Gelebte Leichtigkeit - Laura B. Reich - E-Book

Gelebte Leichtigkeit E-Book

Laura B. Reich

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Beschreibung

Die private Ermittlerin Elli Klinger quälen persönliche Probleme mit ihrem Freund Walter. Das Experiment "gemeinsame Wohnung" droht zu scheitern, als sie unverhofft einen neuen Fall bekommt. Es klingt zunächst harmlos. Das gut betuchte Ex-Model Anna Schönfelser sorgt sich um ihre beiden erwachsenen Kinder Nils und Nicole und befürchtet, sie könnten auf die schiefe Bahn geraten. Ihr Verdacht, Drogen würden dabei eine Rolle spielen, wird für Elli rasch zur Gewissheit. Was Elli nicht weiß, ist, dass augenblicklich ein Drogenkrieg in der Stadt entbrennt. Ihr Freund Klaus, Hauptkommissar der Mordkommission, befindet sich im Dauereinsatz. Er hilft ihr, wo er kann, darf ihr jedoch nicht alles sagen, was er weiß und hofft, dass sie seine eindringlichen Warnungen befolgt. Elli unterschätzt die Gefahr und belässt es nicht bei der Observierung der Kinder. Unbeabsichtigt gerät sie in einen Strudel der Geschehnisse, der sie in Lebensgefahr bringt. Plötzlich steht sie vor der folgenschweren Entscheidung, das Leben der Kinder und ihr eigenes mit allen Mitteln zu verteidigen.

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Laura B. Reich

 

 

 

 

Gelebte Leichtigkeit

 

 

Elli Klinger ermittelt - wie alles beginnt

 

 

 

 

Thriller

 

 

 

Für Anja Hofmann, die mich stets bestärkte, die Serie fortzusetzen.

 

 

 

Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Das Werk einschließlich aller Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede urheberrechtsrelevante Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors oder Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Nachahmungen, Mikroverfilmungen und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Auflage: 2. überarbeitete Auflage 2021 1. Auflage 2017

Texte: © Laura B. Reich - Alle Rechte vorbehalten Umschlag: © Laura B. Reich, 2016 Model: Cathy Cort, 2016, Germany Verlag: Laura B. Reich c/o Poly4Media Unterbüchlein 1 90547 [email protected] Elli: www.gelebte-leichtigkeit.de Laura: www.elli-klinger-ermittelt.de

Inhalt

Danksagung

Prolog

Kleine Nettigkeiten

Katzenjammer

Leichte Kost

Licht und Schatten

Eigendynamik

Örtlichkeiten

Konsequenzen

Hitzige Gefechte

Zäsuren

Um Haaresbreite

Epilog

 

Danksagung

Es mag mannigfaltige Gründe geben, warum man das Schreiben beginnt. Aus Langeweile oder weil man Ereignisse dokumentieren möchte, wie in einem Reisebericht oder seine Gedanken und Gefühle bewahren will, wie in einem Tagebuch. Bei mir war es eine Idee, die über Nacht in meinem Kopf reifte und die ich schon am nächsten Morgen fixierte. Die Idee erwuchs in nur drei Tagen zu einem konkreten Konzept, aus dem nach wenigen Wochen eine komplette Geschichte entstand, wie sie Ihnen nun vorliegt. Aus Spaß am Schreiben eigentlich nur für meinen Mann und mich gedacht, war er so begeistert und bestärkte mich darin, diese Geschichte auch anderen Lesebegeisterten zugänglich zu machen. «Es sei einfach zu schade», wie er es bezeichnete.

Schließlich überzeugte er mich, und ich begann den Roman einem kleinen Kreis von sorgfältig ausgewählten Testlesern zugänglich zu machen. Männlichen, weiblichen, im Norden und Süden, Vielleser, Wenigleser, gute Bekannte und auch einige, die mich so gut wie nicht kannten. Niemand sollte mir nach dem Mund reden. Ich wollte ehrliche Antworten. Der Tenor war für mich bemerkenswert positiv und beseitigte die letzten Zweifel. Dass mich eine meiner begeisterten Testleserinnen in Kontakt mit einem professionellen Coach brachte, mag reiner Zufall sein oder auch Schicksal. Es bestärkte mich darin, nicht aufzuhören, sondern neben Familie und Beruf meiner Idee weiter zu folgen.

Was soll ich sagen? In jedem Fall ein großes Dankeschön an alle, die an mich geglaubt haben, allen voran mein Mann, der den Roman nach Dutzenden Durchläufen vielleicht besser kennt als ich selbst. Ein weiterer Dank an meine treuen Testleser und Testleserinnen, u. a. Christina v. C., die mich um einen Coach bereicherte, Ottilie R. deren Lektorat Gold wert war, Ulf B. mit Infos zu Fahrrädern und Waffenkunde, Gerhard B. mit Innenansichten aus der täglichen Arbeit als Kriminaler und schließlich Elke B., meine blonden Fehlerkiller Simone R. und Anna L.-S., Anja H. und Anja H., (ja, ja, tatsächlich), die mit ihren Tipps und teils detaillierten Rezensionen die Geschichte bereichert, ergänzt und abgerundet haben.

Einhundert Prozent sind nicht immer genug, so zumindest die Ansicht meines persönlichen Coaches (oder heißt es Coachin?) Elisabeth Posch, die mit ihrem Lektorat einen wichtigen Grundstein legte und in der Geschichte noch viel mehr Potenzial entdeckte, als ich es für möglich hielt. Schon nach den ersten Optimierungen musste ich ihr recht geben und versuchte, die zahlreichen schlummernden Reserven für meine Leser zu entfesseln. Was soll ich sagen, außer, dass ich mich wiederhole? Auch an Dich Sissi ein großes Dankeschön.

Jetzt ist es an Ihnen, liebe Leserinnen und Leser zu beurteilen, ob sich mein Aufwand gelohnt hat. Auf alle Fälle wünsche ich Ihnen viel Spaß und kann Ihnen schon jetzt versichern, dass dies nicht der erste und letzte Fall der Ermittlerin Elli Klinger bleiben wird. Seien Sie gespannt und vielleicht lesen wir uns auch beim nächsten Mal. In diesem Sinne ...

Ihre Laura B. Reich

Prolog

Die Uhr auf dem Handy zeigt bereits weit nach Mitternacht. Madeline schrieb in der SMS, dass er an der Bar auf sie warten soll. Sie müsste noch etwas Dringendes erledigen und hätte auch eine besondere Überraschung für ihn. Anfangs, als er Madeline erst seit ein paar Wochen kannte, dachte er bei solchen Bemerkungen an irgendwelche kleinen Geschenke, an Freikarten fürs Kino, die Einladung zu einer Party oder irgendetwas derartiges. Doch er musste schnell erkennen, wie sehr er mit seiner Einschätzung daneben lag. Sie verstand darunter völlig andere Dinge, die ihn eine ganze Zeit lang eindeutig überforderten.

Er hat ihr eine Schachtel Pralinen gekauft als er sie zum ersten Mal zu Hause besuchte und sich prompt den Spott einiger Freunde eingehandelt, die später davon erfuhren. Bis über beide Ohren in seine neue Flamme verliebt, fand er es einfach romantisch, so etwas zu tun, Madeline hingegen nur altmodisch, uncool und schwul. Sie versetzte ihm damit ihren ersten Prankenhieb und es blieb nicht bei dem einen. Er kann sich nur allzu gut an eine peinliche Szene beim Abendessen bei ihrem Lieblingsitaliener erinnern. Als sie ihm freudestrahlend ein Kondom über den Tisch schob, noch während sie die Speisekarte in Händen hielten. Nicht genug ihr süffisanter Kommentar, dass sie vor dem Essen noch gerne etwas lutschen würde. Sie hätte extra Kirschgeschmack besorgt.

Bis heute sieht er die verblüfften Gesichter von Mario und Alisia vor sich, einem befreundeten Pärchen von Madeline, die das Zwiegespräch sowohl aufmerksam als auch amüsiert verfolgten. Und er kann sie noch fühlen, die Hitze in seinem Gesicht, vor Scham. Bis zu diesem Augenblick dachte er, nur frühpubertierende Gören reden so, um reifer zu erscheinen.

Madeline sagt so etwas nie zum Spaß. Im Laufe des vergangenen Jahres hat er sich allmählich daran gewöhnt. An die ungezwungene Leichtigkeit, die Stimmungsschwankungen und die Euphorie, mit der sie das Leben bestreitet und es auch rückhaltlos von ihm, ihrem Freund erwartet. Inzwischen ist er sogar gespannt, was ihr noch so alles einfällt. Und sie ist immer wieder für eine Überraschung gut. Erstaunt hatte sie ihn bisher nur einmal, als sie zufällig seiner Mutter begegneten. Madeline verhielt sich vorbildlich, bot all ihren Charme auf und verblüffte selbst ihn.

Doch in den letzten Wochen hat sich verändert. Unterschwellig, nicht wirklich greifbar, aber er kann es fühlen und es macht ihm Angst. Es begann bei einer ausschweifenden Party einer ihrer Ex-Freunde. Frieden schließen wollte er mit ihr. Den noch immer schwelenden Streit beenden. Es floss Alkohol in rauen Mengen, ausnahmsweise auch bei ihm, sodass er sich an nicht mehr an viel von dem erinnern kann, was geschah. Sie liebte die drei ‹Ps›, Party, Pillen, Pilze. An diesem Abend genoss sie reichlich davon. Er warnte sie ständig, das Zeug nicht anzufassen, doch er hätte sich die Mühe sparen können, an ihre Vernunft zu appellieren. Madeline lebte das Leben zu jeder Sekunde in vollen Zügen und ihr waren dazu nahezu alle Mittel recht. Der Wohlstand der Eltern und das offensichtliche Desinteresse an ihrem Tun und Handeln, gaben ihr dabei die nötigen Ressourcen und vor allem die Freiheit, sich das zu gönnen, was sie wollte. Und sie wollte viel. Von Monat zu Monat immer mehr, das ist selbst ihm aufgefallen. In letzter Zeit deutlich zu viel für seinen Geschmack.

Nervös äugt er auf das Handy. Schon wieder eine Viertelstunde vergangen, ohne dass sie sich blicken lässt oder meldet. Am Ende hat es etwas mit ihrer Geburtstagsfeier zu tun, die sie bereits seit Wochen plant. Den 21. will sie besonders groß aufziehen. ‹Endlich erwachsen›, meinte sie. Er ist das Thema inzwischen beinahe Leid, denn es vergeht kein Tag ohne ausführliche Diskussion. Ihm wird sofort übel, wenn er daran denkt. Nur noch fünf Tage bleiben. Und noch immer fehlt ihm eine zündende Idee für ein passendes Geschenk. Dutzende Einfälle hat er verworfen. Was schenkt man jemandem, der alles besitzt und dabei noch so anders tickt, als alle seine anderen Freunde?

Sein Herz klopft. Unruhig rutscht er auf dem Barhocker hin und her. Ob er ihr eine SMS schreiben soll? Anrufen ist tabu. Diesen Fehler hatte er nur einmal begangen und zur Strafe weigerte sie sich, drei ganze Tage mit ihm zu reden. Sie würde es hassen, wenn jemand hinter ihr her spioniere. Und Lust auf nervige Kletten, hätte sie noch weniger. Zumindest auf Simsen konnten sie sich nach zähem Ringen einigen. Ein Ringen, das es in sich hatte.

Für Madeline war es völlig normal und selbstverständlich, Meinungsverschiedenheiten dann auszudiskutieren, wenn sie gerade miteinander schliefen. Bisher hatte er noch kein Argument gefunden, um ihr klar zu machen, dass für ihn Sex mehr bedeutet, als eine angenehme sportliche Betätigung. Ein bisschen Zärtlichkeiten, ein Hauch von Romantik, anregende Musik und eine ansprechende Umgebung gehörten für ihn dazu. Manchmal fragte er sich, ob sie in der Beziehung lediglich die Rollen getauscht hatten. War das, was er sich wünschte, nicht üblicherweise der weibliche Part? Madeline ignorierte seine Einwände ganz und gar. Wenigstens beruhigte es ihn, dass sie sich nicht über ihn lustig machte. Das gab ihm Mut, die Hoffnung nicht aufzugeben.

Mit der Zeit hat er sich an ihre spontanen Einfälle und Aktionen gewöhnt. Einen Joint auf der Parkbank rauchen, sich während des Autofahrens entkleiden, um ihm neue Dessous zu zeigen. Manchmal bekam er Dinge geboten, dessen Namen er noch nicht einmal kannte. Ihm am Hinterausgang des Kinos einen blasen, gehörte noch zu den harmlosen Sachen. Sie liebte das Impulsive, das Verruchte und besonders das Spiel mit dem Feuer. Nicht genug forderte sie jedes Mal ein bisschen mehr, wie eine Süchtige.

Auch wenn sie es vehement abstritt, als er sie vorsichtig darauf ansprach, ist er inzwischen überzeugt, dass sie eine exhibitionistische Ader besitzt, die beständig wächst. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, so ist es ihr gleichgültig, an welchem Ort sie sich befinden. Ein Wunder, dass bisher niemand die Polizei verständigt hat. Tief in seinem Inneren schlummert die Angst, eines Tages von jemanden darauf angesprochen zu werden. Ein kompromittierendes Video genügt, hochgeladen auf Youtube oder einem anderen Social Media, zufällig aufgenommen von einem Fremden. Kaum auszudenken, welchen Schaden es anrichten könnte. Für ihren Ruf, ihre Zukunft. Er will nicht weiter darüber nachdenken.

Ihr Hunger nach dem neuen, noch größeren Kick nimmt stetig zu, zweifellos. Seit dieser Party leidet sie unter noch extremeren Stimmungsschwankungen, als zuvor. Und das soll etwas heißen. Er weiß nicht, wie lange er es noch ertragen kann. Doch egal, was auch kommt, es ist für ihn einfach unvorstellbar, Madeline wieder zu verlieren.

Er nippt am Cocktail. Alkoholfrei. Einen Richtigen mit Rum oder Tequila kann er sich nicht erlauben, weil er fahren muss. Für ihn gilt noch die Null-Promille-Grenze. Führerschein weg und Fahrverbot wegen Trunkenheit, das hätte ihm gerade noch gefehlt. Es wäre eine Katastrophe. Das Handy neben ihm summt. Hektisch greift er danach und liest die SMS: «auf der toilette. JETZT! <3mad.»

Sie hat geschrieben. Das Herz schlägt ihm bis zum Hals und der Puls rast, als käme er von einem Sprint. Verdammt, warum kann sie nicht ein bisschen normaler sein? Wie oft hat er sich das gewünscht, seitdem sie zusammen sind? Er hat aufgegeben, zu zählen. Hastig leert er das Glas und spuckt die Kirsche zurück. Die Bässe wummern. Ein weiterer dieser nichtssagenden Techno-Songs, die sich alle so gleichen, wie ein Ei dem anderen. ‹Einheitsbrei, ohne Struktur, einfach nur langweilig›, so hatte er geantwortet, als sie ihn fragte, ob ihm die Musik gefiel. Es war ein Fehler, das merkte er sofort. Doch er konnte es nicht ungeschehen machen.

Er winkt der Frau hinter dem Tresen, deutet auf sein Glas und drückt ihr einen Schein in die Hand. Wer weiß, was sich Madeline diesmal ausgedacht hat? Er will nicht noch einmal die Peinlichkeit erleben, durch das Toilettenfenster fliehen zu müssen, weil es ihr gerade danach war, die Zeche zu prellen. Obwohl er am nächsten Tag ein anonymes Kuvert mit einem deutlich höheren Betrag in den Briefkasten des Restaurants warf, traute er, sich bis heute nicht mehr dort zum Essen hinzugehen.

Er winkt ab, als die junge Frau ihm das Wechselgeld geben will und lächelt. Was sie gesagt hat, kann er bei dem Lärm sowieso nicht verstehen. Sie nickt dankend und ehe er sich versieht, ist sie schon wieder entschwunden. Toilette. Sein Blick schweift durch den Raum und bleibt an einem grünen Notausgang-Schild hängen. Dort sind auch die Toiletten. Warum kann sie nicht schreiben, welche sie meint? Er rutscht vom hohen Barhocker und drängt sich mühsam durch die Menge der Tanzenden.

 

Trotz Verbot hat hier innen jemand geraucht. Noch mehr Gestank als üblich. Er rümpft die Nase und bemüht sich flach zu atmen. Zwei Typen treiben lauthals Faxen an den Urinalen. Er gibt vor, sich die Hände zu waschen, beobachtet die beiden unauffällig über den Spiegel. Warum verwundert es ihn nicht, dass sie den Raum verlassen, ohne sich die Pfoten zu waschen? Schweine. Mit einem raschen Blick überzeugt er sich, dass sie nicht die Männertoilette gemeint haben kann. Es ekelt ihn davor, vor den Waschbecken in die Hocke zu gehen und vorzugeben sich die Schuhe zu binden. Verstohlen mustert er die beiden geschlossenen Kabinen. Männerhosen und die passenden Beine dazu. Er hört laute Furzgeräusche und verzieht angewidert das Gesicht. Auf irgendeine Weise fühlt er sich aber auch erleichtert. Was hätte Madeline hier auch machen wollen? Nein, diese blöde Frage stellt er lieber überhaupt nicht. Was schon. Einen Joint rauchen? Blödsinn, einen Quickie natürlich. Ihm wird schlagartig heiß. Noch ehe die Tür hinter ihm zufällt, rinnen ihm die ersten Schweißtropfen den Rücken hinunter, was nicht nur an der Hitze oder dem widerlichen Gestank hier innen liegt. Zögerlich nähert er sich der Frauentoilette. Das kann doch nicht ihr Ernst sein? Die fünf jungen Frauen beachten ihn kaum, als er näher kommt. Jede glotzt auf ihr Handy, kichert oder tippt, während sie geduldig warten, bis eine der Kabinen wieder frei wird. Die Hoffnung, Madeline dort in der Schlange zu treffen zerplatzt, wie eine Seifenblase. Sie kann schließlich nicht ernsthaft verlangen, dass er in diese Toilette geht. Die Frauen würden ihn in der Luft zerreißen. Selbst wenn sie ihn nicht persönlich angingen, so spürt er bereits die Hand des Türstehers im Nacken, der ihn ohne großes Federlesen vor die Tür setzen würde. Mit Recht.

Soll er warten? Sie schrieb ‹JETZT› in Großbuchstaben. Es hat ihn verwundert, weil sie nie große Buchstaben verwendet. Sie sagt, sie hasst es, doch er weiß, dass sie einfach zu faul ist, den Zeichensatz umzuschalten.

«Was machst denn du hier, Nils? », spricht ihn eine langhaarige Blondine mit ausgesprochen offenherziger Bluse an, die gerade durch die Tür kommt. «Ist bei euch geschlossen, oder was?» Er kann nicht verhindern, dass er errötet. Zwei der Frauen drehen sich erst jetzt zu ihm um, beäugen ihn desinteressiert und widmen sich lieber wieder ihren Handys.

«Nein, das nicht», antwortet er verdattert und zeigt der Blondine ein entschuldigendes Schulterzucken. Spontan fällt ihm ein, dass dies Heike sein muss, eine von Madelines zahlreichen Freundinnen aus der Uni.

«Hast du dort drinnen zufällig Madeline gesehen?», fragt er verlegen und errötet erneut.

Heikes allzu spöttisches Grinsen, beweist ihm sofort, dass auch sie bestens Bescheid weiß, über den Hang seiner Freundin für das Außergewöhnliche.

«Nein, hab sie nicht gesehen. Wieso?»

Sie hängt förmlich an seinen Lippen, mit dem Finger vermutlich am Handy, um sofort zu posten, wenn er sich verplappert.

«Ach, sie hat mir nur kurz ’ne SMS geschrieben, dass sie auf der Toilette wäre und ich kommen soll», antwortet er möglichst unverfänglich und sieht die Neugierde in Heikes Gesicht. «Ich hatte nur Angst, dass ihr vielleicht schlecht ist, zu viel getrunken ...», fügt er noch rasch hinzu.

Heikes Interesse erlahmt schlagartig.

«Nö, wie gesagt, da drin ist niemand, der kotzen muss», grinst sie und drückt sich an ihm vorbei. «Das hätte ich gehört.»

Als sie sich bereits einige Schritte entfernt hat, dreht sie sich noch einmal um: «Hast du draußen nachgesehen?», zwinkert sie ihm zu. «Im Hof? Dort sind doch die alten Toiletten. Hin und wieder ist nicht abgesperrt, weil es da auch in den Keller geht. Da drin kann man echt gut kotzen, ohne dass es einer merkt.» Sie verschwindet grußlos in der Menge.

Die alten Toiletten. Na klar. Warum hat er nicht daran gedacht? Vermutlich weil er generell vermeidet, in Bars oder Diskotheken das WC aufzusuchen und das aus gutem Grund. Besoffene, Schläger, Schwule oder Dealer sind ihm ein Gräuel. Er hat keine Lust angepöbelt, doof angequatscht oder gar übel angemacht zu werden. Das heute war der reinste Glücksfall, mit Ausnahme der beiden Schweine, die sich nach dem Pissen die Pfoten nicht gewaschen haben. Er schüttelt angeekelt den Kopf, auch deshalb, weil etwas mit ihm geschieht. Weil er spürt, dass er allmählich seine eigene Sprache verliert. Dabei verabscheute er schon immer, so lange er denken kann, Typen, die einzig und allein in der Lage waren in derber Gossensprache zu kommunizieren.

Fieberhaft überlegt er sich den schnellsten Weg nach draußen. Vermutlich ist Madeline stinksauer, weil er sie so lange warten lässt, auch wenn es nicht seine Schuld ist. Nur zu oft ist ihre sexuelle Erregung blitzartig in eine emotionale umgeschlagen, mit meist fatalen Folgen, die noch Stunden oder gar Tage nachwirken kann. Er muss schleunigst hinüber zum anderen Notausgang, der auf den Hof führt und lediglich von Rauchern genutzt wird. Doch selbst die Hartgesottenen hält es dort nicht lange. Abgesehen vom nackten Boden gibt es keine Sitzgelegenheit. Viel schlimmer jedoch sind mehrere Müllcontainer, die das ganze Jahr über einen penetranten Gestank verbreiten, den nicht einmal Kettenraucher für lange Zeit ertragen.

 

Er trifft auf zwei Raucher, die hastig ihre Zigarette austreten und sich an ihm vorbei wieder in die Bar verdrücken. Er hat es befürchtet. Wie ein Schlag ins Gesicht. Seine Riechzellen rebellieren. Durch die Hitze der letzten Tage stinkt es noch bestialischer als sonst. Er würgt und hält sich die Hand vor den Mund, was kaum Linderung verschafft. Hektisch sucht er nach den Toiletten. Verdammt, er war erst einmal hier draußen und kann sich nicht mehr genau erinnern. Eine nackte, alte Glühbirne an einem Kabel, das über der Hintertür aus einem Loch im Mauerwerk ragt und zwei Straßenlampen vom angrenzenden Gehweg sind die einzigen Lichtquellen, abgesehen von einigen beleuchteten Fenstern. Gegenüber nahe der linken Mauerecke entdeckt er die beiden alten Holztüren der ehemaligen Toiletten. Eine davon scheint nur angelehnt. Ein schwacher Lichtschein dringt nach außen. Dort muss sie sein. Er dankt Heike insgeheim für den Tipp und schickt zur Sicherheit noch ein Stoßgebet gen Himmel. Erst jetzt registriert er, wie der Puls laut in den Ohren pocht. Seit ihrer SMS steht er regelrecht unter Strom. Sogar seine Hände zittern. Doch er spürt auch eine andere Erregung in sich aufsteigen, die trotz aller Widrigkeiten für eine gehörige Beule in der Hose sorgt. Madeline. Was hat sie sich nur wieder ausgedacht? Er huscht quer über den düsteren Innenhof, kommt fast ins Straucheln, weil er ein Loch in einer der alten Steinplatten übersieht. Fluchend um sein Gleichgewicht bemüht, schaut er über die Schulter. Doch niemand ist hinter ihm. Der Gestank ist kaum noch zu ertragen, besonders jetzt, wo er so heftig schnaufen muss. Er streckt die Hand nach der alten Tür aus und muss erneut würgen. Diesmal liegt es jedoch am Kloakengeruch aus der Toilette. Was will Madeline nur von ihm? Warum will sie sich hier mit ihm treffen? Für einen ihrer berüchtigten Quickies? Wie soll er hier in Fahrt kommen? Ein Teil der lustvollen Gefühle ist bereits verpufft, als er auf Heike traf, die sich inzwischen womöglich die wildesten Sachen ausmalt. Er bezweifelt, dass sie ihm die lahme Geschichte mit der Übelkeit abgekauft hat. Noch einmal versichert er sich mit einem raschen Blick zur Hintertür, dass er alleine ist. Ihr wäre es durchaus zuzutrauen, ihnen beiden aufzulauern, entsprechende Bilder zu schießen und sie Sekunden später in einer, ihrer beliebten sozialen Netzwerke zu posten. Scheiß Handys. Nein, er kann hier nicht bleiben. Er muss es Madeline ausreden. Dieser Gestank und die Hitze dazu sind zu viel für ihn, auch wenn sein Freund in der Hose anderer Ansicht ist. Den ganzen Tag über regte sich kein Lufthauch, der für Kühlung sorgen könnte. Hier im Hinterhof ist es am schlimmsten. Die heiße Luft schwebt wie eine undurchdringliche Glocke darüber.

Die Holztür quietscht fürchterlich, als er sie vorsichtig aufzieht. Erschrocken hält er inne. Madeline muss ihn spätestens jetzt gehört haben. Er lauscht. Nichts. Aus dem Augenwinkel beobachtet er die Hintertür der Bar und sieht eine Bewegung. Die Tür öffnet sich langsam. Mehrere Personen drängen laut lachend nach außen. Für einen Moment ist die Musik aus dem Inneren deutlich zu hören. Noch immer wummernde Techno-Bässe. Ohne lange zu überlegen, reißt er die Toilettentür weiter auf und huscht hindurch in die Düsternis. Diesmal kann er die Tür nahezu lautlos bewegen. Erleichtert hält er inne und späht durch den schmalen Spalt zur Gruppe am Hintereingang. Eine Frau und drei Männer. Raucher. Er sieht das Glimmen der Zigaretten bis hierher. Allmählich hat er sich sogar an den Gestank gewöhnt, doch der Mief dieser alten Toilette ist nicht unbedingt besser als der Müll im Hof.

Vorsichtig drückt er die Tür zu und lehnt sich mit dem Rücken dagegen. Den schwachen Lichtschein, den er vorhin bemerkt hatte, stammt von einer einzelnen Lampe, die über der letzten Kabine brennt. Hier am Eingang bei den zwei abgeschlagenen Waschbecken und einem verrosteten Automaten für Tampons ist es so dunkel, dass er nur Schemen erkennt. Er tastet nach dem Lichtschalter, doch er hört es nur leise Klacken, als er den Bakelit-Schalter umlegt. Entweder ist der Strom hier vorne abgestellt oder die Lampen sind defekt.

Er räuspert sich und spürt erst jetzt, wie trocken sein Mund und Hals sind. Der erste zaghafte Ruf gleicht deshalb eher einem tonlosen Krächzen. «Madeline? », versucht er es erneut. «Bist du hier?», doch keine Reaktion. «Madeline, Schatz. Ich bin es, Nils.» Noch immer keine Antwort.

Ob er sich getäuscht hat? Vielleicht lag Heike mit ihrer Vermutung falsch? Am Ende erwartete sie ihn doch in der anderen Toilette? Oder es war nur ein Scherz? Manchmal spinnt sie sich einfach Sachen zusammen, das weiß er nur zu gut. Aber dann ließ sie ihn nie so lange im Ungewissen, schrieb ihm eine SMS, meldete sich per Telefon oder fetzte sich mit ihm von Angesicht zu Angesicht. Meist waren sie beide hinterher so scharf aufeinander, dass es kaum noch ein Halten gab. Alleine der Gedanke genügt, dass sich seine eigene Lust allmählich zurückmeldet. Doch sie hat keine rechte Chance gegen die zunehmende Sorge.

Die Türen der vier Kabinen sind alle geschlossen. Er kommt sich etwas albern vor, als er die Erste beklommen öffnet. Im diffusen Licht kann er nur ein gähnendes Loch im Boden erkennen. Der Gestank, der ihm daraus entgegenschlägt, raubt ihm fast den Atem. Mit vorgehaltener Hand zieht er die Tür ins Schloss und macht einige Schritte rückwärts. Unfassbar. Er braucht einen Augenblick, bis sich sein Magen beruhigt hat, als er den Mut findet, die nächste Tür zu öffnen. Aber was soll er schon finden? Wieder eine Zelle ohne Toilettenschüssel? Nein. Lediglich der Deckel fehlt. Sogar der Rest einer Papierrolle ist noch im Halter. Hier ist es auch etwas heller als in der Nachbarkabine. Er nähert sich der einzigen intakten Lampe. Die dritte Kabine ist ebenfalls leer. Erst jetzt wird ihm bewusst, dass er vor lauter Aufregung die Luft anhält. Er fühlt sich wie auf dem Sprung, ist darauf gefasst, dass sie ihm aus der Kabine übermütig entgegen hüpft, um ihn zu überraschen. Oder zu schimpfen? Weil es so lange gedauert hat? Er würde es sogar verstehen.

Seine Hand zittert, als er sie auf den letzten Türgriff legt. Das Metall fühlt sich rau und kalt an. Der Griff zeigt deutliche Rostspuren. Wenn sie hier ist, dann bleibt nur noch diese Kabine. Er holt noch einmal tief Luft, bevor er die Tür kräftig aufstößt. Er will ihr zuvorkommen, die Chance nutzen, sie zu erschrecken. Die Tür schlägt laut knallend gegen die Kabinenwand, sodass er zusammenzuckt. Der Schwung ist so stark, dass sie zurückprallt und sich fast wieder schließt. Nur für den Bruchteil einer Sekunde hat er es gesehen, doch es lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren. Das darf nicht sein. Das kann nicht sein! Die Zeit verrinnt, wie Sand in einer Uhr. Doch er steht wie erstarrt, fühlt sich unfähig, sich zu bewegen. Übelkeit steigt in ihm hoch, seine Lungen brennen, weil er noch immer den Atem anhält. Hilflos streckt er die Hand nach dem Türgriff aus. Irgendetwas in ihm will ihn beruhigen. Es sei nur ein Scherz, ein übler Spaß. Er hat sich getäuscht und ist auf ihr Schauspiel hereingefallen. Doch eine andere Stimme in ihm wird immer lauter, verdrängt den Wunschgedanken, der nur aus seinem Selbstschutz entspringt.

Keuchend stößt er den Atem aus, für einen kurzen Moment wird ihm schwarz vor Augen. Die wenigen Schritte kosten ihm endlose Überwindung, doch er muss es tun. Nur zwei Schritte und danach diese Tür öffnen. Er muss sich Gewissheit verschaffen. Sein Schrei schallt laut und schrill in dem gefliesten Raum. Er bemerkt es nicht einmal. Mit weit aufgerissen Augen torkelt er näher und hält sich entsetzt die Hand an den Bauch.

Sie sitzt auf dem Deckel der Toilettenschüssel mit dem Rücken gegen die Wand gesunken. Der Spülkasten verhindert, dass sie auf den Boden rutscht. Ohne ihren Puls zu fühlen, weiß er sofort, dass sie tot ist. Ihre Augen. Sie werden ihn ein Leben lang verfolgen. Schluchzend kommt er näher, berührt ihre Hand, die sich noch warm anfühlt. Er kann den Blick nicht abwenden, muss auf die Spritze starren, die in ihrer Armbeuge steckt. Mit einem ihrer Schnürsenkel hat sie das Blut gestaut. Er stößt mit dem Fuß gegen ihren Schuh, der neben der Toilette achtlos auf dem Boden liegt. Was hat sie nur getan? Nur millimeterweise hebt er den Blick, hat Angst noch einmal ihr Gesicht und ihre Augen zu sehen. Das lange blonde Haar, auf das sie immer so stolz war, sieht struppig aus. Es bedeckt einen Teil ihres Dekolletés, das sie fast bis zum Nabel geöffnet hat. Ein Knopf fehlt. Nur die dünnen Enden der Fäden ragen aus dem Stoff. Auf dem Spülkasten liegt ein Tütchen mit weißem Pulver, ein Esslöffel und noch eine weitere Einwegspritze. Hat sie ihn erwartet? Wollte sie, dass er sich auch einen Schuss setzt? Heroin? Hat sie ihm nicht hoch und heilig versprochen, dieses Dreckszeug niemals anzufassen? Seine Gedanken rasen. Zitternd geht er in die Knie und legt den Kopf in ihren Schoß. Vorsichtig, dass er sie nicht noch mehr verletzt. Doch sie spürt nichts mehr. Ist tot. Warum? Er legt den Kopf in den Nacken. Tränen verschleiern den Blick. Die Glühbirne über ihm löst sich in unzählige trübe Lichtpunkte auf. Schluchzend schreit er immer wieder dieses eine Wort: «Warum?», bis ihm schließlich die Stimme versagt und er heulend zusammen bricht.

Er weiß nicht, wie lange er vor ihr gekniet war. Ihm tun alle Knochen weh. Doch viel schlimmer ist das Gefühl, als ob ihm jemand sein Herz aus dem Leib gerissen hat. Madeline, seine Madeline. Sie war für jeden Unsinn zu begeistern, war verrückt, durchgeknallt, doch ihm war es egal. Er hat sie geliebt. So wie sie war. Hat seine Scham überwunden. War stolz. War unendlich glücklich – die meiste Zeit. Hat leidenschaftlich mit ihr gestritten. Und sich genauso heißblütig wieder mit ihr versöhnt. Wo sie wollte und wie sie es wollte. Er hat alles für sie getan. Und er war bereit, nahezu alles für sie zu tun, was sie von ihm verlangte. Wie konnte sie ihm das nur antun?

Er verzieht schmerzvoll das Gesicht, als er sich langsam erhebt. Doch er spürt sie nicht, die Schmerzen. Die Körperlichen. Sie dringen nicht zu seinem Bewusstsein durch. Dazu ist die Qual im Kopf viel zu groß und droht ihm jeden Augenblick zu überwältigen. Diese Augen, ihre Augen. So starr, und stumpf. Ohne Leben. Er kann sie nicht länger ertragen. Er drückt ihre Lider nach unten, traut sich kaum, sie zu berühren. Seine Fingerspitzen sind graublau. Der Lidschatten hat abgefärbt.

Schlagartig fühlt er sich völlig leer, ausgehöhlt. Zum ersten Mal sieht er diese junge Frau wie eine Fremde. Sein Verstand hat jegliche Emotionen ganz tief in seinem Kopf vergraben. Drogen? Heroin? Wie konnte das passieren? Eine Überdosis? Ein Unfall. Erst jetzt bemerkt er den Schaum an ihrem Mundwinkel, rot verfärbt, als hätte sie sich selbst gebissen. Auf ihrer Wange unter dem Auge ein dunkler Fleck, als hätte sie sich kurz zuvor gestoßen? Wurde sie womöglich geschlagen? Er kommt nicht mehr dazu, weiter nachzudenken, denn erneut überwältigen ihn die Gefühle. Ohne zu zögern legt er diesmal die Arme um ihren Oberkörper und zieht sie fest an sich. Trotz des vorherrschenden Gestanks kann er ihr Shampoo riechen. Grüner Apfel, ihr Lieblingsduft. Sie fühlt sich so leicht an. Deutlich spürt er die Brüste durch die dünne Bluse. Sie sind warm und so weich. Tränen laufen über seine Wangen, tropfen auf ihre Schulter. Erst als seine Arme schmerzen und ihn Krämpfe zwingen, sie wieder loszulassen, beugt er sich nach vorne und setzt sie sorgfältig zurück auf den Toilettensitz. Für einen Augenblick spielt er mit dem Gedanken, sie einfach von hier fortzubringen, sie nicht an diesem grässlichen Ort zu lassen. Doch was würde es ändern? Er würde nur Probleme bekommen. Riesige Probleme, die er sich nicht erlauben kann. Drogen sind schlimm. Heroin, noch schlimmer. Kein kleiner Joint für den Eigenbedarf. Sie ist tot. Das heißt jede Menge Fragen. Vermutlich sogar U-Haft. Er ist unschuldig. Doch würde man ihm glauben? Vielleicht. Irgendwann. Vielleicht auch nicht. Sie war schließlich seine Freundin. Und er befindet sich an einem Tatort.

Seine Lippen zittern, als er sie so sitzen, sieht, den Kopf gegen die Wand gelehnt, als würde sie schlafen. Ob sie ihn foppen will und gar nicht tot ist? Sein Herz macht einen Sprung, ein Hoffnungsschimmer, er muss keuchen. Warum hat er nicht daran gedacht? Rasch beugt er sich nach vorne, legt den Kopf an ihre Brust. Doch er hört nur den eigenen rasselnden Atem. Nein, sie spielt nicht. Sie wird nie mehr spielen. Er schlägt die Hände vor das Gesicht und möchte nur schreien. Der Welt zeigen, wie sehr er leidet. Sein Hals fühlt sich noch rauer an, als zuvor. Lediglich ein heißeres Röcheln entweicht seinem Mund. Zu mehr ist er nicht fähig.

Plötzlich schießt ihm ein Gedanke durch den Kopf. Ihr Handy, der Übeltäter dieser Nachricht. Wo ist es? Er kann es erstaunlicherweise nirgendwo finden. Weder in ihrer Handtasche noch in ihrer Kleidung oder irgendwo sonst in dieser stinkenden Kabine. Wo hat sie es nur gelassen?

Warum er hastig nach der Spritze und dem Tütchen auf dem Spülkasten greift, sie achtlos in die Hosentasche stopft, weiß er später nicht mehr. Ebenso wenig, wie er sich nicht mehr erinnern kann, zurück zur Bar, zu seinem Auto gekommen zu sein.

Irgendwann nachts schreckt er hoch. Er hat keine Ahnung, wo er sich befindet. Ein Rauschen, wie Wind, doch es sind Autos. Der Arm schmerzt. Er verlagert das Gewicht und schlägt sich den Ellenbogen an. Ein Lenkrad, er sitzt in seinem Auto. Nur zäh dringt diese Erkenntnis ins Gedächtnis vor. Madeline. Die grässlichen Bilder. Er keucht und jault, wie ein Hund. Sein Hals ist staubtrocken und schmerzt. Für einen kurzen Moment glaubt er, geträumt zu haben. Einen abscheulichen Albtraum. Doch es ist keiner. Der Beifahrersitz neben ihm ist leer. Keine Blondine, die friedlich schläft. Seine Fingerspitze fühlt die Spritze in der Tasche. Er hat nicht geträumt. «Madeline», wimmert er immer und immer wieder und vergräbt das Gesicht in der Armbeuge. Am liebsten möchte er auch sterben. Sie wieder sehen. Das Tütchen, die Spritze. Er bräuchte nur einem Löffel, etwas Wasser und ein Feuerzeug. Es wäre so einfach. Vermutlich würde er nicht einmal viel spüren. Doch dazu fehlt ihm der Mut. Er weint, lässt den Tränen freien Lauf. Minuten später überwältigt ihn erneut der Schlaf.

Kleine Nettigkeiten

«Das ist dein Tisch!» Mit diesen Worten knallt Jeanette das Tablett auf den Tresen, dass die Gläser klirren und ich es gerade noch schaffe, mir das Weizenbierglas zu schnappen, das sich anschickt umzukippen. Nur vier Worte sind nötig und solch eine überzogene Aktion, dass sie mich auf die Palme bringt. Bevor ich ihr eine herzliche Entgegnung an den Kopf werfen kann, hat sie sich bereits mit einem koketten Hüftschwung umgedreht und sich mit ihrem zuckersüßesten Lächeln auf die neuen Gäste gestürzt, die sich an einen meiner Tische gesetzt haben. Genug, mir reicht es endgültig. Ich werde dieser Dame jetzt zeigen, wo der Hammer hängt. Wutschnaubend greife ich mir den Block für die Bestellungen und laufe ihr hinterher. Mich fegt es beinahe von den Schuhen, als mich jemand am Gürtel packt und festhält. Nur mit Mühe schaffe ich es, den Kampfmodus zu unterdrücken, als ich mich ruckartig umdrehe und in Gernots grinsendes Gesicht blicke.

«Lass es bleiben, Elli», entgegnet er seelenruhig und bringt mich damit nur noch mehr auf die Palme. «Sie ist es nicht wert.»

«Aber ich kann doch nicht zusehen, wie ...», keife ich fast tonlos, als er den Kopf schüttelt.

«Irgendwann lasse ich dich vielleicht los», grinst er. «Aber wir wissen beide, was dann passiert. Du machst sie platt und wir beide haben den Ärger.»

Er versucht, todernst zu sein, doch er schafft es nicht.

Jeanette kommt zurück und wirft uns einen erbosten Blick zu.

«Ich brauche zwei Pils, eine Weißweinschorle und einen großen Apfelsaft für Tisch sieben», sagt sie schnippisch und wedelt mit dem Block vor meinem Gesicht herum. Nur Gernots Hand an meinem Po hält mich davon ab, ihr an die Kehle zu springen.

«Und ich brauche einen neuen Tampon», bemerke ich mit gequältem Augenaufschlag.

Aus dem Augenwinkel sehe ich noch, wie Gernot mit den Schultern zuckt.

«Oh, ich glaube, meine Pommes frites verbrennen.»

Ich kann das Lachen kaum unterdrücken, als er mir hinterherläuft und in die Küche abbiegt.

Wasser, viel kaltes Wasser, auch wenn ich danach das Make-up auffrischen muss. Aber ich brauche jetzt erst einmal eine kurze Auszeit. Ich hoffe nur, dass mich Gernot tatsächlich eines Tages nicht am Gürtel festhält, wenn ich vorhabe, diese blondierte Giftnudel in den Boden zu stampfen. Seine Bemerkung geht mir durch den Kopf. Ich schmunzle, als ich in den kleinen Spiegel über dem Waschbecken schaue und mein Gesicht mit ein paar Papiertüchern trocken tupfe. Ich lasse die Haare seit einer ganzen Weile wachsen. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass nichts vorangeht. Im Gegensatz zu meiner Nichte Lucy, die mir abgesehen davon, dass sie nicht einmal halb so alt ist, wie ich, so sehr gleicht, dass uns viele für Mutter und Tochter halten. Um ihre Haare beneide ich sie. Lucy hat meine Augen, etwas weit auseinanderstehend, die ich wiederum von meiner Mutter geerbt habe, ebenso wie die schlanke Figur. Seit ein paar Wochen komme ich mir manchmal selbst eine Spur zu maskulin vor, mit dem Waschbrettbauch und den aufgeprägten Muskeln an den Armen aber nur, weil mich Walter beim Training so hart ran nimmt.

Gernot hat recht. Bei meiner momentanen Kondition würde ich vermutlich nur einen Schlag benötigen, um dieses nervige Blondchen niederzustrecken. Mist. Walter. Hoffentlich hat er daran gedacht, wenigstens Kaffee und Joghurt einzukaufen. Sonst sieht es morgen ziemlich mager mit dem Frühstück aus. Ich krame in der Tasche nach der Wimperntusche, die angeblich sogar wasserfest sein soll, mit der Betonung auf soll. Der Lidschatten ist fast vollständig verschwunden. Genervt verdrehe ich die Augen. Aber es hilft nichts. Ich habe bereits zu Beginn des Jobs als Aushilfskellnerin bemerkt, dass sich mein Aussehen durchaus auf die Trinkgelder auswirkt. Ein bisschen offenherziger die Bluse, ein Knopf weniger genügt, etwas kürzer der Rock, aber nicht zu kurz und dezent geschminkt, gefällt den Gästen am besten. Rasch ziehe ich noch die Lippen nach und bin erneut erstaunt, dass es gar nicht so lange gedauert hat, mich wieder ansehnlich herzurichten. Wenigstens habe ich heute an die Bürste gedacht und muss mich nicht mit dem alten Kamm durch die Haare quälen. Ich habe keine Ahnung, warum es mich jedes Mal so nervt, mich zu schminken. Vielleicht sind solche Schönchen, wie diese Jeanette daran schuld, weil sie es übertreiben und sich regelrecht zukleistern. Mit der Folge, dass sie aussehen wie ein Malkasten. Ich muss grinsen, wenn ich daran denke, wie sehr sich die Giftnudel den ganzen Abend über bemüht hat, nahezu sämtlichen männlichen Gästen ihre Oberweite zu präsentieren, und trotzdem kaum Trinkgeld bekommen hat. Ich hingegen kann nicht klagen.

Wenigstens ist mein Zorn auf sie wieder etwas verraucht. Ich erinnere mich sogar, dass Gernot gesagt hat, sie würde heute erneut früher gehen, wegen eines wichtigen Termins. Ich frage mich nur, welcher wichtige Termin es wohl an einem Mittwoch nach 22:00 Uhr sein kann? Und es ist in den letzten Wochen nicht das erste Mal, dass sie mit dieser Begründung ihre Schicht eher als geplant, beendet. Aber eigentlich ist mir alles recht, wenn ich sie nur nicht länger ertragen muss. Und Gernot ist froh, überhaupt Personal zu bekommen. Ich weiß nicht, wie viele Stunden wir schon diskutiert und uns die Köpfe darüber zerbrochen haben. Klar ist ein faires Gehalt ein sehr gutes Argument, um vernünftiges Personal zu finden. Aber um Spitzengehälter zu bezahlen, wirft Gernots Kneipe einfach nicht genügend ab. Was bleibt, ist mehr als der Durchschnitt, aufgebessert mit Trinkgeld.

Immerhin kann ich nicht klagen, da ich zusätzlich noch eine kleine Gewinnbeteiligung mit Gernot vereinbart habe. Von der darf jedoch niemand wissen. Ich seufze enttäuscht und verlasse die Toilette. Mein großer Traum, einmal ausschließlich mit dem Beruf als private Ermittlerin genügend zu verdienen, muss wohl noch etwas warten.

«Musstest du dir den Tampon erst selbst wickeln?», fährt mich Jeanette an, kaum dass sie mich sieht. Sie balanciert ein voll beladenes Tablett zu den Tischen. Und schon ist sie wieder dahin, die gute Laune. Ich balle die Hände zu Fäusten und versuche, mich zu beherrschen. Lediglich die Hoffnung, sie heute nicht mehr lange ertragen zu müssen, kann mich beruhigen. Nur gut, dass ich hier keinen Spiegel habe, sonst hätte mich mein bitterböser Blick womöglich selbst verletzt. Ohne dass ich es will, verfolge ich sie mit den Augen und bekomme wenigstens ein bisschen Genugtuung zurück. Der ältere Herr am Fenstertisch lässt sich beim Abkassieren sogar das Kleingeld zurückgeben, obwohl sie ihm ihr Dekolleté fast unter die Nase gehalten hat. Doch der Gesichtsausdruck seiner Frau, die ihm gegenüber sitzt, spricht Bände, sodass er sich nicht traut, Jeanette nur einen Cent mehr zu geben. Vielleicht hat sie ihm sogar heimlich einen Fußtritt unter dem Tisch verpasst, weil er kurz zuckte und gar so leidend dreinschaut.

Dementsprechend finster ist Jeanettes Miene, die vor Wut regelrecht schäumt. Ich schnappe mir rechtzeitig einen Kasten mit leeren Saftflaschen und verschwinde Richtung Keller. Und das Wunder geschieht tatsächlich. Als ich mit einem vollen Kasten Apfelsaft zurückkomme, steht Gernot am Tresen und grinst mich erleichtert an.

«Eieiei, war unsere Kleine heute aber geladen», raunt er mir leise zu. «Der letzte Gast hat ihr kein Trinkgeld gegeben.»

«Ich weiß, ich hab es gesehen.»

Er wirft mir einen überraschten Blick zu und grinst erneut.

«Ach deshalb bist du in weiser Voraussicht auf Tauchstation gegangen?»

Er deutet mit dem Kinn auf den vollen Kasten. Diesmal muss ich grinsen und zwänge mich mit kokettem Hüftschwung an ihm vorbei. Ein weiteres Ehepaar verlangt die Rechnung. Ich kann mich nicht über die 4 € beklagen, die mir die Frau mit gönnerhaftem Lächeln in den Geldbeutel wirft. Meine Erfahrung zeigt, nicht die Männer, sondern die Frauen sind bei Paaren der Schlüssel zum Erfolg.

 

Erst nach Mitternacht wird es deutlich ruhiger. Einige Stammgäste und drei junge Männer, die ich hier vorher noch nicht gesehen habe, sind übrig. Gernot nickt mir lächelnd zu, als ich ihm einen fragenden Blick zuwerfe, die Hand ausgestreckt zum Lautstärkeregler der Stereoanlage. Er wollte es zunächst nicht glauben und haderte eine gefühlte Ewigkeit. Dabei waren es nicht einmal drei Wochen, bis ich ihn so weit gebracht habe, auch hier in der Kneipe meinen Lieblingssender auszuprobieren. Der einzige Sender, der fast rund um die Uhr vernünftige Rockmusik spielt. Bereits eine Woche später haben ihn einige der Stammgäste darauf angesprochen und sich lobend geäußert, sodass er mich sogar zur Seite nahm, um sich bei mir zu bedanken. Manchmal vermute ich, dass er in mir weniger eine Kollegin sieht, sondern ein Stück weit eine Tochter, die er selbst nie hatte. Mir macht es nichts aus. Ganz im Gegenteil. So brauchte ich mir wenigstens nie Gedanken machen, von ihm angebaggert zu werden. So etwas käme für ihn niemals infrage.

Sting trällert ‹Roxanne›, ein Lied aus der Phase mit seiner Band The Police. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich eine Zeit lang voll auf ihn abgefahren bin und die Platte rauf und runter gehört habe. Jetzt bekomme ich bereits Panik und Hitzewallungen, wenn ich drei Lieder hintereinander von ihm hören muss. Tja, so ändern sich eben die Geschmäcker.

«Hier, den hast du dir verdient», grinst er und schiebt mir behutsam ein randvolles Glas Limoncello vor die Nase.

«Danke, du weißt eben, wie man Frauen verwöhnt», kichere ich und amüsiere mich, wie er schlagartig errötet und sich rasch abwendet. Schade, dabei ist er so ein guter Kerl, aber der Umgang mit Frauen liegt ihm nicht wirklich.

Vorsichtig nippe ich an dem Glas und schließe genüsslich die Augen. Sofort steigt mir der aromatische Geruch nach reifen Zitronen in die Nase, noch bevor sich das köstlich süße Aroma im Mund verteilt. Limoncello ist einer seiner Spezialitäten, die er sich tatsächlich direkt aus Capri schicken lässt. Ich werde nie verstehen warum. Bei den Preisen ist es ein Draufzahlgeschäft. In solchen Momenten bin ich jedoch ganz dankbar. Keiner schmeckte bisher besser.

«Komm mach Schluss für heute», läuft er mir aus der Küche entgegen und wedelt mit den Händen. «Ich bin schon fertig. War nicht so viel zum Abspülen. Den Rest hier schaffe ich alleine.»

«Das musst du aber nicht», versuche ich einzuwenden.

«Doch muss ich», lächelt er und gibt mir verstohlen einen leichten Klaps auf den Po.

Er gehört zu den ganz wenigen Männern, die das dürfen, ohne, dass sie meine Hand zu spüren bekommen.

«Du hast morgen einen langen Tag vor dir», gibt er zu bedenken und tätschelt mir noch einmal väterlich die Schulter. «Ein bisschen mehr Schlaf kann dir nichts schaden. In den letzten Tagen kommst du mir sowieso etwas mager vor.»

Ich verdrehe die Augen und will ihm eine entsprechende Widerrede geben, als ich seinen besorgten Blick bemerke.

«Schon gut Gernot», lenke ich ein. «Du meinst es ja nur gut. Ich muss zugeben, dass mich Walter bei den Training-Sessions ziemlich hart ran nimmt.»

«Ach heutzutage nennt man das wohl immer noch Training», raunt er leise und zwinkert mir zu.

Ich grinse, weil ich genau weiß, auf was er anspielt.

«Ja da auch», kichere ich und spüre, wie diesmal ich erröte.

«Na dann muss ich mir wenigstens darüber keine Sorgen machen», grinst er und holt erneut zu einem Klaps aus. «Also ab. Verschwinde.» Doch diesmal bin ich schneller, entwische ihm und blecke ihm die Zunge.

Er schüttelt nur lachend den Kopf und macht sich daran die Gläser zu spülen. Nur wenige Minuten später habe ich mich umgezogen, ihm noch einen Gruß zugerufen und sitze auf meinem Fahrrad Richtung nach Hause.

 

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Irgendwie hat er es bereits befürchtet, was ihn daheim erwartet, wenn er erst weit nach Mitternacht eintrifft. Als ob er gerne freiwillig bis in die Nacht hinein arbeiten würde, aber gerade in dieser Woche ist die Hölle los. Schon wieder ein Toter und unter ähnlichen Umständen wie bei den letzten Malen. Er scheint im Augenblick ein Bandenkrieg zu toben, was auch einer ihrer Informanten verlauten lies. Eigentlich könnte er froh sein, dass sich diese Banden selbst bekriegen und den Gerichten damit so manches Verfahren ersparen. Doch das ist ein Trugschluss. Ganz im Gegenteil. Die zunehmende Gewalt zeigt ihm, wie sehr die einzelnen Gruppierungen zwischenzeitlich überall ihre Finger im Spiel haben, egal ob bei Glücksspiel, Prostitution, Menschenhandel oder Drogen. Straff organisiert vom Gefängnis bis auf die Straße und verschworen und verschwiegen bis ins Grab. Das sind ihre Stärken. Und sie haben aufgerüstet, verwenden inzwischen automatische Waffen. Keine Schlagringe und Messer, wie früher. Ihr jüngstes Opfer, das sie unten am Fluss in der Nähe einer alten Fabrik gefunden haben, wurde regelrecht durchsiebt wie ein Schweizer käse, vermutlich dem Kaliber nach von einer Uzi.

Deshalb ist Ruhe das, was er sich am sehnlichsten von allem wünscht, bevor er sich morgen – eigentlich ist es längst heute – wieder damit herum schlagen muss. Warum will Vanessa das nicht verstehen? Seine Hoffnung, dass sie bereits schlafen würde, erfüllt sich nur bedingt. An der Garderobe in der kleinen Diele versucht er, sich lautlos auszuziehen, und schleicht nur noch mit der Unterhose bekleidet, ohne das Licht einzuschalten, ins Schlafzimmer. Doch er kommt nicht mehr dazu, sich unentdeckt unter die Zudecke zu flüchten.

Das Licht der Nachttischlampe blendet ihn. Er muss blinzeln und starrt einen Augenblick, wie hypnotisiert auf die Glühbirne bevor die Katastrophe lautstark über ihn hereinbricht.

«Weißt du denn, wie spät es ist, Klaus?», keift sie ihn an.

Ihre Augen sprühen vor Zorn. Erst jetzt bemerkt er, dass sie nur mit dunkelblauer Reizwäsche bekleidet auf dem Bett liegt. Sogar ihre schwarzen High Heels hat sie anbehalten.

«Ja Vanessa, das weiß ich», entgegnet er kleinlaut und vor allem müde. «Es war ein anstrengender Tag, mein Schatz.»

Der Einwand scheint sie in keiner Weise zu interessieren.

«Ist dir eigentlich klar, wie lange es dauert, sich so zu schminken und die Haare zu frisieren?», äfft sie seinen Tonfall nach. «Außerdem war das Negligé sündhaft teuer. Und was sagst du? Ich hatte einen anstrengenden Tag mein Schatz, vielleicht später. Oder besser gleich am Wochenende.»

Ihm liegt etwas auf der Zunge zu sagen, doch anstelle Klartext mit ihr zu reden, gibt er klein bei. Wieder einmal. Vielleicht auch deshalb, weil er weiß, dass sie sich noch nie beruhigt hat, wenn sie sich in solchen Stimmungslagen befindet.

«Vanessa, es tut mir leid», versucht er, sie zu beruhigen. «Lass uns bitte schlafen.» Doch seine Worte verpuffen wie Platzpatronen.

«Schlafen», blafft sie ihn an. «Ja genau darum geht es. Weißt du eigentlich, wann wir zuletzt miteinander geschlafen haben?»

Er schüttelt wortlos den Kopf, weil er es tatsächlich nicht weiß. Aber er hätte sich sogar diese Geste sparen können. Vanessa fühlt sich jetzt in ihrem Element. Sie befindet sich im Schimpf-Modus, wie so häufig in den letzten Monaten.

«Vor mehr als vier Wochen», fuchtelt sie aufgebracht mit ihren Händen und verliert einen ihrer High Heels. «Und weißt du, warum ich mich so genau daran erinnere?», keift sie. «Weil ich vermutlich morgen ganz bestimmt meine Tage bekomme. Dann läuft wieder eine Woche nichts.»

Ihre Stimme wird dabei immer schriller und lauter. Gleich wird sie ihn noch etwas deftigere Worte um die Ohren hauen und in Tränen ausbrechen. Und genau so passiert es.

«Ist das zu viel verlangt, wenigstens einmal im Monat von meinem Mann gefickt zu werden? Was soll ich noch alles tun, dass du mich wahrnimmst? Gefalle ich dir nicht mehr? Bin ich hässlich? Ist dir meine Möse zu ausgeleiert? Oder soll ich mich für dich lieber in den Arsch rammeln lassen, wie ein Tier?»

Die letzten Worte kann er ohnehin kaum noch verstehen, weil sie zu heulen beginnt und ihr Gesicht im Kissen vergräbt. Immerhin hat sie ihm, nun soweit die Laune vermiest, dass er sowieso nicht mehr an Schlafen denken braucht. Etwas hilflos, aber ebenso entsetzt über ihre derbe Wortwahl, an die er sich wohl nie gewöhnen kann, schnappt er sich das Kopfkissen und die Zudecke. Vanessa schluchzt. Ihr Rücken bebt, als sein Blick über ihren Körper gleitet. Nein, sie ist nicht hässlich, war sie auch noch nie. Und er muss zugeben, dass es tatsächlich ihr hübscher runder Po ist, der ihn erregt, der ihn schon immer gereizt hat. Doch nicht, wenn sie so mit ihm redet.

 

Er wirft das Bettzeug auf das Sofa im Wohnzimmer und läuft in die Küche. Wenigstens findet er dort ein Bier im Kühlschrank, das er gleich aus der Flasche trinkt. Auf dem Weg zum Sofa stoppt er an der Minibar. Die Karaffe mit dem Brandy funkelt verlockend, aber Alkohol ist keine Lösung. Er würde es nur am nächsten Morgen bereuen. In wenigen Zügen leert er die Flasche und holt das Handy aus der Jackentasche. Es wird ihn rechtzeitig wecken. Das Frühstück kann noch einmal heikel werden, aber er rechnet damit, dass Vanessa nach der Nummer, die sie eben abgezogen hat, erst gegen Mittag aus den Federn kommen wird. So verhielt es sich wenigstens die letzten Male. Er ist sich aber auch im Klaren, dass es so nicht weitergehen kann. Nicht zum ersten Mal kommt ihn sein Häuschen in der Kleingartensiedlung in den Sinn. Dort unten am Fluss hätte er Ruhe, könnte ungestört kommen und gehen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und jetzt im Sommer wäre es sicherlich angenehm kühl. Ganz anders in der überhitzen Stadtwohnung, wo selbst bei sperrangelweit geöffneten Fenstern kaum eine erfrischende Brise zu spüren ist. Was würde Vanessa sagen, wenn er gar nicht nach Hause käme? Würde sie es überhaupt bemerken? Ihm eine noch größere Szene machen, als bisher? Nein, das will er sich gar nicht erst ausmalen. Es bleibt eine Option, aber nur für den Notfall.

Das Ärgerliche an der Sache ist nur, dass er sich sogar gefreut hat, endlich heimzukommen, um diesen grässlichen Tag hinter sich zu lassen. Hätte sie ihm nur ein wenig Zeit gelassen, sich an ihn gekuschelt und ihm eine Chance gegeben, ihr sexy Outfit gebührend zu würdigen. Er ist sicher, dass er ihr nicht hätte widerstehen können. Aber so?

Es dauert noch eine ganze Weile, bis das Bier allmählich Wirkung zeigt und das Gedankenkarussell nachlässt. Es muss sich etwas ändern. Das ist ihm völlig klar. Ein bisschen kann er seine Frau sogar verstehen. Aber gerade dann, wenn sie Zeit füreinander hätten, was zugegeben nicht häufig vorkommt, zeigt sie wiederum keinerlei Interesse. Ein mieses Timing, keine Frage. Mit diesem Gedanken in seinem Kopf gleitet er in einen unruhigen Schlaf. Diesmal ist es der junge Mann, der ihn quält. Der völlig von Kugeln zerfetzte Bauch und das unfassbar viele Blut. Er kann sich einfach nicht an solche Anblicke gewöhnen und er will es auch nicht. Nicht einmal in seinen Träumen.

 

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Nicole ist noch immer nicht nach Hause gekommen und es ist ihm scheißegal. Sie hasst es, solche Worte zu gebrauchen, doch keines erscheint ihr im Moment passender zu sein. Nicole ist erst seit einem Jahr volljährig, auch wenn sie deutlich reifer und älter aussieht. Schon vor Stunden, als sie ihn darauf ansprach, hat er sich einfach seinen verfluchten, sündhaft teuren Whisky eingeschenkt und ist wortlos im Billardzimmer verschwunden. Was für sie so viel heißt, wie, das ist Sperrgebiet und du hast dort nichts zu suchen, weil ich meine Ruhe haben will. Die fordert er immer ein, wenn sie Probleme mit ihren Kindern haben. Egal ob mit Nicole oder Nils. Inzwischen hat sie sich daran gewöhnt, dass Nils nicht jeden Tag zu Hause schläft. Besonders seit er mit seiner neuen Freundin durch die Stadt zieht. Aber Nicole? Sie wohnt schließlich noch bei ihnen. Als Eltern sind sie verantwortlich, zumindest in moralischer Hinsicht. Sie beide.

Doch das interessiert Wilhelm nicht die Bohne, denn Kinder waren letztlich ihr Wunsch. Das muss sie sich nun bereits seit mehr als 21 Jahren anhören. Seit sie mit Nils schwanger war und wegen Blutungen das Bett hüten musste. Das wäre Wilhelm vermutlich sogar noch egal gewesen. Aber als der Arzt ihr obendrein dringend davon abriet, Sex zu haben, ist er schier ausgerastet. Dafür hätte er sie nicht geheiratet. Sie hätte gefälligst nicht nur den ihr zugedachten, gesellschaftlichen Verpflichtungen, sondern auch den ehelichen, nachzukommen. Es wäre schon genug, dass er für ihre Wünsche so viel Geld berappen muss. Unfassbar, als wären Kinder ausschließlich ihre Idee gewesen. Als hätte er niemals den Wunsch gehegt, eine richtige Familie zu haben.

Sie war damals am Boden zerstört und wendete sich nach langem Ringen mit sich selbst, an eine ihrer Freundinnen. Sie war es nicht gewohnt, über solche intimen Dinge mit anderen zu sprechen. Ihre Eltern haben sie streng erzogen. Der Geschlechtsakt galt einzig und alleine der Fortpflanzung. Sie wären vermutlich aus allen Wolken gefallen, wenn sie erfahren hätten, wie ihr Schwiegersohn das sah. Und sie wären noch viel entsetzter gewesen, wenn sie miterlebt hätten, wie ausschweifend es ihre Berufskolleginnen jenseits der Laufstege und des Glamours der Haute Couture trieben. Noch heute errötet sie, wenn sie sich zurückerinnert. Die Freundin sah vieles viel lockerer und verstand überhaupt nicht, wo ihr Problem lag. Es gäbe doch genügend Alternativen. Was dann folgte, daran kann sie sich nur noch bruchstückhaft erinnern. Sie erfuhr in einer halben Stunde mehr über Sex, als in ihrem gesamten Leben zuvor. Schon damals beneidete sie ihre Freundin darum, so viel Erfahrungen zu haben und vor allem, so ungezwungen und nüchtern darüber sprechen zu können. Es dauerte nochmals eine Woche bis zu ihrem Routinetermin beim Frauenarzt, bis sie all ihren Mut zusammen nahm, um sich auch eine ärztliche Meinung dazu einzuholen. Ihr Arzt müsste es schließlich wissen. Nicht genug, dass sie schon zwei Tage zuvor kaum schlafen konnte, weil sie sich das Hirn zermarterte, wie sie wohl dieses Thema am besten ansprechen könnte, endete es in einem regelrechten Fiasko. Noch nie hatte sie das Gefühl, dass sie jemand mit so viel Abscheu und Verachtung betrachtete, wie ihr Arzt, nachdem sie ihm die Frage stellte. Sie kam sich erniedrigt und gedemütigt vor, als wäre sie eine billige Straßenhure. Dabei empfand sie die Vorstellung, Analsex zu haben, weniger verwerflich, als dass es sie in hygienischer Sicht etwas davor graute. Die Sichtweise des Arztes erschütterte hingegen ihre Grundfesten der Moral, was dazu führte, dass sie den Gynäkologen wechselte, aus Scham, ihm wieder unter die Augen treten zu müssen.

Erst Jahre später erfuhr sie die Ursache für seine ungewöhnliche Reaktion. Wie hätte sie auch wissen können, dass sein Sohn schwul war und ihn ein Sexualpartner mit AIDS infiziert hatte. Wenige Monate vor ihrem Termin war er daran verstorben. Eine Tatsache, über die der Vater nie hinweg kam.

 

Ohne es zu bemerken, stiehlt sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel. Erst als sie vom Kinn tropft, wischt sie die Wange mit dem Handrücken trocken. Sie hört das leise Klacken der Billardkugeln von nebenan. Er spielt noch immer dieses langweilige Hin und Her der Kugeln. Nur einmal hat sie das Spiel genossen, als er sie spontan zwang, sich zu entblößen und auf den Tisch zu knien. Er schoss geschickt Kugeln zwischen ihre Beine und Hände hindurch, ohne sie dabei zu treffen. Es war das einzige Mal, dass sie diesen grünen Filz mit ihren Fingern berührte, während er ihr das Kleid und den Slip fast in Fetzen riss, als er ungeduldig von hinten in sie eindrang. Das war vor vielen Jahren und so lange her, dass die Erinnerung daran immer mehr verblasst. Er war damals ziemlich angetrunken, doch es störte sie nicht. Inzwischen hatte sie gelernt, damit zu leben. Seitdem meidet sie den Raum, weniger wegen dieses Ereignisses. Es hatte ihr durchaus Freude bereitet. Vielmehr war es der Tatsache geschuldet, dass er ihr nur allzu oft unmissverständlich zu verstehen gab, ihn dort drin nicht zu stören. Niemals. Unter keinen Umständen.

Es stimmt sie traurig und macht sie ärgerlich zugleich, dass er sie für dumm verkaufen will. Dass er denkt, sie würde das billige Frauenparfüm nicht riechen, ebenso wie die leeren Kondomverpackungen im Papierkorb nicht bemerken. Zumindest ist er rücksichtsvoll genug, zu verhüten und seine Besuche so abzuwickeln, dass sie nichts davon mitbekommt. Für das Billardzimmer existieren eigene Zugänge zum Garten und in das große Badezimmer.

Die belastenden Belege für ihre Vermutung sind ziemlich dürftig, abgesehen von den Kondomtütchen. Die Tatsache an sich genügt jedoch, dass ihr Verhältnis immer weiter vergiftet wird. Es frisst sich in einem fort immer tiefer in ihre Seele, wie ein Krebsgeschwür.

Noch ist es nicht so weit, dass sie sich davor ekelt, wenn er mit ihr schlafen will. Selbst wenn er seit Jahren auch immer wieder dort in sie eindringt, wo es ihr nur selten Freude bereitet. Einen Teil der Schuld daran trägt sicherlich ihr Arzt von damals. Das ist es jedoch nicht alleine, was sie quält. Von Mal zu Mal fällt es ihr Schwerer, sich zu entspannen und dabei Freude zu empfinden. Es mag an ihrem Alter und den Hormonen liegen. Aber es sind vor allem die fiktiven Bilder, die ihr im Kopf herum gaukeln und ihr jegliche Freude rauben. Barbusige Blondinen, die sich lasziv auf dem Rücken liegend auf dem grünen Filz des Tisches rekeln.

 

Sie wird wohl wieder hoch in ihr Zimmer gehen und ausharren. Es ist das Einzige, was sie tun kann. Noch länger in der Küche sitzen, macht keinen Sinn. Sie weiß nicht, ob sie diese Nacht Schlaf finden wird. Aber es ist ihr auch egal. Er wird es sowieso nicht bemerken, denn sie schlafen bereits jahrelang in getrennten Zimmern. Er bestand darauf, weil er ihr sein lautes Schnarchen nicht zumuten wollte. Sie glaubt es ihm bis heute nicht, dass dies der wahre Grund war.

Was ihr jedoch nicht egal ist, das sind ihre beiden Kinder. Nils ist letztes Jahr mit einem Freund in eine kleine Studentenwohnung gezogen, was ihr überhaupt nicht gefallen hat, und ihr noch jetzt einen Stich versetzt, wenn sie nur daran denkt. Immerhin nutzt er ab und an sein altes Zimmer hier im Haus, wenn es für ihn praktischer ist oder er mit seiner Freundin ungestört Zeit verbringen möchte. Zumindest lebt Nicole noch zu Hause. Mit Betonung auf noch. Sie besitzt, wie ihr Bruder, ein eigenes Zimmer. Lediglich das Badezimmer müssen sie sich teilen. Seitdem sie vor über einem Jahr volljährig geworden ist, hält sie sich jedoch kaum zu Hause auf. Nicole schläft angeblich bei Freundinnen, was sie nicht so recht glauben will. Doch jedes Mal, wenn sie ihre Tochter auf einen möglichen Freund anspricht, wiegelt diese kategorisch ab. Die meisten Jungs würden sie nur nerven und sie davon abhalten zu studieren.

Sie hat es auf sich beruhen lassen. Wollte nicht weiter in ihre Tochter vordringen und sie damit nicht unnötig unter Druck setzen. Zumindest kann sie sich bisher darauf verlassen, dass Nicole ihr Bescheid gibt, wenn sie vor hat, fortzubleiben. Nur zweimal zuvor bekam sie keine Nachricht von ihr. Einmal weil sie mit Freundinnen Überland unterwegs war und angeblich das Netz fehlte, was sie jedoch bis heute bezweifelt. Das andere Mal musste sie ihre Tochter volltrunken von einer außer Kontrolle geratenen Geburtstagsparty abholen.

Was wird es wohl diesmal sein? Sie ist 19, bildhübsch und die Tochter wohlhabender Eltern. Schon eines davon kann Grund sein, dass etwas Schlimmes passiert ist. Manchmal liegt auch überhaupt kein triftiger Anlass vor. Sie greift nun doch nach einem Taschentuch, um ihren Tränenfluss zu bändigen. Und sie befürchtet, dass es nicht bei diesem einen bleiben wird.

 

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«Stell dir nur vor, sie will mich nicht in eine Studentenbude ziehen lassen. Dabei habe ich mich schon so darauf gefreut. Ich soll gefälligst zu Hause wohnen, denn da hätte ich ein Zimmer umsonst. Kannst du dir das vorstellen? Rebecca ist so gemein.»

«Du meinst sicherlich deine Mutter, Lucy», wiederhole ich wie eine Schallplatte, die hängt und immer wieder, die gleiche Stelle abspielt.

Mein Blick streift die Uhr neben dem Bett. 02:34 Uhr. Warum bin ich auch ran gegangen und habe sie nicht am Morgen zurückgerufen? Jedes Mal wenn ich Lucys Nummer zu ungewöhnlichen Zeiten auf dem Display sehe, bringe ich es einfach nicht übers Herz, ihren Anruf zu ignorieren. Zu tief sitzt die Angst, dass ihr etwas Schlimmes passiert sein könnte und sie dringend meine Hilfe braucht. Ich würde es nicht ertragen, wenn ihr etwas zustößt. Das ist mir bereits vor vielen Jahren klar geworden. Lucy ist ein wichtiger Teil meines Lebens, wenn nicht sogar der wichtigste. Manchmal habe ich das Gefühl, sie zu lieben, als wäre sie meine eigene Tochter.

«Ja Mutter», faucht sie so laut, dass ich das Mobilteil vom Ohr weghalten muss. «Tolle Mutter, die ihre Tochter zu Hause einsperrt.»

«Jetzt beruhige dich doch, vielleicht hat sie ....»

«Gar nichts hat sie», fährt mir Lucy wütend ins Wort. «Nicht einmal vernünftige Klamotten will sie mir kaufen.»

«Aber du hast doch in deinem Zimmer den kompletten Schrank voll mit so vielen tollen ...», versuche ich es erneut und bemühe mich um einen ruhigen Tonfall. Doch sie unterbricht mich abermals.

«Das hat sie auch gesagt, diese Scheinheilige. Dabei weiß sie ganz genau, dass das alles alter Plunder ist. Das Neueste ist von letztem Jahr. Das ist total mega-out.»

«Aber du hast doch nach wie vor so viele Jeans. Die kommen niemals aus der Mode.»