Gerichtsdolmetschen - Christiane Driesen - E-Book

Gerichtsdolmetschen E-Book

Christiane Driesen

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Beschreibung

Die anspruchsvolle Tätigkeit als ÜbersetzerIn und DolmetscherIn an Gerichten und Behörden erfordert neben hervorragenden Sprachkenntnissen auch juristisches Know-how sowie Erfahrung in den verschiedenen Dolmetsch-Techniken. Dieses Studienbuch vermittelt sowohl die unterschiedlichen translatorischen Kompetenzen als auch das nötige juristische Grundlagenwissen über Zivil- und Strafverfahren, die für das Gerichtsdolmetschen und -übersetzen notwendig sind. Damit bereitet es zuverlässig auf die Zulassung für die Beeidigung bzw. Vereidigung als GerichtsdolmetscherIn vor und ist zum Selbststudium sowie als Unterrichtsgrundlage für entsprechende Lehrgänge bestens geeignet. Die zweite Auflage wurde gründlich überarbeitet. Berücksichtigt werden darin insbesondere die neuen EU-Richtlinien 2010/64 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren und 2012/29 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten. Pressestimmen: "This book, while focused on German court cases, provides ideal support for any kind of practical training for interpreters" (Target 26/1 2014). "Der Ladenpreis ist für die Fülle an wertvollem Inhalt so bescheiden, dass man jedem Kandidaten für die Zulassung als Gerichtsdolmetscher nur empfehlen kann, das Buch zu erwerben" (EULITA-Homepage).

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Christiane Driesen / Haimo-Andreas Petersen / Werner Rühl

Gerichtsdolmetschen

Grundwissen und –fertigkeiten

A. Francke Verlag Tübingen

 

 

© 2018 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen www.francke.de • [email protected]

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

 

ePub-ISBN 978-3-8233-0047-2

Inhalt

Vorwort zur zweiten AuflageZur Verwendung dieses StudienbuchsHauptzieleVoraussetzungen für eine sinnvolle BenutzungStruktur des StudienbuchsModule der TranslationstechnikenZur juristischen Kompetenz der Übersetzer und DolmetscherTeil I Translationswissenschaftliche Grundlagen1 Einleitung1.1 Menschenrechte und Eignungsfeststellung der Gerichtsdolmetscher1.2 Einsatzfelder der juristischen Dolmetscher und Übersetzer1.3 Rechtsquellen1.4 Öffentliche Bestellung und Beeidigung bzw. Vereidigung1.5 Berufsstand und Berufsethos1.6 Im Spannungsfeld von Berufsethos und Kommunikation1.7 Qualifikationsanforderungen an den juristischen Dolmetscher und Übersetzer2 Modul Kommunikationskompetenz2.1 Begründung2.2 Kommunikation im Dienst des Berufsethos2.3 Erwerb von Fertigkeiten der Kommunikationskompetenz2.4 Übungen zum Erwerb der Kommunikationskompetenz2.5 Vorlesetechnik2.6 Vorschlag zur Unterrichtsgestaltung2.7 Zur Vertiefung3 Modul Vom-Blatt-Übersetzen bzw. -Dolmetschen3.1 Definition und Anwendung3.2 Übungen zum Erwerb der Fertigkeit des Vom-Blatt-Übersetzens3.3 Vorschlag zur Unterrichtsgestaltung3.4 Zur Vertiefung4 Modul Konsekutivdolmetschen ohne und mit Notizen4.1 Definition und Besonderheiten vor Gericht4.2 Psychische Voraussetzungen4.3 Fertigkeit: Konsekutivdolmetschen ohne Notizen4.4 Fertigkeit: Notizentechnik für die gerichtliche Kommunikation4.5 Vorschlag zur Unterrichtsgestaltung4.6 Zur Vertiefung5 Modul Flüsterdolmetschen5.1 Definition und Einsatz vor Gericht5.2 Flüsterdolmetschen erlernen5.3 Vorschlag zur Unterrichtsgestaltung5.4 Zur Vertiefung6 Modul Einführung in das juristische Übersetzen6.1 Einsatz bei Gericht und Behörden6.2 Pragmatische Zielsetzung dieser Einführung6.3 Übungsvorschläge zum Erwerb der Fertigkeit der juristischen Übersetzung6.4 Gestaltung von Einführungsveranstaltungen6.5 Zur Vertiefung7 Ausblick7.1 Empfehlungen bei der Annahme eines Auftrages7.2 Während der Sitzung7.3 Verhalten beim Scheitern der Kommunikation8 BibliographieAnhangBerufsverbändeTeil II Juristische Grundlagen1 Einleitung2 Strafverfahren2.1 Überblick zum Strafverfahrensrecht2.2 Grundsätze des Strafverfahrensrechts2.3 Die Beteiligten im Strafverfahren2.4 Das Ermittlungs- oder Vorverfahren2.5 Zwischenverfahren2.6 Das Hauptverfahren (§§ 213–295 StPO)2.7 Rechtsmittelverfahren2.8 Besondere Verfahrensarten3 Zivilverfahren3.1 Allgemeine Betrachtungen3.2 Grundsätze im Zivilprozess3.3 Beteiligte des Zivilverfahrens3.4 Verfahrensablauf3.5 Entscheidung3.6 Rechtsmittel3.7 Besondere Verfahrensarten4 Bibliographie

Vorwort zur zweiten Auflage1

Seit der letzten Auflage dieses Studienbuchs im Jahr 2011 hat sich im Bereich des juristischen Dolmetschens und Übersetzens vieles zum Positiven hinbewegt. Zahlreiche Jahre Überzeugungsarbeit durch engagierte Fachkenner aus Universitäten und Berufsverbänden sowie durch aufgeschlossene EU-Vertreter haben die Verabschiedung wichtiger Richtlinien ermöglicht, die sich hinsichtlich der erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen der Translationsberufe bereits entscheidend ausgewirkt haben.2

 

Am 30. November 2009 nahm der Rat der Europäischen Union eine Entschließung zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren an3, woraus sich für die Translationsberufe wichtige Richtlinien ergaben:

Die RICHTLINIE2010/64/EUDESEUROPÄISCHENPARLAMENTSUNDDESRATES vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren und die darauf bezugnehmende RICHTLINIE2012/13/EUDESEUROPÄISCHENPARLAMENTSUNDDESRATES vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren.

Im Rahmen des sogenannten Budapest-Fahrplans4 bestimmte der Rat der Europäischen Union ferner die Notwendigkeit Opfern einen höheren Schutz zu gewähren und empfahl die Verabschiedung der neuen

RICHTLINIE2012/29/EUDESEUROPÄISCHENPARLAMENTSUNDDESRATES vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI.

Letztere birgt eine noch größere Herausforderung an die juristischen Dolmetscher, die für traumatisierte Menschen, insbesondere Kinder und Frauen, dolmetschen müssen, was eine bestimmte Qualifikation voraussetzt.

Wie in der Präambel (7) der Richtlinie 2010/64 wird folgende Absicht überall betont:

Die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens erfordert eine kohärentere Umsetzung der in Artikel 6EMRK5 verankerten Rechte und Garantien. Sie erfordert ferner eine Weiterentwicklung der in der EMRK und der Charta verankerten Mindestvorschriften innerhalb der Union durch diese Richtlinie und andere Maßnahmen.

Diese in den meisten EU-Mitgliedstaaten6 nun umgesetzten Richtlinien präzisieren die Aufgaben der juristischen Translationsberufe etwas besser. Sie betonen die Wichtigkeit der Qualität, die nun ausdrücklich hinterfragt7 werden kann. Einige vom Dolmetscher8 und Übersetzer in den Richtlinien erwartete Leistungen, wie Vom-Blatt-Übersetzen, Fern- bzw. Videodolmetschen und der Umgang mit traumatisierten Personen, werden ausdrücklich angesprochen, während die Beherrschung anderer Fertigkeiten wie Konsekutiv- und Simultan Dolmetschen, der Umgang mit Fachtermini und juristisches Übersetzen dagegen nur als logische Folgen der gestellten Anforderungen abgeleitet werden können. Alle setzen eine Ausbildung, in welcher Form auch immer (Regelstudium oder Weiterbildung), voraus.

Problemanalysen und Lösungsansätze dieser EU-Richtlinien wurden und werden im Rahmen von von der EU-Kommission geförderten Projekten angeboten, deren Berichte online frei zugänglich sind9.

Dieses Studienbuch steht in vollem Einklang mit den neu präzisierten Ansprüchen und setzt sich nach wie vor zum Ziel eine praktische und progressive Vorbereitungshilfe zur Erlangung der Vereidigung- bzw. Beeidigung von Dolmetschern und Übersetzern primär bei deutschen Gerichten anzubieten.

 

Christiane J. Driesen, Haimo-Andreas Petersen, Werner Rühl im Januar 2018.

Zur Verwendung dieses Studienbuchs

In der ersten Auflage wurde die Problematik der wenig verbreiteten Sprachen nicht genügend hervorgehoben, da die Autoren diese durch Anwendung der Tandem-Dolmetschlehre1 einigermaßen überwinden. Diese Lehrmethode wurde im Rahmen der Weiterbildungen der Universität Hamburg2 und der Hochschule Magdeburg-Stendal seit vielen Jahren mit einigem Erfolg für etwa 35 Sprachen erprobt. Mit Hinblick auf die aktuellen politischen Entwicklungen (besonders der Flüchtlingskrise) soll sie nun verstärkt in den Vordergrund rücken. Dem demokratischen Anspruch auf ein faires Verfahren sollte trotz des Mangels an Dolmetschern und Übersetzern für in Deutschland bzw. in Europa wenig verbreitete Sprachen entsprochen werden.

Hauptziele

Ziel dieses Studienbuchs ist es sowohl allein Übende als auch Teilnehmer eines Weiterbildungsprogramms bei der Vorbereitung auf die Zulassung für die Beeidigung bzw. Vereidigung zu begleiten. Es ist in Kompetenzmodule unterteilt, die zuerst die Notwendigkeit und Anwendung der jeweiligen Kompetenz vorstellen und rechtfertigen und anschließend entsprechende Übungen vorschlagen. Diese Übungen sind sowohl als Übungen für den Einzelnen als auch für die Gruppe oder als Anregungen für die Dozenten im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen konzipiert. Kriterien für die Selbstbewertung, Gruppenbewertung und Bewertung durch Dozenten werden jeweils angegeben.

Angestrebt wird das Erlernen einer effizienten Arbeitsmethode, die mit Hilfe der vorgeschlagenen Übungen weiterentwickelt werden soll. Lediglich die korrekte Anwendung der methodologischen Schritte ist für den Einstieg relevant. Aus methodologischen Gründen werden daher keine einzelnen Übungslösungen angegeben.

Dagegen wird dem Benutzer nahe gelegt äquivalente Beispiele selbst zu sammeln und zu bearbeiten.

Voraussetzungen für eine sinnvolle Benutzung

Zur sinnvollen Benutzung dieses Studienbuchs müssen die Lernenden zuerst zwei Sprachen gründlich beherrschen, das heißt: eine Sprache auf Muttersprachniveau und eine Arbeitssprache auf C-2-, eventuell C-1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (also mit Beherrschung aller Sprachregister, von der Umgangssprache bis zur akademischen Sprache). Da das Recherchieren die Grundlage des juristischen Übersetzens und Dolmetschens darstellt, sind Erfahrungen mit wissenschaftlichem Arbeiten unverzichtbar.

Struktur des Studienbuchs

Das Studienbuch besteht in seinem ersten Teil aus einzelnen translationswissenschaftlichen Modulen, die jeweils zum Erwerb einer bestimmten für das Gerichtsdolmetschen und -übersetzen notwendigen Kompetenz führen.

Module der Translationstechniken

Nach einer kurzen Vorstellung der jeweiligen Kompetenz bzw. Technik wird ihre Notwendigkeit beim Gerichtsdolmetschen begründet. Darauf folgen jeweils Übungen zum Erwerb dieser Kompetenz. Folgende Rubriken werden als Leitfaden für die Auswahl der Übungstypen angegeben:

Übungszweck: Angesprochene Kompetenz

Material: Aufnahmegerät, Bilder, Presse, Podcast, Videocast, Urkunden und juristische Texte

Setting: allein, Gruppenübung, Übung mit Dozent

Beschreibung der Übung

Bewertungskriterien (Rhetorik, Vollständigkeit, Fachbegriffe)

einsprachige bzw. zweisprachige Übungen, Tandem-Lehrmethode

Schließlich werden die erworbenen Fertigkeiten bzw. Kompetenzen festgehalten. Ferner werden Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung für Dozenten angeboten.

Der zweite Teil vermittelt juristisches Grundlagenwissen über das Zivil- und das Strafverfahren.

Zur juristischen Kompetenz der Übersetzer und Dolmetscher

Das vorliegende Studienbuch hat sich nicht zum Ziel gesetzt, Juristen auszubilden. Vielmehr soll dem Leser ein Überblick über die Verfahren vor den Gerichten gegeben werden, um ihn hierdurch in die Lage zu versetzen, Sachzusammenhänge zu erkennen und sich im prozessualen Verfahren zu orientieren.

Weder wird eine Paragraphenkenntnis erwartet noch gar das Auswendiglernen einzelner Vorschriften angestrebt. Hierfür gibt es Gesetzessammlungen, aus denen bei Bedarf Gesetzesstexte abgerufen werden können. Inwieweit man eine Textausgabe der einzelnen Verfahrensvorschriften zur Hand hat, mag jedem selbst überlassen bleiben. Von Nachteil ist dies sicher nicht, insbesondere wenn man sich z.B. in einer Hauptverhandlung schnell orientieren möchte. Mittlerweile bietet auch das Internet vielfältige Möglichkeiten, zuverlässig auf die aktuellste Version eines Gesetzestextes zurückzugreifen.

Erlernt werden soll vielmehr Wissen, das für den Dolmetscher unentbehrlich ist, sowohl für die Vorbereitung eines Verfahrens als auch für dessen Begleitung: Die Kenntnis über den Gang eines Gerichtsprozesses, dessen Beteiligte und deren Rechte und Pflichten ermöglicht dem Dolmetscher, sich zu orientieren und sein Handeln vorausschauend zu planen. Das Wissen um Begrifflichkeiten und Fachtermini in einzelnen Verfahrensabschnitten erleichtert die Arbeit und gibt zudem Sicherheit vor unerwarteten Wendungen des Verfahrens.

Teil I Translationswissenschaftliche Grundlagen

1 Einleitung

1.1Menschenrechte und Eignungsfeststellung der Gerichtsdolmetscher

Die Nürnberger Prozesse setzten die Maßstäbe1 für den modernen Dolmetscherberuf, insbesondere für das Dolmetschen an internationalen Gerichten und Gerichtshöfen. Diese Maßstäbe betrafen insbesondere die Eignungsfeststellung der Dolmetscher, die Vollständigkeit der Verdolmetschung sowie die Qualitätskontrolle.2 Viele Jahrzehnte später richten sich die internationalen Gerichtsbarkeiten weiterhin nach diesen drei Grundsätzen, während sich erst jetzt langsam ein Konsens über die Notwendigkeit der Qualifikation der juristischen Dolmetscher und Übersetzer bei Gerichten und Behörden abzeichnet, und zwar sowohl bei vielen der deutschen Bedarfsträger und Standesvertretungen als auch bei den relevanten Instanzen der Europäischen Union. Im Rahmen des vom Kommissar für Mehrsprachigkeit, Leonard Orban, im Jahre 2008 einberufenen „Reflection Forum“3 erarbeiteten Experten aus unterschiedlichen Disziplinen (Anwälte, Polizeibeamte, Dozenten der Translationswissenschaft, Vertreter des Berufsstandes) Empfehlungen, in denen ein entsprechendes Profil definiert und Lehrinhalte empfohlen werden.

1.2Einsatzfelder der juristischen Dolmetscher und Übersetzer

Im Bewusstsein, dass es sich beim juristischen Dolmetschen und Übersetzen um eine verantwortungsvolle Aufgabe handelt, setzt sich der Gedanke durch, dass es bei Gericht und Behörde sowohl um die Rechtssicherheit als auch um Menschenrechte geht. Daher werden für einige Bereiche nur noch allgemein bestellte und beeidigte bzw. vereidigte Dolmetscher und Übersetzer eingesetzt. Diese werden sowohl von den Behörden (Polizei, Arbeitsämtern, Sozialbehörden, Standesämtern, Ausländerbehörden usw.), von den Gerichten und auch von der Staatsanwaltschaft, von Notaren als auch von Anwälten und Rechtsabteilungen größerer Unternehmen in Anspruch genommen.

1.3 Rechtsquellen

Grundrechte und Grundfreiheiten, die die Ausübung der Translationstätigkeit unmittelbar bestimmen, werden jeweils in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 19481 und in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 19502 eindeutig ausgesprochen.

Als juristische Folge der Unterzeichnung und Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonvention wurden diese Bestimmungen in das deutsche Recht integriert.3

Wie im Vorwort zu diesem Teil ausgeführt, wurden darüber hinaus neue EU-Richtlinien, insbesondere die Richtlinie 2010/64/EU, verabschiedet, die zu einer konkreteren Darstellung der Anforderungen an Dolmetscher und Übersetzer führen.

1.3.1Grundgesetz

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland1 heißt es daher entsprechend:

 

Artikel 3

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(..)

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

1.3.2Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)

§ 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) bestimmt, dass die deutsche Sprache Gerichtssprache der Bundesrepublik Deutschland ist. Im Einklang mit den Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), Artikel 5, Absatz 2, und Artikel 6, Absatz 1 und 3 sieht § 185GVG vor, dass ein Dolmetscher herangezogen werden muss, falls einer der Beteiligten der Gerichtssprache nicht mächtig ist.

Nach Umsetzung der Richtlinie 2010/64/EU wurde das Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren vom 2. Juli 2013 verabschiedet und ist nun im §187 GVG verankert.1

1.4Öffentliche Bestellung und Beeidigung bzw. Vereidigung

Je nach Bundesland kennt man die öffentliche Bestellung und allgemeine Beeidigung (Bayern, Hamburg) oder eine allgemeine Beeidigung ohne öffentliche Bestellung (Berlin, Niedersachsen und andere) und/oder Ermächtigung von Übersetzern (zum Beispiel Hessen).

Das Hamburger Gesetz über die öffentliche Bestellung und allgemeine Vereidigung von Dolmetschern und Übersetzern sowie die Verordnung über die Bestellung allgemein vereidigter Dolmetscher und Übersetzer vom September 1986 wurden 2005, 2007 bzw. 2015 novelliert1. In Deutschland besteht gemäß § 189GVG neben der Möglichkeit der so genannten Ad-hoc-Vereidigung von Sprachkundigen, die der Richter kraft seiner Unabhängigkeit nach seinem Ermessen auswählt, der von dem öffentlich bestellten Dolmetscher allgemein geleistete Eid, auf den dieser sich vor jeder Gerichtsverhandlung beruft.

1.5 Berufsstand und Berufsethos

Anders als bei den internationalen Gerichtsbarkeiten, bei denen Konferenzdolmetscher tätig sind, die dem etablierten berufsethischen Kodex der Association Internationale des Interprètes de Conférence (AIIC)1 und den jeweiligen internen Ordnungen unterworfen sind, sind die Konturen des Berufsstands der Übersetzer und Dolmetscher für die innerstaatlichen Gerichtsbarkeiten noch nicht so klar. Daher bestehen fast gleichlautende Berufs- und Ehrenordnungen2 nebeneinander, die teils dem AIIC-Kodex, teils der Charte du Traducteur der Fédération Internationale des Traducteurs(FIT) entstammen und meistens keine konsequente Trennung zwischen Berufsethos und Guten Praktiken definieren. Anlässlich der Gründung des europäischen Verbandes der juristischen Dolmetscher und Übersetzer (EULITA) im Jahr 2011 wurde eine Berufs- und Ehrenordnung verabschiedet,3 die eine Synthese berufsethischer Grundsätze ihrer Mitgliedsorganisationen unter Berücksichtigung der entscheidenden juristischer Quellen für die Arbeit vor Gericht und im juristischen Feld darstellt.

Neben den allgemein proklamierten Verpflichtungen zur Kollegialität und zu fairen Praktiken den Auftraggebern gegenüber ergeben sich aus den oben angeführten Rechtsquellen unumgängliche Pflichten für den juristischen Dolmetscher und Übersetzer, die seine Dolmetschstrategie entscheidend prägen, um zur Gleichstellung aller Menschen vor dem Gesetz und zur Beachtung der Menschenwürde beizutragen. Dazu gehören:

1.5.1Vollständigkeit und Treue der Übersetzung

Der Dolmetscher hat eine sinngetreue1 und vollständige Übertragung zu leisten. Dies ist nur möglich, wenn er qualifiziert (Hintergrundswissen, Beherrschung aller Techniken) und fachlich vorbereitet ist. Aufträge, für die er nicht qualifiziert ist, sind daher entsprechend abzulehnen.

1.5.2Neutralität und Schweigepflicht

Als Sprachrohr zwischen den Parteien ist der Dolmetscher im deutschen Recht kein Sachverständiger (er bringt keine neuen Inhalte in das Verfahren ein), daher hat er in der Ausübung seiner Tätigkeit neutral zu bleiben. Zur Neutralität gehören auch die Schweigepflicht und der Verzicht darauf, Informationen zum eigenen Vorteil zu benutzen1.

1.6 Im Spannungsfeld von Berufsethos und Kommunikation

Nach Betrachtung des sich aus den Rechtsquellen logisch und konkret ergebenden ethischen Anspruchs an den Berufsstand mögen die Kommunikationsverhältnisse und -zwänge als die größte Hürde erscheinen. Anders als bei internationalen Konferenzen oder Gerichtsbarkeiten, die über Simultandolmetschanlagen verfügen, müssen die Dolmetscher der heimischen Gerichte ihre Dolmetschtechniken ständig an die Gegebenheiten anpassen1.

Nur durch schnellste Analyse der Kommunikationsumstände und entsprechende Auswahl der einzusetzenden Dolmetschtechniken wird der Dolmetscher seinem ethischen Anspruch gerecht: Konsekutiv, um dem Öffentlichkeitsprinzip gerecht zu werden; Flüstern, um die Parteien vollständig zu informieren sowie zur unintrusiven Klärung entstehender soziokultureller Missverständnisse.

1.6.1Kommunikationszwänge

Mindestens vier unterschiedliche Zwänge herrschen zum Beispiel im Strafverfahren:1

Trotz der oft sehr ungünstigen Akustik der Gerichtssäle bleibt es fast undenkbar, die im jeweiligen Bundesland übliche Sitzordnung für Angeklagte, Zeugen, Dolmetscher und Verteidiger auch nur minimal zu verbessern.2

Alles, was in der Gerichtssprache auszudrücken ist, muss vom Gericht, aber auch von der anwesenden Öffentlichkeit klar zu hören sein.

Unter Beachtung der Grundrechte des Angeklagten bzw. des Anspruchs des Auftraggebers ist den Angeklagten alles in der Verhandlung Vorgetragene vollständig zu übertragen.

Missverständnisse aufgrund der zwischen den Kommunikationspartnern bestehenden soziokulturellen Kluft müssen unter Beachtung strikter Neutralität geklärt werden.

1.6.2Unterschiedliche Kommunikationsmuster

Oralisierte Vorträge

Vorträge unterschiedlicher Länge werden von Juristen und Sachverständigen in Fachsprachen gehalten. In vielen Fällen handelt es sich um in der Gerichtssprache gehaltene Vorträge, die von dem Dolmetscher einem Angeklagten oder Zeugen simultan geflüstert werden. In einigen Fällen hält ein Jurist oder ein Sachverständiger aus dem Ausland einen Vortrag in der Fremdsprache, der dann vom Dolmetscher konsekutiv in die Gerichtssprache zu dolmetschen ist.

Verlesene Schriftstücke

Richter lesen Dokumente vor (Protokolle oder Urteile), Staatsanwälte z.B. Anklageschriften oder Anwälte Anträge. Der Dolmetscher, dem ein Exemplar überreicht wurde, dolmetscht dann vom Blatt.

Dialoge in einer Sprache

Die Befragung der der Gerichtssprache kundigen Zeugen wird durch das Gericht vorgenommen – einem Angeklagten oder Zeugen wird die Befragung simultan geflüstert.

Dialoge in zwei unterschiedlichen Sprachen

Bei der Befragung der der Gerichtssprache unkundigen Zeugen muss der Dolmetscher abwechselnd in zwei Sprachen dolmetschen.

1.6.3Scheitern der Kommunikation – notwendige soziokulturelle Klärung

Jede Kommunikationssituation kann bei Gericht aufgrund soziokultureller Missverständnisse scheitern. Für den Dolmetscher ist das Unterbrechen des traditionellen Dolmetschflusses immer heikel. Der Kommunikationsrhythmus wird abgebrochen, das Gericht fürchtet evtl. eine ungebührliche Einmischung oder Kompetenzbeschneidung. Folgende abgestufte Strategie soll das Eingreifen des Dolmetschers vermeiden bzw. hinauszögern.

Schritt 1: Versuch einer Übersetzung, die den Parteien die Chance zur Selbstklärung überlässt.

Schritt 2: Beim Scheitern dieses Versuchs weist der Dolmetscher auf das Bestehen eines Missverständnisses hin, damit das Gericht selbst die Initiative zur Behebung ergreifen kann.

Schritt 3: Beim erneuten Scheitern bittet der Dolmetscher um Erlaubnis, die entsprechende Erklärung selbst zu geben. Die entsprechende Erklärung sollte so knapp und präzise wie möglich sein.

1.6.4 Zur Illustration: Dolmetschtechniken in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens1

Aufruf der Sache – Simultanflüstern

Vorstellung des Gerichts.

Bei einem, maximal zwei Adressaten eignet sich das Flüsterdolmetschen am besten.

Eine soziokulturelle Klärung (z.B. über die Funktion der Schöffen) kann sich als notwendig erweisen.

Vernehmung zur Person – Simultanflüstern und Konsekutivdolmetschen

Fragen des Gerichts an den Angeklagten können simultan geflüstert werden, dagegen werden seine Antworten für das Gericht und die Öffentlichkeit konsekutiv ohne und mit Notizen (Namen, Orte, Zahlen) laut in die Gerichtssprache übertragen, ebenso evtl. notwendige soziokulturelle Klärungen (z.B. werden Berufe je nach Kultur auf unterschiedliche Art und Weise erlernt).

Verlesung des Anklagesatzes – Vom-Blatt-Dolmetschen

Meist wird dem Dolmetscher ein Exemplar der Anklageschrift überreicht.1 Während der Verlesung des Anklagesatzes durch den Staatsanwalt dolmetscht er vom Blatt.

Belehrung des Angeklagten – Simultanflüstern

Die Belehrung zum Aussageverweigerungsrecht kann simultan geflüstert werden. Erfahrungsgemäß wird diese nicht auf Anhieb verstanden, und oft entsteht Klärungsbedarf.

Vernehmung zur Sache – Konsekutivdolmetschen

Erst wird dem Angeklagten die Möglichkeit gewährt, im Zusammenhang, d.h. ohne Unterbrechung, Stellung zu dem Tatvorwurf zu nehmen. Nur die sichere Beherrschung der Konsekutivtechnik ermöglicht eine Gleichstellung vor dem Gesetz1 des Ausländers mit den Gerichtssprachkundigen.

Es folgen dann meistens Nachfragen und Vorhalte seitens der Gerichtsmitglieder und Verteidiger. Diese kürzeren Passagen können für den Angeklagten simultan geflüstert und für Gericht und Öffentlichkeit konsekutiv gedolmetscht werden.

Jederzeit kann dabei ein Bedarf an soziokultureller Klärung entstehen.

Beweisaufnahme1 – Simultanflüstern

Zur Wahrung seiner Grundrechte wird dem Angeklagten die Anhörung der Zeugen und Sachverständigen simultan geflüstert.2 Nur so ist er imstande, von seinem3 Fragerecht sinnvoll Gebrauch zu machen.

Die fakultative Eidleistung am Ende der Aussagen bedarf meistens einer soziokulturellen Klärung.

Schluss der Beweisaufnahme

Dieser wird vom vorsitzenden Richter verkündet und dem Angeklagten geflüstert.

Plädoyers – Simultanflüstern1

Die Plädoyers des Staatsanwaltes und des Verteidigers sollten simultan geflüstert werden (Wahrung der Würde des Angeklagten GG3.1 und 3.3).

Letztes Wort – Konsekutivdolmetschen

Das letzte Wort des Angeklagten ist für das Gericht und die Öffentlichkeit konsekutiv zu dolmetschen. Hier darf keine unzeitgemäße Unterbrechung des Angeklagtenvortrags aufgrund der Dolmetscherunzulänglichkeit vorkommen.

Beratung des Gerichts

Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück.

Urteilsverkündung – Simultanflüstern

Das Simultanflüstern ist unverzichtbar für eine faire Behandlung des Ausländers, da einerseits der Angeklagte mit höchster Anspannung auf das Urteil wartet und andererseits die sehr formelle Verkündung keine Unterbrechung duldet.

Urteilsbegründung – Simultanflüstern

Auch wenn viele Angeklagte der Urteilsbegründung nur zerstreut zuhören, da sie sich noch mit den Folgen des Strafmaßes für ihr Leben beschäftigen oder sich über einen Freispruch freuen, sollte die Begründung – ebenfalls wegen des Grundrechtes der Gleichstellung vor dem Gesetz – vollständig simultan geflüstert werden.

Rechtsmittelbelehrung – Simultanflüstern

Diese Information wird aus den bereits erwähnten Gründen simultan geflüstert.

1.7Qualifikationsanforderungen an den juristischen Dolmetscher und Übersetzer

Die Expertenempfehlungen aus dem Bericht des Reflection Forum1 bestätigen, dass der juristische Dolmetscher und Übersetzer um diesen hohen Anforderungen gerecht zu werden folgendes kognitive Rüstzeug braucht und nachweisen muss:

Gründliche Beherrschung der betreffenden Sprachen

Gründliche Kenntnis der betreffenden Kulturen

Solide forensische Kenntnisse (Gerichtsverfahren/Institutionen der betreffenden Länder)

Fähigkeit, Fachthemen vorzubereiten (Gutachten)

Simultandolmetschen (Flüsterdolmetschen)

Konsekutivdolmetschen (aus dem Gedächtnis und/oder mit Notizentechnik), Vom-Blatt-Übersetzen bzw. Vom-Blatt-Dolmetschen2

Berufsethisches Verständnis und Bewusstsein

Die sich aus diesen Kernanforderungen ergebenden curricularen Empfehlungen sind für so genannte internationale Sprachen leichter umsetzbar, da bereits bestehende Studiengänge nur wenig angepasst zu werden bräuchten. Geht es jedoch um in Europa wenig verbreitete Sprachen, so ergeben sich Hürden anderer Art, die nur mit höchster Flexibilität der Lehrstrukturen zu lösen sind:

Translationsdidaktiker, erfahrene Dolmetscher bzw. Übersetzer für diese Sprachen sind in Deutschland selten, daher kann die Ausbildung nur unter Trennung von Sprache und Translationstechnik, d.h. unter Anwendung der „Tandemmethode“3 erfolgen.

Die Sprachen sind terminologisch meist wenig erschlossen.4 Die Ausbildung muss dieses methodisch besonders berücksichtigen.

Das Ausbildungsangebot muss sich den sich schnell verändernden Migrationsflüssen entsprechend anpassen; dies erfolgt am besten durch das Qualifizierungsformat einer Weiterbildung.

Eine Weiterbildung für juristische Dolmetscher und Übersetzer richtet sich an berufstätige, zweisprachige Akademiker, die neben den angebotenen Unterrichtsblöcken an Wochenenden viel allein üben müssen.

Das vorliegende Studienbuch wurde primär für diese Strukturen konzipiert.

2 Modul Kommunikationskompetenz

2.1Begründung

So erstaunlich es für manche klingen mag, so selbstverständlich ist es doch, dass Dolmetscher ein Vertrauen erweckendes Auftreten sowie eine rhetorische Kompetenz bilden, die conditio sine qua non seiner Akzeptanz bei Gericht und bei den Parteien. Hier gelten sinngemäß die Ergebnisse der psychologischen Forschung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Rednern.1 Zum beruflichen Überleben darf der Dolmetscher den verschiedenen Parteien (Richter, Staatsanwalt, Verteidiger …) keine Angriffsfläche zur Kritik bieten.

Alle Gerichtsparteien müssen das Gefühl bekommen, dass sie sich auf einen erfahrenen Dolmetscher bedingungslos verlassen können.

2.2Kommunikation im Dienst des Berufsethos

Der Dolmetscher ist aus berufsethischen Gründen neutral und muss diesen Anspruch auch äußerlich deutlich vermitteln. Aus denselben Gründen darf er keine falschen Erwartungen über seine Funktion1 hervorrufen und auf keinen Fall die Aufmerksamkeit ungebührlich auf sich lenken; daher hat seine äußere Erscheinung (Kleidung, Schmuck, Frisur etc.) diskret zu sein. Dies ist nicht nur als Zeichen der Achtung vor der Justiz wichtig,2 sondern auch, um bei Menschen aus anderen Kulturen zuverlässig und vertrauenswürdig3 zu erscheinen. Dolmetschen ist eine Dienstleistung; Anbieter von Dienstleistungen stellen ihre Belange üblicherweise hinter die ihrer Kundschaft bzw. Auftraggeber. Ein Arzt oder ein Notar mit auffälligen Piercings und Punkfrisur würde im Allgemeinen auch nicht als vertrauenswürdige Erscheinung wahrgenommen werden.

Das Einhalten der Grundregeln der Höflichkeit und der kulturellen Bräuche muss selbstverständlich sein. Dies gilt insbesondere für die Begrüßung und für die Vorstellung als Dolmetscher, aber auch für Situationen, in denen unentbehrliche Klärungsfragen gestellt werden müssen oder für die angemessene Reaktion auf berechtigte und sogar unberechtigte Kritik.

2.3 Erwerb von Fertigkeiten der Kommunikationskompetenz

Spezifische Fertigkeiten, die dem Erwerb und der Verbesserung der mündlichen Dolmetschkommunikation dienen, werden nun in diesem Modul zuerst beschrieben. Angesprochen werden: Souveränität durch sicheres und korrektes Auftreten, visualisierendes Gedächtnis, Redegewandtheit, freies Sprechen und korrekte Vorlesetechnik.

2.3.1Souveränität durch Körperhaltung und -sprache

2.3.1.1Richtiges Atmen

So offensichtlich es auch erscheinen mag, die richtige Atemtechnik ist die Grundlage einer guten Dolmetschleistung. Richtiges Atmen ist zur Bekämpfung des Stresses und zur Förderung der Konzentration unentbehrlich. Die Modulierung der Stimme1 hängt auch direkt von der Atmung ab. Gemeint ist hier eine korrekte Bauchatmung.2

2.3.1.2Gerades Stehen, gerades Sitzen

Gerades Stehen und gerades Sitzen sind Grundvoraussetzung für das richtige Atmen. Beim Sitzen sollte man vermeiden, die Atmung durch Anlehnen an die Tischkante zu behindern. Andererseits vermittelt eine gerade Körperhaltung den Eindruck professioneller Selbstsicherheit. Dabei soll das Körpergewicht gleichmäßig auf beiden Füßen verteilt werden. Der so genannte „Bärentanz“, d.h. das Balancieren von einem Fuß auf den anderen, irritiert das Publikum und zeigt die Verlegenheit des Dolmetschers allzu deutlich.

2.3.1.3Natürliche Gestik zur Unterstützung der Rede (Mitteilung)

In nördlichen Ländern wirkt Gestikulieren unseriös. Eine dezente Gestik ist dennoch sehr hilfreich zur Unterstützung der richtigen Wortwahl. Einige Grundsätze sollten dabei beachtet werden:

Die Hände und Arme bewegen sich im Bereich des Oberkörpers und unterhalb des Halses. Gesicht und Haare sollten möglichst nicht berührt werden, da dies das Publikum ablenkt. Die Arme zu verschränken signalisiert Kommunikationsunwillen. Die Gestik sollte sich tendenziell nach oben und zum Publikum hinrichten.

2.3.1.4 Blickkontakt mit dem Publikum

Wie jeder erfahrene Kommunikator schaut der Dolmetscher seine Adressaten grundsätzlich an. Im Falle mehrerer Adressaten werden diese abwechselnd und möglichst regelmäßig angeschaut. Ausschließlich eine einzige Person anzustarren ist dieser möglicherweise peinlich. Die Anderen fühlen sich ausgeschlossen und könnten negativ reagieren. Die gedolmetschte Mitteilung soll wie die Originalmitteilung vorgetragen werden. Das ist nur möglich, wenn der Dolmetscher den Translationsvorgang vor dem Sprechen abgeschlossen hat. Sobald der Sinn (Bedeutung) verarbeitet worden ist, ergeben sich die passenden „Worthülsen“ (Bezeichnung) beim Ansprechen der Adressaten wie von selbst.

Den Blickkontakt zu halten ist auch höchst wichtig, um aufkommende Angriffe in Form von kritischen Bemerkungen rechtzeitig abzuwehren. Perplexität, Zweifel und Aggressivität zeigen sich auf den Gesichtern, und der Dolmetscher kann sich besser darauf einstellen, wenn er das Publikum nicht aus den Augen verliert.

2.3.1.5Sprechrhythmus und Pausen

Der Sprechrhythmus wird vom Abstand zum Adressaten bestimmt. Je weiter ein Sprecher vom Publikum entfernt ist, desto langsamer und artikulierter sollte er sprechen. Die korrekte Atemtechnik reguliert die effiziente Projektion der Stimme. Schnell und dynamisch zu sprechen ist günstig, damit dem Redner zusammengehörende Begriffe (Kollokationen) spontaner einfallen. Bei einem schleppenden Rhythmus können dagegen Gedächtnislücken auftreten, und nachdem man aus dem Rhythmus geraten ist, ist es hoffnungslos, krampfhaft nach dem treffenden Wort zu suchen: Die Situation verschlimmert sich meistens. Das Publikum empfindet Unbehagen und bald auch Misstrauen.

Genauso wichtig wie der Sprechrhythmus sind angemessene Pausen. In der mündlichen Kommunikation muss der Adressat die Mitteilung sofort verarbeiten, um sie zu verstehen; dazu sind Pausen unentbehrlich. Der Mut zur Pause seitens des Redners oder Dolmetschers vermittelt den Eindruck der Sicherheit und Souveränität.

2.3.2Visualisierendes Gedächtnis

Für eine gelungene mündliche Kommunikation ist ein zuverlässiges Gedächtnis unverzichtbar. Konsekutivdolmetschen erfordert ein gutes Gedächtnis. Zwei Gedächtnisfunktionen sind beim Dolmetschen besonders wichtig: einerseits das Im-Blick-Behalten der Gliederung der Aussage und andererseits das Visualisieren der Aussage. Der Dolmetscher sollte das visuelle Gedächtnis besonders trainieren: Das Visualisieren ist besonders hilfreich, wenn dem Dolmetscher der gesuchte Begriff „auf der Zunge liegt“,1 aber nicht sofort einfällt.

2.3.3 Souveränität durch Dolmetschetikette

2.3.3.1Zu verwendende Personalpronomen

Der Dolmetscher spricht für die jeweils gedolmetschten Parteien in der ersten Person Singular, d.h. in der Ich-Form. Von sich spricht er daher in der dritten Person Singular, um jede Verwechslung auszuschließen. So merkwürdig es auch klingen mag, die Parteien sehen die Notwendigkeit dieser Konvention ein und gewöhnen sich meist sehr schnell daran.

2.3.3.2Rückfragen

In jedem Kommunikationsvorgang ergeben sich Unklarheiten. Beim Dolmetschen gibt es drei Hauptursachen dafür:

Die schlechte Akustik: Der Dolmetscher hat z.B. eine Zahl oder einen Eigennamen nicht gehört.

Die scheinbare Unlogik einer Aussage: „Der Zeuge ist mein Bruder, gehört aber nicht zu meiner engen Verwandtschaft“ (Aussage eines Senegalesen).

Die Informationslücke des Dolmetschers: Ein Sachverständiger erwähnt einzelne Teile eines Kühlaggregats im Detail, obwohl die Geschäftsstelle es versäumt hat, dem Dolmetscher das Gutachten rechtzeitig zur Vorbereitung zu schicken.

In diesen Fällen ist eine zuverlässige Verdolmetschung kaum möglich. Daher muss der Dolmetscher souverän genug sein, um bei Unklarheiten so nachzufragen, dass seine Kompetenz nicht in Frage gestellt werden kann. Aus ethischen Gründen (Transparenz zur Gleichbehandlung der Parteien) müssen aber alle Gesprächspartner über die Notwendigkeit der Nachfrage informiert werden. Der Dolmetscher sagt daher: „Entschuldigen Sie bitte, der Dolmetscher hat eine Frage.“ oder „… muss hier nachfragen“. Die Frage muss knapp und möglichst geschlossen sein, damit der Gefragte nicht zum Ausschweifen ermuntert wird. Nach Beantwortung der Frage bedankt sich der Dolmetscher höflich und setzt die Verdolmetschung fort.

2.3.3.3Reaktion auf berechtigte und unberechtigte Kritik

So bedauerlich es auch sein mag, Dolmetscher müssen als Dienstleister ihre Reaktion auf berechtigte und unberechtigte Kritik sorgfältig abwägen.

Eine Kritik ist berechtigt, wenn sie inhaltlich richtig ist, wenn sie sachlich formuliert wird und von demjenigen ausgesprochen wird, der dazu berechtigt ist. Eine berechtigte Kritik ist mit einer angemessenen, nach Umfang des angerichteten Schadens dosierten Entschuldigung zu beantworten. Der Kritiker wird dem Dolmetscher eher verzeihen, wenn seine berechtigte Kritik ernst genommen wurde. Ausreden und die Schuld auf andere zu schieben sind unbedingt zu vermeiden. Sie verursachen nur Ärger.

Ein einfaches Beispiel: Der Dolmetscher kommt mit einer halben Stunde Verspätung zum Termin. Der vorsitzende Richter weist ihn sachlich darauf hin: „Ihre Verspätung wird leider diese Verhandlung und alle Morgentermine verzögern“. Der Dolmetscher bittet mit einer sachlichen Erklärung (keine Ausrede) um Entschuldigung: „Es tut mir sehr leid, ich musste aber wegen eines plötzlich erkrankten Familienmitglieds auf den Arzt warten. Es war ein Notfall.“

 

Eine Kritik ist dagegen unberechtigt, wenn sie unfair und inhaltlich unbegründet und/oder beleidigend formuliert ist:

„Ich hatte es nicht so verstanden“, sagte ein Politiker, „es lag wohl an der Verdolmetschung“. 1

Leider haben Dolmetscher – als Dienstleister – kaum eine Möglichkeit, solch unfaire Kritik abzuwehren. Sie müssen das Gesicht wahren und können sich lediglich damit trösten, dass intelligente Gesprächsteilnehmer den unfairen Angriff auch als solchen wahrnehmen.

 

Eine Kritik ist auch unberechtigt, wenn sie inhaltlich falsch ist und/oder von einem Unbefugten ausgesprochen wird. Zum Beispiel erlaubte sich ein Verteidiger mit nur geringen Französischkenntnissen, einen Dolmetscher abrupt zu unterbrechen und die korrekte Übersetzung des Begriffs „voler“ mit dem deutschen „stehlen“ in Frage zu stellen. Er bestand auf der Verwendung des Begriffs „entwenden“, was im Französischen aber „dérober“ entsprechen würde. Vielleicht wollte dieser Verteidiger den Dolmetscher destabilisieren, um sich selbst aufzuwerten oder um seine Frustration über das Gericht abzureagieren. Vielleicht hoffte er aber auch, dadurch einen strategischen Vorteil für seine Verteidigung zu erkämpfen. Der Dolmetscher sollte in diesem Fall also zu sachfremden Zwecken instrumentalisiert werden, was er auf keinen Fall zulassen darf. Der Dolmetscher muss die unberechtigte Kritik abwehren, um vom Gericht weiterhin vollständig als Fachmann in Sachen Sprache und Kultur akzeptiert zu werden. Er darf dem Gericht gegenüber nicht an Glaubwürdigkeit verlieren.

2.3.3.4Mögliche Kritikabwehrstrategie für den Dolmetscher

Der Kritiker war nicht befugt, den Dolmetscher mit seiner Kritik direkt zu unterbrechen. Er hätte sich zuerst an den Vorsitzenden wenden müssen. Um alle Kommunikationspartner geschickt auf diese Regelverletzung durch den Kritiker aufmerksam zu machen, sollte der Dolmetscher den vorsitzenden Richter demonstrativ darum bitten, zu diesem Vorwurf Stellung nehmen zu dürfen. Aus demselben Grund sollte der Dolmetscher seine Antwort auch nicht an den Kritiker richten, sondern an das Gericht: „Der Dolmetscher lehnt diesen Verbesserungsvorschlag als unrichtig ab und könnte es entsprechend belegen, falls das Gericht dieses wünschen würde.“

2.3.4Redegewandtheit

Zweifellos ist diese Fertigkeit für die mündliche Kommunikation unentbehrlich. Dolmetscher müssen sehr schnell reagieren und ständig auf alternative Übersetzungslösungen kommen. Falls diese Virtuosität nicht angeboren ist, muss sie trainiert werden.

2.3.5 Frei sprechen

Die Technik des freien Vortrags ist in jeder Kommunikationssituation hilfreich, insbesondere als Vorbereitung zum Konsekutivdolmetschen. Sie bildet die Vorstufe zu jeder Dolmetschtechnik, denn es geht hierbei um das logische Strukturieren einer beliebigen Mitteilung.

2.3.6Richtige Vorlesetechnik

Vorlesen wird hier als Vorstufe zum Vom-Blatt-Übersetzen angeführt und erfolgt wie das Vom-Blatt-Übersetzen ebenfalls in drei Etappen:

Sinn der Mitteilung mit den Augen erfassen,

Sinn der Mitteilung beim Hochschauen verarbeiten,

Sinn der Mitteilung beim Anschauen der Adressaten laut wiedergeben.

2.4Übungen zum Erwerb der Kommunikationskompetenz

2.4.1Arbeit mit Bildern

Die Bilder von Personen, Gebrauchsgegenständen, Räumen, Szenen bzw. Situationen werden sowohl zum Selbststudium als auch für die Gruppenübung vorgeschlagen. Nachstehend können nur wenige Bilder als Beispiel angeboten werden. Das Internet bietet jedoch zahlreiche Quellen, wie z.B. Google Bilder oder Flickr. Im Sprachunterricht werden solche Übungen schon vielerorts mit Erfolg eingesetzt.

Durch diese einfach erscheinenden Übungen üben die Teilnehmer unverzichtbare Kommunikationskompetenzen eines Dolmetschers auf systematische Weise. Unabhängig vom Setting empfiehlt es sich, ein Logbuch über Aufgaben und Aufgabenbewertung zu führen.

Folgende Aufgabenstellungen sind möglich: Beschreibung von Personen, Gebrauchsgegenständen, Räumen, Situationen. Bei den ersten Übungen darf das Bild während der Beschreibung noch angeschaut werden, sehr bald sollte das Bild verdeckt werden. Die Übungen erfolgen abwechselnd im Stehen oder im Sitzen, damit Sicherheit in beiden Haltungen erlangt werden kann.

2.4.2 Übung 1: Personenbeschreibung

Setting: allein und/oder Gruppenübung; mit oder ohne Dozent

Material: Aufnahmegerät, Bilder von Personen

Übungszweck: korrektes und sicheres Auftreten, visualisierendes Gedächtnistraining, Redegewandtheit, freies Sprechen

Anwendungsgebiet: Zeugenaussagen, Gutachter

Bewertungskriterien: Beachtung der Grundregeln der Kommunikation (Haltung, Atmung, Blickkontakt, Sprechrhythmus), Beachtung der Dolmetschetikette, Gedächtnisleistung durch Strukturierung der Information: Vollständigkeit, Redegewandtheit: begriffliche Präzision

Allein-Übung

 

Ausführung und Empfehlungen

Schauen Sie das Bild eine Minute lang an. Wenden Sie dabei ein systematisches Betrachtungsraster an:

Einleitung: Was stellt das Bild/das Foto dar?

Bildhintergrund?

Bildvordergrund?

Besondere Merkmale der dargestellten Person?

Haare?

Einzelne Gesichtsteile (Ausdruck, Form und Farbe)?

Körperbau, Körperteile?

Körperhaltung?

Kleidung (Form, Material)?

Zusammenfassung: Gesamteindruck?

Nach Einschalten des Aufnahmegeräts beschreiben Sie bitte das Bild mit lauter Stimme. Stellen Sie sich dabei am besten einen blinden Zuhörer vor.

Variante 1: Das Bild darf angeschaut werden und wird in der Muttersprache beschrieben.

Variante 2: Das Bild darf angeschaut werden und wird in der Arbeitssprache beschrieben.

Variante 3: Das Bild wird verdeckt und in der Muttersprache beschrieben.

Variante 4: Das Bild wird verdeckt und in der Arbeitssprache beschrieben.

Selbstbewertung

Hören Sie die aufgenommene Übung an. Indem Sie das Bild zur Kontrolle anschauen, beantworten Sie folgende Fragen zur eigenen Bewertung. Bitte notieren Sie die Fragen und Antworten in Ihr Logbuch.

 

Bei Übungsvarianten 1 bis 4:

Fragen zur Rhetorik:

Wie war die Atmung? (ruhig? gehetzt?)

Wie war der Sprechrhythmus? (fließend? abgehackt?)

Fragen zur Wortgewandtheit:

Wie war der Wortschatz? (Fanden Sie den passenden Begriff für jedes Detail?)

Darüber hinaus bei den Übungsvarianten 3 und 4 Fragen zum visualisierenden Gedächtnis:

War die Beschreibung vollständig?

War die gewählte Reihenfolge schlüssig?

Gruppenübung – Doppelaufgabe
Ausführung und Empfehlungen

Bildbeschreibung bis max. 3 Minuten.

Variante 1: Das Bild darf angeschaut werden und wird in der Muttersprache beschrieben.

Variante 2: Das Bild darf angeschaut werden und wird in der Arbeitssprache beschrieben.

Variante 3: Das Bild wird verdeckt und in der Muttersprache beschrieben.

Variante 4: Das Bild wird verdeckt und in der Arbeitssprache beschrieben.

 

Verdolmetschung: Ein anderer Gruppenteilnehmer dolmetscht den so entstandenen Vortrag ohne Notizen und ohne Ansehen des Bildes.

Übungszweck: Wie oben und freies Sprechen vor einem Publikum, visualisierendes Gedächtnis, Konsekutivdolmetschen ohne Notizen.

 

Die Gruppe schaut das Bild eine Minute lang an. Die Varianten 3 und 4 sollten möglichst bald gefordert werden. Um das visuelle und logische Gedächtnis zu trainieren, sollten die Teilnehmer dabei versuchen, sich das Bild mit Hilfe eines systematischen Rasters genauer einzuprägen. Während des Vortrags und der Verdolmetschung konzentrieren sich die Gruppenteilnehmer auf die jeweiligen Darbietungen (Rhetorik, Vollständigkeit), um sich auf eine fundierte Leistungsbewertung vorzubereiten.

Nachdem das Aufnahmegerät eingeschaltet worden ist, präsentiert ein erster Teilnehmer das Bild in der Form eines Kurzvortrags. Dabei sollte er die Rolle eines Zeugen oder eines Sachverständigen einnehmen, dabei grüßen, sich vorstellen und die allgemeine Inhaltsangabe des Bildes als Einführung anbieten. Auf eine logische Strukturierung der Beschreibung sollte besonderer Wert gelegt werden. Der Vortragende soll sich immer wieder an die rhetorischen Grundregeln erinnern.

Gleich nach diesem Vortrag erfolgt dessen Verdolmetschung durch einen anderen Teilnehmer, der dieselben Regeln beachtet.

Bewertung der beiden Leistungen in drei Etappen:

Die Bewertung erfolgt in drei Etappen unter der Leitung des Dozenten. Zuerst sollten der Vortragende und der Dolmetscher ihre Eindrücke über die eigene Leistung formulieren: War die Erfahrung positiv? Gab es besondere Schwierigkeiten?

Dann erfolgt die Gruppenbewertung, die selbst eine Übung darstellt. Vortrag und Dolmetschleistung werden sukzessive bewertet. Dabei ist für beide Aufgaben die Anwendung von präzisen, leicht nachvollziehbaren Kriterien durch Beantwortung des folgenden Fragenkatalogs wichtig:

 

Fragen zur Rhetorik:

War der Vortrag (die Verdolmetschung) überzeugend?

Wie war die Atmung? (ruhig? gehetzt?)

War die Artikulation deutlich?

Wie war der Sprechrhythmus? (fließend? abgehackt?)

War die Stimme moduliert, angemessen projiziert?

Wie war die Haltung (Körpersprache)?

Wie war die Gestik? (Oberkörper? Hin- und Herschaukeln sowie das Verschränken der Arme sollen vermieden werden.)

Wie war der Blickkontakt?

Wie waren Anfang und Schluss des Vortrags bzw. der Dolmetschleistung? (Wurde am Anfang die Aufmerksamkeit des Publikums geweckt? Wurde das Ende deutlich gemacht?)

 

Fragen zur Wortgewandtheit:

Wie war der Wortschatz?

Waren die Fachtermini korrekt?

 

Fragen zum visualisierenden Gedächtnis:

War die Beschreibung/Verdolmetschung vollständig?

War die gewählte Reihenfolge schlüssig?

 

Konstruktive Kritik und Kollegialität sind die Grundlagen der für die Dolmetscherausbildung unentbehrlichen Gruppenarbeit. Durch Objektivierung und Bewusstmachung der Schwierigkeiten von Anderen werden eigene Fehler vermieden und Lösungen leichter gefunden. Verschiedene Vorgehensweisen können hierbei angewendet werden:

Zwei Gruppenteilnehmer werden gebeten eine Bewertung anhand objektiver Kriterien in der Form von Kurzvorträgen abzugeben.

Alle Gruppenteilnehmer werden nacheinander gebeten, auf jeweils einen positiven und einen negativen Punkt hinzuweisen.

In beiden Fällen sollte Raum für die Gruppendiskussion gelassen werden. Nach Verinnerlichung der Regeln einer konstruktiven Kritik kann die Gruppe auch ohne Dozent zusätzlich üben. Die Übung kann beliebig wiederholt werden. Selbstverständlich können auch Gruppenteilnehmer Gegenstand einer Beschreibung werden.

2.4.3Übung 2: Beschreibung von Gegenständen

Setting: allein, Gruppenübung

Material: Aufnahmegerät, Bilder von Gebrauchsgegenständen

Übungszweck und Anwendungsgebiet: Wie oben, darüber hinaus Präzision der Fachausdrücke als Vorbereitung auf Gutachten

Aufgabenstellung: Das Bild bitte eine Minute lang betrachten. Am besten das folgende Betrachtungsraster zur Hilfe nehmen:

Einleitung (Gesamteindruck)

Form?

Farbe?

Größe?

Material?

Einzelteile?

Nutzen/Funktionsweise?

Zusammenfassung: Besonderheiten?

Ausführung (max. 3 Minuten)

Das nun verdeckte Bild wird unter Berücksichtigung der oben angegebenen rhetorischen Grundsätze beschrieben. Die Beschreibung wird dann gleich von einem anderen Teilnehmer ohne Notizen gedolmetscht.

Bewertungskriterien (Selbst- und Gruppenbewertung)

Beachtung der Grundkommunikationsregeln (Haltung, Atmung, Blickkontakt, Sprechrhythmus)

Beachtung der Dolmetschetikette

Gedächtnisleistung durch Informationsstrukturierung: Vollständigkeit

Redegewandtheit

Begriffliche Präzision

2.4.4 Übung 3: Beschreibung von Räumen

Setting: allein, Gruppenübung

Material: Aufnahmegerät, Bilder von Räumen

Übungszweck und Anwendungsgebiet: Wie oben, darüber hinaus Präzision der Fachausdrücke als Vorbereitung auf Gutachten oder Zeugenvernehmung

Aufgabenstellung: Das Bild bitte eine Minute lang betrachten. Am besten das folgende Betrachtungsraster zur Hilfe nehmen:

Einleitung (Gesamteindruck)

Hintergrund

Vordergrund

Boden, Fenster, Türen

Möbel

Materialien bzw. Stoffe

Besonderheiten

Zusammenfassung

Ausführung (max. 3 Minuten)

Das nun verdeckte Bild wird unter Berücksichtigung der oben angegebenen rhetorischen Grundsätze beschrieben. Die Beschreibung wird dann gleich von einem anderen Teilnehmer ohne Notizen gedolmetscht.

Bewertungskriterien (Selbst- und Gruppenbewertung)

Beachtung der Grundregeln der Kommunikation (Haltung, Atmung, Blickkontakt, Sprechrhythmus)

Beachtung der Dolmetschetikette

Gedächtnisleistung durch Strukturierung der Information: Vollständigkeit

Redegewandtheit: Begriffliche Präzision

2.4.5Übung 4: Beschreibung einer Szene

Setting: Allein-Übung, Gruppenübung

Material: Aufnahmegerät, Bilder von unterschiedlichen Szenen

Übungszweck und Anwendungsgebiet: Wie oben, darüber hinaus Präzision der Fachausdrücke als Vorbereitung auf Gutachten oder Zeugenvernehmung

Aufgabenstellung: Das Bild bitte eine Minute lang betrachten. Am besten das folgende Betrachtungsraster zur Hilfe nehmen:

Einleitung: Bedeutung der Szene

Ort

Personen (Haltung, Ausdruck, äußere Erscheinung)

Besonderheiten

Zusammenfassung

Ausführung (3 Minuten)

Das nun verdeckte Bild unter Berücksichtigung der oben angegebenen rhetorischen Grundsätze als Zeuge beschreiben. Die Beschreibung wird dann gleich von einem anderen Teilnehmer ohne Notizen gedolmetscht.

Bewertungskriterien (Selbst- und Gruppenbewertung)

Beachtung der Grundregeln der Kommunikation (Haltung, Atmung, Blickkontakt, Sprechrhythmus), Beachtung der Dolmetschetikette, Gedächtnisleistung durch Strukturierung der Information: Vollständigkeit, Redegewandtheit: begriffliche Präzision.

2.4.6Arbeit mit Textinhalten

Biographien, Presseberichte, Video- und Audioaufnahmen werden im Folgenden sowohl zum Selbstüben als auch für die Gruppenübung vorgestellt. Die vorgestellten Aufgaben fördern die rhetorischen Fertigkeiten, das für das Gedächtnis eines Dolmetschers höchstwichtige Visualisieren und das logische Strukturieren. Freies Vortragen und Konsekutivdolmetschen ohne Notizen werden gleichermaßen praktiziert. Unabhängig vom Setting empfiehlt es sich, ein Logbuch über Aufgaben und Aufgabenbewertung zu führen.

2.4.7Übung 1: Presseberichte

Setting: Allein-Übung, Gruppenübung

Material: Aufnahmegerät. Im Voraus zur Kenntnis genommene Medienprodukte in Mutter- und Arbeitssprache, am besten zuerst über internationale Themen.

Übungszweck: Der Gerichtsdolmetscher ist Sachverständiger für Kultur und Politik der Länder beider Sprachen, daher muss er unter anderem täglich die Nachrichten aus den Ländern der Mutter- und Arbeitssprachen lesen, hören oder sehen.

Die nachstehenden Übungen dienen der Förderung folgender Fertigkeiten: Rhetorik, Erweiterung der kognitiven Grundlagen (Kultur, Politik, Soziales), visualisierendes Gedächtnis, Einsatz des eigenen Allgemeinwissens für das Konsekutivdolmetschen ohne Notizen.

Aufgabenstellung und Empfehlungen: Nach Kenntnisnahme der Information wird das Aufnahmegerät eingeschaltet. Die Inhalte sind laut möglichst treu in der Muttersprache und dann in der Arbeitssprache vorzutragen. Es sollte sowohl im Stehen als auch im Sitzen geübt werden.