Geliebt, gehasst, gefürchtet … - John F. Beck - E-Book
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Geliebt, gehasst, gefürchtet … E-Book

John F. Beck

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Beschreibung

Sie wurden geliebt, sie wurden gehasst, aber manchmal auch gefürchtet. Die Frauen in der Zeit des Wilden Westens spielten eine wichtige Rolle; sie zogen entscheidende Fäden im Hintergrund und beeinflussten die Männer bei ihren Entscheidungen. Sie waren zumeist selbstbewusst und wussten genau, was sie wollten und wenn man ihnen das Liebste nahm, konnte es passieren, dass sie sich von einem sanftmütigen Wesen in einen Racheengel verwandelten. In dieser Western-Anthologie spielen Frauen eine wesentliche Rolle und keine von ihnen sollte unterschätzt werden … Dieses Buch enthält folgende Romane und Geschichten: › Mary-Lou schwor Rache – von John F. Beck › Kid und die Girls für Camp Hills – von Pat Urban › Der Kopfgeldjäger und das Abendmahl – von Robert Daan › Heiße Nächte in Omaha – von Glenn P. Webster

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John F. Beck/Glenn P. Webster/

Robert Daan/Pat Urban

 

 

Geliebt, gehasst, gefürchtet …

 

 

Western-Kollektion

 

Drei Romane und eine Erzählung

 

 

 

 

 

 

Bärenklau Exklusiv

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Tony Masero mit Kerstin Peschel, 2022

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Mary-Lou schwor Rache 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

Kid und die Girls für Camp Hills 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

21. Kapitel 

22. Kapitel 

23. Kapitel 

24. Kapitel 

25. Kapitel 

26. Kapitel 

27. Kapitel 

28. Kapitel 

29. Kapitel 

30. Kapitel 

31. Kapitel 

32. Kapitel 

33. Kapitel 

34. Kapitel 

35. Kapitel 

36. Kapitel 

37. Kapitel 

38. Kapitel 

39. Kapitel 

40. Kapitel 

41. Kapitel 

42. Kapitel 

Der Kopfgeldjäger und das Abendmahl 

Heiße Nächte in Omaha 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

Über die Autoren und den Coverzeichner 

 

Das Buch

 

 

Sie wurden geliebt, sie wurden gehasst, aber manchmal auch gefürchtet.

Die Frauen in der Zeit des Wilden Westens spielten eine wichtige Rolle; sie zogen entscheidende Fäden im Hintergrund und beeinflussten die Männer bei ihren Entscheidungen. Sie waren zumeist selbstbewusst und wussten genau, was sie wollten und wenn man ihnen das Liebste nahm, konnte es passieren, dass sie sich von einem sanftmütigen Wesen in einen Racheengel verwandelten.

In dieser Western-Anthologie spielen Frauen eine wesentliche Rolle und keine von ihnen sollte unterschätzt werden …

 

Dieses Buch enthält folgende Romane und Geschichten:

› Mary-Lou schwor Rache – von John F. Beck

› Kid und die Girls für Camp Hills – von Pat Urban

› Der Kopfgeldjäger und das Abendmahl – von Robert Daan

› Heiße Nächte in Omaha – von Glenn P. Webster

 

 

***

 

 

 

Mary-Lou schwor Rache

 

 

von John F. Beck 

 

 

 

1. Kapitel

 

Der Knall eines Revolverschusses hallte dumpf aus dem steinernen Gebäude der Greenhill-Bank.

Mit einem wilden Satz sprang Sheriff Chad Harbin vom Stuhl auf, riss die Winchester 73 aus dem Gewehrrechen und hastete zur Tür.

Draußen flutete gleißendes Licht über die breite Main Street der kleinen Rinderstadt. Das Bankhaus lag dem Sheriffs-Office schräg gegenüber. Staubbedeckte struppige Pferde waren am Haltegeländer davor angeleint. Daneben stand ein breitschultriger Fremder auf dem Gehsteig und hielt ein schussbereites Gewehr im Hüftanschlag.

Die hohen Türflügel der Bank wurden nach innen aufgezerrt. Ein schmächtiger Mann mit hochgekrempelten weißen Hemdsärmeln stolperte über die Schwelle. Sein spitzes Gesicht war kreidebleich, die Augen weit aufgerissen.

»Hilfe!«, krächzte er. »Überfall! Amarillo und seine Banditen rauben den Tresor …«

Aus dem Gebäude folgte das erneute Krachen eines Schusses. Für einen Moment wurde die Dämmerung hinter der halboffenen Tür vom grellen Mündungslicht zerfetzt. Wie von einem Kolbenhieb ins Genick getroffen, stürzte der Bankclerk hart vornüber, rollte auf den Gehsteig und lag dann still.

Chad Harbin lud die Winchester durch und sprang wie ein Tiger auf die Officeveranda. Ehe er das Gewehr hochreißen und den Pferdewächter vor der Bank anrufen konnte, befahl seitlich hinter ihm eine klirrende Stimme: »Bleib so stehen, Sternträger! Keine falsche Bewegung – sie könnte deine letzte sein! In diesem netten Spielchen wirst du nicht mitmischen!« Ein Colthammer knackte unmissverständlich.

Der Sheriff von Greenhill erstarrte. Er wandte nur halb den Kopf und sah einen großen stoppelbärtigen Burschen mit angeschlagenem Colt vor der Bretterwand stehen. Zorn und Enttäuschung durchströmten Chad siedend heiß, als er begriff, wie glatt er diesem Banditen in die Falle gegangen war. Der Mann grinste ihn herausfordernd an, wies mit dem eckigen Kinn zum Bankhaus hinüber und meinte spöttisch: »Gleich ist alles vorbei. Nur nicht die Nerven verlieren, Freundchen! Wir kassieren den Zaster, und du behältst dein Leben – aber nur, wenn du vernünftig bist!«

Undeutliche Stimmen schallten aus der Bank. Glas schepperte, hartes Gepolter war zu hören. Der Pferdewächter vor dem Steingebäude schwang plötzlich sein Gewehr an die Schulter und feuerte blitzschnell ein paar Kugeln die Straße hinab. Fensterscheiben barsten, Holzsplitter wirbelten. Chad sah seinen Deputy Walt Drover gerade noch rechtzeitig in den Eingang des Lucky Cowboy Saloons zurückspringen. Die Gehsteige zu beiden Fahrbahnseiten waren wie leergefegt. 

Vor dem Generalstore, nur zwei Häuserblocks von der Greenhill-Bank entfernt, stand ein hochrädriger Ranchwagen. Er gehörte Hank Jones, der auf einer kleinen Ranch draußen am Turkey Creek lebte und dessen Tochter der Sheriff in einigen Wochen zur Frau nehmen wollte. Wahrscheinlich hielt sich Jones mit Mary-Lou im Store auf. Jeden Augenblick konnten sie herauskommen – und der Verbrecher vor der Bank schien auf alles zu schießen, was sich nur bewegte.

Brennende Besorgnis erfüllte Chad. Die kalte Stimme des Desperados mit dem Colt drang in seine sich jagenden Gedanken ein. »Weg mit dem Schießprügel, Sheriff. Du kannst damit nichts mehr anfangen.«

Chad drehte sich langsam vollends zu dem Banditen herum.

»Diese Sache bricht euch das Genick. Das verspreche ich dir.«

»Bist du versessen darauf, dass wir dich als Toten zurücklassen? Sei kein Narr, Sternträger!«

Noch während sich Chad drehte, war sein Blick auf einen weiteren Mann gefallen. Er saß in der schattigen Gasseneinmündung neben dem Office unbeweglich auf einem hochbeinigen Rapphengst. Ein großer drahtiger Bursche mit dunkel gebräuntem, scharfzügigem Gesicht und schwarzem Haar, das sich unter dem ins Genick geschobenen Stetson hervorringelte. Der Colt an seiner rechten Seite war auffällig tief geschnallt. Betont lässig hielt der Mann beide Hände auf dem steilen Horn des McClellan-Sattels verschränkt.

Minutenlang vergaß Chad den Desperado, der ihn in Schach hielt.

»Santana!«, flüsterte er grimmig. »Lässt du also endlich deine Maske fallen? Du arbeitest mit Amarillo Hand in Hand?«

»Irrtum, lieber Harbin! Mit der ganzen Sache habe ich nichts zu tun. Bin nur Zaungast.« Er zuckte leicht die Achseln. »Wenn alles vorbei ist, kannst du mir nichts anhaben, Sheriff. Ich werde nur unten in Arizona und New Mexico steckbrieflich gesucht. Wenn es dir auch im Magen liegt, hier in Colorado bin ich so unbescholten wie jeder andere Bürger. Deine Sache, wenn du nicht glauben willst, dass ich ein neues Leben begonnen habe.« Er lachte spöttisch, tippte an die Krempe seines Stetsons, wendete den Rapphengst und ritt gelassen in die schattige Seitengasse zurück.

»Er hält sich ’raus, ein kluger Hombre!«, grinste der Stoppelbärtige. »Solltest seinem Beispiel folgen, Sheriff! Wirf jetzt endlich deine Knarre weg, sonst fällst du tot um!« Er machte einen drohenden Schritt auf Chad zu.

Aus den Augenwinkeln bemerkte Chad, wie sich die Storetür bewegte. Im dämmrigen Spalt wurde ein helles Sommerkleid sichtbar. Mary-Lou! dröhnte es in seinem Kopf. Es blieb keine Zeit mehr zum Überlegen. Er ließ die Winchester sinken. »Hast gewonnen!«, murmelte er dumpf. Dann schleuderte er die Waffe von sich, gab ihr dabei geschickt eine leichte Drehung, und schon zerklirrte das Fenster neben der Officetür unter dem Anprall des Gewehrs. 

Instinktiv ruckte der Kopf des Banditen herum. Die Coltmündung geriet aus der Richtung. Chad Harbin ließ sich nach vorn fallen. Der Stoppelbärtige schrie vor Wut. Sein Colt dröhnte. Die Mündungsflamme strich über Chads Rücken weg. Der Sheriff schlang seine Arme um die Beine des Verbrechers und riss mit aller Kraft. Der Mann stürzte auf ihn. Wieder entlud sich der Colt. Chad rollte sich unter dem Desperado hervor und riss seinen eigenen Revolver aus dem Holster. Der Stoppelbärtige wälzte sich auf die Seite und richtete aus nur zwei Armlängen Entfernung die Waffe auf ihn. Chads Stiefel zuckte hoch und erwischte den Kerl genau am Handgelenk. Der Colt wirbelte über die Veranda in den Straßenstaub. Der Bandit brüllte vor Zorn und Schmerzen. Von den Brettern aus schnellte er sich mit krallenartig vorgereckten Händen auf Chad zu … und geriet genau in Chads hochschwingenden Revolverlauf. Wie ein schlaffes Bündel fiel der Verbrecher zurück.

Chad sprang hoch. Die Storetür stand jetzt ganz offen. Hank Jones und seine junge Tochter verharrten wie gebannt auf der Schwelle.

»Zurück ins Haus!«, schrie ihnen Chad zu.

Den rauchenden Revolver in der Faust, stürmte der Sheriff die Verandastufen hinab. Und da kam bereits Amarillo mit seinem wilden Rudel aus der Greenhill-Bank gestürzt …

 

 

2. Kapitel

 

Sie waren zu viert. Kräftige, sehnige Männer mit kantigen Gesichtern, die von einem wilden, verwegenen Leben gezeichnet waren. Jeder hielt einen Revolver in der Faust. Zwei Banditen schleppten prall gefüllte Leinensäcke auf den Schultern. Chad kannte den berüchtigten Bandenboss Amarillo vom Steckbrief her. Er war ein großer hagerer Bursche mit tiefliegenden, fanatisch glühenden Augen. Sein Gesicht war von vielen dunklen Linien zerfurcht, die ihn älter erscheinen ließen, als er tatsächlich war.

Er gab einen knappen Befehl, und sofort begannen die vier Banditencolts zu krachen. Die beiden Burschen mit den Geldsäcken rannten zu den Pferden. Amarillo und ein rothaariger Kerl sprangen vom Gehsteig und versuchten den Sheriff mit ihren schnellen Kugeln zu erwischen. Die Detonationen hallten ohrenbetäubend zwischen den Häuserfronten. Pulverdampf wehte in dichten Schwaden.

Chad ließ sich auf die Knie fallen. Kugeln umjaulten ihn, fetzten Holzspäne von der Veranda und ließen den Sand neben ihm aufspritzen. Ein Pferd riss sich vom Haltebalken los, geriet genau in den Kugelhagel der Verbrecher, bäumte sich durchdringend wiehernd auf und brach schließlich zuerst nach vorn ein, ehe es auf die Seite kippte und sich nicht mehr regte.

Das verschaffte Chad ein paar kostbare Sekunden. Er dachte nicht an Rückzug. Da drüben lag ein toter Bankangestellter im Sonnenlicht, und dort drüben stand mit feuerspeiendem Revolver der Bandit, der viele Menschenleben auf dem Gewissen hatte. Durch die Schleier aus Pulverrauch und Staub hetzte Chad vorwärts.

»Chad!«, hörte er Mary-Lou Jones angstvolle Stimme durch den wüsten Lärm dringen. Dann kauerte er schon mitten auf der Straße hinter dem zusammengebrochenen Pferd und jagte einen Schuss über den leeren Sattel weg. Amarillo verlor plötzlich das Gleichgewicht, stolperte gegen die Steinwand des Bankgebäudes zurück und rutschte an ihr langsam abwärts.

Den Rothaarigen traf Chad mit dem nächsten Schuss in die Schulter. Der Mann wurde herumgewirbelt und fiel aufs Gesicht in den Straßenstaub. Die beiden Kerle mit den Geldsäcken waren bei den Gäulen angelangt.

Vom Lucky Cowboy Saloon kam Deputy Sheriff Drover mit gezogenem Revolver herangestürmt. Aus der Schmiede polterten zwei, drei schreiende waffenschwingende Männer. Andere Gestalten tauchten auf überdachten schattigen Veranden auf. 

Die vor einigen Minuten noch totenstille Stadt Greenhill hatte sich in einen einzigen Hexenkessel verwandelt.

»Halt!«, brüllte Chad den Banditen zu. »Ergebt euch!«

Amarillos Leute fluchten vor Wut, Enttäuschung und Verzweiflung. Der eine löste die Pferdeleinen vom Haltegeländer, der andere schoss wie verrückt zwischen den erschreckt keilenden, sich aufbäumenden Tieren heraus.

Deputy Sheriff Drovers Colt donnerte, die Gewehre und Revolver der anderen Greenhill-Bürger fielen mit ein. Von allen Seiten kamen sie jetzt auf die Bank zugerannt. Das tollkühne Eingreifen ihres Sheriffs und dessen ausschlaggebender Erfolg hatten ihr Zögern und ihre Bedenken weggefegt.

Zwei Banditengäule brachen im Kugelregen zusammen. Der eine Bandit musste, um sich vor den wirbelnden Hufen zu retten, auf die Straße springen. Er wurde von mehreren Geschossen gleichzeitig getroffen und förmlich niedergeschmettert. Der Leinensack öffnete sich. Geldscheinbündel rutschten heraus. Der andere Desperado schaffte es, in den Sattel zu kommen. Er hielt den Geldsack mit der Coltfaust vor die Brust gepresst, mit der anderen Hand lenkte er das Pferd herum.

Chad war hinter dem toten Pferd hochgekommen. Drover schrie den Bürgern zu, das Schießen einzustellen, um den Sheriff nicht zu gefährden. Chad fiel dem Banditenpferd in die Zügel. Das Tier scheute zurück und knickte in die Hanken.

»Gib auf, Bandit!«, keuchte Chad dem Reiter zu.

Der Mann schrie schrille unzusammenhängende Worte und stieß wie rasend mit dem Stiefel nach Chad. Er ließ den Geldsack noch immer nicht los und konnte deshalb den Revolver nicht in Anschlag bringen. Chad packte seinen Fuß und wollte ihn aus dem Sattel zerren. Da wurde ein Gewehrlauf durch ein Bankfenster gestoßen. Der Schuss vermischte sich mit dem Klirren des Glases. Die Kugel traf den Bankräuber von hinten in den Kopf und schleuderte ihn an Chad Harbin vorbei in den wallenden Staub.

Die gebrochenen Augen des Mannes starrten Chad geweitet an. Noch im Tod hielt der Bandit den mit Dollarnoten gefüllten Leinensack an seinen Leib gedrückt. Ein Gefühl des Ekels packte den Sheriff. Der Lärm ringsum schmerzte in seinen Ohren. Ein Rausch schien die Bürger von Greenhill erfasst zu haben. Eine heisere verzerrte Stimme schrie: »Da ist noch einer von den Halunken! Schnappt ihn euch!«

Chad fiel der Bandit ein, den er auf der Officeveranda niedergeschlagen hatte. Er wirbelte herum. Der Verbrecher war zu sich gekommen, presste sich keuchend gegen die Bretterwand und hob Chads Winchester in Anschlag. In einem staubaufwirbelnden Halbkreis stürmten die Bürger auf ihn zu.

»Weg mit dem Gewehr!«, brüllte Chad. »Lass dich verhaften, du verdammter Narr!«

In seiner Panik hörte der Bandit nicht und begann verzweifelt zu feuern. Ein Greenhill-Mann schrie auf und griff sich an die blutende Wange. Ein Hagel von heißem Blei prasselte erbarmungslos gegen das Office, zerhämmerte sämtliche Fensterscheiben und ließ den Stoppelbärtigen ein paarmal zusammenzucken. Mit letzter Kraft hielt er sich noch auf den Füßen, schaffte es aber nicht mehr, die Winchester hochzureißen.

»Aufhören!«, schrie Chad den Bürgern zu. »Aufhören!«

Da peitschte es schon wieder drei- oder viermal, und der Bandit stürzte mit ausgebreiteten Armen nach vorn auf die Verandabretter. Es gab keine Amarillo-Bande mehr!

Jäh verstummte der Lärm. Ernüchterung überfiel die Menge. Auf einmal starrten sich die Männer überrascht und betreten an. Jemand murmelte gepresst: »Sie haben nichts anderes verdient! Wir haben nur unsere Pflicht getan.«

Chad sah die schlaffen Gestalten, die Geldscheinbündel, die glänzenden Patronenhülsen im Sand, und sekundenlang wünschte er sich weit weg von hier. Dann hörte er hinter sich eilige Schritte und Mary-Lous angespannten Ruf: »Chad, bist du verletzt?«

Er drehte sich zu ihr herum. Sie kam gerade vom Gehsteig herab. Ihr langes schwarzes Haar flatterte. Ihr ausdrucksvolles, klar geschnittenes Gesicht war blass. Chad wollte ihr beruhigend zulächeln, da sah er die große hagere Gestalt hinter ihr emporwachsen, und eisiger Schreck jagte seinen Rücken hinab.

»Mary-Lou, Vorsicht!« Er sprang vorwärts.

Der Mann riss Mary-Lou bereits mit harter Faust zurück, presste sie an sich und hielt ihr die Revolvermündung an die Schläfe. Ein leiser Laut des Erschreckens kam über Mary-Lous Lippen. Sie wagte keine Bewegung mehr.

Amarillos Gesicht war vor Hass und Anstrengung verkniffen. Blut sickerte von seinem linken Oberschenkel das Hosenbein hinunter. Hinter Chad tönte ein rauer Aufschrei. Tritte scharrten über die Straße heran.

Sofort knirschte der Bandenboss wild: »Versucht es nur, ihr Teufel! Das Girl hätte es mit dem Leben zu bezahlen!« Die Geräusche hinter dem Sheriff verebbten. Beklemmende Stille herrschte. Jeder sah dem hageren Banditen an, wie ernst er es meinte. Chad forderte heiser: »Lass sie aus dem Spiel, und ich verspreche dir, wir beide werden es von Mann zu Mann austragen!«

»Zur Hölle mit dir, du Schuft mit dem Blechstern!« Amarillos Stimme zitterte vor Wut. »Von Mann zu Mann? Das kenne ich! So wie ihr meine Crew erledigt habt, ihr Hundesöhne, was? Beim Teufel, ich habe gute Lust, euch dieses Mädchen tot vor die Füße zu legen, nur um euch diese Heldentat heimzuzahlen!«

»Amarillo!«, keuchte Chad entsetzt. »Du …«

»Sei still, Sternträger!«, fauchte ihn der Bandit an. »Kein Wort mehr! Ich werde jetzt verduften, und das Girl ist meine Lebensversicherung. Nehmt die Geldsäcke und bindet sie am Sattel des Falben fest. Ich nehme sie ebenfalls mit. Glotzt mich nicht so an! Das geht euch wohl nicht in den Sinn, dass zum Schluss doch noch ich die Runde gewinne, was?«

»Du bist verwundet, Amarillo!«, sagte Chad gepresst. »Du kommst nicht weit!«

»Lass das nur meine Sorge sein! Und noch eines – wenn ich es nicht schaffe, wenn ich auf der Strecke bleibe, irgendwo draußen in den Hügeln, dann sterbe ich nicht allein! Ich habe das Girl bei mir! Ich habe noch nie meinen Revolver gegen eine Frau gerichtet. Aber was ich hier in dieser verdammten Stadt gesehen habe, ist zu viel, um noch irgendwelche Rücksichten aufkommen zu lassen! Eure schuld! Schreibt es euch hinter die Ohren, ihr Lumpenpack!«

Mary-Lou als Schutzschild vor sich haltend, bewegte er sich rückwärts auf die Pferde zu. Sein linker Fuß schleifte im Staub. Amarillo knurrte: »Ich warte auf das Geld!«

Deputy Sheriff Walt Drover, ein schlaksiger junger Mann mit Sommersprossen über der Nase, schaute Chad fragend an. Chad konnte nur nicken. Da bückte sich Drover seufzend nach den prallen Leinensäcken. Plötzlich entstand Bewegung in der Mauer aus unschlüssig starrenden Männern.

»Mike Conroe!«, rief eine atemlose raue Männerstimme. »Mike, um Himmels willen …«

Amarillo zuckte zusammen. Die Wildheit schwand jäh von seinem Ledergesicht. Seine Augen suchten die Menge ab. Mary-Lous Vater Hank Jones bahnte sich ungeduldig einen Weg nach vorn. Er war ein stämmiger schnurrbärtiger Mann, dessen Gesicht alle Farbe verloren hatte.

»Dad!«, schrie das Mädchen auf. »Vorsicht! Er ist zu allem entschlossen!«

»Mike!«, schnaufte Jones wieder, blieb stocksteif stehen und starrte Amarillo an. »Mike, sie ist meine Tochter!«

Amarillo schluckte. Seine Faust mit dem tödlich drohenden Revolver zitterte plötzlich. »Hank – du?«

»Sie ist meine Tochter!«, wiederholte Jones kratzend, und seine Fäuste öffneten und schlossen sich nervös.

Da sank die Waffe des gefürchteten Bandenführers langsam nach unten. Er ließ Mary-Lou los. Sie lief zu ihrem Vater, schlang ihre Arme um ihn und barg zitternd ihr Gesicht an seiner Brust. Jones Blick war an dem lederhäutigen Desperado wie festgebrannt.

»Zufrieden, Hank?«, fragte Amarillo leise, wartete keine Antwort ab und wandte sich dem Sheriff zu. »Nun? Worauf wartest du noch? Tu deine Pflicht, Sternträger!«

Chad gab sich einen Ruck. Den Finger am Abzug, steuerte er geradewegs auf den jetzt schwankenden Bandenboss zu. Amarillos Augen verengten sich. Die alte Wildheit erwachte in ihnen. Er bemühte sich, nochmals den Colt in die Höhe zu bringen. Doch der Blutverlust hatte ihn schon zu sehr geschwächt. Er lächelte verzerrt.

»Schade, Sheriff! So einfach wollte ich es dir nicht machen!«

Das verletzte Bein gab unter ihm nach. Er landete dumpf und schwer im Sand. Der Colt entglitt ihm. Chad kauerte neben ihm nieder.

»Ich werde dich jetzt verbinden, Amarillo.«

Jones war plötzlich zur Stelle und schob den jungen Sheriff zur Seite. »Überlass das mir!«

Ihre Blicke trafen sich. »Woher kennst du ihn, Hank?«, fragte Chad leise.

»Es ist lange her!«, murmelte Jones ausweichend. Ein nachdenklicher, bitterer Ausdruck stand in seinen Augen. Er bückte sich zu Amarillo. »Ich stehe wieder in deiner Schuld, Mike. Wie damals vor zehn Jahren.«

Er hob den Verwundeten auf und trug ihn auf seinen muskulösen Armen zum Sheriffs-Office. Chad blieb nichts anderes übrig, als hinterherzugehen. Er und Mary-Lous Vater waren immer gute Freunde gewesen. Aber jetzt war etwas Fremdes zwischen ihnen, was Chad mit Unruhe erfüllte. Die Menge auf der Main Street zerstreute sich. Walt Drover ließ die toten und verletzten Banditen fortbringen. Leer und still, als ob nichts geschehen wäre, lag die kleine Stadt kurze Zeit später wieder unter dem strahlend blauen Colorado-Himmel.

 

 

3. Kapitel

 

Mit gesenktem Kopf kam Hank Jones aus der Zelle, die die hintere Hälfte des Sheriffs-Office abtrennte. Amarillo lag still auf der Holzpritsche. Ein dicker Verband lief um seinen linken Oberschenkel. Chad nahm den klirrenden Schlüsselbund vom Schreibtisch.

»Hank, bist du mir nicht eine Erklärung schuldig?«

Jones’ Miene war verschlossen. Stumm ging er an Chad vorbei.

»Hank!«, rief der Sheriff wieder.

Da blieb Jones mit dem Rücken zu ihm ruckartig stehen. Seine breiten Schultern zogen sich zusammen. Zwei Sekunden verharrte er völlig reglos, dann machte er so blitzartig einen Seitenschritt zum Gewehrständer, dass Chad nicht mehr reagieren konnte. Schon war Jones herumgewirbelt und hielt einen Spencer Karabiner in den schwieligen Fäusten. Er sagte leise und gepresst: »Lass ihn frei, Chad! Lass ihn aus Greenhill verschwinden!«

»Das ist ja Wahnsinn, Hank!« Chad starrte den gedrungenen Rancher ungläubig an. »Was ist in dich gefahren?«

»Ich bin dabei, eine Schuld zu bezahlen, eine uralte Schuld!«

In der Zelle setzte sich Amarillo mühsam auf der Pritsche hoch. Schmerzen und Schwäche zeichneten noch immer sein hageres Gesicht, aber sein Blick war voll lauernder Wachsamkeit. Chad murmelte heiser: »Du weißt nicht, was du da tust. Leg das Gewehr weg.«

»Erst wenn Mike Conroe in Sicherheit ist.«

»Mike Conroe? Er ist Amarillo, einer der gefürchtetsten Banditen in Colorado. Ein Mann, der schon zu viel Unheil angerichtet hat …«

»Ein Mann, dem ich mein Leben verdanke, Chad!«, unterbrach ihn Jones. »Es war vor zehn Jahren. Damals trug er noch seinen richtigen Namen – Mike Conroe. Es war im letzten Jahr des Bürgerkriegs. Wir kämpften beide auf der Seite der Konföderation. Mike war Sergeant, ich Corporal. Wir waren gute Freunde. In der Schlacht bei Shiloh wurde ich verwundet. Die Kanonen der Yankees verwandelten das Gelände ringsum in ein einziges Gewirr von Granattrichtern, Blut und Sterben. Mike setzte sein Leben aufs Spiel, um mich da rauszuschleppen. Mir kam es wie ein Wunder vor, dass er es schaffte. Ich habe es niemals vergessen!«

Das Sprechen fiel dem Sheriff schwer. »Zehn Jahre sind eine lange Zeit, Hank. Ein Mann kann sich verändern. Meinst du wirklich, dass Mike Conroe und Amarillo noch ein und derselbe Mensch sind?«

»Darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Ich habe ihm damals ein Versprechen gegeben. Jetzt ist es Zeit, es einzulösen! Chad, Lass ihn gehen! Amarillo, komm! Die Tür ist offen! Beiß die Zähne zusammen und versuch es!«

Amarillo stemmte sich von der Pritsche hoch.

Mühsam wankte er durch die Zelle. »Hank!«, keuchte Chad. »Das lasse ich nicht zu! Sei vernünftig, Hank!« Er machte einen Schritt zur Zellentür.

Sofort ruckte Jones Spencer. »Ich werde schießen!«

»Auf einen Freund? Auf den Mann, den deine Tochter liebt?«

»Kein Wort von Mary-Lou!«, flüsterte der Rancher heiser. »Chad, es liegt an dir, ob wir weiter Freunde bleiben! Fällt es dir so schwer, mich zu verstehen?«

»Ich trage den Stern, ich habe meine Pflicht zu tun. Und Amarillo ist ein Verbrecher! Hank, du …«

»Wenn du nicht mehr zu sagen hast, dann vergiss bloß nicht das Gewehr in meinen Händen!«, knurrte Jones grimmig. »Rühr dich nicht vom Fleck, Chad Harbin! Weiter, Amarillo, komm weiter. In dieser Stadt wird dir kein Haar gekrümmt.«

Amarillo war nur noch drei Schritte vom Zellenausgang entfernt. In Chad sträubte sich alles dagegen, diesen gnadenlosen Banditen wieder in Freiheit zu wissen. Mit einem wilden Satz warf er sich vorwärts und schlug vor dem Desperado die Gittertür zu. Im nächsten Moment kreischte schon der Zellenschlüssel im Schloss. Amarillo fluchte krächzend und krampfte erschöpft die knochigen Fäuste um die Eisenstäbe.

»Chad!«, knirschte der Rancher. »Du unterschätzt mich!« Geduckt, die Gewehrmündung auf die Brust des Sheriffs gerichtet, kam er langsam quer durchs Office. »Schließ wieder auf, Chad! Sofort! Beim Himmel, zwing mich nicht zum Äußersten!«

»Du wirst es nicht tun, Hank!«

»Es geht um sein Leben! Sie werden ihn hängen, das weißt du so gut wie ich!«

»Hat er es anders verdient? Ein Mann, der gewiss mehr als ein Menschenleben auf dem Gewissen hat? Hank, du machst dich zum Freund eines gesuchten Verbrechers! Denkst du gar nicht an deine Zukunft an deine Ranch … und an Mary-Lou?«

»Du sollst still sein!«, schrie ihn Jones in einer Mischung aus Wut und Verzweiflung an. »Meinst du, ich will dabeistehen und zusehen, wie sie ihm den Strick um den Hals legen? Dem Mann, dem ich mein Leben verdanke? Ein dreckiger Feigling wäre ich, wenn ich das zuließe! Chad, ich habe lange genug geredet! Lass ihn heraus!«

Langsam, fast schwerfällig, wandte sich Chad der Zelle zu.

»Amarillo, willst du das wirklich annehmen? Er setzt seine Ehre und Sicherheit deinetwegen aufs Spiel. Er wird …«

»Verdammter Narr!«, knirschte Amarillo schwitzend. Seine Augen flammten. »Zeig mir den Mann, der eine andere Wahl trifft, wenn ihm der Galgen droht.

Los, du Schwätzer, sperr endlich auf!« Die Knöchel an seinen Fäusten traten weiß hervor.

Jones’ Stiefel pochten dicht an Chad heran. Der Sheriff spürte den kalten Stahl der Gewehrmündung im Rücken. »Mach schon!« Chad ließ den Schlüsselbund auf die Dielen scheppern. Er bückte sich sofort. Seine Muskeln spannten sich dabei. Es ging nicht nur mehr um Amarillo. Er musste Mary-Lous Vater vor einem Fehler bewahren, der ihm und dem Mädchen die Existenz im Greenhill County kosten würde!

Ehe er sich herumschleudern konnte, um Jones die Beine wegzureißen, schrie Amarillo scharf: »Vorsicht, Hank, ein Trick!«

Jones sprang geistesgegenwärtig rückwärts. Chads Fäuste schossen ins Leere. Er verlor das Gleichgewicht und fiel auf die Bretter. Jones schnaufte heftig. Chad wälzte sich herum und griff zum Revolver.

»Hank, nicht …«

Jones’ Karabinerlauf zuckte nieder und streifte Chads Kopf. Der Schmerz drohte dem Sheriff die Besinnung zu rauben. In seinen Händen war plötzlich keine Kraft mehr. Jones sprang über ihn weg zur Zelle und drehte den Schlüssel.

»Raus mit dir!«, schrie er dem Banditen atemlos zu. Die Gittertür quietschte laut in den Angeln.

Mit zusammengebissenen Zähnen schaffte es Chad, auf die Knie zu kommen. Aber sein Holster war leer. Der Revolver lag auf dem Boden. Jones zerrte Amarillo aus dem Jail. Da flog die Officetür auf. Deputy Walt Drover und ein breitschultriger Mann in braunem Kordanzug stürmten herein, jeder einen Revolver in der Faust.

»Jones!«, schrie der junge Hilfssheriff schrill. »Haben Sie den Verstand verloren?«

Hinter ihnen hastete Mary-Lou mit gerafftem Kleidersaum die Verandastufen herauf. Jones ließ Amarillo los. Der verwundete Desperado sank in die Knie. Jones schwang den Spencer-Karabiner herum, zögerte jedoch einen Moment, auf den Deputy abzudrücken. Da hatte sich Chad wieder einigermaßen gefangen und rammte ihm die Schultern gegen die Beine. Jones krachte rücklings gegen das Zellengitter. Der Karabiner entglitt ihm. Als er sich danach bückte, drückte ihm Drovers breitschultriger Begleiter die Revolvermündung ins Genick.

»Du warst dem Tod niemals näher als jetzt!«, knurrte er dabei grimmig.

Jones nahm die Hände vom Gewehr und richtete sich langsam hoch. Sein eckiges Gesicht war dunkel vor Wut und Enttäuschung.

»Den Gefallen tu ich dir nicht, Kellock!«, raunte er dem Breitschultrigen zu. »So billig bekommst du meine Ranch nicht!«

Drover stemmte Amarillo in die Zelle zurück und Schloss ab. Kopfschüttelnd wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Chad hatte sich erhoben und seinen Revolver wieder an sich genommen. Mary-Lou stand blass und verkrampft auf der Schwelle. Ihr Blick wanderte hilflos hin und her. Chad wandte sich an den breitschultrigen Rancher Bruce Kellock.

»Nehmen Sie Ihr Schießeisen weg. Es ist alles vorbei.«

Kellock ließ die Waffe sinken. Unter den buschigen Brauen hervor starrte er den Sheriff finster an. »Ich warte darauf, dass Sie Jones zu diesem Kerl ins Jail sperren.«

»Es ist meine Entscheidung«, sagte Chad kühl. »Hank, du kannst gehen!«

Jones sagte schwer: »Du irrst dich, Chad. Das war erst der Anfang. Ich werde alles tun, damit Mike Conroe, der sich Amarillo nennt, nicht am Galgen landet.«

»Da hören Sie es!«, stieß Kellock hervor. »Ich wusste schon immer, dass Jones nicht der biedere Viehzüchter ist, als den er sich ausgab. Harbin, Sie müssen ihn …«

»Du hältst die Klappe!« Jones ruckte zornig zu ihm herum. »Die ganze Stadt weiß, dass du es auf meine Ranch und meine Weide abgesehen hast. Dir ist jeder Anlass recht, um mich aus dem Weg zu räumen.«

»Wenn ich das wirklich wollte«, lächelte Bruce Kellock düster, »hätte ich mein Ziel längst erreicht. Oder hast du vergessen, dass meine K-Star-Ranch der mächtigste Besitz in hundert Meilen Umkreis ist?«

»Eine Macht, die du nur mit deinen Revolver-Cowboys aufrechterhalten kannst, Kellock! Misch dich nicht in diese Sache ein. Du fällst mir lange genug schon auf die Nerven!«

»Ich werde mich einmischen. Das ist mein gutes Recht. Kein anständiger, ehrlicher Mann kann zulassen, dass ein Oberschurke wie Amarillo, aus dem Jail geholt wird. Wenn Harbin zu nachsichtig mit dir ist, werde ich mit meinen Männern zur Stelle sein. Und dann versuch es nur, Freund Jones. Du wirst nur eines erreichen: Amarillo bekommt einen Gefährten an den Galgen!« Er lachte grimmig.

»Dreckskerl!«, zischte Jones und holte aus.

»Dad!«, schrie Mary-Lou erschrocken und lief ins Office.

Jones’ Faust landete in Kellocks Gesicht und trieb den schwergebauten Mann gegen den Schreibtisch. Kellocks Hand schraubte sich um den Coltgriff. Da war Chad neben ihm und hielt ihn fest.

»Genug! Hank, geh jetzt endlich! Wenn du genügend nachgedacht hast, wirst du hoffentlich zur Vernunft kommen. Mary-Lou, nimm ihn mit!« Er nickte dem Mädchen zu.

Ihre Wangen glühten. Sie legte einen Arm um die Schultern ihres Vaters. »Dad, beruhige dich! Komm jetzt!« Sie drängte ihn zur Tür.

Bruce Kellock schnaufte: »Harbin, Sie überziehen Ihre Vollmachten! Es ist Ihre verdammte Pflicht, diesen sturen Kerl …«

»Sie halten den Mund!«, unterbrach ihn Chad kühl.

»Was?« Kellock, der mächtigste Rancher im Greenhill-County, war diesen Ton nicht gewohnt. »Sind Sie übergeschnappt, Sheriff? Ich sage Ihnen …«

»Keine Drohungen, Kellock!«

Kellock schluckte wütend. »Ich habe Ihnen nicht geholfen, damit Sie diesen Banditenfreund jetzt einfach ziehen lassen. Mich schert es den Teufel, ob Sie in diesem Burschen schon Ihren Schwiegervater sehen. Ich verlange von Ihnen …«

»Dass ich Ihnen Jones aus dem Weg räume? Kellock, versuchen Sie Ihr Spiel nicht mit mir! Über mich kommen Sie nicht an Hank Jones’ Land heran.«

»Harbin, das werden Sie noch bereuen!«, flüsterte Kellock heiser. »Wenn Jones es schafft, Amarillo aus dem Jail zu holen, wird Sie das mehr kosten als nur Ihren Stern!« Wütend stiefelte er an den Jones vorbei aus dem Office.

Mary-Lou schaute Chad ernst an. »Ich danke dir.«

»Nein!«, murrte ihr Vater sofort. »Das sollst du nicht sagen! Nicht zu ihm!«

»Dad, um Himmels willen! Chad und ich …«

»Schlag ihn dir aus dem Kopf, Tochter!«, knurrte Jones, ohne Chad noch einen Blick zu schenken. »Einen besseren Rat kann ich dir nicht mehr geben!« Den Kopf eingezogen, die Fäuste geballt, verschwand er im Freien, wo sein Wagen vor dem Generalstore wartete.

Mary-Lou legte die Fingerspitzen an die Lippen und schaute Chad mit einem Ausdruck an, der ihm ins Innerste schnitt. Er ging zu ihr, strich ihr sachte eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn und sagte leise: »Ich werde dafür sorgen, dass Amarillo noch morgen auf den Weg zur Hauptstadt gebracht wird. Dann kann dein Vater nichts mehr unternehmen. Keine Sorge, mein Liebes, alles wird wieder gut. Lass Hank jetzt nicht allein. Ich glaube, er braucht deine Gesellschaft jetzt mehr als alles andere.«

Er hob sanft ihr Kinn und lächelte ihr aufmunternd zu. Die Furcht schwand langsam aus ihrem Blick. Schnell schlang sie ihre Arme um seinen Nacken, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Dann war sie schon draußen, und die Officetür fiel hinter ihr ins Schloss.

Deputy Sheriff Drover kratzte sich am Nacken.

»Chad, eine Frage im Vertrauen! Stellst du es dir wirklich so einfach vor?«

Chad bückte sich nach dem Spencer Gewehr, das Jones vorhin entfallen war. Seine Miene war ausdruckslos, als er dumpf erwiderte: »Im Gegenteil, Walt! Die Postkutsche nach Denver fährt erst morgen früh. Dazwischen liegt eine Nacht, in der wir uns auf allerhand gefasst machen müssen!« Er stellte den Karabiner nicht in den Gewehrrechen zurück, sondern behielt ihn in den Fäusten, als er hinter dem Schreibtisch Platz nahm und durchs zerschossene Fenster beobachtete, wie Hank Jones mit seiner Tochter die Stadt verließ.

 

 

4. Kapitel

 

Mary-Lous Finger krallten sich in Hank Jones’ Jackenärmel.

»Dad, sie sind hinter uns her!«

Jones ließ die Peitsche sinken und wandte den Kopf. Das Gelände war unübersichtlich geworden. Strauchbewachsene Hügel reihten sich aneinander. Dazwischen wuchteten graue rissige Felsen hoch, wie von Riesenhand hingestreut. Im Norden bildeten die bewaldeten Hänge der Elk Mountains einen dunklen massigen Wall vor dem blauen Firmament. Eine Meile hinter dem Ranchwagen überquerten drei Reiter einen Hügelrücken. Die Gestalt in der Mitte war mit den breit ausladenden Schultern und dem braunen Kordanzug unverkennbar Bruce Kellock. Gleich darauf verschwanden sie in einer Senke. Nur noch der flatternde Staub verriet den Weg, den sie nahmen – genau auf der Fährte des Wagens.

Jones presste die Lippen zusammen und ließ wieder die Peitsche knallen. Die beiden Zugpferde wurden schneller. Mary-Lou musste sich an den Seitenlehnen des Wagenbocks festhalten. Schlingernd raste das Gefährt auf den von Radfurchen gekennzeichneten Weg zur Jones-Ranch dahin. Steine sprangen zur Seite, Funken sprühten unter den Radreifen. Die Büsche und Felsen links und rechts flogen nur so vorbei. Jones lenkte die Gäule mit geschickter, harter Hand. Er ließ den schmalen holprigen Weg nicht aus den Augen.

»Geben sie es auf, Mädel?«, fragte er gepresst.

Mary-Lou spähte über die Schulter. Ihr schwarzes Haar wehte im Zugwind. »Nein, Dad! Da sind sie wieder! Sie holen auf!«

»Kellock, dieser Lump!«, knirschte Jones verbittert und ließ die Peitschenschnur über den Pferderücken tanzen. Der schwer beladene Wagen besaß kaum eine Chance, den drei Männern auf den ausgeruhten Pferden zu entkommen. Immer deutlicher schälten sie sich aus dem Staubschleier hervor, der hinter dem Fahrzeug zerflatterte. Sie ritten Seite an Seite, passten sich geschmeidig dem schwingenden Galopp an, und die Zugluft bog die Krempen ihrer Cowboyhüte vorn steil in die Höhe.

Jones stemmte die Füße breit gegen das Bodenbrett. Sein Blick suchte fieberhaft nach einer Stelle im zerklüfteten Gelände, wo er vom Weg abbiegen und eine Abkürzung zu seiner Ranch am Turkey Creek einschlagen konnte. Mary-Lou erkannte seine Absicht, streckte eine Hand aus und deutete auf eine Lücke zwischen zwei riesigen Felstürmen, die gerade breit genug war, einen Wagen durchzulassen.

»Dort, Dad! Versuch es!«

Die Pferde gehorchten bereits dem Zügelruck, änderten die Richtung und fegten auf die Felsen zu. Konzentration straffte Jones’ Gesicht. Nur ein paar Handbreit daneben – und der Wagen würde am nackten, schroffen Gestein zerschellen. Das Hufgetrommel und Räderknarren war plötzlich voll unheimlicher Drohung. Die Mähnen flatterten.

Schaum flockte den Tieren vor den Nüstern. Links und rechts streifte raschelndes Zweigwerk ihre Flanken. Und die Felstürme schienen förmlich dem Buggy entgegenzufliegen.

Wie aus dem Boden gewachsen, hielten plötzlich zwei Reiter in der Lücke. Zwei Schüsse verschmolzen zu einem wahren Donnerschlag. Das heiße Blei pfiff über den Wagen weg. Der eine Mann, ein flachshaariger knochiger Bursche, stellte sich in den Steigbügeln seines erregt tänzelnden Gauls auf und schrie aus voller Kehle: »Anhalten! Beim nächsten Mal zielen wir ein Stück tiefer, Jones!«

Jones war bleich geworden. Einen Moment sah es so aus, als würde er das Gespann geradewegs gegen die beiden Reiter rennen lassen. Dann stemmte er sich gegen die straffen Zügel. Die Pferde gerieten ins Stolpern, der Wagen schwankte heftig, dann stand er.

»Da haben wir ja am richtigen Fleck gewartet!«, stellte Kellocks flachsblonder Vormann Emmet Leach grinsend fest, während er mit seinem Colt auf Jones’ Kopf zielte. »Der Boss hat sich das fein ausgerechnet. Nur ruhig, Jones, lass deine Kugelspritze brav stecken. Du willst doch dein Mädel nicht zur Waise machen, he?«

»Banditenpack!«, knurrte Jones. Seine Hände zitterten. Hinter ihnen dröhnte Hufschlag den Fahrweg entlang. Gleich darauf tauchte Kellock mit den beiden anderen Cowboys zwischen Sträuchern und Felsen auf. Die Männer schwärmten aus und bildeten einen engen Ring um das Fahrzeug, als ihre Pferde zum Stehen kamen. Das Metall der Revolver schleuderte silberne Strahlenreflexe im Sonnenschein.

»Gut gemacht, Leach!«, nickte Kellock seinem Vormann zu. »Ich wusste ja, dass es klappen würde!«

Jones starrte ihn voller Hass an. »Eine Falle! Ein richtiger Überfall! Kellock, damit hast du den Bogen überspannt! Das geht auch einem Mann wie dir nicht mehr durch!«

»Du vergisst, dass du dich vor einer Stunde außerhalb des Gesetzes gestellt hast«, lächelte ihn Kellock auf seine finstere Art an. »Kein Mensch kann verlangen, dass ich zimperlich mit einem Banditen umspringe.« Als Jones zum Holster griff, ließ Kellock seinen Revolverhahn knacken. »Das würde ich lieber nicht versuchen! Fünf Eisen gegen eines, das ist ein ungleiches Verhältnis! Und ich brauche dich noch!«

»Kellock!« Mary-Lou sprang vom Sitzbrett hoch. »Dazu haben Sie kein Recht! Sagen Sie Ihren Leuten, sie sollen uns den Weg freigeben.«

»Gewiss! Nur werden Ihr Vater und ich vorher ein kleines Geschäft abschließen!«

»Schon wieder meine Ranch, was?«, brummte Jones grimmig, »Erraten!« Kellock zog ein zusammengerolltes Papier aus der Innentasche seiner Kordjacke. »Leach hat Tinte und Feder in seiner Satteltasche. Du brauchst nur deine Unterschrift aufs Blatt zu setzen, und zwischen uns beiden gibt es keine Feindschaft mehr. Das alte Angebot, Jones. Tausend Dollar für deinen Besitz. Diesmal zum letzten Mal!«

»Die Hölle soll sich auftun und dich verschlingen, du Halsabschneider! Meine Antwort darauf hat sich nicht geändert! Nein und nochmals nein, zum Teufel!«

»Du bist zu voreilig! Du vergisst, was in Greenhill passiert ist. Wenn ich will, weiß morgen schon das ganze County, dass du versucht hast, einen Bankräuber und Mörder aus dem Jail zu holen. Jones, du bist in diesem Land erledigt.

Kein Mensch wird noch mit dir ein Geschäft abschließen, niemand wird noch mit dir reden. Im Store werden sie dir nichts mehr verkaufen, und wenn du im Saloon einen Drink nehmen willst, werden sie schon dafür sorgen, dass du draußen auf der Straße landest. Es ist aus mit dir, Freund Jones! Warum musst du dir ausgerechnet einen Kerl wie Amarillo zum Freund aussuchen? Ich biete dir hier wirklich eine anständige Chance, die du vielleicht gar nicht verdienst.«

»Tausend Dollar!« Jones spie die Worte förmlich heraus. »Ich habe dreihundert Rinder auf meiner Weide stehen. Droben in Cheyenne bekomme ich für sie allein schon fast fünftausend Bucks. Du kommst dir wohl sehr gerissen vor, Kellock, was? Du meinst, ich sitze in einer Klemme und drücke dir auch noch dankbar die Hand! Nichts damit, Kellock! Wenn du mir nicht mehr zu bieten hast …«

»Doch!«, sagte Kellock schneidend. »Eine Kugel! Wenn dir das lieber ist!« Jones erstarrte, als er merkte, wie entschlossen der K-Star-Rancher war.

Mary-Lou flüsterte tonlos: »Nein, das wagen Sie nicht, Kellock! Sie haben auch noch mit mir zu rechnen. Einen Mord können Sie nicht riskieren!«

Kellock starrte Jones unverwandt an. »Du weißt es besser, nicht wahr? Eine Zeugenaussage gegen fünf. Die Tochter eines Banditenfreundes gegen einen angesehenen reichen Rancher und seine Cowboys. Sag es ihr doch, Jones!«

»Du bist ein Teufel, Kellock!«

»Ich will was anderes hören!«, lächelte Kellock hart. »Ich will hören, dass du endlich unterschreibst! Ich habe die tausend Dollar bei mir. In fünf Minuten ist alles geregelt. Also?«

Zwischen den Sträuchern hervor sagte eine lässige Stimme: »Moment noch! Kellock, Sie haben sich vorhin geirrt! Es wird noch einen Zeugen geben – mich!« Die Köpfe der Männer fuhren herum. Im Schatten übermannshoher Juniperen und Cottonwoods saß Jim Santana kühl lächelnd auf seinem hochbeinigen Rappen. Die Faust, die einen langläufigen Frontier-Colt umklammerte, ruhte ganz locker auf dem steilen Sattelhorn. Es sah wie Zufall aus, dass die Mündung genau auf Bruce Kellock zielte.

An der Stirn des K-Star-Ranchers schwoll eine Ader. Mühsam beherrscht sagte er: »Für einen einzelnen Mann kann es verdammt ungesund werden, dauernd hinter anderen Leuten her zu schnüffeln. Sie sollten lieber verschwinden und alles vergessen, Santana.«

»Wieso? Mein Finger liegt am Drücker. Keiner Ihrer Männer schießt schnell und sicher genug, um es mit mir aufzunehmen, Kellock. Oder zweifeln Sie daran?«

»Santana!«, schnaufte Hank Jones erleichtert. »Das werde ich Ihnen nie vergessen. Jagen Sie diese Schufte zum Teufel.«

»Langsam, langsam«, lächelte Jim Santana. »So einfach liegt die Sache für Sie leider nicht, Jones. Ich habe frühzeitig gelernt, dass man nie umsonst auch nur das leiseste Risiko eingehen soll.«

Jones holte tief Luft. »Verstehe! Nun gut, Santana, wie viel?«

»Fünfhundert Dollar!«, rief Kellock schnell. »Fünfhundert auf die Hand, Santana, wenn Sie sich da heraushalten!«

»Boss!«, knurrte der Vormann Emmet Leach. »Wir sind zu fünft. Dieser hergelaufene Revolverschwinger …«

Kellocks herrische Handbewegung brachte ihn zum Verstummen.

»Nun, Santana?«

Der schwarzhaarige Reiter aus den Elk Mountains schüttelte lässig den Kopf. Kellocks Mundwinkel verkniffen sich.

»Tausend!«, stieß er hervor. »Genau die Summe, die ich Jones bieten wollte! Das ist auf jeden Fall das Limit!«

Santana sagte ruhig: »Ich will mit Mr. Hank Jones ein Geschäft abschließen, nicht mit Ihnen. Und ich will kein Geld. Jones, ich warte.«

»Santana, ich verstehe Sie nicht!«, keuchte der stämmige Kleinrancher. »Fragen Sie Ihre Tochter!«

Jones’ Augen ruckten zu Mary-Lou herum. Glühende Röte übergoss jäh die Wangen des Mädchens. Sie senkte die Wimpern.

»Er will mich, Dad!« Ihre Stimme war kaum zu hören.

Jones zuckte wie unter einem Hieb zusammen. »Santana, Sie …«

»Vorsicht, Jones, bedenken Sie, dass Ihr Leben auf dem Spiel steht. Sie sollten nicht an meine Vergangenheit denken und an das, was man sich über mich in Greenhill erzählt. Ich bin der Mann, der Ihnen mit seinem schnellen Colt aus jeder Schwierigkeit heraushelfen kann. Der richtige Partner. Meine Gefühle für Ihre Tochter sind ehrlich, Jones. Ich will Mary-Lou zur Frau.«

Schweiß glänzte auf Jones’ Gesicht. »Weißt du das schon lange, Mädel?«

Sie nickte nur stumm. Ihre roten Lippen waren fest zusammengepresst. Jones starrte den Geächteten flammend an.

»Sie verlangen zu viel!«

»Heißt das … nein?«

»Zum Teufel!«, brach Jones los. »Meinen Sie im Ernst, ich werde Mary-Lou eine solche Entscheidung aufzwingen? Wie können Sie von einem Mann erwarten, dass er seine eigene Tochter …«

»Es ist Ihr Leben!«, unterbrach ihn Jim Santana kühl. »Vielleicht sollten Sie lieber Ihre Tochter reden lassen, Jones. Nun, Mary-Lou?«

»Du benimmst dich wie ein abgefeimter Bandit, Jim!«, flüsterte das Mädchen herb. »Ich fange an, alles zu glauben, was in Greenhill über dich geredet wird.«

»Es ist die Chance, auf die ich gewartet habe! Entscheide dich, Mary-Lou.« Die Schultern des Mädchens zogen sich fröstelnd hoch. In einer Mischung aus Entsetzen und Ungläubigkeit starrte es den Reiter an. Jones stieß hervor:

»Kein Wort mehr zu ihm! Santana, du Lump, und wenn meine Tochter zehnmal ja sagte. Ich würde es nicht annehmen! Verschwinde, Santana! Ich brauche deine Hilfe nicht! Ich sag dir nur noch eines – bleib meiner Tochter fern, wenn dir dein Leben lieb ist!«

In Santanas dunklen Augen blitzte es gefährlich auf.

»Ihr letztes Wort, Jones?«, fragte er leise.

»Hau ab!«, schrie ihm Jones ins Gesicht. »Du widerst mich an!«

»In ein paar Minuten wird es Ihnen leidtun!«, erklärte der Geächtete eisig. »Nur ist es dann zu spät! – Kellock, ich hoffe, Sie nehmen mir die Störung nicht weiter übel.« Er tippte lässig grüßend an die Krempe seines Stetsons, wendete den pechschwarzen Hengst und ritt davon.

»Jim!«, schrie Mary-Lou auf. »Du kannst Dad nicht einfach …«

»Sinnlos!«, sagte Kellock höhnisch. »Jones, du steigst jetzt sofort vom Wagen. Du kommst mit uns. Deine Tochter wird dich nur dann wiedersehen, wenn du diese Verkaufsurkunde unterschrieben hast. Los, runter mit dir!«

Santana verschwand zwischen den Büschen und Felsen. Das Hufgetrappel verlor sich in der Ferne.

Jones knurrte: »Du wartest umsonst auf die Unterschrift, du Lump. Warum gibst du mir nicht gleich die Kugel?«

»Dad!«, rief Mary-Lou erschrocken. »Tu, was er verlangt!«

»Ich soll vor diesem Halsabschneider auf dem Bauch kriechen?«, keuchte Jones verbittert. »Lieber …«

»Tu es für mich, Dad! Ich bitte dich! Was bedeutet schon die Ranch, wenn es um dein Leben geht? Kellock, Dad wird unterschreiben. Geben Sie ihm das Papier und Schreibzeug.«

»Gut so! Endlich ein vernünftiges Wort!«, grinste Bruce Kellock in finsterer Genugtuung. »Leach, Tinte und Feder! Schnell!«

Der Vormann öffnete seine Satteltasche. In Jones’ schnurrbärtigem Gesicht arbeitete es. Schwerfällig kletterte er vom Wagenbock. Die Blicke der Kellock Reiter waren nur auf ihn geheftet. Der Mann rechts von Kellock bemerkte zuerst, dass Jones’ Revolverholster plötzlich leer war. Er wollte einen Warnruf ausstoßen, da hatte Mary-Lou die Waffe, die sie unbemerkt ihrem Vater abgenommen hatte, bereits hochgeschwungen.

»Sie sehen, Kellock, wir brauchen Santanas Unterstützung wirklich nicht!«

Sie hielt den schwerkalibrigen Revolver mit beiden Händen und spannte den Hammer. Die Mündung zielte genau auf Bruce Kellocks Stirn. Die Hand des Großranchers öffnete sich und ließ die zusammengerollte Verkaufsurkunde ins zertrampelte Gras fallen.

»Verdammt! Mary-Lou, ich hätte Sie für klüger gehalten! Das wird Ihnen noch eine Menge Kummer einbringen!«

»Vorerst sind Dad und ich am Zuge!« Die Stimme des Mädchens war hell vor Entschlossenheit. »Weg mit den Colts! Ihr alle! Kellock, glauben Sie nur nicht, ich brächte es nicht fertig, Ihnen die Kugel in den Kopf zu schießen!«

»Mary-Lou, gut gemacht!«, schnaufte Jones. »Gib mir das Eisen, dann werde ich …«

»Bleib, wo du bist, Dad! Diese Sattelwölfe warten nur auf den geringsten Fehler von unserer Seite. Sie würden nicht zögern, uns beide erbarmungslos zusammenzuschießen.«

»Das können wir immer noch nachholen!«, murrte Kellock wütend.

»Ich warte, dass Sie meinen Befehl ausführen! Und ich warte nicht mehr lange!«

Kellock murmelte eine Verwünschung und ließ seinen Colt auf die Erde klatschen. Zögernd kamen seine vier Reiter dem Beispiel nach. Ihre Blicke hefteten sich fragend auf ihren Boss. Kellocks Fäuste krampften sich um die Zügel.

»Der Krieg ist da!«, knurrte er Jones und dessen Tochter an. »Erwartet keinen Pardon mehr von meiner Seite! Die tausend Dollar sind hinfällig! Jetzt bleibt nur noch die Kugel!« Er wendete seinen Gaul und zog ihm die Sporen über die Flanken. Das Tier jagte los.

Leach nickte seinen Gefährten zu, und in geschlossenem Rudel preschten sie hinter dem Großrancher her. Staub umhüllte den Wagen, auf dem Mary-Lou langsam die Waffe sinken ließ. Als er sich verzog, waren die Reiter bereits im zerklüfteten Gelände verschwunden.

Mary-Lou zitterte plötzlich am ganzen Körper. Der schnurrbärtige Rancher zog sie zu sich herab und schloss sie in seine Arme. Mit seiner schwieligen verarbeiteten Hand streichelte er behutsam ihr seidiges Haar. Seine Augen aber starrten brennend in die Richtung, wo die mächtige K-Star-Ranch wie ein gefährliches Ungeheuer meilenweit entfernt hinter den Hügeln lag.

 

 

5. Kapitel

 

Chad Harbin kam von seinem Rundgang durch die nächtliche Stadt zurück, betrat sein Office und sah auf den ersten Blick, dass alles umsonst gewesen war. Deputy Sheriff Walt Drover stand mit erhobenen Armen an der fensterlosen Seitenwand. Im trüben Schein der Petroleumlampe wirkte sein sommersprossiges Gesicht krankhaft blass. Drei Schritte vor ihm verharrte geduckt ein Mann mit einem Revolver in der Faust. Seine linke Hand zog eben den Schlüsselbund vom Schreibtisch. Trotz der warmen Sommernacht hatte er einen Regenmantel umgehängt, der seine Kleidung bis zu den Stiefeln hinab verhüllte. Der Stetson war tief in die Stirn gerückt, die untere Gesichtshälfte von einem schwarzen Tuch verdeckt.

Ohne Drover aus den Augen zu lassen, knurrte er gedämpft unter dem Halstuch hervor: »Nur herein, Sheriff, und schließen Sie die Tür hinter sich zu! Keine Dummheiten, sonst ist Ihr netter Deputy ein toter Mann!«

Chads Hand war sofort auf den Kolben seines Colts gefallen. Jetzt nahm er sie mit einer zähflüssig wirkenden Bewegung zurück, trat über die Schwelle und warf hinter sich die Tür ins Schloss. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt. Er sah Amarillo mit vor Spannung gestrafftem Gesicht an den Gitterstäben des Jails stehen.

Drover krächzte: »Keine Rücksicht auf mich, Chad! Alles ist meine Schuld! Hör zu, während du fort warst, bin ich eingenickt! Chad, Amigo, es tut mir furchtbar leid. Ich könnte mir den Schädel an der Wand einschlagen!«

»Warte damit ruhig, bis wir fort sind!« Das Grinsen war aus der Stimme des Vermummten herauszuhören. Die Schlüssel rasselten in seiner Linken, als er quer durchs Office zur Zelle ging. Die Coltmündung zielte immer noch auf Drover.

Der junge Deputy keuchte verzweifelt: »Chad, er ist nicht schnell genug, um uns beide zu erwischen. Ich weiß, wie fix du mit dem Eisen bist. Denk nicht an mich, Chad! Versuch es! Halt ihn auf, ehe er …«

»Selbstmordgedanken, was?«, murrte der Maskierte. »Ich hoffe, Sheriff, wenigstens in Ihrem Kopf ist noch ein Rest von Vernunft!«

Die durchs Halstuch verzerrte Stimme kam Chad eindringlich bekannt vor. Seine Gedanken jagten sich, während er wie festgenagelt am Fleck verharrte und jede Bewegung des Banditen mit funkelnden Augen verfolgte. Dieser Mann war kein Fremder. Er war entweder in Greenhill oder in der näheren Umgebung zu Hause. Er hatte genau den richtigen Zeitpunkt abgepasst, als Chad auf seinem Routinegang durch die dunkle Stadt unterwegs war. Er wusste zweifellos Bescheid.

»Amarillo«, fragte er mit verstellter Stimme, »werden Sie reiten können?«

»Um mich vor dem Galgen zu retten, werde ich sogar auf den Händen quer durch Colorado laufen!«, stieß der Gefangene heiser hervor. »Machen Sie voran, Mann!«

»Nur nicht die Nerven verlieren! Alles klappt wie am Schnürchen. In einer Stunde sind Sie längst in Sicherheit, Amarillo. Welcher Schlüssel?«

Er war vor der Zelle angelangt. Amarillo streckte die knochigen Hände durch das Gitter. »Geben Sie her!«

Er nahm dem Maskierten den scheppernden Schlüsselbund aus der Faust, suchte nur ein paar Sekunden und steckte dann von draußen einen langen, angerosteten Schlüssel ins Schloss. Das Kreischen war durchdringend. Im nächsten Moment schwang die Gittertür knarrend auf.

»Chad!«, schrie Drover wild auf. »Lass es nicht zu!«

Er stieß sich von der Wand ab und schnellte zum Schreibtisch, wo quer über Papierbögen und Munitionsschachteln der siebenschüssige Spencer-Karabiner lag. Wie Raubvogelkrallen schossen seine Hände nach vorn.

Der Maskierte feuerte sofort. Drover fiel über die Schreibtischplatte, krampfte jedoch wie gierig die Hände um das Gewehr. Es gelang ihm, sich von der Tischplatte weg zu stemmen und wieder auf die Füße zu kommen. Groß und verzerrt malte das Lampenlicht seinen schwankenden Schatten an die Bretterwand.

»Chad!«, ächzte er. »Deine Chance!« Chad Harbin war tiefer ins Office gesprungen und hatte seinen Fünfundvierziger aus dem Holster gerissen. Als er die Waffe auf den Verbrecher anschlug, spürte er gleichzeitig mit dem leisen Knarren der Officetür einen Luftzug im Genick. Jemand stürmte keuchend von hinten auf ihn zu. Chad drehte sich halb, sah einen zweiten vermummten Banditen mit hochgeschwungenem Gewehr auf sich zuschnellen und feuerte verzweifelt.

Da erwischte ihn bereits der niedersausende Stahl an der rechten Schulter und verriss seine Kugel. Der Schmerz war flammend und lähmte seine ganze rechte Körperseite. Gleichzeitig hörte er den zweiten Schuss des ersten Verbrechers krachen. Während er sich zähneknirschend anstrengte, den so plötzlich zentnerschwer wirkenden Revolver abermals in die Höhe zu bringen, füllte Walt Drovers dumpfer Aufschrei das Office.

Der Deputy ließ den Karabiner auf die Bodenbretter poltern. Seine Augen waren weit aufgerissen, seine zitternden Hände tasteten verzweifelt nach Halt. Dann brach er zusammen, wischte ein paar Munitionsschachteln vom Schreibtisch und rollte bis zum Zellengitter hinüber. Eine Flut goldschimmernder Patronen ergoss sich über den Boden.

Chad sah wieder den schwingenden Gewehrlauf auf sich zukommen und duckte sich gerade noch rechtzeitig darunter weg. Schwerfällig ließ er sich einfach gegen den Angreifer fallen. Der Mann fluchte, verlor das Gleichgewicht und klammerte sich an ihm fest. So stürzten sie beide zu Boden. Chad merkte, wie die Kraft in seinen Arm zurückkehrte. Zorn und Verzweiflung erfüllten ihn mit wilder Energie.

Er drückte dem unter ihm liegenden Verbrecher die Revolvermündung gegen die Kehle und versuchte ihm die Maske vom Gesicht zu reißen. Der Mann rammte ihm das Knie in den Leib. Chad flog zurück. Dann war der skrupellose Revolverschütze zur Stelle und hieb ihm den Coltkolben schräg über den Kopf. Chad rollte kraftlos auf den Rücken.

Wie aus weiter Ferne hörte er eine wütende Stimme schnaufen: »Verwünscht, das war so laut, dass man es bis nach Denver hören konnte! Los, Amarillo, raus mit dir! Und dann nichts wie weg!« Stiefel polterten, die verstreuten Patronen auf den Brettern klirrten, dann wurde es schwarz vor Chad Harbins Augen. Er wusste von nichts mehr.

Als er erwachte, brannte die Flamme unter dem Lampenzylinder ganz ruhig. Sein Kopf schmerzte zum Zerspringen. Von einem dünnen Riss an der Schläfe war ihm das Blut in die Augenwinkel gesickert. Etliche Sekunden lag er benommen und völlig ausgepumpt auf dem Rücken. Dann streifte sein Blick die offene Zellentür, und da kam die Erinnerung wie ein Schwall eisigen Wassers. Alle Benommenheit war wie weggewischt. Er stemmte sich hoch. Sekundenlang war es wieder dunkel um ihn, er taumelte und musste sich am Zellengitter festhalten. Deputy Walt Drover lag nur zwei Schritte neben ihm. Die wächserne Blässe seines Gesichts versetzte Chad einen Schock.

Draußen auf der nächtlichen Main Street war das Durcheinander aufgeregter Stimmen. Hufe trappelten, Stiefel hämmerten auf den Gehsteigbohlen. Männer stürmten die Veranda herauf und rissen die Officetür auf. Chad beachtete sie nicht. Langsam ließ er sich bei Drover auf die Knie.

»Walt!«, raunte er kratzend. »Walt, alter Junge …«

Das matte Lampenlicht brach sich in den glasigen Augen des jungen Deputy. Chad verkrampfte die Fäuste. Er spürte das Pochen seines Herzens bis in die Kehle.

»Großer Himmel! Walt, Amigo …« Das wachsbleiche, erstarrte Gesicht verschwamm vor seinen Augen. Der Gedanke an die beiden maskierten Banditen, die Amarillo aus dem Jail befreit hatten, weckte ein mörderisches Brennen in ihm.

Stimmengewirr und Schrittescharren füllten jetzt das ganze Office. »Ein Doc!«, schrie jemand schrill. »Verdammt noch mal, so holt doch den Doc!«

Chad erhob sich steif. »Sinnlos!«, murmelte er tonlos. »Er ist tot!«

Sporengeklirr kam durch die hin und her wogende Menge auf ihn zu. Bruce Kellock bahnte sich mit seinen breiten Schultern ungeduldig einen Weg. Er starrte betroffen auf den toten Deputy hinab.

»Höllenfeuer! Da sind wir zu spät gekommen! Meine halbe Crew sitzt draußen im Sattel, um das zu verhindern, was …« Er schüttelte grimmig den Kopf. »Ich habe es doch geahnt! Hank Jones hat keinen Zweifel an seinen Absichten gelassen!«

»Jones?« Chads Kopf ruckte hoch. Kellock starrte ihm hart in die Augen.

---ENDE DER LESEPROBE---