Genovevas prickelnde Geheimnisse - Christel Schuster - E-Book

Genovevas prickelnde Geheimnisse E-Book

Christel Schuster

4,8

Beschreibung

Genoveva ist Anfang 40 und ihr Liebesleben schlummert im Dornröschenschlaf. Doch dann platzt Konstantin in ihre behütete Welt. Erotische Rollenspiele wirbeln Genovevas Gefühlswelt durcheinander und schlagartig landet ihre Libido in einer pulsierenden Wirklichkeit. Sie fühlt sich wieder lebendig und begehrt. Doch ihren, auch nicht mehr ganz jungen Freundinnen, verheimlicht sie ihren geheimnisvollen Traummann und die berauschenden, sinnlichen Liebesabenteuer: Wer weiß denn schon, wohin das führt? Empfohlenes Alter: Ab 18 Jahre

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Das Buch

Genoveva ist Anfang 40 und ihr Liebesleben schlummert im Dornröschenschlaf. Doch dann platzt Konstantin in ihre behütete Welt. Erotische Rollenspiele wirbeln Genovevas Gefühlswelt durcheinander und schlagartig landet ihre Libido in einer pulsierenden Wirklichkeit. Sie fühlt sich wieder lebendig und begehrt. Doch ihren, auch nicht mehr ganz jungen Freundinnen, verheimlicht sie ihren geheimnisvollen Traummann und die berauschenden, sinnlichen Liebesabenteuer: Wer weiß denn schon, wohin das führt?

Empfohlenes Alter: Ab 18 Jahre

Die Autorin

Christel Schuster absolvierte eine Ausbildung zur Fachjournalistin (fjs). Sie lebt mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern in Niederbayern. Kraft spendet der Autorin ihr christlicher Glaube. Sie reitet gerne aus, arbeitet im Garten oder verreist mit ihrer Familie. Ihr Lebensmotto: „Perfekt ist langweilig!“ Christel Schuster ist dankbar für und stolz auf ihre positive Grundeinstellung: „Wenn wir uns erinnern, fallen uns immer zuerst alle Missgeschicke oder Peinlichkeiten ein. Und glücklich schätzen dürfen sich die, die darüber lachen können.“

Inhalt

Genovevas 41. Geburtstag

Verdorbener Anstand

Frech und taktlos

Scherben zum Jahresende

Ungehobelt und attraktiv

Jana und Jakob

Simserei und Sex

Putzfrau gesucht!

Weiß für grünes Irland

Zwischen den Wolken. Noch auf dem Boden

Anker lichten, Leinen los

Hinterfotzig. Kaltherzig

Der sechste Sinn

Zähneknirschende Freundschaft

Aussprache und Versöhnung

Heute Nacht will ich tanzen!

Geteiltes Leid, halbes Leid

Zwei auf einer Yacht

Von Kopf bis Fuß

Erholung Exerzitien?

Romantik tropfnass

Meerjungfrau gesucht

Schnitzeljagd der Untoten

Bube, Dame: Herzkönig

Stille: kein Anruf, keine Nachricht

Die Ruhe vor dem Sturm

Amore in Roma

Die Gedanken tanzen

Kapitel 1

Genovevas 41. Geburtstag

„Genoveva Agstein! Du ewige Geheimniskrämerin!“ Ihre Freundinnen Soé, Yvi und Caro zogen sie auf. Mit hochrotem Kopf versuchte Genoveva mitzukommen. „Eine Bergtour! Ich hasse wandern!“, fauchte sie. „Gertenschlank und null Kondition!“ Soé lachte: „Sport schadet dir nicht. Du solltest nicht nur über Wanderungen schreiben, sondern auch mal selber eine machen.“ Das Geschenk zu ihrem 41. Geburtstag, eine Wanderung mit Übernachtung in einer Hütte, haute Genoveva nicht um: Warum kein Gutschein? Oder ein Essengehen? Ihr Wiegenfest fiel auf einen Samstag im Oktober.

Ein Oktobertag wie aus dem Bilderbuch. Sonnenstrahlen bahnten sich den Weg durch die Baumwipfel. Frühmorgens starteten die vier Frauen. Bis zur Mittagsstunde löste sich der Nebel. Soé, Yvi und Caro spazierten flott dahin. Keine Spur von Müdigkeit oder Erschöpfung. „Ein zauberhafter Tag!“, rief Soé und fing an zu singen: „Heidi, Heidi! Deine Welt sind die Be-er-ge!“ Caro und Yvi hakten sich unter und stimmten ein: „Heidi, Heidi! Denn hier oben bist du zu Haus. Dunkle Tannen, grüne Wiesen im …“ „Hoffentlich frisst euch der Almöhi!“, störte Genoveva das Kinderlied. Ihre Wanderschuhe drückten. Sie spürte Blasen an den Füßen wachsen. „Mit wem vögelst du?“, fragte Soé unverblümt. „Jedenfalls mit keinem Wisch-Wasch-Unbekannten aus dem Internet!“, schnaufte Genoveva. Sie hockte sich auf einen Stein: „Ich brauche eine Pause.“ „Trink einen Schluck!“ Caro reichte ihr eine Flasche Wasser. „Du musst doch jemanden treffen! Ein Jahr lebst du jetzt getrennt von Lorenzo“, bohrte Yvi. „Ich verabrede mich nicht. Kein Mann in meinem Leben. Basta!“ Die Unterhaltung ging Genoveva auf die Nerven. Sie streckte die Beine aus, schloss die Augen und lauschte erschöpft den Freundinnen.

Yvi und Soé praktizierten beziehungslosen Sex. Die Mittdreißiger-Damen wischten sich ihre Männergeschichten auf dem Smartphone her und wieder weg. Ein Date begann an der Wohnungstüre, gipfelte im Bett und endete abrupt nach dem Anziehen. Soé, ein pummeliger Stöpsel von 1,54 Metern, ließ nichts anbrennen: „Ein Wochenende ohne Orgasmus ist wie Pfannkuchen ohne Marmelade!“ „Kein Wunder, dass dir keiner bleibt! Du hausierst mit deinen Abenteuern wie ein Mann!“, sagte Genoveva. Zig Male hatte sie versucht, ihr zu erklären, dass das keinem Mann imponierte. „Biederes Mädchen! Geh tanzen! In der Kirche findest du keinen Mann!“, konterte Soé. Sie kannte Genovevas Kritik. Die Worte perlten an ihr ab: „Mir schmeckt es abwechslungsreich am besten.“ „SexExpress“, so betitelte Genoveva das Lotterleben der zwei. Warum Yvi auf den Zug aufgesprungen war, sagte sie nicht. Aus heiterem Himmel verließ sie vor knapp zwei Jahren ihren Ehemann Franco. Der Sex war schlecht, begründete sie. Yvi schilderte ihr Erlebnis vom Donnerstag: „Exorbitant, sag ich euch!“ Genoveva unterbrach: „Was gefällt dir als Geschiedene im Leben am besten? Dass du nach Lust und Laune vögeln kannst?“ Wütend setzte Genoveva eins drauf: „Den letzten Kerl hast du weggeschickt, weil er anders aussah als auf dem Foto im Internet! Was bildest du dir ein?“ „Er stank fürchterlich. Ihm fehlte ein Zahn. Auf dem Bild hatte er den Mund zu“, rechtfertigte sich Yvi: „Ich schlecke mit meiner Zunge kein Zahnfleisch!“ Die Frauen lachten und Genoveva gab klein bei.

Überhaupt nicht verstehen konnte sie Caro. Wöchentlich besuchte sie mit ihrem Mann Sam Swinger-Clubs. Das Stadium, sich nur zusehen zu lassen, war überschritten. „Ich hatte Sex mit einem Brasilianer!“, kicherte Caro. Sie hatte ihn in ihre luxuriöse Villa eingeladen. „Was sagt Sam dazu?“, wollte Genoveva wissen. Caro meinte keck: „Der findet das geil! Ich schickte ihm Fotos und er holte sich in der Arbeit einen runter!“ „Brechen wir auf. Drei Stunden Fußmarsch liegen noch vor uns. Und eine Überraschung für dich!“ Caro sprang auf und zog Genoveva hoch. „Du musst lockerer werden. Journalistinnen sind am Puls der Zeit. Aktualisiere dein Sexleben!“ Soé lachte und stupste Genoveva.

Missmutig stapfte Genoveva den Freundinnen hinterher. Sie grübelte. 20 Jahre hatte die Ehe mit Lorenzo gehalten. Sie musste grinsen, vor ihrem geistigen Auge tauchten Erinnerungen auf. Ihre Mutter stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch, „Wer heiratet heutzutage mit 21! Viel zu früh!“ Ein Jahr darauf kam Sohn Damian zur Welt und vor 18 Jahren Tochter Mariella. Eigentlich waren wir doch glücklich, sagte sich Genoveva. Es traf sie wie ein Schlag, als Lorenzo vor einem Jahr seine Koffer packte: „Unser Leben ist langweilig, es fehlt mir die Spannung. Ein Tag ist wie der andere.“ Genoveva konnte nicht widersprechen. Er hatte recht. Dennoch erschütterte sie sein Entschluss. Sie war davon ausgegangen, neben ihrem Mann begraben zu werden. Sogar den Grabspruch wusste sie schon: „Ewig dein, ewig mein, ewig uns.“ „Die Scheidungspapiere schickt dir der Anwalt“, verabschiedete sich Lorenzo. Genoveva leerte den Briefkasten seitdem stets mit einem unguten Gefühl.

Bis zur Hütte sprach Genoveva kein Wort. Fünf Stunden zu Fuß bergauf hatten ihr die Kraft geraubt. Ihr Magen knurrte. Die Freundinnen hatte sie schon seit über einer Stunde aus dem Blick verloren. „Wirf dich in Schale! Setz dich zu uns an den Tisch!“, rief Yvi. Die Freundinnen waren zügig vorangegangen, sie hatte sich mit weitem Abstand hinterhergeschleppt. „Auf wen wartet ihr?“, fragte Genoveva, sichtlich überrascht, die Freundinnen gestylt zu sehen. „Frag nicht. Beeil dich!“, forderte Soé. „Nein. Ich mag nicht. Ich verhungere.“ Genoveva stellte den Rucksack ab und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Die Frauen flüsterten und Genoveva war es egal. Sie schaute sich um: „Seltsam. Eine gemütliche Stube und keine Gäste.“ „Auf dich und deine geile Nacht!“ Caro reichte ihr ein Glas Sekt. Genoveva hob den Kopf und in der nächsten Sekunde ertönte lautstark Musik. Die Tür sprang auf. Ein Mann in Lederhose, mit nacktem Oberkörper und einer Heugabel schwirrte herein. Er kreiste die Hüften, drehte sich mit der Heugabel. Er tanzte mit ihr, wiegte sie hin und her, zog sie zwischen seine Beine. Er öffnete einen Knopf der Lederhose und schleuderte seinen Hut in Genovevas Schoß. „Er gehört dir!“, gluckste Yvi. „Ihr blöden Weiber! Wo ist mein Bett?“, fauchte Genoveva. „Ach komm! Ein wenig wollen wir auch von ihm haben!“, sagte Caro und schubste Genoveva Richtung Stripper. Doch Genoveva verspürte nicht die geringste Lust, sich von dem fremden, eingeölten Macho anfassen zu lassen. Sie stand auf und folgte dem Schild „Schlafenszeit“. Dahinter verbargen sich wohl die Betten.

In dem engen, dunklen Raum streifte sie sich ihre Schuhe ab und legte sich angezogen in ein Bett. Die Decke über den Kopf gezogen wollte sie schlafen. Lange hörte sie Musik und gellendes Lachen ihrer Freundinnen. Irgendwann schlief sie ein. Sie erwachte um sechs Uhr und schaute sich um. Caro, Yvi und Soé schliefen tief und fest. Wie und was für ein Ende die Party genommen hatte, wusste sie nicht. „Will ich auch nicht wissen!“, sagte sie zu sich. Vom Hunger getrieben wälzte sie sich aus dem Bett. Verdammt. Muskelkater! Ihre Laune trübte sich ein.

Zurück in der Stube hoffte sie, etwas Essbares zu finden. „Guten Morgen. Haben Sie gut geschlafen?“, begrüßte sie der Stripper. „Ja, danke“, antwortete sie knapp. „Die Überraschung ist Ihren Freundinnen nicht gelungen?“ Er reichte ihr eine frisch aufgebrühte Tasse Kaffee. Genoveva würgte eine bissige Antwort hinunter und fragte stattdessen: „Sind Sie auch hochgewandert?“ „Nein. Es fährt eine Seilbahn. Leider nur eine frühmorgens und eine nachmittags. Ich musste in der Hütte übernachten und in einer Viertelstunde fahre ich mit der ersten Bahn runter.“ „Und ich mit!“ Genoveva holte ihre Schuhe und den Rucksack.

Kapitel 2

Verdorbener Anstand

„Einsam war ich nicht auf der Alm.“ Genoveva runzelte die Stirn. Sie saß in Katharinas Büro. Die Versicherungskauffrau hatte als Wahlsennerin einen Sommer auf der Alm verbracht. Genoveva hatte sie während ihrer achtwöchigen Auszeit viermal besucht und für einen Zeitungsartikel viele Fragen gestellt: Wie lebt es sich ohne Strom? Wann beginnt der Tag auf der Alm und wann endet er? Hatten Sie Angst vor Kühen? Ist Käse machen leicht zu lernen? Was ist zu tun bei einem Notfall bei Mensch oder Tier? So lernte Genoveva den Alltag auf der Alm, zumindest tageweise, kennen. Gerne erinnerte sich Genoveva an ihre Besuche. Sie hatte sich mit Katharina auf Anhieb verstanden. Heute wollte Genoveva wissen, wie Katharina nach dem Sommer auf der Alm ihren Büroalltag empfand. „Die Burschen vom Dorf haben mich besucht. Ich habe eine Brotzeit hergerichtet, wir haben ein paar Bier getrunken und ab und zu ist einer über Nacht geblieben!“, sprudelte es ohne Unterlass aus Katharina heraus. Hans half ihr, als der Brunnen verstopft war. Franz war zur Stelle, um beim Käsen zur Hand zu gehen. Und ein ganz süßer war der Anton! In Genovevas Kopf geriet das Bild einer bodenständigen jungen Frau, naturverliebt und anständig, ins Wanken. Das Liebesgeflüster interessierte sie nicht, zumal sich Katharina wiederholte: „Das dürfen Sie aber nicht schreiben.“ Auf dem Heimweg grübelte Genoveva über beziehungslosen Sex.

Zu Hause angekommen verkroch sich Genoveva in ihrem Arbeitszimmer. Sie schob die Gedanken um Katharina beiseite und bekritzelte gedankenverloren Notizzettel. Im Arbeitszimmer fühlte sich hielt Genoveva wohl. Sie liebte ihre Unordnung. Besonders ihre Kiste, in der sie alle Ideen sammelte. Jedes beschriebene Blatt stopfte sie obenauf und der Deckel ließ sich schon lange nicht mehr schließen. Es klingelte an der Türe. „Hallo, Jana. Sind wir verabredet?“ Genoveva bat die Freundin herein. „Nein. Die Mädels haben mir von deinem Abgang auf der Hütte erzählt. Ich bin nur neugierig.“ Jana betrieb eine Pferdepension. Sie beteiligte sich selten an den Treffen der Mädels. Genoveva ging voraus und bedeutete Jana, ihr zu folgen. Sie bot ihr einen Platz im Arbeitszimmer an. Der rechteckige massive Eichenholztisch und die vier schweren Stühle gefielen Genoveva immer noch. Lorenzo hatte ihr das Ensemble für den Berufsstart als Journalistin geschenkt. „Kaffee?“ Sie wartete die Antwort nicht ab und schenkte Jana eine Tasse ein. „Sind sie sauer auf mich?“, erkundigte sich Genoveva vorsichtig. „Nein. Sie rechneten damit, dass du ausflippst“, sagte Jana. Genoveva zog die Beine hoch, stützte ihre Ellbogen auf die Knie: „Wie kamen sie auf diese absurde Idee?“ „Sei nicht böse. Der Stripper hätte mit dir tanzen und nicht mit dir schlafen sollen. Sie dachten, du wirst mit Alkohol lockerer. Blöd war nur, dass der Stripper eine Stunde zu früh kam.“ Jana schmunzelte. Offensichtlich erheiterte sie die Geschichte. „Du, was anderes. Hast du Lust, am Sonntag in einer Woche zu mir zu kommen? Ich veranstalte eine Dildo-Party“, fragte Jana. „Was? Warum?“, platzte es aus Genoveva heraus: „Warum lädst du nicht zu einer Tupper-Party ein oder zu einer ThermoMix-Vorführung?“ „Schau, wir sind in einem Alter, da ist der Schüsselbestand komplett“, erwiderte Jana. Genoveva spielte mit den Notizzetteln und zog die Stirn in Falten. Jedem Lebensbereich hatte sie eine Farbe zugeordnet. Berufliches schrieb sie auf gelbe Zettel. Alles, was ihre Kinder betraf, formulierte sie auf blauem Papier. Die blauen Notizen wurden zunehmend weniger. Die beiden jungen Leute beschritten mit ihren Studien eigene Wege. Was im Haushalt und Garten zu erledigen war, das merkte sie sich mit grünen Zetteln. Die roten Notizstreifen waren bis vor einem Jahr für ihren Mann reserviert. Genoveva atmete tief durch. Sie seufzte und als sie die Luft ausblies, löste sich vom roten Stapel eine kleine Staubwolke. „Genauso verstaubt und vertrocknet wie du“, scherzte Jana. „Na schön, ich komme“, raunte Genoveva. Jana verabschiedete sich.

Genoveva klappte ihr Laptop auf. Ohne Ziel surfte sie im Netz. „Wie es wohl wäre, jemanden online zu daten?“ Genovevas Prinzipien behielten die Oberhand. Sie wollte sich auf keinen Fall anbiedern. Sie grübelte, wie es sich anstellen ließe, das auszuprobieren, was Soé und Yvi täglich praktizierten, ohne Gesicht zeigen zu müssen. „Google kann hellsehen“, dachte sie, am Bildschirmrand blinkte eine Anzeige auf: „Nie mehr einsam.“ Ein gewerblicher Sex-Chat. Genoveva zögerte nicht. Sie registrierte sich beim erstbesten Portal. Die Anforderungen erfüllte sie leicht. Den mickrigen Verdienst nahm sie in Kauf, es ging ihr nicht ums Geld, vielmehr um die Erfahrung. Vielleicht würde sie als Sex-Chatterin besser verstehen, warum Menschen den virtuellen Weg für die Liebe suchten. Das geschriebene Wort lag ihr im Blut und ihre blühende Fantasie überraschte sie. Cybersex von sinnlich bis schmutzig, jede Kategorie schmückte eine sexy Dame. „Hauptsache Name und Bild von mir tauchen nicht auf.“ Versteckt hinter vollbusigen Sexbomben ließ Genoveva ihre Finger über die Tastatur gleiten. Einzige Anforderung des Betreibers: „Nichts Persönliches! Keine Treffen!“ Die Abzocke funktionierte. Angemeldete Männer bezahlten für eine Frau, die ihre sexuellen Leidenschaften angeblich teilte. Was die Männer allerdings nicht wussten: Jede Antwort kam von einer anderen Frau. Genoveva hatte etwa drei Sekunden Zeit, die Antwort des unbekannten Gegenübers zu lesen, innerhalb derselben Zeit auf dessen Wünsche einzugehen und „Enter“ zu drücken. Sie landete im nächsten Chat, bei einem anderen Mann mit anderen Wünschen. Etwa eine Woche schwirrte Genoveva als Cyber-Tipse durch das Netz.

Ihr Fazit: Ob pervers oder nicht, Natursekt schlürfen, eine Nutellakackfrau reiten – ihr sucht im Grunde genommen eine Frau, die eure Lust real teilt. Bei Männern, die ihren Orgasmus frisch erlebt hatten und deren Erregung abflammte, tauchten ununterbrochen persönliche Fragen auf. Manche bettelten um ein Treffen. Genoveva kündigte ihren unrentablen Nebenjob: Haken setzen. Schlaue Ergüsse gewann sie dem Tagesablauf einer Sex-Chat-Schreiberin nicht ab.

„Hallo, Genoveva! Komm herein!“ Mit einem aufgezwungenen Lächeln folgte Genoveva Jana ins Wohnzimmer. Sie setzte sich zu Soé, Caro und Yvi. Die anderen Frauen kannte Genoveva nur vom Sehen. Jana reichte ihr ein Glas Prosecco: „Trink einen Schluck! Das wird bestimmt ein lustiger Abend! Lass dich überraschen!“ Mit einem Zug leerte Genoveva das Glas und ihr Blick verharrte auf dem Wohnzimmertisch. Ich habe tatsächlich Nachholbedarf, gestand sie sich ein. „Schau nicht wie ein Unschuldslamm, da ist bestimmt auch für dich etwas Interessantes dabei!“, frotzelte Soé und wedelte mit einem pinkfarbenen Vibrator vor Genovevas Gesicht herum. Jana klatschte in die Hände: „Meine Damen, darf ich vorstellen, unsere Dildofee Katharina.“ Genoveva schloss für einen Moment die Augen. Ihre Wahlsennerin würde sie heute über ein Liebesleben, angereichert mit Toys, aufklären. Sie atmete tief durch, drückte sich fester in die Couch und beschloss, keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen. Katharina verteilte Bestellscheine, erklärte, wo die Kreuzchen zu machen sind, und wies auf die Vorkasse hin. Im Laufe des Abends floss der Alkohol in Strömen, das Surren der Vibratoren übertönte das Gelächter der Frauen, und Genoveva fühlte sich wie ein Asket unter Hedonisten.

Zunehmend lockerten sich die Zungen und Genoveva hörte Details, die sie nicht wissen wollte. Katharina beschrieb die Vorzüge aller Vibratoren, mit und ohne Klitoris-Stimulation, kleine Kraftpakete für die Handtasche für den schnellen Orgasmus unterwegs, Vibrationseier mit und ohne Fernbedienung. „Mädchen! Macht die Beine breit und probiert das aus!“ Katharina reichte einen Auflegevibrator durch die Reihen und mahnte scherzhaft: „Die Hose müsst ihr anbehalten!“ Genoveva schwirrte der Kopf und sie drückte das Gerät kommentarlos Soé in die Hand, ohne sich das Teil zwischen die Beine gepresst zu haben. Lediglich das Thema Anal überzeugte keine der Damen. Obwohl sich Katharina wirklich Mühe gab und für Anfänger einen Analdehner vorstellte. Genoveva zwickte unwillkürlich bei dem Gedanken daran ihr Rektum zusammen, und als eine der Frauen rief: „An meinen Arsch, da kommt nur Klopapier!“, musste sie lachen. Der Abend war weit fortgeschritten. Es überraschte Genoveva, wie eifrig die Damen bestellten, und noch mehr, wie viel Geld sie bezahlten. „Hey, was für ein Exemplar hat es dir angetan?“ Soé stupste Genoveva leicht in die Seite: „Probiere den aus! Erhältlich in verschiedenen Farben.“ Keine Antwort abwartend stand Soé auf und übergab Katharina ihren Bestellschein, das Geld hatte sie abgezählt in der Hand. Genoveva grübelte: Wäre ich jetzt bei einer Tupperparty, würde ich eine Schüssel kaufen, ob ich sie brauche oder nicht. Widerwillig setzte Genoveva ein Kreuzchen beim allerbilligsten Vibrator. Sie entschied sich für die rosarote Ausführung. „Bitte sagen Sie meinem Chef nicht, dass ich eine Dildofee bin! Ich muss mein Konto auffüllen, um den unbezahlten Urlaub auf der Alm aufzufangen“, flüsterte ihr Katharina ins Ohr.

Kapitel 3

Frech und taktlos

„Tu mir den Gefallen, geh da hin!“, winselte Thorben in das Telefon. Seit zehn Minuten versuchte er, Genoveva zu überreden, an seiner Stelle über eine Veranstaltung zu berichten. Eine Grippe fesselte den Kollegen ans Bett: „Es geht um das Thema Mindestlohn. Es ist eine Podiumsdiskussion.“ „Von mir aus. Du schuldest mir was!“ Sie packte ihre Tasche und fuhr los. Es widerstrebte ihr, unvorbereitet auf einen Termin zu gehen. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube akkreditierte sie sich am Empfang. „Sie sind knapp dran“, säuselte die Rezeptionistin: „Ich muss sehen, ob ich noch einen Platz für Sie ergattern kann.“ Überhebliche Kuh!, maulte Genoveva in Gedanken, sagte aber: „Herzlichen Dank. Sehr aufmerksam.“ Die Hotelangestellte notierte Genoveva die Platznummer: „Gehen Sie hier entlang.“ Genoveva steckte ihren Presseausweis in die Manteltasche und marschierte los, als sie jemand unsanft von der Seite anrempelte. Sie drehte sich um, wollte sehen, von wem der Schubs kam. Sie hatte ein „Macht nichts!“ auf den Lippen, denn sie erwartete eine Entschuldigung. Stattdessen tönte es neben ihr: „Hallo. Wer bist du?“ „Ma… hm.“ Genoveva verhaspelte sich. Sie starrte in zwei strahlend blaue Augen. „Wie heißt du?“ „Genoveva“, stammelte sie, verlegen wie ein Schulmädchen. Beim Nachnamen kam sie nur bis zur Hälfte: „Agst…“ „Prima“, antwortete der fremde Mann. Er strich sich durch seine schulterlangen, rabenschwarzen Locken: „Bist du alleine da?“ Sie war es nicht gewohnt, dass man ihr Fragen stellte, üblicherweise war das ihr Part: „Ja.“ Der Mann überragte sie um einen Kopf und fragte munter: „Bist du vergeben?“ Genovevas Kopf war wie leergefegt: „Äh. Nein.“ „Gibst du mir deine Telefonnummer? Ich rufe dich an und wir machen was aus!“ Perplex suchte Genoveva nach einer Visitenkarte. „Bis dann!“ Der Mann verschwand. Sie schaute ihm hinterher, bis sie ihn nicht mehr sah. Habe ich ihm wirklich meine Nummer gegeben? Es kostete Genoveva Mühe, den Rednern auf dem Podium zu folgen.