sein, der bezahlen wird. Du und deine Schwester. Ihr Baby.« Tatsächlich hätte Hawk niemals einer unschuldigen Frau oder einem Kind etwas angetan oder zugelassen, dass seine Crew so etwas tat, aber das musste Bainbridge nicht wissen.

»Bin ich verstanden worden? Junge?«

Mit gesenktem Kopf flüsterte er: »Ja.«

Mit zwei großen Schritten durchquerte Hawk die Kabine. Er knallte die Tür hinter sich zu, steckte den Schlüssel ins Loch und … nichts. Eisen knirschte. Das sture Schloss wollte sich nicht drehen. Hawk rüttelte ein paar Augenblicke lang daran. Ausgerechnet dann, wenn er einem Gefangenen Angst einjagen wollte, musste sich das Schloss festfressen.

Verdammt noch mal.

Mit zusammengebissenen Zähnen drückte Hawk die Tür wieder auf. Der Bursche stand immer noch da, wo er ihn zurückgelassen hatte, und umklammerte die Decke.

Grob packte er ihn am Arm, zog ihn mit sich aus der Kabine und brüllte dabei: »Mr. Cooper! Bringt das Schloss in Ordnung. Ihr habt zehn Minuten!« Humorlos lächelte er Bainbridge an. »Es scheint, als bekämst du eine kleine Gnadenfrist. Es wird die letzte sein.«

Kapitel Drei

Nicht gerade sanft zog Captain Hawk ihn über die Leiter mit sich hinauf zum Hauptdeck. Nathaniel erhaschte einen Blick in die Quartiere der Crew im Bug des Schiffes: ein beengter Raum, dunkel und nach Schweiß, Schimmel und wusste –der –Himmel –was –sonst noch alles stinkend. Ein Koch schuftete an einem Herd. Die Männer verstauten ihre Hängematten, während die Sonne höher stieg, und zogen lange Tische zum Essen heraus. Dann wurde Nathaniel grob die Leiter hochgeschubst.

An Deck inhalierte er dankbar die kalte, frische Luft. Die Sonne, die gerade am Horizont aufging, blendete ihn. Er saugte alle Bilder und Gerüche um sich herum tief in sich ein, denn die Androhung eines ganzen Monats allein in der Kabine des Captains erfüllte ihn mit einer Angst, die ihn zu verschlingen drohte. Die Beengtheit eines Schiffes war schrecklich genug. Aber so lange in diesem einen Zimmer gefangen zu sein? Sein Magen verkrampfte sich.

Er blickte sich um, sein Herz hüpfte, als er in der Ferne Segel sah. War das die Proud William? Es musste wohl so sein, denn niemand sonst beachtete das Schiff. Nathaniel schaute bedrückt zu, wie es langsam zu einem winzigen Fleck zusammenschrumpfte. Aber Susanna war in Sicherheit, und das war alles, was zählte. Er hasste es, dass sie für den Rest ihrer Reise allein sein würde, besonders in ihrem verletzlichen Zustand. Schuldgefühle stiegen in ihm auf, obwohl er wusste, dass er nicht das Geringste dagegen hatte tun können.

Er sah den Captain an, der ihn schließlich aus seinem abscheulichen Griff entlassen hatte. Die aufsteigende Sonne enthüllte seine überraschend blauen Augen, die einen Stich Grau hatten. Sein kleiner quadratischer Goldohrring blitzte.

Der Quartiermeister, ein Mr. Snell, so die schroffe Begrüßung des Captains, näherte sich. »Captain, die Männer wollen etwas von dem Salzfisch essen, den wir mitgenommen haben. Soll der Koch ihn zubereiten?«

»Aye.«

Der Gedanke an Essen ließ Nathaniels Magen knurren, aber er würde lieber verhungern, als Captain Hawk – nein, einfach nur Hawk, denn er verdiente keinen ehrenwerten Titel – danach zu fragen. Als Hawk und Mr. Snell sich ein paar Meter entfernten und so leise miteinander sprachen, dass er nichts hören konnte, begutachtete Nathaniel sein Gefängnis.

Die Damned Manta war ein Einmaster, eine Schaluppe, die wahrscheinlich ursprünglich ein Handelsschiff gewesen war. Dicke Seilrollen bedeckten das Schiff. Wenn es anfangs ein Achterdeck in der Nähe des Hecks gegeben hatte, vermutete Nathaniel, dass es entfernt worden war, um weitere Geschütze hinzuzufügen. Er zählte vierzehn um das Oberdeck herum, das vom Bug bis zum Heck etwa sechzig Fuß lang und auf der ganzen Länge flach war. Aus weiter Entfernung musste es so aussehen, als läge die Schaluppe tiefer im Wasser. Sie war wie dazu gemacht, um auf ihr zu rennen, und es juckte Nathaniel in den Füßen. Nur zu gern wäre er vom Bug zum Heck, um das massive Rad des Schiffes herum und wieder zurück gerannt.

Er war sich nicht sicher, wie viele Piraten genau an Bord waren, schätzte ihre Anzahl aber auf fünfundvierzig bis fünfzig. Es schien ein bunt zusammengewürfelter Haufen zu sein, Männer jeder Herkunft, jeden Alters und jeder Größe, einige mit langen, einige mit kurzen Haaren, einige mit sauberen Gesichtern und wieder andere mit verfilzten Bärten. Viele trugen weite Hosen. Tattoos und Piercings schmückten nackte Haut. Ein Mann in einer Lederweste hatte so viele dunkle Bilder auf der Haut, dass Nathaniel zunächst dachte, er trüge ein dunkles Hemd.

Hoch über ihnen am Mast thronte der Ausguck. Die schwarze Flagge flatterte im Wind. Sie zeigte außerdem einen weißen Raubvogel mit weit gespreizten Schwingen und einem grausamen Schnabel. Einen Seeadler, vermutete er.

Jetzt rissen die Männer an den Tauen, um die Flagge einzuholen und sie den Blicken neuer Opfer zu entziehen. Er wandte den Blick von den Segeln und der Takelage ab.

Hawk und Snell schienen über ihn zu sprechen, denn sie beäugten ihn auf eine Art und Weise, die ihm die Haare auf den Armen zu Berge stehen ließ. Er konnte ihre Musterung kaum ertragen und sah hinaus auf die Wellen, seine Haut kribbelte. Der Wind toste ihm in den Ohren und ihm war nicht klar, ob er sich darüber freuen sollte oder nicht, dass er ihre Worte nicht verstehen konnte.

In Wahrheit hatte er den schrecklichen Verdacht, dass Hawk den Wert, den Nathaniel für seinen Vater hatte, ziemlich überschätzte. Es stimmte, dass Walter sich einen Sohn mit einer an Besessenheit grenzenden Inbrunst gewünscht hatte, zumindest war das Nathaniel immer erzählt worden. Nathaniels Onkel, der ältere Bruder seines Vaters, hatte nicht nur das Familienvermögen, das Anwesen und den Titel des Baronets geerbt, sondern auch drei stramme, intelligente Söhne gezeugt. Walter hatte es ihnen allen bitter übelgenommen und war entschlossen gewesen, einen eigenen Sohn zu zeugen, als ein Emblem und Zeichen seiner Männlichkeit.

Margaret, Nathaniels Mutter, hatte Walter zunächst Hollington eingebracht. Dann eine Tochter, Jane, die mit ihrem Mann, einem Marineoffizier, der oft auf See war, und ihren vier Kindern in Kent lebte. Als Nächstes war Susanna gekommen; noch eine Enttäuschung für Walter. So hatte er Margaret wieder und wieder geschwängert, trotz der Warnung des Arztes, dass schon die ersten beiden Schwangerschaften sie beinahe umgebracht hatten. Nathaniel wusste nicht genau, wie viele Babys sie verloren hatte, bevor sie es geschafft hatte, ihn zur Welt zu bringen.

Walter hatte endlich seinen Sieg errungen, und obwohl er nach allem, was man hörte, seine Frau aufrichtig betrauerte, argwöhnte Nathaniel, dass Walters größte Trauer darin lag, dass sein Sohn völlig darin versagte, der Sohn zu sein, den er sich gewünscht hatte. Zu sagen, dass er eine Enttäuschung war, wäre eine milde Untertreibung gewesen. Für einen Moment gestattete er sich die kindliche Sehnsucht nach der Mutter, die er nie gekannt hatte. Sie hatte ihr Leben für seines gegeben und er war sich sicher, dass das kein guter Tausch gewesen war. Er hätte auch sie sehr enttäuscht. Ein Schwachkopf und ein Sünder, das war er.

»Die Zeit ist um«, verkündete Hawk und riss ihn aus seinen auf Abwege geratenen Gedanken. Dann verengten sich die blauen Augen. »Warum siehst du so schuldbewusst aus?«

»Es ist n… nichts«.

Mit einem großen, kraftvollen Schritt überwand Hawk die Entfernung zwischen ihnen. Die Reling drückte sich in Nathaniels Rücken. Hawk beugte sich vor und überragte ihn. »Welch heroische Idee auch immer dir im Kopf herumspuken mag, vergiss es. Wenn du irgendeinen Angriff auf mich oder meine Männer versuchst oder in einer irgendwie fehlgeleiteten Vorstellung eines edlen Opfers über Bord springst, werden wir dieses Handelsschiff jagen und deine Schwester und ihr ungeborenes Kind leiden lassen. Und wie sie leiden werden. Habe ich mich klar ausgedrückt oder muss ich noch deutlicher werden?«

Nathaniel schüttelte den Kopf und versuchte verzweifelt, sich von Hawks spöttischem Grinsen abzuwenden. Ohne Rückzugsmöglichkeit war er eingequetscht. Der Körper des Mannes vor ihm war wie eine undurchdringliche Mauer, seine Willensstärke unbezwingbar. Hawk hatte recht. Über Bord zu springen, wäre Selbstmord, und Nathaniel hatte nicht die geringste Chance, auch nur einen der Männer auf diesem Schiff zu überwältigen, ganz zu schweigen von fünfzig von ihnen. Er war gefangen.

»Noch Fragen?«

»Von wem habt ihr dieses Schiff gestohlen?« Die Wörter schossen ihm durch den Kopf und rutschten ihm irgendwie heraus. Nathaniel presste leicht verspätet die Lippen zusammen, das Blut rauschte ihm in den Ohren.

Hawk richtete sich auf, als sei er beleidigt worden. Er knurrte: »Dies ist mein Schiff. Ich habe sie bei einer Wette fair und ehrlich gewonnen. Es war dein Vater, der versucht hat, sie mir zu stehlen.«

»Ich verstehe nicht. Warum?«

Er stieß hervor: »Es spielt zwar keine verdammte Rolle, was du verstehst oder nicht. Aber nach jahrelanger Mühsal hatte ich endlich mein eigenes Schiff. Ich erwog, Handelsfracht damit zu befördern, aber ich wollte mehr für mein Land tun, obwohl …«

Nathaniel wartete ein paar Sekunden und sah, wie Hawks Kiefer sich verspannte. »Obwohl was?«

»Nichts«, spuckte er aus. »Man verlieh mir meinen Kaperbrief, der es mir erlaubte, feindliche Schiffe zu überfallen. Ich war ein stolzer Partner der Krone und bekämpfte den spanischen Herrschaftsanspruch auf die Westindischen Inseln. Ich hielt mich an die Regeln und teilte meine Gewinne. Ich war respektabel. Anständig.«

»Wie kam es dann, dass Ihr so tief gefallen und zu dem hier geworden seid?«

Hawks große Hand krampfte sich um Nathaniels Kehle. Seine Ringe gruben sich schmerzhaft in die Haut und schnitten ihm die Luft ab. Er beugte sich wieder zu ihm herab. »Mäßige deine Zunge, Junge, oder ich schneide sie dir ab und füttere dich damit. Verstanden?«

Nathaniel nickte verzweifelt. Entsetzen packte ihn, seine Lungen brannten. Er strampelte mit den Füßen, wollte um sich treten und sich irgendwie befreien. Hawk lockerte seinen Griff, aber er ließ ihn nicht los. Wenigstens reichte es, um wieder atmen zu können. Gerade so.

Mit versteinertem Gesicht neigte Hawk sich noch näher an ihn heran. »An jenem Tag vor sieben Jahren am Admiralitätsgericht, just als ich meine mit Schätzen beladene spanische Galeone vorführte, verkündete dein Vater, dass der spanische Captain von grausamer Behandlung berichtet hätte, die in direktem Widerspruch zu den Regularien stand. Ich wusste, dass dies eine Lüge war, denn der Mann war stets in meiner Kabine geblieben und völlig unverletzt. Ich sorgte dafür, dass kein Gefangener auf meinem Schiff jemals zu Schaden kam.«

»Vielleicht hatte der spanische Captain gelogen«, quetschte Nathaniel hervor. Um ehrlich zu sein, klang die Geschichte genau nach seinem Vater. Alles, um seine selbstsüchtigen Bedürfnisse zu befriedigen.

»Natürlich konnte der Captain selbst nichts mehr dazu sagen, da er in der Nacht zuvor in der Obhut des Gerichts plötzlich gestorben war. Aber mein Kaperbrief wurde für ungültig befunden und im Handumdrehen wurde ich zum Piraten erklärt. Mein Schiff und meine Männer wurden ebenfalls beschlagnahmt.« Wieder verstärkte er den Griff seiner Hand an Nathaniels Hals. »Dein Vater und seine Kumpane verurteilten mich und meine Mannschaft zum Tod am Galgen, ohne eine Sekunde zu zögern. Sie behielten die Galeone für sich und gaben nur einen kleinen Anteil des Goldes an Englands Schatzkammer weiter, habe ich später gehört. Dein Vater ist ein gieriger Lügner. Und du bist wahrscheinlich ganz genauso wie er.«

Nathaniel rang nach Luft. Zitternd griff er nach Hawks Handgelenken und versuchte, den krallenartigen Griff zu lösen.

Sicher will er mich jetzt doch noch nicht töten?!

Glücklicherweise löste Hawk seine Finger. Nathaniel spürte wieder die Reling im Rücken und er verfluchte seinen Vater.

Verdammt seien er und seine unersättliche Gier.

Nathaniel hatte schon viele Geschichten über die sich ausbreitende Korruption in der Neuen Welt gehört, und ein spanisches Schiff voller Schätze wäre mit Sicherheit sehr verlockend. Wieder einmal schwebte er wie ein dunkler Schatten über Nathaniels Leben, selbst in seiner Abwesenheit. Nathaniel sah Hawks grimmigen Ausdruck und die Bitterkeit, die sich auf seinen vollen Lippen abzeichnete. Aber Walter musste warten. Er musste sich mit dem Bösewicht auseinandersetzen, der ihn jetzt in seinen Krallen hielt. Der Geruch von Schweiß und Meerwasser drang in Nathaniels Nase.

Hawk fuhr fort. »Dein Vater und seine Mitverschwörer unterschätzten meine Männer, Mr. Snell und viele dieser Mannschaft. Sie überwältigten die Männer, die sie verhaften wollten, und befreiten mich aus meiner Zelle. Wir eroberten die Manta zurück, aber dieser Name passt nur zu einem gesetzestreuen Schiff. Seit wir als Piraten gebrandmarkt wurden, hielt ich eine Änderung für angebracht. Sie heißt jetzt Damned Manta.« Wieder griff er fester zu. »Und ich garantiere nichts mehr in Bezug auf das Wohlergehen der Gefangenen.«

Damit stieß er Nathaniel zurück unter Deck und in Richtung seiner Kabine, vor der ein nervöses Mitglied der Crew mit einem Metallwerkzeug in der Hand stand. »Schloss ist repariert, Captain.« Er übergab den eisernen Schlüssel.

Nathaniel stolperte Hals über Kopf in die Kabine, als Hawk ihm einen kräftigen Stoß gab, und verfehlte nur knapp die Kante des Schreibtisches. Er rappelte sich auf und hasste sich dafür, wie er vor Hawk kauerte und es ihn gleichzeitig danach drängte, sich vor ihm unter dem Schreibtisch zu verkriechen. Die Vorstellung, noch einmal gewürgt zu werden, war jedoch unerträglich.

Der Pirat schnaubte verächtlich, dann drehte er sich um, streifte seinen langen Mantel ab und hängte ihn an einen Haken. Sein dunkles, offenes Hemd bauschte sich leicht an den Ärmeln. Neben seinem Schwert und einer Pistole erhaschte Nathaniel einen Blick auf zwei Dolchgriffe, die er sich in den Gürtel geschoben hatte – einer davon gehörte Nathaniel selbst. Ihm war schwindelig vor Scham. Was für ein Versager er war. Er hatte es nicht mal geschafft, den Feind mit seiner Klinge zu kratzen, bevor sie ihm weggenommen worden war wie einem unartigen Kind. Was würde Mr. Chisholm von ihm denken?

Dass ich in allem ein Versager bin, nicht nur im Studium.

Er blinzelte, als die Tür sich schloss und der Schlüssel umgedreht wurde. Hawk war fort ohne ein weiteres Wort.

Danke, Gott, für die kleinen Gnaden.

Je weniger er unter der Gegenwart des Wüstlings leiden musste, desto besser. Immer noch auf dem Boden liegend, sah er sich in seiner Zelle um. Sonnenlicht fiel durch die quadratischen Fensterscheiben am Heck und erwärmte die Luft. Auf der Backbordseite der Kabine waren Bücherregale in den Rumpf eingebaut, in denen dicke Bücher und gerollte Seekarten ordentlich verstaut lagen. Er machte sich jedoch nicht die Mühe, näher heranzugehen, um einen der Titel zu entziffern. Auf der Steuerbordseite befanden sich eingebaute Fächer. Die große Truhe, aus der Hawk die Decke geholt hatte, stand ebenfalls dort. Nathaniel konnte es kaum ertragen, sie anzufassen, und er trat sie weit von sich fort in die andere Ecke des Raumes.

Er zog die Knie an die Brust. Gedanken wirbelten in seinem Kopf umher. Hätte er mit dem Dolch mehr anrichten können? Er sah Mr. Chisholms Gesicht vor sich, und Sehnsucht durchfuhr ihn. Sein Lehrer war ihm immer so tüchtig erschienen, so stark und intelligent. Nathaniel schloss die Augen und rief sich Mr. Chisholms kräftiges Kinn, seine grünen Augen und sein blondes, zu einem Pferdeschwanz zurückgebundenes Haar in Erinnerung. Die Breite seiner Schultern und die Art, wie sein Mantel sich an die kräftige Brust schmiegte.

Mr. Chisholm zwinkerte. »Die Welt da draußen in den Kolonien ist gefährlich. An Land und auf See.«

Nathaniel untersuchte behutsam das glänzende Metall in seiner Hand und drehte den glatten Holzgriff zwischen seinen Fingern. »Sie schenken mir das?« Sein Herz pochte fast schmerzhaft.

»Ich weiß, dass die meisten Lehrer eher ein Buch oder etwas Ähnliches verschenken würden, aber ich fürchte, das wäre bei Euch eher eine Verschwendung. Meint Ihr nicht auch?«

Das meinte er in der Tat. Nathaniel sehnte sich danach, ihn in seine Arme zu ziehen und seine Lippen auf den Streifen nackter Haut über Mr. Chisholms Halstuch zu drücken. Seit er ein Junge war, hatte er davon geträumt und wusste zugleich, dass sein Tutor ein guter, anständiger Mann war, kein Sünder wie Nathaniel. Er bewunderte ihn dafür, während er gleichzeitig daran verzweifelte.